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Ich habe vor kurzem ein sehr empfehlenswertes Buch gelesen: „The Day we found the Universe“ von Marcia Batusiak.

Darin wird die aufregende Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben, als in Amerika ein neues großes Observatorium nach dem anderen gegründet wurde und Astronomen wie Vesto Slipher, James Keeler, Milton Humason und vor allem Edwin Hubble unser Bild des Universums dramatisch änderten.


Die Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende war aus astronomischer Sicht besonders in Amerika recht spannend. So wie in allen anderen Bereichen, began man, sich von Europa zu emanzipieren und wollte endlich auch wissenschaftlich gleichziehen bzw. die europäischen Sternwarten überholen.

Und die Zeit dafür war gut gewählt. Reiche Privatleute spendeten gerne große Summen, um sich durch den Bau neuer, großer Sternwarten ein Denkmal zu setzen.1887 wurde das Lick-Observatorium, finanziert vom Geschäftsman James Lick, auf dem Mount Hamilton in San Jose (Kalifornien) fertiggestellt. Als 1888 der 91-cm Refraktor in Betrieb genommen wurde, war er der größte der Welt.

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Lick-Sternwarte um 1900

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Das Lick-Telescope (Bild: PPOC)

1897 wurde in der Nähe von Chicago das Yerkes-Observsatorium eingeweigt; bezahlt wurde es vom Industriellen Charles Tyson Yerkes, der damit von seinen manchmal etwas zwielichtigen Geschäftsmethoden ablenken wollte. Der Yerkes-Refraktor übertrifft mit seinen 102 cm Durchmesser noch das Lick-Telescope und ist heute noch der größte Refraktor der Welt.
 
Schon 1894 gründete der reiche Amerikaner Percical Lowell das Lowell-Observatorium in Flagstaff, Arizona. Er wollte dort nachweisen, dass es Kanäle auf dem Mars gibt und einen neuen Planeten außerhalb der Neptunbahn finden. 

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Schließlich gründete George Ellery Hale, der zuvor schon Yerkes als Sponsor für das Yerkes-Observatorium gewinnen konnte, 1904 ein neues Observatorium auf dem Mount Wilson, in der Nähe von Kalifornien. 1908 ging dort das 1,5 Meter durchmessende Hale-Spiegelteleskop in Betrieb und 1917 das berühmte Hooker-Teleskop, dessen Spiegel für die damalige Zeit gewaltige 2,5 Meter durchmaß:

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Nicht nur die Teleskope wurden immer größer und größer. Damals begannen die Astronomen auch, ihre Sternwarte aus den Städten und besiedelten Gebieten auf einsame Berggipfel zu verlegen. Dort waren die Beobachtungsbedingen wesentlich besser und die neuen Teleskope konnten die besten Aufnahmen machen. Allerdings war es oft gar nicht so einfach, die Geräte erstmal auf den Berg zu bringen. Die Anfahrt auf den 1742 Meter hohen Mount Wilson war damals langwierig und schwierig. Besonders dann, wenn man dabei noch einen 2,5 Meter großen Teleskopspiegel transportieren muss:

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Aber schließlich hatte man ihn doch heil nach oben gebracht und konnte mit dem Bau des Teleskops beginnen:

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Damals begann nicht nur die Ära der abgelegenen Sternwarten, auch die Spiegelteleskope setzen sich langsam durch. Das Lick- und das Yerkes-Teleskop waren noch große Refraktoren, also Linsenteleskope. Die kann man aber nicht beliebig groß bauen – denn eine Linse kann man von hinten nicht stützen (das Licht muss ja durch scheinen) und irgendwann beginnt sich die Linse unter ihrem eigenen Gewicht zu verformen. Spiegelteleskope kann man hingegen viel größer bauen (denn den Spiegel kann man von hinten unterstützen). Trotzdem hatten die Astronomen anfangs Hemmungen, von Refraktoren zu Reflektoren zu wechseln.

James Keeler, der in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts am Lick-Observatorium arbeitete, hatte da weniger Bedenken. Das Lick-Observatorium besaß den „Crossley-Reflektor“ – ein kleines Teleskop mit einem 91 cm Spiegel, dass ursprünglich das Eigentum eines britischen Politikers war. Der konnte aber wegen des schlechten englischen Wetters damit nicht viel anfangen und hat es dann verkauft. So ist es am Lick-Observatorium gelandet und gammelte dort langsam vor sich hin. Solange, bis Keeler sich daran machte, das Teleskop wieder einsatzbereit zu machen und es dann auch für seine Forschung zu verwenden:

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Bild: Lick-Observatory

Damals war das Teleksop noch ohne Hülle; heute sieht es so aus:

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Denn das Crossley-Teleskop wird heute immer noch verwendet und ist damit das älteste Teleskop, mit dem noch wissenschaftliche Forschung betrieben wird! U.a. benutzt man es, um extrasolare Planeten aufzuspüren.

Keeler hat damit allerdings Bilder der geheimnisvollen „Nebel“ gemacht – und die hervorragenden Aufnahmen des Crossle-Teleskops überzeugten die astronomische Gemeinschaft von der Qualität der Spiegelteleskope. Der Himmel war voll mit neblig erscheinenden Objekten. Manche Astronomen hielten sie tatsächlich für Gaswolken, die sich innerhalb der Milchstrasse befanden. Andere hielten sie für „Insel-Universen“ – also große, sehr weit entfernte Gebilde aus Sternen; so wie unsere Milchstrasse eines ist. Es gab damals keine Möglichkeit, die Entfernung dieser Objekte zu bestimmen; der Streit blieb also ungelöst.

Aber an den amerikanischen Astronomen wurde fleißig an der Lösung gearbeitet. Vesto Slipher hat am Lowell-Observatorium die Radialgeschwindigkeiten der Nebel gemessen. William Campell und James Keeler untersuchten die Nebel vom Lick-Observatorium aus. Und am Mount Wilson arbeiteten Edwin Hubble und Milton Humason intensiv daran, dass Entfernungsproblem zu lösen.

Eigentlich war man lange Zeit der Meinung, bei den Nebeln müsse es sich tatsächlich um fremde Galaxien handeln. Dann kam aber Harlow Shapley (der ebenfalls am Mount Wilson Observatorium arbeitete) und zeigte, dass 1) die Sonne nicht, wie bisher angenommen, dass Zentrum der Milchstrasse ist und 2) die Milchstrasse sehr viel größer war, als bisher angenommen (diese Messung stellte sich später übrigens als falsch heraus). Und dann wies Adriaan van Maanen nach, dass die Spiralnebel eine Rotationsbewegung zeigen! (auch diese Beobachtung stellte sich später als falsch heraus). Wenn die Nebel tatsächlich außerhalb der Milchstrasse wären, dann wären sie so weit weg, dass man unmöglich eine Bewegung sehen könnte. Es muss sich also um Objekte innerhalb der Milchstrasse handeln!

Trotzdem waren noch nicht alle Astronomen überzeugt. Und viele andere Gründe sprachen weiterhin für die „Insel-Universum“-Hypothese. Den Umschwung brachte 1925 Edwin Hubble. Er schaffte es, im Andromedanebel Sterne zu finden, die ihre Helligkeit periodisch änderten: sg. „Cepheiden“. Und damit konnte man die Entfernung messen!

In seiner 1925 erschienen Arbeit „Cepheids in spiral nebulae“ wies Hubble eindeutig nach, dass sich der Andromedanebel außerhalb der Milchstrasse befand und eine eigene Galaxie darstellte; so wie auch die meisten anderen der unzähligen Nebel, die man kannte. Mit einem Schlag war das Universum gewaltig viel größer als zuvor!

Aber Hubble hörte noch nicht auf, unser Weltbild auf den Kopf zu stellen. Gemeinsam mit Milton Humason und den Daten von Vesto Slipher (die er anfangs ohne entsprechenden Hinweis einfach übernommen hatte) fand er heraus, dass sich die Galaxien von uns entfernen. Und zwar um so schneller, je weiter sie entfernt sind. In der 1929 veröffentlichten Arbeit „A Relation between Distance and Radial Velocity among Extra-Galactic Nebulae“ findet sich diese berühmte Diagram:

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Die x-Achse zeigt die Entfernung der Galaxien, die y-Achse ihre Geschwindigkeit. Und auch wenn die Datenpunkte noch etwas verstreut liegen ist doch ein klarer Trend erkennbar. Spätere Arbeiten von Hubble und Humason zeigten dieses Verhalten dann noch deutlicher.

Das war die Geburtsstunde der wissenschaftlichen Kosmologie. Ausgehend von diesen Daten machte man sich nun Gedanken, über die Entwicklung unseres Universums. Der Belgier Georges Lemaître hatte schon 1927 aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie die Möglichkeit eines sich ausdehnenden Universums abgeleitet. Hubbles Daten schienen diese Hypothese zu unterstützen! Damit war der Grundstein für die moderne Urknall-Theorie gelegt.

All diese Geschichten (und noch viel mehr) beschreibt Marcia Batusiak in ihrem Buch. Und das äußerst spannend und informativ! „The Day we found the Universe“ bietet einen hervorragenden Überblick über die Entwicklung der Astronomie in der Zeit um die letzte Jahrhundertwende. Ich kann es nur absolut empfehlen (auch wenn es im Moment nur auf englisch verfügbar ist – aber vielleicht wird es ja noch übersetzt)!


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11 Gedanken zu „Als es noch cool war, große Sternwarten zu bauen…“
  1. Aber eigentlich ist es doch immer noch bzw. schon wieder cool, große Sternwarten zu bauen: VLT, Gemini, La Silla, Keck, Subaru, Magellan, GranTeCan und wie sie alle heißen.
    (A propos: schreib doch mal über die Sternwarte Tautenburg bei Dir um die Ecke.)

  2. @bartleby: Natürlich finden die Astronomen es heute auch noch cool, wenn große Sternwarten gebaut werden. Aber damals haben Privatleute einfach mal eben so jede Menge Geld ausgegeben, um ne Sternwarte zu bauen. Einfach, weil sie Astronomie toll fanden. Sowas gibts heute kaum mehr.

  3. Stimmt, und die Zeit der Privatgelehrten ist ebenfalls unwiderbringlich dahin.

    Trotzdem ist die Astronomie eine der wenigen Disziplinen, in denen Non-Profis noch echte Beiträge zur Forschung liefern können. Immer noch werden Asteroiden von fortgeschrittenen Amateuren oder Vereinssternwarten entdeckt oder zumindest vermessen. In jeder klaren Nacht kann der mäßig ausgestattete Amateur das Glück haben, eine Supernova zu entdecken – weil sonst gerade keiner genau dort hinguckt (vor ein paar Jahren hatte in Südhessen einer dieses Glück!). Hunderte von veränderlichen Sternen werden jede Nacht verfolgt – eine Ameisenarbeit, für die die Beobachtungszeit an Großobservatorien viel zu kostbar ist. Cool stuff, und mit minimalem Aufwand möglich.

    Aber wer hat schon einen Teilchenbeschleuniger zu Hause?

  4. Nichts gegen Sternwarten und Teleskope, aber dieser heiße LKW vom Mt.Wilson-Spiegel-Transport ist ja superschräg – paßt iwie zu dem russischen K9-Nachbau, den Du letztens portraitiert hast.

    @klauszwingenberger:

    wer hat schon einen Teilchenbeschleuniger zu Hause?

    a) ich: Besitze noch ein TV mit Braunscher Röhre
    b) meine Schwester: Deren Jüngster hat mich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Rest seines Puddingteilchens nur knapp verfehlt 🙂

  5. Yo, solche Puddingteilchenbeschleuniger kenne ich auch. Die erzeugen jedenfalls keine schwarzen Löcher, höchstens braune Flecken.

  6. Den Ton der Überschrift, der klingt, als hätten sich die Astronomen von Riesenteleskopen mittlerweile verabschiedet, verstehe ich auch nicht ganz. Vielleicht nur’n Anreißer? Ich meine, man muss doch nur VLT-I sagen. Gehts überhaupt noch größer?
    Vier Riesenteleskope von je 10 Meter Durchmesser plus 3 von je 1,8 Meter Durchmesser, zusammengeschlossen per Interferenz-Technik …! Schlägt alles! Auch das Teleskop auf La Palma, mit dem auch Spanien im Zeitalter des Hightech angekommen ist – (das war ein Scherz!).
    Habe gehört, das dieses VLTI das erste Instrument ist, das z. B. auf dem Mond Gegenstände abbilden kann, die um 10 Meter Durchmesser oder weniger (?) haben.
    Und es geht offenbar noch größer. Planen nicht sogar (!) die Europäer ein ELT – ein EXTREME Large Telescope?
    Und ALMA ist im Bau, kurz vor dem Abschluss, wenn ich nicht irre. In Chile und in 5000 Meter Höhe – kein Mensch kann sich da länger als einen Tag aufhalten – ein Radioarray (bestehend aus 50 Einzelspiegel), dessen Auflösung ebenfalls alles in den Schatten stellen wird, was bisher möglich schien!
    Fazit: Es ist cooler denn je, große, WIRKLICH große Teleskope zu bauen!

  7. @Jo Beer: Das habe ich doch schon im zweiten Kommentar beantwortet:

    Natürlich finden die Astronomen es heute auch noch cool, wenn große Sternwarten gebaut werden. Aber damals haben Privatleute einfach mal eben so jede Menge Geld ausgegeben, um ne Sternwarte zu bauen. Einfach, weil sie Astronomie toll fanden. Sowas gibts heute kaum mehr.

    Das Astronomen heute immer noch große Sternwarten bauen (wollen) ist klar. Aber heute halten das die meisten Nicht-Astronomen für Geldverschwendung. Damals fanden sie es cool.

  8. Okay, scheint, dass ich ein bisschen zu schnell drüber hinweggelesen habe. Aber ich glaube dennoch nicht, dass Nicht-Astronomen es für uncool halten, große Teleskope zu bauen. EINIGE Nicht-Astronomen halten es für uncool. Und die neuen Super-Augen werden ebenfalls von Privatleuten finanziert – nämlich von ALLEN Astronomen und Nicht-Astronomen, sprich von Steuerzahlern. Und selbst Privatleute in Deinem Sinne finanzieren Teleskope, z. B. das Radio-Array, das die SETI Foundation baut (der Name fällt mir grade nicht ein, hat irgendwas mit einem Microsoft-Mitbegründer zu tun). Bei diesen Privatiers in Deinem Sinne hat sich vielleicht der Fokus ein bisschen verschoben. In der Zeit, die Du bzw. das Buch, das Du bespricht, behandeln, war es angesagt, immer tiefer ins Universum zu sehen (bzw. aus der Milchstraße hinaus). Heute ist es angesagt, nach Aliens zu suchen – oder zumindest nach Planeten, auf denen sie leben könnten. Ob das letztlich zu was führt, ist ziemlich unerheblich, finde ich. Mal davon abgesehen, dass der neue Hype, den die Astronomie in den letzten 10 – 15 Jahren (ab 1995) erlebt, schon auch was mit Aliens zu tun hat – bzw. mit der Hoffnung/Möglichkeit/Fantasie ihrer Existenz.

  9. Ich habe es genossen, diesen interessanten Artikel zu lesen, bin immer wieder begeistert, über die technischen Leistungen unserer Vorgänger, natürlich auch über die heutigen Teleskop Macher. Die „Augen“ der Menschheit werden immer größer, ich konnte mich selbst in verschiedenen historischen und modernen Observatorien davon überzeugen.

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