Hinweis: Eine ausführliche Rezension zur Sendung findet man hier
„Ob bei der Suche nach der Liebe des Lebens oder dem Traumjob mit Top-Karriereaussichten – bei wichtigen Fragen auf die Sterne zu setzen, liegt voll im Trend.“
So beginnt eine Pressemitteilung des ORF vom 24. September 2024. Und wenn es so im Trend liegt, „auf die Sterne zu setzen“, dann bleibt ja wohl nur eines übrig: Sich an diesen Trend anzuhängen und eine eigene Fernsehshow darüber zu machen. Deswegen gibt es jetzt eine große Astrologie-Show im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Österreichs. Und leider wieder einmal Anlass zur Kritik am Umgang des ORF mit dieser speziellen Art der irrationalen Unwissenschaftlichkeit.
Das Konzept der „Astro Show“, die am 28. September 2024 das erste mal gesendet wird, ist nicht sonderlich originell. Eine Moderatorin begrüßt zwei prominente Gäste „um im gemütlichen Sonntagnachmittag-Plausch über persönliche Geschichten, entscheidende Wendepunkte, spannende Erlebnisse und ihre Erwartungen an die Zukunft zu plaudern“. Dazu kommt dann noch eine Astrologin und „analysiert die Charaktereigenschaften der Promis“.
Lohnt es sich überhaupt, sich darüber aufzuregen? Ist ja nur „Unterhaltung“; ist ja nur ein lustiger Ansatz, um den üblichen Promi-Talk ein wenig aufzupeppen, oder nicht? So mag das vielleicht der ORF sehen – aber so einfach kann man es sich nicht machen. Ich fasse sicherheitshalber noch einmal den Stand des Wissens zur Astrologie zusammen: Astrologie ist Quatsch. Astrologie funktioniert nicht. Es gibt keinen Grund, warum Astrologie funktionieren sollte. Es gibt viele Gründe, die zeigen, dass sie nicht funktionieren kann. Man kann belegen, dass Astrologie nicht funktioniert. Wer gerne daran glauben möchte, dass die Position irgendwelcher absurd weit entfernter Himmelskörper irgendeine Art von Einfluss auf den menschlichen Charakter und unser Leben haben kann, muss exakt das machen: daran glauben und zwar trotz einer überwältigenden Anzahl an wissenschaftlichen Belegen, die zeigen, dass die Astrologie nicht in der Lage ist, das zu leisten, was sie zu leisten vorgibt.
Es steht allen Menschen natürlich frei, zu glauben, was auch immer sie wollen. Aber hier geht es um etwas anderes und zwar einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender mit gesetzlichen Bildungsauftrag. Und da ist es nicht akzeptabel, einen irrationalen Aberglauben so völlig unkritisch zu präsentieren, wie es der ORF tut. Hier sind ein paar weitere Zitate aus der Pressemitteilung:
- „Natürlich habe ich vor einem Date schon mal die Kompatibilität der Sternzeichen gegoogelt. Und es ist tatsächlich so: Es gibt Sternzeichen, da funkt es mit mir ganz und gar nicht. Ob das wirklich nur Zufälle sind?“ (Anm.: Das ist eine Aussage der Moderatorin, Sasa Schwarzjirg)
- „Bereits im Babybauch meiner Mama nahm ich an Vollmondritualen teil. Das Leben mit den Sternen und die Mystik, die das Universum umgibt, wurden mir praktisch in die Kinderwiege gelegt und sind ein großer Teil meines Selbst. Astrologie ist für mich ein Tool, um mich und meine Umwelt besser zu verstehen und mit ihren Zyklen sogar einen Blick in die Zukunft zu werfen“ (Anm.: Das ist eine Aussage der Astrologin, Lori Haberkorn)
- „Lori Haberkorn gibt aber auch Einblicke in die faszinierenden Geheimnisse der Astrologie und verrät dem Publikum mit einem kurzen Ausblick für jedes Sternzeichen, wie die Sterne im kommenden Monat stehen.“
- „Wir lernen prominente Gäste auf einer privaten Ebene kennen – nämlich durch die Astrologie und ihre ganz individuellen Planetenkonstellationen und da kommt es nicht nur zu Gänsehautmomenten, sondern auch zum ein oder anderen Aha-Erlebnis. Und das auch für die Zuschauer:innen, denn wir blicken auch mit ihnen in die Sterne und zeigen auf, was die Zukunft für sie bereithält.“
Es gibt in der kompletten Pressemitteilung nicht einmal den Ansatz eines Anzeichens, dass das mit der Astrologie etwas anderes sein könnte, als ein tatsächliches Instrument um die Welt und Menschen zu verstehen. Nicht ein einziges kritisches Wort, dass die Angelegenheit zumindest ein klein wenig einordnet. Zum Beispiel, dass man definitiv nicht herausfinden kann, „was die Zukunft bereit hält“, wenn man in die Sterne schaut. Ich erspare es mir, jetzt im Detail zu erklären, warum Astrologie nicht funktioniert. Das habe ich anderswo getan und das haben sehr viele andere Menschen auch schon gemacht.
Ich möchte lieber erklären, warum ich so eine Sendung im ORF so enorm problematisch finde. Ja, man kann das mit den Sternzeichen und Horoskopen nicht so ernst nehmen. Man kann das „augenzwinkernd“ als harmlose Unterhaltung betrachten. Aber es gibt eben sehr viele Menschen, die das nicht tun. Es gibt Menschen, die die Astrologie sehr, sehr ernst nehmen und die tatsächlich wichtige Lebensentscheidungen anhand ihrer Horoskope treffen. Und wer das möchte, soll das auch gerne machen. Aber die Astrologie bleibt eben nicht immer Privatsache. Was, wenn die Entscheidung, um die es geht, die Frage trifft, an wen man einen bestimmten Job vergibt? Was, wenn die Entscheidung die eines Politikers über seine Arbeit ist oder die einer Medizinerin? Für all das gibt es Beispiele und dann kann ich die Astrologie noch so sehr blöd finden; am Ende bin auch ich davon betroffen, wenn andere diesen Quatsch glauben.
Viel schwerwiegender sind aber die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Gerade in Österreich, wo wir ja bekanntlich ganz besonders mit Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftsfeindlichkeit zu kämpfen haben. Und wo deswegen immer wieder von allen möglichen Akteuren erzählt wird, wie wichtig es ist, die Wissenschaftskommunikation zu stärken; die negative Einstellung der Bevölkerung zur Wissenschaft zu ändern, und so weiter. Wenn dann auch noch in einem eigentlich seriösen Umfeld, wie der ORF ja eines ist und sein sollte, ein esoterischer Aberglaube wie die Astrologie so völlig ohne Kritik als tatsächliches System zur Welt- und Selbsterkenntnis präsentiert wird, dann ist das ein großes Problem. Ich als Astronom kann leider bestätigen, dass vielen Menschen der Unterschied zwischen der Wissenschaft Astronomie und dem Aberglauben Astrologie nicht so geläufig ist, wie man es sich wünschen würde. Und dass es genug Leute gibt, die zwar keine klassischen Astrologie-Fans sind, aber das ganze unter „Na ja, das meiste ist wahrscheinlich Quatsch, aber wird schon ein bisschen was dran sein“ abgespeichert haben. Und diese Menschen denken sich dann vielleicht, dass da doch mehr dran sein muss, wenn sie die Astrologie auf diese unkritische Weise vorgesetzt bekommen. Und wenn man sich dann – angeregt durch die in der Show präsentierten „faszinierenden Geheimnisse der Astrologie“ – weiter informiert, landet man schnell bei der Hardcore-Esoterik, wo man mit echter Wissenschaftsfeindlichkeit und ganz anderer Pseudowissenschaft konfrontiert wird. Astrologie mag harmlos erscheinen, aber sie IST unwissenschaftlicher Aberglaube; sie ist irrationale Esoterik. Und wenn man erst einmal mit dem irrationalen Denken angefangen hat, ist es leicht, auch anderswo in die Welt der Verschwörungstheorien, der Pseudomedizin und der Wissenschaftverleugnung abzugleiten. Und ich fange jetzt gar nicht erst an, was es bedeutet, dass wir in Österreich kurz vor einer Wahl stehen, wo eine Partei auf Platz 1 landen wird, die Verschwörungstheorie, Pseudomedizin und Wissenschaftsverleugnung im Wahlprogramm hat…
Ich gehe davon aus, dass in der „Astro Show“ die Wissenschaft nicht direkt angegriffen wird (ich habe die Sendung noch nicht gesehen). Aber das ist auch gar nicht nötig. Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders wie der ORF einer ist, sollte es sein, der Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftsfeindlichkeit durch vernünftig und verständliche Information und Wissensvermittlung zu begegnen. Die „Astro Show“ tut das aber nicht nur nicht, sie arbeitet aktiv dagegen an.
Ja, die Astrologie „liegt voll im Trend“ (um noch einmal die Pressemeldung des ORF zu zitieren), vor allem in den sozialen Medien. Kinder und Jugendliche, aber nicht nur die, nehmen diesen Trend an und lassen sich von der Astrologie sagen, dass sie „bei wichtigen Fragen auf die Sterne zu setzen“ haben. Aber daraus darf man doch nicht schlussfolgern, dass man diesen Trend nun auch in eine ORF-Show transportieren muss! Dieser Trend wäre Anlass, sich kritisch damit auseinanderzusetzen und sich zu überlegen, woran es liegt, dass die Astrologie so populär ist. Man könnte sich überlegen, wie man als öffentlich-rechtliches Medium darauf reagiert und wie man den – verständlichen! – Wunsch vieler Menschen nach Orientierung in einer zu komplex erscheinenden Welt vernünftig begegnen kann. Man sollte sich damit auseinandersetzen, das nur scheinbar wirksame Angebot der Astrologie einzuordnen und ihm durch gute, verständliche und vor allem echte Wissensvermittlung zu begegnen. All das tut „Die Astro-Show“ nicht, sie kapituliert einfach vor dem Aberglauben. Es liegt, leider, auch im „Trend“ auf den sozialen Medien Fake-News, Verschwörungstheorien, Antisemitismus und rechtsextreme Propaganda zu verbreiten. Zumindest hier sind sich die seriösen Medien noch einig, dass das Anlass zur Sorge ist und machen sich Gedanken, was man dem entgegen setzen kann. Zum Glück…
Und ja, ich weiß, dass es im ORF auch sehr gute und sehr gut gemachte Sendungen, auch über Wissenschaft gibt. Erst vor ein paar Tagen hat das „ZIB Magazin Klima“ den K3-Preis für Klimajournalismus gewonnen. Aber das macht die Sache nur noch problematischer. Wie kann so ein Unsinn wie die „Astro-Show“ entstehen, wenn es so guten Wissenschaftsjournalismus im ORF gibt?
Und ja, ich weiß auch, dass das nicht das erste Mal ist, dass der ORF sich auf diese Weise mit der Astrologie beschäftigt. Seit mehr als 30 Jahren gibt es im ORF-Radio eine Astrologie-Sendung und immer wieder völlig unkritische Beiträge in anderen Magazinen. Ich habe dazu auch vor zwei Jahren schon einen ausführlichen Text geschrieben. Aber auch das zeigt nur, dass die problematische Haltung des ORF zur Astrologie tief verwurzelt ist.
Wenn man die Astrologie entweder gar nicht oder nur kritisch-einordnend im Fernsehen zeigen wollte (wofür ich absolut bin! Sie hat in einem seriösen Sender nichts zu suchen!), dann müssten wir dasselbe ebenso mit jeglichem Gottesglauben und allen sonstigen Formen des Aberglaubens machen.
Auch das findet aber im ORF, soweit ich diesen kenne, in keinster Weise statt. Religiöse Inhalte sind dort regelmäßig Thema und werden (außer vielleicht, es sind muslimische) keinesfalls irgendwie kritisch betrachtet oder eingeordnet, und auch nicht als das betrachtet oder benannt, was sie eigentlich sind – Hirngespinste zur Realitätsverweigerung. Konstrukte, um die Endlichkeit des Lebens erträglicher zu machen. Frei erfundene Geschichten und Handlungen, um dem Menschen irgendwelche womöglich wohltuenden Illusionen zu verschaffen (durch Gebete nehme ich Einfluss auf Gott und dadurch ändert sich dann mein Leben etc).
An diese Formen des Aberglaubens will der ORF sicher nicht „rangehen“. Und, so meine Vermutung, aus demselben Grund will er auch an die Astrologie nicht in angemessener Weise „rangehen“. Es ist ja leider immer so: Je mehr Menschen einen bestimmten Unsinn glauben, als desto „normaler“ wird dieser Unsinn im Mainstream angesehen und wer ihn mit gesundem Verstand analysieren, ja gar „debunken“ wollen würde, *der* macht sich verdächtig und muss sich verteidigen; sieht sich in der heutigen Welt gar Shitstorms und Hasstiraden ausgesetzt. Die Vielzahl der Menschen, die an o.g. verschiedene Sorten des Aberglaubens nicht nur glauben, sondern ihr gesamtes Leben darauf aufbauen, macht eine ernsthafte Kritik daran in weiten Kreisen unerwünscht. Und da ist auch der ORF keine Ausnahme. Und übrigens auch nicht das deutsche ZDF, in dem sogar ein gestandener Wissenschaftler wie Harald Lesch, Sendungen aus einer Wissenschaftsreihe dazu benutzte, um seinen Gottesglauben zu propagieren.
Sehr schade. Die Fähigkeit zur kritischen Einordnung scheint dem Journalismus immer mehr abhanden zu kommen, und ich glaube leider auch gar nicht, dass das versehentlich oder aus Nachlässigkeit geschieht. Sondern vielmehr, um sich keiner Kritik von Seiten der (woran-auch-immer-)Gläubigen aussetzen zu müssen.
Annahme:
öffentliches-rechtliches Fernsehen ist seriös.
Beweis:
s.o. => Widerspruch. Annahme widerlegt.
Aber mal im Ernst. Nach meiner Beobachtung, fassen Journalisten „Seriösität“ anders als Wissenschaftler auf. Nach ihrer Ansicht scheint folgende Gleichung zu gelten: „Seriösität“ „Meinungspluralismus“. D.h. alles was es auf der Welt so gibt, findet seinen Platz im Journalismus. Und gerne aus jeder Richtung ein Vertreter, was zu der viel kritisierten „False Balance“ führt.
Wenn es also Wissenschaftssendungen gibt, verlangt der Meinungspluralismus, dass es auch Unwissenschaftssendungen geben muss, und vice versa. Alles andere wäre Meinungsdiktatur.
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Ich las in der Vorschau erst „Astronomie“ und dachte zunächst, dass die Ihnen nun endlich mal eine eigene Sendung gegeben haben… Naja. Leider doch nicht. Ich finde, es wird mal Zeit!
Beste Grüße!