Darüber, dass Herr Johann Grander aus Tirol mit der Anleitung Gottes Wasser „belebt“ wurde bei Scienceblogs schon geschrieben. Auch darüber, dass an diesem Wasser absolut nichts besonderes ist und dass sogar ein Gerichtsurteil existiert laut dem man Granderwasser als aus „dem Esoterik-Milieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug“ bezeichnen darf ebenfalls. Da mag sich mancher vielleicht wundern wieso dieser Mann, der ja offensichtlich keinerlei wissenschaftliche Leistung vollbracht hat im Jahr 2001 eine offizielle wissenschaftliche Ehrung (das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst) verliehen wurde (naja – der gelernte Österreicher wundert sich über sowas schon lange nicht mehr).

Nichtsdestotrotz ist es geschehen. Im Juni diesen Jahres haben nur 4 österreichische Parlamentsparteien einen Antrag eingebracht laut dem Johann Grander dieses Ehrenkreuz wieder aberkannt werden soll. Eine reine Formalität sollte man meinen. Fehler können natürlich mal passieren – vielleicht hat sich die damalige Wissenschaftsministerin (Elisabeth Gehrer) einfach mal geirrt (würde mich bei ihr nicht wundern). Spätestens seit dem oben erwähnten Gerichtsurteil aus dem Jahr 2006 sollte aber eigentlich jedem klar sein, dass Grander keine wissenschaftliche Leistung erbracht hat und das man das Ehrenkreuz für Wissenschaft dummerweise für eine pseudowissenschaftliche „Leistung“ verliehen hat. Mittlerweile sitzt auch eine neue Person auf dem Ministersessel: Johannes Hahn müsste sich also nichteinmal persönlich getroffen fühlen wenn er die Entscheidung seiner Vorgängerin rückgängig macht.

Minister Hahn ist also dem Antrag auf Aberkennung nachgekommen und hat Grander das Ehrenkreuz aberkannt, oder? Nein – hat er nicht. Und zwar mit folgender Begründung:

Heinrich Gross hat während des zweiten Weltkriegs Kinder umgebracht.

Diese Begründung mag manchen überraschen – vor allem weil sie absolut nichts mit Herrn Grander und seinem Granderwasser zu tun hat. Minister Hahn „argumentiert“ folgendermassen: Es gab erst einen einzigen Fall, in dem ein Ehrenkreuz aberkannt wurde. Und zwar 2003, als es eben jener Heinrich Gross wieder zurückgeben musste nachdem seine Tätigkeiten während des zweiten Weltkriegs an die Öffentlichkeit gelangten. Nun ist Herr Grander definitiv kein Verbrecher und „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der beiden Fälle zueinander“ ist die Aberkennung im Fall Granders „nicht zu vertreten“ – meint Hahn.

Alles klar? Nein – mir jedenfalls nicht. Es ist auf jeden Fall gut, dass Gross sein Ehrenkreuz abgeben musste. Aber es ist mir unverständlich, wieso er deswegen gleich zum ultimativen Massstab für Wissenschaftlichkeit avanciert. Ob Grander eine wissenschaftliche Leistung erbracht hat, die eine Ehrung rechtfertigt, hängt absolut nicht davon ab was Heinrich Gross getan hat! Um zu beurteilen, ob Grander sein Ehrenkreuz verdient hat oder nicht sollte man Granders Arbeit beurteilen. Und er hat nunmal keine wissenschaftliche Leistung erbracht. Ich stimme Hahn zu, dass Gründe für die Aberkennung „ernsthaft und schwerwiegend zu sein haben“. Aber ich denke, das Nichterbringen einer wissenschaftlichen Leistung und die Bezeichnung von Granders Arbeit als aus „dem Esoterik-Milieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug“ sind durchaus ernsthafte und schwerwiegende Gründe für die Aberkennung einer wissenschaftlichen Ehrung.

Aber Herr Hahn und ich haben da anscheinend unterschiedliche Meinungen. Aber es gibt ja glücklicherweise die Möglichkeit, nochmal direkt beim Minister nachzufragen. Dr. Edmund Berndt (den Stammlesern hier sicher bekannt) und Franz Groll haben diese Möglichkeit genutzt und bei meinparlament.at Herrn Hahn direkt nochmal gefragt wie er die Nicht-Aberkennung begründet. Wenig überraschend lautete seine Antwort wie folgt:

„Aufgrund der nicht gegebenen Verhältnismäßigkeit zum einzig
vorliegenden Fall einer Aberkennung eines verliehenen Österreichischen
Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse im Falle Heinrich
Gross, bei dem unbestritten und eindeutige ernsthafte und
schwerwiegende Gründe im Sinne des § 8 a des zitierten Bundesgesetztes
gegeben waren, ist die Anwendung des § 8 a im gegenständlichen Fall
nicht zu vertreten.“

Also wieder dieses unsinnige Gross-Argument.

Da ich mir wirklich nicht vorstellen kann, dass Herr Hahn das wirklich für eine vernünftige Begründung hält, habe ich nochmal nachgefragt:

Sg. Herr Hahn,

Auch wenn die Frage oben schon von Ihnen beantwortet wurde möchte ich
doch noch einmal nachfragen: Sie rechtfertigen die Beibehaltung des
Ehrenkreuzes für Grander damit, dass dieser im Gegensatz zu Gross kein
Kriegsverbrecher ist. Ich verstehe die Motivation dieser Antwort
überhaupt nicht. Sollte nicht jeder Fall unabhängig von anderen
beurteilt werden? Und sind es keine „schwerwiegenden Gründe“, wenn eine
wissenschaftliche Ehrung an jemanden verliehen wird, der nachweisbar
keine wissenschaftliche Leistung erbracht hat? Wieso müssen im Fall
Grander die Verbrechen von Gross als Beurteilung herhalten die dazu in
absolut keinem Zusammenhang stehen?


Als österreichischer Wissenschaftler kann ich diese Entscheidung
absolut nicht nachvollziehen – und schäme mich ehrlich gesagt auch
dafür Wissenschaftler aus einem Land zu sein in dem offizielle
wissenschaftliche Ehrungen an Pseudowissenschler verliehen werden (Ich
lebe im Ausland und diese Entscheidung ist den Wissenschaftlern hier
genauso unverständlich wie mir).

Über eine ernsthafte Antwort die über das bisher gesagte hinausgeht würde ich mich sehr freuen!


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Florian Freistetter

Ich habe also konkret danach gefragt, wieso hier der Fall Gross als Argument für den damit in keinem Zusammenhang stehenden Fall Grander verwendet wird. Der Herr Minister hat mir folgendes geantwortet

Sehr geehrter Herr Dr. Freistetter


Die Weiterentwicklung wissenschaftlichen Arbeitens und Forschens auf
höchstem Niveau ist für mich eine der wichtigsten Aufgaben. Der bei den
Technologiegesprächen 2007 in Alpbach begonnene Forschungsdialog
mündete kürzlich bei den Technologiegesprächen 2008 in 10
Zukunftsbotschaften, die von der Heranführung der Jugend an die
Wissenschaften bis zur Förderung von Exzellenzinitiativen ein breites
Spektrum umschließen. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst,
Menschen für Wissenschaft und Forschung zu gewinnen, vor allem in den
naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen, um Österreich
international zu einem Frontrunner zu machen. Das beinhaltet auch die
ständige kritische Diskussion über Probleme, Verfehlungen und
Potentiale unseres Wissenschaftsstandorts.


Die von Ihnen angesprochene Fragestellung nehme ich daher sehr ernst
und ich habe bereits veranlasst, die Thematik der Vergabe von
sichtbaren Auszeichnungen und Ehrungen einer kritischen Evaluierung zu
unterziehen, um gegebenenfalls gemeinsam in einer nächsten
Bundesregierung eine Neubewertung vorzunehmen.


Mit freundlichen Grüßen


Ihr Johannes Hahn

Eigentlich hätte ich es ja besser wissen können. Das Klische des Politikers der mit vielen Worten nichts sagt und sich um jede konkrete Antwort drückt scheint sich hier wiedermal zu bestätigen. Ich wollte von Minister Hahn kein Statement zur Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Arbeiten und Forschens auf höchstem Niveau (auch wenn es schön zu hören ist, dass er das als eine seiner wichtigsten Aufgaben ansieht). Auch nach „Zukunftsbotschaften“, „Exzellenzinitiativen“ u.ä. habe ich nicht gefragt. Ich wollte von ihm wissen wieso er so eine absurde Begründung für seine Entscheidung im Fall Grander angegeben hat! Darauf ist er mit keinem einzigen Wort eingegangen. Ich frage mich, was Minister Hahn sich denkt, wenn er so eine Antwort verfasst? Dass ich mich nach der Lektüre zufrieden zurücklehne und mir denke: „Schön, jetzt ist ja alles klar“? Steckt diese ausweichende Sprache und die Vermeidung von konkreten Aussagen so tief in den Politikern drinnen das sie gar nicht mehr anders können selbst wenn sie eigentlich wissen müssten, dass man so eine Antwort nicht ernst nehmen kann?

Ich weiß auch nicht, ob ich den letzten Absatz positiv interpretieren soll? Das klingt für mich doch zu sehr nach typischen Politiker-Wischi-Waschi. „gegebenenfalls eine Neubewertung vornehmen“ klingt jetzt auch nicht gerade nach einer starken Handlungsansage – vor allem, weil Hahn voraussetzt, dass seine Partei, die ÖVP, nach der Wahl am 28. September immer noch in der Regierung vertreten ist (was ich doch nicht hoffen will). Wenn er die „Fragestellung sehr ernst“ nehmen will hätte er vor kurzem die Chance dazu gehabt in dem er dem Antrag auf Aberkennung zugestimmt hätte. Aber der kam ja nicht von seiner Partei (vermutlich war das der eigentliche Grund).

Nachfragen ist ja bei meinparlament.at leider nicht vorgesehen. Es macht also kaum Sinn, dort nochmals zu probieren ein konkretes Statement von Herrn Hahn zu seiner absurden Gross-Begründung zu bekommen. Aber vielleicht verirrt er sich ja zufällig mal auf diese Seite 😉 Dann möchte ich ihn gerne nochmal konkret fragen:

  • Was hat Heinrich Gross mit Johann Grander zu tun?
  • Wieso ist nicht die wissenschaftliche Leistung das ausschlaggebende Kriterium für die Verleihung einer wissenschaftlichen Auszeichung?
  • Welche vernünftigen Gründe kann es geben, eine wissenschaftliche Auszeichnung für aus „dem Esoterik-Milieu stammende[n], parawissenschaftliche[n] Unfug“  zu vergeben?
  • Reicht es in Österreich aus, kein Mörder zu sein, um offiziell geehrt zu werden?

Mit dem immer-noch-Ehrenkreuz-Träger Johann Grander der vom offiziellen Österreich eine wissenschaftliche Ehrung dafür bekommen hat, nach Anleitung Gottes Wasser zu „beleben“ ist Österreich international gesehen jedenfalls kein „Frontrunner“ – eher eine Lachnummer.


Ähnliche Beiträge: Wissenschaftsorden für Granderwasser bleibt, Lob unseres Wissenschaftsministers, Granderwasser: Wissenschaftsministerium beharrt auf Ehrenkreuz für Esoterik, Wir sind im Staatsfunk

19 Gedanken zu „Wenn Minister (nicht) antworten: Herr Hahn und das Granderwasser“
  1. weil Hahn voraussetzt[,] das[s] seine Partei, die ÖVP, nach der Wahl am 28. September immer noch in der Regierung vertreten ist (was ich doch nicht hoffen will).

    Was sonst? Rot-Grün wird sich nicht ausgehen, weil Rot zuviel verlieren wird. Rot-Blau will ich wirklich nicht hoffen und kann ich mir auch schwer vorstellen. Was gibts dann noch für Möglichkeiten?

    <gelernter Österreicher>Es kommt nix Besseres nach.</gelernter Österreicher>

  2. @David: Naja, man darf ja noch hoffen 😉 SPÖ/Grüne/LIF vielleicht? Oder wirklich mal ne Minderheitsregierung? Irgendwas anderes als die ewigen großen oder rechten Koalitionen jedenfalls – wär schonmal ein Fortschritt.

    P.S. Und danke für das zweite „s“ (diese s/ss/ß Geschichte geht mir irgendwie auf die Nerven. Kann man da nichtmal ne neue Rechtschreibreform machen? Vorallem das „ß“ könnte man echt mal abschaffen…)

  3. Ausgerechnet, wenn ich mal in der deutschsprachigen Wikipedia krame, um einen adäquaten Begriff für den hier von Herrn Hahn geleisteten logischen Trugschluss zu finden, finde ich einen konkreten Anlass, mal zur Wiki beizutragen — und habe gleich schlechtes Gewissen, weil ich es sein lasse.

    Egal; Non-sequitur: Nur, weil der Extremfall von Kindesmord als Eichmaß für die Aberkennung einer Auszeichnung plakatiert wurde, folgt daraus nicht, dass die verfehlte Ehrung für Grander moralisch vertretbar ist.

    Der „moving goalpost“ könnte auch passen: Kriterien der Aberkennung als bewegliche, schwer zu peilende Ziele. Falls jemand gute deutschsprachige Begriffe für diese „logical fallacies“ hat, wäre ich für Tipps dankbar.

  4. @marko: „moving goalpost“ Hab ich schon selber nach einem Wort gesucht: Mit zweierlei Maß messen?

    Besonders gut passt es auf Homöopathie-Anhänger, die einerseits subjektive Einzelberichte für beweiskräftig halten, andererseits aber wenn sie mit der wissenschaftlichen Literatur konfrontiert werden, pauschal die wissenschaftliche Kompetenz der Studienautoren und deren Integrität anzweifeln.

  5. 😉 der Herr Minister hat die Antwort mit ziemlicher Sicherheit nicht selber geschrieben… Mit viel Glück (oder auch nicht..) war es jemand aus seinem Kabinett oder es liegen für solche Anfragen bereits vorgefertigte Schreiben auf, die nur mehr verschickt werden…

  6. @Birgit: Ja, wahrscheinlich geht das vollautomatisch: Mein Frage wurde nach Schlüsselworten gescannt und weil ich „Wissenschaftler“ und „Ausland“ erwähnt habe wurde gleich dieser Sermon über österreichische Forschungspolitik, Exzellenzinitiativen und „Frontrunner“ ausgespuckt 😉 Ich hab ja eh schon länger das Gefühl dass hinter der österreichischen Regierung nur ein schlecht geschriebenes Computerprogramm steht. Oder vielleicht muss nur der Minister-Roboter wiedermal überholt werden 😉 (Ich find gerade leider keinen Link zum Ausschnitt aus der genialen Donnerstalk-Sendung mit dem Schüssel-Roboter)

  7. Nicht nur Roboter – auch so arme Arbeitssklaven wie meiner-einer 😉 die eine möglichst oportune Antwort produzieren müssen – eigenes Denken unerwünscht…

  8. Nein, dort noch nicht *G*
    aber bei uns läuft das so: Freitag 15 Uhr – Anruf aus dem Ministerium – der Herr/die Frau Minister/in braucht in 5 min das und das oder eine stellungnahme oder eine antwort auf die und die frage

  9. @Florian
    „Kann man da nichtmal ne neue Rechtschreibreform machen? Vorallem das „ß“ könnte man echt mal abschaffen…)“

    Das wäre toll, dann kann ich endlich in Massen trinken und muss mich nicht mehr mäßigen. 😉

  10. @Marek: also ich weiß nicht – Ich denke die Probleme wären in der Realität nie so groß wie in solchen kontruierten Beispielen. Ausserdem macht das Trinken in Massen auch oft Spass 😉

  11. Das Problem mit dem ß habe ich nie ganz verstanden. Seit der Reform ist das doch so einfach wie es nur geht: nach kurzem Selbstlaut ss, nach langem Selbstlaut ß. Fertig. Immerhin betont man „Grüße“ ja auch anders als „Küsse“.

    Im Anlassfall besteht das Problem aber schon zwischen s und ss – da hilft diese Regel natürlich nicht weiter, aber da hilft es auch nicht, das ß abzuschaffen…

    Florian, was ist es, das du willst? Ist es das, dass das „das“ das „dass“ ersetzt? (Diese Frage vor der Beantwortung bitte 10mal laut vorlesen!) 😉

  12. @Ulrich: Alles soll besser werden und zwar sofort! 😉

    Naja – mir würde es schon reichen, wenn sich die deutsche Rechtschreibung mal zwischen ss und ß entscheidet. Das verwirrt mich anscheinend irgendwie. Mit das/daß hatte ich nie Probleme – aber das/dass bringe ich dauernd durcheinander 😉

  13. Ich erinnere da and die praktische Merkhilfe aus der Grundschule: wenn sich „das“ (nach einem Komma) durch ein „welches“ ersetzen ließe, schreibt man’s mit einem s, wenn nicht, IMMER mit zwei 🙂
    Beispiel: „Das Essen, das vergiftet war“ ( -> Das Essen, welches vergiftet war)

  14. In letzter Konsequenz müsste man allen Österreicherinnen und Österreichern die keine Kindesmörder sind, das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verleihen. Großes österreichisches Kabarett, da verblassen selbst wir Science Busters vor Neid!

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