In unserem Universum gibt es nicht nur „normale“ Materie – sondern auch „dunkle“ Materie: das ist Materie, die nur über ihre Gravitation mit dem Rest des Universums wechselwirkt aber nicht von der elektromagnetischen Kraft beeinflusst wird und deswegen auch „unsichtbar“ ist. Dass diese Materie existiert, wissen wir, da sich der gravitative Einfluss messen lässt. Wir wissen allerdings nicht, was die dunkle Materie genau ist. Aus welchen Teilchen besteht sie?

Derzeit wird also überall auf der Welt eifrig gesucht und geforscht, um das Rätsel um die dunkle Materie endlich lösen zu können. Der Satellit PAMELA sucht(e) im Weltraum nach Hinweisen. Eine der wichtigsten Aufgaben des Teilchenbeschleunigers LHC wird unter anderem die Suche nach der dunklen Materie sein.

Und nun machen sich auch deutsche Physiker daran, ein wenig Licht auf die dunkle Materie zu werfen. In einem interessanten Experiment am DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) soll die dunkle Materie sich durch ihre quantenphysikalischen Eigenschaften verraten.

Im kürzlich veröffentlichten Artikel „Resonant laser power build-up in ALPS – a „light-shining-through-walls experiment“ beschreiben die Autoren um Klaus Ehret vom DESY ihr Experiment. Hier dreht sich alles um den quantenmechanischen Tunneleffekt.

Der Tunneleffekt ist eine seltsame Folgerunge aus der Heisenbergschen Unschärferelation: die besagt, dass ein Teilchen keinen exakt festgelegten Ort bzw. keine exakt festgelegte Geschwindigkeit hat. Die Position eines Teilchens wird durch eine Wellenfunktion beschrieben, die die Wahrscheinlichkeit angibt, dass es sich an einem bestimmten Ort befindet. Daraus folgt, dass ein Teilchen fähig ist, eine (Potential)Barriere zu durchdringen, die für „klassische“ Teilchen unüberwindbar wäre. In der klassischen Physik ist der Ort eines Teilchens immer eindeutig. Entweder es befindet sich auf der einen Seite der Barriere oder auf der anderen. Die Quantenmechanik beschreibt das aber anders: die Wellenfunktion kann die Barriere durchdringen und das Teilchen befindet sich quasi auf beiden Seiten. Es besteht also eine gewisse, geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen zu einem gegebenen Zeitpunkt die Barriere durchdringt („tunnelt“).

Das mag seltsam klingen – aber die Natur verhält sich tatsächlich so. Ohne den Tunneleffekt würde unsere Sonne nicht leuchten und auch Elektronen- oder Rastertunnelmikroskope basieren auf diesem Effekt. Und nun lässt er sich vielleicht auch nutzen, um dunkle Materie zu entdecken.

Es handelt sich hier allerdings um eine andere Art des Tunneleffekts. Quantenmechanische Teilchen können sich auch (mit gewisser Wahrscheinlichkeit) in andere Teilchen umwandeln. Eines dieser Teilchen könnte ein sg. WISP sein („weakly interacting sub-eV particles“). Diese auch Axionen genannten hypothetischen Teilchen gehören zu den vielen Kandidaten, hinter denen die dunkle Materie vermutet wird.

Die Physiker am DESY suchen nun nach folgenden Prozessen: ein Photon wandelt sich spontan in ein WISP um. Das interagiert kaum mit normaler Materie und kann deswegen durch die Wand tunneln fliegen. Dahinter wandelt es sich wieder in ein Photon um. Das Photon hat quasi die Wand durchtunnelt.

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Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit für so einen Prozess sehr gering. Deswegen verwenden die Forscher am DESY auch besonders starke Laser, die sehr viele Photonen aussenden und benutzen auch noch Spiegel, um die Photonen immer wieder auf die Wand zu werfen. Und dann wird gewartet, ob sich ein oder zwei Photonen auf die andere Seite der Wand verirren.

Auf jeden Fall ein interessantes Experiment – und wer weiß: vielleicht ist es erfolgreich! Irgendwann müssen wir diese dunkle Materie ja mal zu fassen kriegen. Ich persönlich glaube, es wird nicht mehr allzulange dauern… hoffentlich habe ich recht 😉

10 Gedanken zu „Wenn Physiker die Wand anstarren: auf der Suche nach der dunklen Materie“
  1. wahrscheinlich eine dumme Frage, aber: kann man denn sicher sein, dass die entdeckten Photonen (wenn welche entdeckt werden) getunnelt haben, und sich nicht sonst wie in den Versuchsaufbau geschlichen haben? Wenn die Wahrscheinlichkeit eines tunnelns sehr gering ist, muss sie doch noch um ein etliches höher sein, als die Wahrscheinlichkeit eines Auftauchens eines Photons von wo anders her – sonst machts keinen Sinn.

  2. Wie lange es wohl noch dauert, bis sich eine Teilchenschutz-Organisation gründet, die die permanente Teilchenquälerei durch die Wissenschaft bei Teilchenversuchen zu stoppen versucht? Was man aber auch schon alles mit armen Teilchen angestellt hat, auf unmenschliche – pardon, unteilchenliche Geschindigkeit beschleunigt, supraheiß erhitzt, auf nahe 0° K abgekühlt, aufeinander geschossen, nicht artgerecht vermischt und jetzt werden sie noch auf Wände geballert. 🙁

    Danke für den interessanten Eintrag und die überaus verständliche Erklärung.

    Grüße
    Christian W

  3. Das interagiert kaum mit normaler Materie und kann deswegen durch die Wand tunneln.

    Ich glaube, das WISP tunnelt nicht, es fliegt durch die Wand und wandelt sich hinterher wieder um, sodass es nur aussieht als sei das Photon getunnelt.

    Wie wird denn eigentlich sichergestellt, dass nicht ein Photon selbst durchgetunnelt ist ?

    Die Tunnelwahrscheinlichkeit kann man vermutlich berechnen, und da sie exponentiell abfällt kann man bestimmt die Wand entsprechend aufbauen, dass sie sehr sehr klein wird. Und dann muss man nach einem Signal suchen, bei dem zuviele Photonen hintendran ankommen.

  4. Soweit ich weiss, funktioniert diese hypothetische Photon-WISP-Oszillation, wenn überhaupt, nur in einem starken Magnetfeld. In dem DESY-Experiment benutzt man dazu einen der supraleitenden Magnete vom abgeschalteten HERA-Beschleuniger, der ein 5.8 Tesla-Feld über eine Strecke von 8.8 Metern liefert – solche Magnetfelder hat’s halt nicht überall… Insofern ist auch das „Kontrollexperiment“ einfach: Wenn man das Magnetfeld ausschaltet und es kommt immer noch Licht durch die Wand, lag’s nicht an den WISPs 😉

  5. Achso, sorry, wollte nochwas dazu kommentieren… Ich denke, der Tunneleffekt ist vielleicht nicht das beste Bild, um zu beschreiben, was in dem Experiment passiert, falls es diese WISPs wirklich gibt.

    Diese Photon-WISP-Umwandlung ist eher so etwas ähnliches wie die Neutrino-Oszillationen im Zusammenhang mit den Sonnen-Neutrinos. Man kann die WISPs mit den Muon/Tau-Neutrinos vergleichen, in die sich die Elektron-Neutrinos aus den Kernreaktionen in der Sonne umwandeln. Für diese Muon/Tau-Neutrinos waren die ersten Neutrino-Detektoren, die man gebaut hat, komplett durchsichtig (so wie die Wand für die WISPs), was der Grund für das „Solar Neutrino Puzzle“ war.

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