Endlich! Nach jahrzehntelangen Bemühungen wird Österreich endlich ESO-Mitglied! Für die astronomische Forschung eines kleines Landes wie Österreich das von ziemlicher Bedeutung. Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ist immer noch das größte Teleskop der Welt – und nun haben auch österreichische Forscher erleichterten Zugang dazu!
Was ist die ESO?
Die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory – ESO) wurde 1962 gegründet um auch den europäischen Ländern Beobachtungen auf der südlichen Hemisphäre zu ermöglichen. 1969 wurde das erste Observatorium auf dem Cerro La Silla eröffnet. Dieses Gebiet in der chilenischen Atacama-Wüste gehört zu den trockensten Gebieten auf der Erde und ist weit entfernt von größeren Ansiedlungen. Ideales Gebiet für eine Sternwarte also. Später kamen noch 2 weitere Observatorien auf dem Cerro Paranal und in Llano de Chajnantor (ebenfalls beide in Chile) dazu. Die Geräte, die den Astronomen in den ESO-Observatorien zur Verfügung stehen gehören zu den besten der Welt.
Am bekanntesten ist das Very Large Telescope (VLT).
Das VLT (Bild rechts) ging 1998 am Cerro Paranal in Betrieb und besteht aus vier Einzelteleskopen deren Spiegel 8m durchmessen. Diese Spiegel können für interferometrische Messungen zusammen geschaltet werden und bilden dann das derzeit größte Teleskop weltweit. Eines dieser Teleskope ist mit einer adaptiven Optik ausgestattet, die die Luftunruhen automatisch ausgleicht und so enorm scharfe Bilder ermöglicht. Zusammen mit der dort ebenfalls installierten Infrarotkamera (CONICA) ist es seit einigen Jahren möglich Bilder mit einer besseren Auflösung als die des Hubble-Weltraumteleskops zu gewinnen.
Die Sternwarte in La Silla beherbergt etwa 20 verschiedene Teleskope (von denen viele allerdings mittlerweile stillgelegt sind). Das größte davon ist ein 3.6m Teleskop das seit 1976 in Betrieb ist. Dieses Teleskop ist auch mit HARPS (High Accuracy Radial velocity
Planet Searcher) ausgestattet. Mit diesem Gerät lassen sich die Schwingungen und Schwankungen eines Sterns extrem genau vermessen und so z.B. extrasolare Planeten finden.
Für die nächsten Jahre plant die ESO den Bau des Extremly Large Telescopes (ELT) das einen (aus vielen kleinen Teilen zusammengesetzten) Hauptspiegel mit einem Durchmesser von 42 m (!) haben soll.
In Observatorien der ESO findet sich also hochmoderne Technik; dort findet die Spitzenforschung statt und dort werden regelmäßig bedeutende Entdeckungen gemacht. Benutzen dürfen diese Instrumente allerdings nur Forscher aus Ländern, die Mitglied der ESO sind. Astronomen aus anderen Ländern haben zwar unter Umständen auch die Möglichkeit, dort zu beobachten – Mitgliedsländer werden aber vorrangig beurteilt. Gegründet wurde die ESO von Belgien, Deutschland, Frankreich, Holland und Schweden. Später traten dann noch Dänemark (1967), Schweiz (1981), Italien (1982), Portugal (2000), Großbritannien (2002), Finnland (2004), Spanien (2006) und Tschechien (2007) bei. Österreich hat schon seit Jahrzehnten an einem Beitritt gearbeitet – und es jetzt endlich geschafft!
Österreichs Weg in die ESO
Schon Anfang der 80er Jahre haben österreichische Astronomen sich für einen ESO Beitritt ausgesprochen. Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen scheiterten allerdings – wie sollte es anders sein – an der Ablehnung durch das Finanzministerium. Natürlich ist ein Beitritt zur ESO nicht umsonst. Unterhaltung und Organisation der Sternwarten und des ESO Personals kosten eine Menge Geld. Und Neu-Mitglieder zahlen ausserdem noch eine „Ablöse“ für die bisher getätigten Investitionen. Verglichen mit anderen Ausgaben des Staats kommt ein ESO Beitritt allerdings relativ billig: Österreich zahlt nur 3 Millionen Euro Mitgliedsgebühr pro Jahr und 24 Millionen Euro als Ablöse.
Die österreichischen Finanzminister jedenfalls fanden das immer noch zu hoch und lehnten einen Beitritt ab. 1986 wurden die Bemühungen wieder verstärkt um an der neuen „Ära“ teilzuhaben die mit der Fertigstellung des VLT beginnen würde – aber wieder wurde ein Beitritt seitens des Finanzministers abgelehnt. Im Februar 1990 allerdings nahm der damalige Wissenschaftsminister Erhard Busek zumindest schon einmal offizielle Kontakte zur ESO auf. Es wurde verhandelt und diskutiert, alles lief gut und ein Beitritt war zum greifen nahe – bis im September 1991 der Finanzminister wieder alles stoppte: wegen der Budgetkonsolidierung stünde kein Geld mehr für einen Beitritt zur Verfügung. Erst 1995 wurden wieder konkretere Gespräche zwischen der ESO und dem Wissenschaftsministerium geführt. Nach den Nationalratswahlen, die im selben Jahr stattfinden wurde allerdings wieder ein Sparkurs verkündet und die Gespräche gestoppt. In der Zwischenzeit wurde die „Reform“ der Astronomie in Österreich abgeschlossen: Astronomie war als Vollstudium nur mehr in Wien möglich; an den beiden anderen Standorten – Graz und Innsbruck – wurde Astronomie mit der Physik zusammengelegt. Diese Konzentration der Astronomie in Wien war eine der zentralen Forderungen die das Wissenschaftsministerium für einen ESO Beitritt voraussetzte. Seit 1999 wurde deswegen seitens der Astronomen wieder verstärkt auf eine Aufnahme der Gespräche gedrängt. 2000 wurde eine „Interuniversitäre Arbeitsgruppe zur Vorbereitung
der österreichischen ESO-Mitgliedschaft“ gegründet, 2001 wurde der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) vom Ministerium damit beauftragt, die Finanzierung des Beitritts zu prüfen. Der Rat empfahl 2003 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen; eine Studie im Jahr 2004 stellte fest, dass ein ESO Beitritt als „als außenpolitische Notwendigkeit angesehen
werden kann“ und das „den österreichischen
AstronomInnen die Nutzung einer entsprechenden Infrastruktur ermöglicht
werden muss.“. Auch 2005 gab es Empfehlungen des Forschungsrates, endlich wieder Verhandlungen aufzunehmen. Das geschah 2007 und – Überraschung – das Ministerium kommt zu dem Schluß „dass wir unter diesen Bedingungen nicht beitreten
werden“, weil die Beitrittskosten, „vom heutigen Standpunkt aus den
Nutzen übersteigen“. Eine Delegation der ESO hat aber das Ministerium später trotzdem noch besucht und weitere Gespräche geführt – und jetzt, endlich, nach bald 30 Jahren kam man zu einer Einigung! Österreich wird das 14. Mitglied der ESO werden. Morgen (am 24.4.2008) werden der ESO Generaldirektor Tim de Zeeuw und die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik, Sabine Schindler, die Details des Beitritts bekannt geben.
Was bedeutet das für die Forschung in Österreich?
Österreich hat jetzt endlich vorrangigen Zugang zu den modernsten astronomischen Instrumenten. Das ist für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der astronomischen Forschung nicht unwichtig. Ein kleines Land wie Österreich kann sich selbst den Bau von größeren Teleskopen nicht leisten – eine Kooperation mit anderen Ländern ist also unerlässlich (und die geografischen/klimatischen Bedingungen in Österreich sind auch nicht unbedingt das, was man sich für astronomische Beobachtungen wünscht). Österreich ist nun auch von Anfang an die Entwicklung neuer Projekte (z.B. ELT) eingebunden.
Die österreichischen Astronomen und Astronominnen sind natürlich enorm froh, dass es endlich geklappt hat. Ich habe heute ein paar von ihnen gefragt, was der ESO Beitritt für ihre spezielle Arbeit bedeutet
.
Victoria Antoci arbeitet auf dem Gebiet der Asteroseismologie. Sie misst die Schwingungen eines Sterns und kann daraus Rückschlüsse auf seine Eigenschaften ziehen: „Wir brauchen dafür sehr genaue Messungen. Das wäre z.B. mit HARPS möglich. Wir haben schon zweimal Beobachtungszeit beantragt, wurden aber abgelehnt. Jetzt werden wir einen neuen Antrag stellen.“
Martin Netopil beschäftigt sich mit Sternen die chemische Auffälligkeiten zeigen (sg. chemisch pekuliare Sterne). Auch dazu benötigt man große, moderne Teleskope und die ESO bietet hier beste Voraussetzungen: „Obwohl ich
schon des öfteren mit ESO Teleskopen beobachtet habe, geschah dies
meistens als „Trittbrettfahrer“. Zusätzlich stand immer die Frage im
Raum, wie der Beobachtungsaufenthalt finanziert werden kann. Mit dem ESO
Beitritt sind beide Probleme gelöst.“
Mit der ESO bekommen die Wissenschaftler in Österreich nun nicht nur Zugang zu besseren Instrumenten – auch die Astronomie an sich wurde enorm gestärkt. Langfristig wäre ein ESO Beitritt unumgänglich gewesen – es sei den Österreich würde „auf eine international wettbewerbsfähige Forschung
im Bereich Astronomie verzichten“ wie die oben zitierte Studie des RFT es formuliert hat. Ich als Astronom und Österreicher freue mich daher ganz besonders, dass die astronomische Forschung in Österreich durch den ESO Beitritt nun auch für die Zukunft gut abgesichert ist!
Weiterführende Links und Infos:
- Die Österreichische Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik hat einen detaillierten Überblick über die lange Geschichte des österreichischen ESO Beitritts.
- Leonard Burtscher von den Kosmologs ist im Moment gerade am VLT und bloggt live von seinen Beobachtungen und seiner Arbeit.
- Bilder und Infos im Überfluss gibt es auf der Homepage der ESO
- dort findet sich auch alles über das geplante Extremly Large Telescope
Schön ist auch die Schlagzeile auf ORF.at: „Österreich tritt Astronomie Organisation bei“. Da hat wohl jemand im Kurs „Wie schreibe ich dramatische Schlagzeile“ geschlafen 😉
Das ist ein toller Schritt hin zu mehr europäischer Zusammenarbeit in der Wissenschaft.
Die 3 Millionen pro Jahr sind sicherlich gut investiert.