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Seit gestern findet in Hamburg die 19. Konferenz der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) statt. Ich habe es leider nicht geschafft, dabei zu sein (ich fahre allerdings nächste Woche nach Hamburg 😉 ).

Glücklicherweise ist einer der Stammkommentatoren bei ScienceBlogs – rolak – dort und hat sich bereit erklärt, von dort zu berichten.

Ich freue mich also, hier seinen Bericht vom ersten Tag der Konferenz präsentieren zu können!



Nachdem Florian aufgefallen war, daß ich mir vorgenommen hatte, die diesjährige GWUP-Konferenz zu besuchen (als langjähriger Sympathisant und recht frisches Mitglied), kam die Bitte nach einer Berichterstattung direkt hinterher. Also gut, wenn es das Blog aushält…

Auf den letzten Metern, vom Dammtor zum Tagungsort Völkerkundemuseum, wurde mir unmißverständlich deutlich gemacht, wie nötig eine gut kommunizierte Aufklärungsarbeit ist:

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Entsprechend motiviert gingen die letzten Meter deutlich schneller vorbei. Die Rothenbaumchaussee (mit dem bekannten Tennisplatz) ist wahrlich kein sozialer Brennpunkt Hamburgs; das Bildungsniveau sollte eigentlich hoch genug sein für ein klares Denken, aber hier läßt sich halt auch die entsprechend zahlende Klientel wesentlich einfacher finden. Um meinen ‚Schlafplatz‘ herum, Millerntor/Schanzenviertel, gab es dergleichen nicht – allerdings Wahrsage-Angebote. Jedem das Seine.

Donnerstag – Publikumstag zum Thema: „Warum die Uhr stehen blieb, als Opa starb“

14:00: Der Pressereferent der GWUP, Bernd Harder, der auch im weiteren Verlauf des Nachmittages den Conferencier gibt, stellt das weite Themengebiet „Astrologie, Parapsychologie, Homöopathie & Co“ vor und reicht weiter an die Vertreter des Podiums (Martin Lambeck, Armadeo Sarma, Phillip Leick, Wolfgang Hell, Rainer Wolf, Michael Kunkel) zu den jeweils passenden Punkten. Gedacht wohl als Übersichtsfenster für die Neulinge, die dem Widerspruch Wissenschaft-Esoterik noch nicht besonders vertraut sind. In diesem Sinne gab es einige unnötig englischsprachige Slides die eher kontraproduktiv waren – aber trotzdem ein gelungener Auftakt.

Gibt es eigentlich eine einfache Erklärung dafür, daß die mittlerweile obligatorischen Funkmikrophone auf jeder besseren Showbühne sehr gut funktionieren, aber in Hörsäälen immer so eingestellt werden, daß sie schwupdiwups in die für die Rückkopplung perfekt geeigneten Bereiche bewegt werden können?

15:15: Das Theaterstück („Die Wahrheit bringt Heilung – Ein ironisch wissenschaftliches Dings über die scheiß Esoterik“ von Jörg Wipplinger und Anne Frütel) fällt für mich aus zwei Gründen aus:

•    es ist nur ein Ausschnitt, die Komplettfassung kommt am Samstag
•    ich muß zum CheckIn

16:15: Mark Benecke referiert über das „Rätsel der spontanen menschlichen Selbstentzündung“, neben einer allgemeinen Übersicht dargelegt an einem konkreten Fall, dessen Auflösung sich über sechs Jahre hinzog. Recht humorvoll, aber sehr gehetzt – es mußte allerdings auch ein für gut zwei Stunden angelegter Vortrag auf 25 Minuten eingedampft werden – das kann einfach nicht ruhig und gemütlich enden. Benecke ist forensischer Biologe, liebt die Konfrontation sowie die Zusammenarbeit mit Parawissenschaftlern („Man muß nicht in allem einer Meinung sein, um gut miteinander auszukommen. Siehe z.B. die Ehe„) um die deren ganz speziellem Blickwinkel zu verdankenden Details nicht zu verpassen. Nur die Fakten, nicht deren Interpretation.

Eine kurze Zusammenfassung, was von seiner Methodik bei mir hängengeblieben ist: Nicht denken, Daten unkommentiert sammeln und experimentieren. Keine Zeugenaussagen. Photos!

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17:00: Massimo Polidoro, „Detektiv des Übersinnlichen„, wird – als Appetizer für den noch folgenden abendlichen Hauptvortrag – von Mark Benecke interviewt (siehe Bild). Was hat ihn zu seiner Berufswahl gebracht (die Geschichten über das Bermuda-Dreieck und andere Stories der 70er und 80er), wie sieht seine Arbeit aus etc.

Etwas detaillierter wurde auf das Mirakel des St Gennaro eingegangen (Blutreliquienverflüssigung) eingegangen und die Versuche, das zu Sehende zu reproduzieren. Auch in diesem Fall sei es, wie recht häufig, nur erreichbar eine mögliche Erklärung zu liefern, aber nicht die letztendliche Klärung zu erzielen.

17:30: Herr Harder skizzierte in „Dunkelmänner oder Erleuchtete?“ einen kurzen Abriß des historisch Bekannten über die Illuminaten und wagte einen Vergleich mit den obskuren Thesen des Dan Brown. Zusammen mit Holm Hümmler folgte eine ähnlich trefferarme scheinende Gegenüberstellung in des Buches Themenbereich CERN/Antimaterie.

Große Pause: auf der (vergeblichen) Suche nach einem in dieser Gegend wohl nicht lebensfähigen Internetcafé fand ich einen Thai-Imbiß, mit derselben Schwäche geschlagen wie seine Kölner Kollegen: Man kann noch so sehr beteuern, eine wirklich richtig scharfe Ausgabe des Gerichtes zu mögen und überleben zu können – nach dem ‚Aber gerne‘ bleibt letztendlich nur ein pikant gewürztes Essen übrig. Hier ist anscheinend die Integration schon viel zu weit fortgeschritten…

20:15: Der große Abendvortrag von Massimo Polidoro: „In Search of Mysteries“. Einen kleinen Nachschlag zu der Fremdsprachlichkeit: In diesem Falle ist es natürlich weder von Signore Polidoro zu erwarten, seinen Text in deutsch zu Gehör zu bringen wie vom Publikum, denselben in Italienisch verstehen zu können. Dieses Mal ist englisch der angesagte vernünftige Kompromiss.

Da der Vortrag mit den eingestreuten magischen Elementen zu unterhaltsam war, blieben nur fragmentarische Notizen übrig 😉

Als einleitendes und rahmengebendes Publikumsspiel kam das Geheimnis der erratenen Lusche: Sechs 7,8,9-en aus dem Skatblatt, Werte+rot/schwarz gemischt, werden gezeigt, eine Karte soll gemerkt werden, gezeigt wird danach ein 5er-Satz Karten und oh Wunder, die Gemerkte ist nicht dabei. Kann sie auch gar nicht, da der zweite Satz Karten völlig disjunkt zum ersten ist, aber durch die geforderte Fokussierung auf die Merkkarte fällt das kaum jemandem auf. Zumindest keinem in meinem Bekanntenkreis, die diese Nummer schon seit Jahren über sich haben ergehen lassen müssen.

Es folgte als Einleitung wieder ein kurzer Abriß der Attraktionspunkte des Werdeganges (Houdini, Geller, Randi, ..) und danach eine Beschreibung ausgewählter Beispiele von „Phänomenen“, die Polidoro untersucht hat:

  • Uri Gellers Löffelnummer (vorgeführt)
  • das mumifizierte Ei
  • Feuerlaufen
  • der energetische KO-Schlag
  • das Mädchen das mit ihrem „Röntgenblick“ Karten in einer Kiste sehen kann (vorgeführt)
  • die Russin, der eine telekinetische Beeinflussung von Alu-Zigarrenhülsen und Matrjoschkas [nicht] gelungen ist (vorgeführt)
  • ebenfalls aus Uri Gellers schmalem Bühnenrepertoir: die Sitzlevitation (vorgeführt)
  • Pareidolie und artverwandte Sinnestäuschungen (u.a. der unvergessene Gorilla in der Ballsportgruppe)

continued on the next rock – Morgen gehts weiter!

19 Gedanken zu „„Wissenschaft unter Beschuß“: GWUP Konferenz in Hamburg“
  1. @Florian bzw rolak

    Kann man irgendwo etwas zum „Geheimnis der erratenen Lusche“ finden. Ich verstehe nicht um was es geht, spiele allerdings auch nicht Skat.

    Als Fan der Sendung „Die Tricks der grössten Zauberer“ wäre ich schon an diesem „Trick“ interessiert.

    Danke im Voraus und schönes Wochenende

    Eddy

  2. @Eddy: Das ist ein simpler Zaubertrick. Da liegen z.B. 5 Karten für die: Herz 6, Pik 7, Karo 8, Kreuz-7 und Herz 8. Du sollst dir eine aussuchen – z.B. die Karo 8 – aber niemanden sagen, welche Karte es war. Dann werden die Karten „gemischt“ (d.h. unbemerkt ausgetauscht) und neu aufgelegt: Herz 7, Pik 8, Karo 6, Kreuz 9, Herz 9. Überraschung: „deine“ Karte ist verschwunden! Der Trick besteht natürlich darin, dass alle Karten ausgetauscht worden sind – aber weil du dich nur auf deine Karte konzentriert hast und die richtige Mischung von rot/schwarz beibehalten wurde, fällt es dir nicht auf. Denn Trick gibts auch recht oft online, zum selber spielen. Ich find allerdings gerade keinen Link.

  3. @rolak,

    was ist denn „das mumifizierte Ei“? Ich habe dazu nichts gefunden und bisher auch noch nie etwas davon gehört. Wäre nett, wenn Du das erklären könntest.
    Danke im Voraus und viel Spaß noch auf der Konferenz!
    Sarah

  4. He, wieso sagt mir denn keiner bescheid, wenn so eine Konferenz direkt vor meiner Haustür stattfindet? Naja, morgen werde ich wohl nochmal vorbeischauen können.

    @rolak: In jedem vernünftigen Thai-Imbiss stehen auf dem Tisch Gewürze, unter anderem auch ein Gläschen Sambal Olek. Damit helfe ich dem Essen in der Regel nach und kann mich dann nicht mehr beschweren.

  5. Das mumifizierte Ei dürfte auch schwer zu finden sein, dafür aber um so leichter herzustellen. Eine Frau behauptete, ein in einem Teller aufgeschlagenes Ei durch wie auch immer wirkenden Einfluß ihrer magischen Hände so zu verändern, daß es binnen einiger Tage mumifiziere, also schrumpele und überhaupt keinen Geruch mehr abgebe. Sieht wirklich merkwürdig aus. Wie ein von Herrn Polidoro durchgeführter Test zeigte, verhielten sich die Eier der wg der starken benötigten Energie mehrere Räume weiter gelagerten Kontrollgruppe genauso: Dehydration.

    Sambal Olek ist mir wahrlich nicht unbekannt, ist aber imho nicht zu vergleichen mit der massiven Grundschärfe der mitgegarten Hardcoreschoten. Zusätzlich ist es auch noch ein starkes Aroma, das mir den Geschmack zu sehr verfälscht.

    Zu Beneckes Photos kann ich vergleichenderweise nichts sagen (da ich den Vampirvortrag leider nicht gesehen habe) und nach der Ausbildung im Rahmen des Katastrophenschutzes mag ich auch einiges gewohnt sein. Trotzdem muß ich mir verkneifen, bei der Betrachtung mancher Bilder daran zu denken, daß Menschen abgebildet sind. Bzw Reste von ihnen.

  6. Warum bleibt denn nun die Uhr stehen, wenn Opa stirbt?
    Ich will das wissen, Ich bin von diesem Phänomen persönlich betroffen (wenn ich den Erzählungen meiner Oma glauben schenken darf)

    Nunja, Digitaluhren gab´s damals wohl noch nicht – Die Uhren mussten regelmässig aufgezogen werden. Das kann man evtl. auch mal vergessen. Besonders wenn gerade ein Weltkrieg stattfindet und Oma in den Luftschutzbunker fliehen musste. Zudem hatte Opa leider gerade an der Ostfront in Stalingrad zu kämpfen – da starben Tausende innerhalb weniger Stunden. Viele Todesfälle an einen Tag – viele stehengebliebene Uhren. Das diese Ereignisse sich in vielen Fällen überschneiden können, ist eigentlich keine Überraschung…

    Zudem möchte Oma in den Erzählungen über den tragischen Tod Opas in nichts nachstehen, was die Nachbarin ihr erzählt hat, als ihr Gatte gefallen ist. Die Uhr blieb genau zu diesen wichtigen Zeitpunkt stehen. Aber wie „genau“ ist das, und hat man in der Trauer nicht andere Sorgen, als die Uhr aufzuziehen? Schaut Oma dann nach den ersten Schock der schlechten NAchricht auf die Uhr und sie steht – ausgerechnet auf halb zwo, und Opa soll gegen Mittag verstorben sein – dann ist das ein Zusammenhang. Dass die Uhr vielleicht schon in der Nacht zuvor stehen blieb, daran denkt in dieser Situation ja keiner…

    Wir mit unseren Digitaluhren können uns das heute gar nicht mehr vorstellen… Passiert auch nicht mehr, denn so eine Batterie für die Uhr hält Jahre.

    Bin schon ganz gespannt auf Deine weiteren Berichte, Rolak! 😉

  7. Ich fand es schon immer klasse, wenn Mark Benecke in Fernsehsendungen wie „Autopsie – Mysteriöse Todesfälle“ den wissenschaftlich interessierten RTL2 Guckern die Herkunft der Blutspritzer in der Wohnung erklärte. In der Webepause sah man dann die Titten-Mädels die einen animierten die 0190-Nummern zur späten Stunde zu wählen, und dann ging es auch wieder mit GWUP-Mark und den Maden weiter…

  8. Essen: raus, über die Strasse, dann nach rechts, kurz die Auslagen des anthroposophischen Buchladens bewundern, weiter, weiter: ein sehr gutes indisches Restaurant. Ich hatte was mildes, aber die Qualitaet war ausgezeichnet, und auf der Karte war eine gute Auswahl.
    Noch was: seit heute folget mir @gwupwatch auf twitter – kannte ich bisher nicht. Ist aber interessant. Extreme Meinungen können ja sehr interessant sein.

  9. Da muß gestern nacht ein Kommentar in St.Pauli hängen geblieben sein, also nochmal aus dem Gedächtnis:

    @lisa: schönen Dank für die extra-links. Auch Florian hat sich schon ungemein positiv bemüht, meinen eher blanken Text (wenig Zeit und der recht zähe Firefox on a slow stick) mit ausreichend Querverweisen zu versehen.

    @SENFtube: Ein wahrlich schlechter Name – ich habe [übrigens heute schon wieder] plötzlich so einen verstärkten Kohldampf 😉 Es ist tatsächlich die schiere Anzahl täglich ihr Schlüsselerlebnis verlangender Regulatoren kombiniert mit der hohen Sterblichkeit von Soldaten im aktiven Einsatz die Ursache für die damalige Häufung derartiger Erlebnisse. Wie auch in vielen anderen Bereichen, in denen eine kleine Einzelwahrscheinlichkeit durch die große Zahl von Menschen zur Gewißheit wird.

    ..und neu:

    @Stefan: Danke auch – jedoch so sonderlich außerhalb der GWUP fühle ich mich nicht, nur neu 😉

    @Christian Hauk: Zu spät, aber das Netz merkt sich ja alles, also evtl für den nächsten HH-Besuch. Allerdings ist meine Scharfverträglichkeit auch ziemlich extrem. gwupwatch^^ gibt es da auch ein Netzäquivalent? Muß ich morgen mal suchen, wat et all jit…

  10. Hallo rolak,

    << auf der (vergeblichen) Suche nach einem in dieser Gegend wohl nicht lebensfähigen Internetcafé << doch, war direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite.

  11. @Florian

    Danke für die nette Erklärung. Leider war ich anderswo unterwegs und hatte meinen Beitrag vergessen 🙁 SORRY

    Einen ähnlichen Trick bekam ich schon öfter per E-mail geschickt und ich kann einfach nicht verstehen, wieso die Leute auf so einen Scheiss immer wieder hereinfallen.

    Allein schon die Idee, dass ein Powerpointscript oder ein Pdf hellsehen könnten ist so absolut idiotisch…. Und es bedeutet 10 Sekunden „Arbeit“ um den Trick aufzudecken.

    Die Leute glauben aber lieber an Hokuspokus als nachzusehen!

    Also noch einmal schöne Ferien und bis denne

    Eddy

  12. Na sowas^^ aus lauter optimierender Faulheit bin ich immer verkehrsangepasst schräg losgegangen, je nachdem, wohin ich wollte. So blieb das -unverdächtig aussehende- Gegenüber eindeutig zu unbeachtet.

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