Unser Sonnensystem besteht nicht nur aus einem Stern und acht Planeten. Da gibt es noch die Zwergplaneten und über das ganze System verteilt jede Menge Asteroidengürtel. Den ganzen Kleinkram darf man natürlich nicht ignorieren; er spielt durchaus eine wichtige Rolle. Unser eigenes Planetensystem ist bis jetzt das einzige, von dem wir ein halbwegs vollständiges Bild haben. Natürlich kennen wir auch schon hunderte extrasolare Planetensysteme; kennen dort aber meistens nur einen einzigen Planeten. Extrasolare Zwergplaneten oder extrasolare Asteroiden und Kometen zu finden, ist schwer. Zumindest wenn man sie auf die gleiche Art und Weise finden will, wie man das hier auf der Erde tut.
Ein einzelner Felsbrocken der nur wenige Kilometer groß ist und einen fernen Stern umkreist kann selbst mit den besten Teleskopen nicht nachgewiesen werden. Aber wenn sehr viele Asteroiden oder Kometen gemeinsam einen Stern umkreisen und dabei miteinander zusammenstoßen, dann erzeugen sie Staub. Dieser Staub wird vom Licht des Sterns angestrahlt, aufgeheizt und gibt diese Wärme dann wieder ab. Beobachtet man so einen Stern, dann wird man von ihm mehr Wärmestrahlung, also Infrarotlicht, empfangen, als man eigentlich erwarten würde. So etwas nennt man „Infrarot-Exzess“ und auf diese Art haben Astronomen schon viele Staubscheiben um andere Sterne entdeckt. Und dadurch auf indirekte Art und Weise auch jede Menge extrasolare Asteroiden und Kometen – denn irgendwo muss der Staub ja her kommen. Natürlich könnte es sich auch noch um eine primordiale Staubscheibe halten, also den Staub, aus dem Planeten und Asteroiden ursprünglich erst entstehen. Aber zwischen solchen Staubscheiben und den „Trümmerscheiben“ (debris disks) kann man unterscheiden; zum Beispiel in dem man das Alter des Sterns berücksichtigt.
Besonders gut für die Wissenschaftler ist es, wenn sie nicht nur den Infrarot-Exzess messen, sondern die Trümmerscheibe direkt sehen können. Das gelang das erste Mal im Jahr 1984 beim Stern Beta Pictoris und seitdem hat man immer mehr Bilder auch von anderen Sternen gesammelt. In den letzten Jahren hat das Weltraumteleskop Herschel viel dazu beigetragen. Denn um die Staubscheiben sehen zu können, muss man im Infrarotlicht beobachten und Herschel ist dafür besonders gut geeignet.
Noch schöner wird es, wenn man um einen Stern sowohl Planeten als auch eine Trümmerscheibe findet. Denn dann kann man die Interaktionen und Zusammenhänge zwischen diesen beiden Komponenten untersuchen und jede Menge interessante Dinge finden. Zum Beispiel noch mehr Planeten. Herschel hat nun kürzlich zwei sehr interessante Trümmerscheiben-Planetensysteme beobachtet – und die Wissenschaftler sind zu interessanten Schlussfolgerungen gekommen.
Um den Stern Gliese 581 kreisen 4 bis 6 Planeten (ein paar davon wirklich interessant). Und er hat eine große Trümmerscheibe. So sieht sie aus:
Das Bild zeigt die Infrarotstrahlung die aus der Gegend um den Stern empfangen wird; darüber gelegt sieht man schematisch die Position der Planetenbahnen und des Kleinkörpergürtels. Die Planeten sind alle sehr nahe an ihrem Stern. Keiner ist weiter als 0,22 Astronomische Einheiten (AE) entfernt. Zum Vergleich: Die Erde ist von der Sonne eine Astronomische Einheit weit weg. Gliese 581 ist aber auch ein viel kleinerer und leuchtschwächerer Stern als die Sonne (es handelt sich um einen kühlen M-Zwerg mit einem Drittel der Sonnenmasse). Der Gürtel aus Kleinkörpern erstreckt sich zwischen 25 und 60 AE und ist mit unserem Kuipergürtel vergleichbar, der hinter der Bahn von Neptun bei etwa 30 AE beginnt.
Der Stern 61 Virginis ist dagegen der Sonne sehr ähnlich. Er wird von 2 oder 3 Planeten umkreist, die sich ebenfalls alle enorm nahe – innerhalb eines Abstands von 0,5 AE – am Stern befinden. Die Trümmerscheibe die ihn umgibt ist enorm groß und erstreckt sich von 30 bis circa 100 AE:
Das besondere bei beiden Systemen: Alle Planeten sind sogenannten „Supererden“, mit Massen zwischen 2 und 18 Erdmassen. Also keine großen, jupiterähnlichen Gasriesen. Und es scheint sich ein interessanter Zusammenhang abzuzeichnen. Je weniger große Planeten ein System enthält, desto größer ist die Trümmerscheibe. Astronom Mark Wyatt und seine Kollegen haben sich die Sache mal genauer angesehen. Von den 60 sonnennächsten Sternen vom G-Typ (also den Sternen mit der gleichen Spektralklasse wie der Sonne) haben 11 Sterne eigene Planeten. Bei fünf davon gibt es jupiterähnliche Gasriesen, sechs haben nur kleine Planeten. Und vier von diesen sechs Systemen hatten auch Trümmerscheiben. Im Gegensatz zu den Systemen mit Gasriesen, bei denen keinen Trümmerscheiben gefunden werden konnten.
Jean-François Lestrade von der Sternwarte in Paris und seine Kollegen haben sich die kleinen M-Sterne und ihre Trümmerscheiben im Detail angesehen. In ihrer Datenbank fanden sich drei M-Sterne mit Planeten und Gliese 581 war der einzige mit einer Trümmerscheibe. Die anderen beiden hatten keine, dafür aber große Gasriesen.
Natürlich sind das noch nicht ausreichend Daten für eine gute Statistik. Aber es scheint sowohl bei den sonnenähnlichen G-Sternen als auch bei den M-Sternen so zu sein, dass große und massereiche Trümmerscheiben nur in Systemen ohne Gasriesen existieren können. Auch in unserem Sonnensystem geht man davon aus, dass der Kuipergürtel früher viel größer war. Aber Jupiter und Saturn haben viele der dortigen Kleinkörper in der Frühzeit des Sonnensystems durch ihren gravitativen Einfluss aus dem System geworfen.
Sollte der Zusammenhang zwischen Trümmerscheiben und Gasriesen tatsächlich real sein, dann bietet das viel Material für zukünftige Forschung. Wie genau wirkt sich so ein großes Reservoir an Asteroiden und Kometen auf die restlichen Planeten aus? Nachdem Jupiter und Saturn im frühen Sonnensystem aufgeräumt hatten, war es danach relativ ruhig und es kam nur noch ab und zu zu Kollisionen zwischen Asteroiden und den inneren Planeten. Bei Gliese 581 und 61 Virginis könnten aber seit Milliarden Jahren ständig Asteroiden und Kometen aus der Trümmerscheibe auf die Planeten herabregnen – und so zum Beispiel sehr viel Wasser auf die Planeten in die habitable Zone von Gliese 581 gebracht haben (vielleicht gibt es dort ja tatsächlich einen Ozeanplaneten).
Es hat lange gedauert, bis wir ausreichend viele extrasolare Planeten entdeckt hatten, um zu verstehen, ob unser Sonnensystem ein Spezialfall oder normal ist und wie wir im Vergleich mit dem Rest der Galaxis da stehen. Wir haben eigentlich gerade erst angefangen, die extrasolaren Planeten zu verstehen. Und es wird noch sehr lange dauern, bis wir auch den Rest der Planetensysteme verstehen und wissen, wie Asteroidengürtel, Kometen und der ganze Rest funktionieren. Aber der Anfang ist immerhin schon mal gemacht!
Es wurde doch bisher davon ausgegangen, dass Jupiter verhindert hat, dass sich im Asteroidengürtel ein Planet bilden konnte: einerseits durch Bahnresonanzen, andererseits durch das Abräumen des Gürtels bei seiner Wanderung durch das Sonnensystem.
Was hindert denn bei den oben genannten Beispielen die Trümmerscheiben daran, sich weiter zu Planeten zu vereinigen? Gibt (oder gab?) es vielleicht doch noch bisher untentdeckte Gasriesen weiter außen im System? Bei Umlaufzeiten von Jahrzehnten würden die bisher verwendeten Doppler- und Transitmethoden da leer ausgehen.
@Alderamin: „Was hindert denn bei den oben genannten Beispielen die Trümmerscheiben daran, sich weiter zu Planeten zu vereinigen? Gibt (oder gab?) es vielleicht doch noch bisher untentdeckte Gasriesen weiter außen im System?“
Das vermutet man, ja. Hat aber noch nichts entdeckt. Naja, und dann ist weiter draußen auch einfach mehr Platz und die Chance auf die richtige Art der Kollisionen geringer.
Vielleicht eine blöde Frage aber es enzieht sich meiner Vorstellungskraft: Wie ist das eigentlich mit diesen Gasplaneten wie Jupiter? Ist das Gas so dicht das man, wenn man mit dem Fuß auftreten würde, darauf gehen könnte oder würde man darin einsinken und durch den Planeten „hindurchrutschen“?
@Nightshifter: “ oder würde man darin einsinken und durch den Planeten “hindurchrutschen”?“
Du würdest einsinken – solange bis der Druck zu groß wird und du stirbst…
Trümmer/Staubscheiben ähnlich dem Kuipergürtel per IR-Astronomie — heißt das, daß „Oortsche Wolken“ zu weit weg vom Zentralgestirn oder zu „dünn“ sind und so nicht genügend aufgeheizt werden um so beobachtet werden zu können oder sind unsere Instrumente (noch) zu grob dafür?
@Nightshifter
Nein, ganz oben ist das Gas so dünn wie die obere Erdatmosphäre und wird nach unten immer dichter, bis zu hunderten Millionen von Bar. Unterwegs wird irgendwo Wasserstoff flüssig und später metallisch (der Übergang ist fließend). Darunter ist wahrscheinlich ein Eisen-Gesteinskern mit mehreren Erddurchmessern verborgen.
Wenn Du also auf den Jupiter fielest, bräuchtest Du zuerst einen Hitzeschild, um nicht zu Verglühen, und dann einen Fallschirm. Der würde Dich aber nicht davor retten, sehr bald vom Druck zerquetscht zu werden. Deine kümmerlichen Überreste würden dann irgendwo in der dicker werdenden Brühe zu Schwimmen beginnen und so zur Ruhe kommen. Da wird es aber so heiß sein, dass sie sich bald in ihre Bestandteile aufgelöst haben und eins mit dem Jupiter würden. Wie bei der Galileo-Sonde.
@Alderamin:
Warum vom Druck zerquetscht? Der Druck wirkt doch von allen Seiten gleich und der Gegendruck der Materie des Körpers wirkt als Ausgleich. Fische können ja auch am Grund des Mariannengrabens überlegen, egal welcher Druck dort herrscht.
Kritisch wird es, wenn der Druck andere Löslichkeiten von Gasen bewirkt, so wie beim Menschen bei Tauchgängen. Aber da gehts auch sehr tief runter, wenn man das a) langsam macht und b) das Gasgemisch richtig wählt.
Kritisch wird es, wenn der Druck eine Umwandlung von Kristallstrukturen bewirkt. Wie hier zum Beispiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Serpentinisierung
Ähnliches ist wohl bei Proteinen zu erwarten, die Faltung könnte sich ändern und das Protein dadurch seine Funktion verlieren oder ganz allgemein könnte sich das chemische Gleichgewicht bei Reaktionen verschieben.
Aber zerquetscht wie eine Tomate in einem Schraubstock wird da nix.
Bei Sonden sind die Probleme kleine Gaseinschlüsse ohne Druckausgleich nach außen, die keinen Gegendruck aufbauen können und irgendwann implodieren.
Hitze ist da ein größeres Problem.
@Wurgl
Hmm, ja, für den Marianengraben mit seinen läppischen 1100 bar mag das stimmen, aber bei den 300 Millionen bar, wo Wasserstoff metallisch wird und Kohlenstoff nur noch als Diamant existieren kann, da wird auch die Inkompressibilität von Wasser aufgeweicht (schönes Wortspiel 🙂 ). Da formt Wasser Eis VII mit einer Dichte von 1,65 g/ccm. Und bei den hohen Temperaturen wird man ohnehin verkokeln.
Wie man’s nimmt, jedenfalls kein schönes Schicksal.
@Wurgl
Ich überlege grade folgendes: Wenn ein Gasriese alt wird und weit genug vom Stern weg ist, dann kühlt er ja langsam ab. Irgendwann könnte sich doch eine Oberfläche aus gefrorenen Gasen bilden. Darauf könnte man vieleicht landen. Aber das müsste man erstmal ausrechnen um da genaueres zu sagen
@JaJoHa
Das dürfte aber Billionen Jahre dauern, bis so ein Gasriese durchgefroren ist. Jupiter ist 4,5 Milliarden Jahre alt und strahlt immer noch etwa so viel innere Wärme ab, wie er von der Sonne erhält. Und die Abstrahlung geht ja exponentiell nach unten.
@Alderamin
Du hast Recht, alleine schon durch die Wärme, die er durch Kollaps gewinnt, während der Gasdruck im Inneren in Folge der Abkühlung sinkt. Die potentielle Energie, die dabei frei wird verzögert das natürlich stark. In ferner Zukunft könnte es solche Planeten geben, aber ich fand das eine interessante Idee.
Der Nachweiß eines solchen Objekts, falls es existiert, ist aber vermutlich schwer. Ein solcher Planet ist ja weit von seinen Stern weg und extrem kalt.