Es ist wohl die einfachste astronomische Beobachtung, die man machen kann: Tagsüber ist es hell, nachts ist es dunkel! Diese Tatsache ist so fundamental das kaum jemand wirklich darüber nachdenkt. Dabei lassen sich allein aus dieser simplen Beobachtung grundlegende Eigenschaften unseres Universums ableiten!
Die Frage, warum es nachts dunkel ist, wird heute im Allgemeinen als „Olberssches Paradoxon“ bezeichnet. Es geht zurück auf Heinrich Wilhelm Olbers der sich 1826 über genau dieses Problem Gedanken machte. Aber warum sollte man sich über dieses Thema überhaupt Gedanken machen? Eigentlich ist doch klar, warum es nachts dunkel ist: dann geht die Sonne unter (bzw. genauer: es dreht sich die Erde soweit, das der eigene Standort nicht mehr von der Sonne beschienen wird). Warum sollte es nachts nicht dunkel sein?
Die Überlegungen lauteten damals in etwa so: Im Universum gibt es überall Sterne (unendlich viele) die mehr oder weniger gleichmäßig verteilt sind. Egal an welche Stelle des Himmels man blickt, man müsste eigentlich immer einen Stern sehen! Das Licht eines Sterns erlischt nicht irgendwo unterwegs – auch wenn der Stern sehr weit weg ist, kommt etwas davon auf der Erde an. Der Himmel dürfte also nicht dunkel sein – sondern vielmehr taghell! Was ist also der Grund dafür, das es nachts trotzdem dunkel ist?
Betrachten wir dazu die obigen Überlegen etwas genauer. (Jetzt kommt ein kleines bisschen Mathematik – aber keine Angst; es wird nicht schlimm! 😉 Wer trotzdem gleich zur Konklusio der Rechnungen springen will, kann das HIER tun.) Es wird davon ausgegangen, dass die Sterne das Universum gleichmäßig ausfüllen. Wenn jeder Stern nun eine bestimmte Leuchtkraft L hat, dann hängt die Energie f die uns auf der Erde von einem Stern erreicht von dessen Entfernung d ab. Und zwar quadratisch: je weiter der Stern entfernt ist, desto geringer ist auch die Energie, die ankommt – es gilt also
f = L/(4πd²)
Der Faktor 4π kommt daher, das ein Stern seine Energie nicht nur in Richtung der Erde abstrahlt sondern kugelförmig in alle Richtungen.
Denken wir uns nun eine Kugelschale voller Sterne, die die Erde in Abstand r umgibt. Nennen wir die Dicke der Schale h und gehen davon aus, das sich in einem Einheitsvolumen dieser Schale n Sterne befinden, dann ist die Gesamtzahl N der Sterne, die sich in der Kugelschale befinden n-mal das Kugelschalenvolumen. Also
N= 4 π r² h n
Die gesamte Strahlungsenergie F, die uns auf der Erde aus dieser Kugelschale voller Sterne erreicht ist also gleich f mal N oder
F=L n h
Das wichtige an diesem Ergebnis ist nun, das die gesamte Strahlungsenergie, die uns auf der Erde erreicht nicht von der Entfernung abhängt! Je weiter weg die Sterne sind, desto schwächer ist auch die Energie die uns erreicht; gleichzeitig steigt aber auch die Anzahl der Sterne, je weiter wir uns von der Erde entfernen. Diese beiden Effekte gleichen sich gegenseitig aus. Von den nahen Kugelschalen voller Sterne erhalten wir also genausoviel Licht wie von den weit entfernten! Wenn es also wirklich unendlich viel, gleich verteilte Sterne im Universum gibt, dann müsste der Himmel tatsächlich taghell sein!
Die Rechnung ist richtig – wir wissen aber, das der Nachthimmel nicht dunkel ist. Irgendetwas muss also mit den ursprünglichen Annahmen nicht stimmen. Aus heutiger Sicht ist die Lösung relativ leicht – aber 1826 (bzw. früher – denn dieses Paradoxon war auch schon vor Olbers bekannt) war die ganze Angelegenheit etwas komplizierter. Ich habe schon an anderer Stelle erklärt, das es relativ lange gedauert hatte, bis man sich über die generelle Struktur unseres Universums im Klaren war. Erst um 1920 herum fand man langsam heraus, das sich die Sterne in Galaxien anordnen. Und erst Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts konnte man vernünftige Theorien über die Entstehung und die Entwicklung unseres Universums aufstellen.
Was sind also aus heutiger Sicht die Gründe dafür, das der Nachthimmel dunkel ist? Einer der wichtigsten Gründe ist die endliche Lebensdauer der Sterne. Früher dachte man, Sterne wären wie das Universum ewig und unveränderlich. Heute wissen wir das Sterne – wie alles andere – entstehen und vergehen. Die allerersten Sternen, die in unserem Universum entstanden sind, sind heute längst schon wieder verloschen – die Annahme das unser Blick immer irgendwo am Himmel auf einen Stern trifft ist also nicht haltbar! Ausserdem wissen wir heute, dass auch das Universum nicht unendlich alt ist sondern irgendwann in der Vergangenheit entstanden ist. Licht bewegt sich schnell – aber mit endlicher Geschwindigkeit. Es kann also sein, das es Lichtquellen im Universum gibt, die so weit entfernt sind das uns ihr Licht bis heute noch nicht erreicht hat. Schließlich weiß man heute auch, dass sich das Universum ausdehnt. Die elektromagnetische Strahlung, die uns von bewegten Quellen erreicht, ist zu höheren oder niedrigeren Frequenzen verschoben. Wir können nur einen bestimmten Teil des elektromagnetischen Spektrums sehen. Verschiebt sich die Frequenz der Strahlung eines Sterns so weit, das sie ausserhalb des sichtbaren Bereichs fällt, dann kann sie vom menschlichen Auge auch nicht mehr gesehen werden. Die Tatsache, das sich unser Universum ausdehnt führt also einerseits dazu, dass das Licht weit entfernter Sterne so stark verschoben ist, das wir es nicht mehr sehen können. Andererseits begrenzt die Ausdehnung des Universums auch die größe des von uns beobachtbaren Bereichs (und damit die Anzahl der Sterne, die wir sehen können).
Allein die Beobachtung, das es in der Nacht dunkel und am Tag hell ist, ermöglicht es uns also folgenden Aussagen über unser Universum zu treffen:
- Das Universum ist nicht unendlich alt sondern entstand irgendwann in der Vergangenheit
- Das Universum dehnt sich aus.
- Sterne leben nicht ewig sondern entstehen und vergehen.
Das sind doch ziemlich fundamentale Aussagen, verglichen mit der Einfachheit der zugrunde liegenden Beobachtung! Und wieder einmal ein gutes Beispiel, welche faszinierenden Dinge man mit Hilfe der Astronomie herausfinden kann!
hmmm…. das ist also jetzt wirklich interessant… auch wenn ich mir die Formeln morgen (in ausgeschlafenem Zustand) noch einmal ansehen muss, das Grundsätzliche habe ich gleich mal begriffen (hier mal ein Dank an den Autor für die „simple“ Schreibweise, die auch ich Vollzeit-Laie verstehe. 🙂
Eine Anmerkung habe ich noch:
„Was sind also aus heutiger Sicht die Gründe dafür, das der Nachthimmel dunkel ist. Einer der…“
Ich glaube, zwischen den beiden Sätzen sollte „?“ stehen und nicht „.“
Außerdem ist mir noch nicht ganz klar, warum sich der Frequenzbereich von wegen der Universumsausdehnung verschiebt.
Meiner ganz bäuerlichen Logik folgend braucht das Licht dann einfach länger zu uns, aber warum sollte es die Frequenz wechseln?
Freu mich schon auf deine Antwort zu dieser Frage 🙂
Also die Sache mit der Frequenzverschiebung kann man gut mit dem Dopplereffekt erklären. Wenn ein Polizeiauto mit Sirene an dir vorbeifährt, dann ändert sich ja auch die Tonhöhe, je nachdem, ob das Auto auf dich zukommt oder sich von dir entfernt.
Wenn eine bewegte Quelle in diesem Fall Schallwellen aussendet, dann werden diese zusammen geschoben, wenn sich die Quelle auf dich zubewegt – die Frequenz (Schwingung pro Zeit) steigt. Entfernt sich die Quelle, werden die Wellen auseinander gezogen und es gibt weniger Schwingungen pro Zeiteinheit – die Frequenz sinkt und der Ton wird tiefer.
Das gleiche passiert bei der elektromagnetischen Strahlung. Das Licht einer Quelle, die sich von uns weg begwegt, hat eine niedrigere Frequenz und wird z.B. aus dem sichtbaren Bereich zu Bereichen niedrigerer Wellenlängen verschoben (man nennt das „Rotverschiebung“). Und wenn sich die Quelle sehr schnell wegbewegt, dann liegt die Strahlung irgendwann überhaupt nicht mehr im sichtbaren Bereich. Die Strahlung, die wir heute z.B. noch vom Urknall registrieren können, ist so stark verschoben, das sie nur noch als Mikrowellenstrahlung beobachtbar ist („Kosmische Hintergrundstrahlung“).
Dann wird also jedes Licht irgendwann in sehr sehr sehr sehr großer Entfernung zu Mikrowellenstrahlung?
Hab ich das richtig verstanden?
nein, nicht ganz. das hat nicht ursächlich was mit der entfernung zu tun, sondern mit der geschwindigkeit, mit der sich die lichtaussendende quelle bewegt!. von einem stern, der sehr, sehr weit weg ist, sich aber im vergleich zu uns nicht bewegt würden wir genau die gleiche elektromagentische strahlung empfangen, die er aussendet; ohne verschiebung.
in unserem universum ist es aber so, das sich im prinzip alles von allem wegbewegt und zwar umso schneller, je weiter es entfernt ist. d.h. dann auch, das die strahlung von den objekten, die am weitesten entfernt sind (und sich deswegen auch am schnellsten von uns wegbewegen) am stärksten verschoben ist. und die strahlung, die quasi am entferntesten ist, ist die vom urknall – drum ist die auch am stärksten verschoben.
ah, ok, also Geschwindigkeit statt Entfernung 🙂
Wieder was gelernt 😉
Hmm…
Und was ist mit Tea -äääh- dunkler Materie?
Mir war so, als ob der Lesch (Prof. Harald Lesch) das Thema mal bei ‚Alpha Centauri‘ und die (dunkle Materie)irgendwie dabei erwähnt hatte..
hmm – also dunkle materie hat mit dieser sache meines wissen nach nichts zu tun. die ist ja auch dunkel und beeinflusst die helligkeit des himmels nicht 😉 .
ich muss aber zugeben, dass ich mich mit dunkler materie nicht wahnsinnig gut auskenne 😉
aber schau nochmal, ob ich was von lesch dazu finde. dieses video klingt interessant
edit: in dem video gehts doch eher um ein anderes thema, nicht um das olberssche paradoxon…
Jepp, die Sendung, die ich meinte, war auch viel älter (vor 2002/2001?).
Find sie auf der Seite aber nicht.
Ging aber soweit ich mich entsinne um das Thema „Warum ist es nachts dunkel“ oder so und die dunkle Materie wurde erwähnt.
Schade, ob ich mal ne Mail an BR schicke? *g*
Also ich hab jetzt noch ein bisschen weiter recherchiert und hätte bis jetzt noch keine Verbindung zwischen dunkler Materie und dem Olbersschen Paradoxon gefunden.
An manchen Stellen im Internet wird spekuliert, das dunkle Materie das Licht der Sterne irgendwie abblocken könnte – aber um sowas sagen zu können ist mMn noch viel zu wenig über dunkle Materie bekannt. Denn eigentlich müsste sich angestrahlte Materie ja aufheizen und dann genausoviel Energie abstrahlen wie der Stern selbst… Vielleicht gilt das nicht für dunkle Materie – aber wie gesagt, über die weiß man noch viel zu wenig.
Materie, die das Licht abblockt, ob dunkel oder nicht, ist doch beim Olbersschen Paradox schon berücksichtigt, oder seh ich das falsch?
Ja, implizit ist das berücksichtigt.
Aufgrund der Gesetze der Thermodynamik muss jede Materie die wärmer ist als ihre Umgebung diese Energie auch wieder abgeben. Jede Materie, die das Licht abblockt, würde sich demnach aufheizen (Energie kann ja auch nicht einfach verschwinden) und müsste dann selbst zu strahlen beginnen.
Insofern ist es also egal, ob abblockende Materie da ist oder nicht; Strahlung gäbe es so oder so.