Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 405: Corona Borealis und Corona Australis
Heute geht es um die Krone. Beziehungsweise um zwei Kronen. Beide befinden sich an unserem Nachthimmel; es handelt sich um die Sternbilder der Nördlichen und Südlichen Krone oder „Corona Borealis“ und „Corona Australis“, wie die offiziellen Namen lauten und nichts anderes als die lateinische Übersetzung von „Nördlicher Krone“ und „Südlicher Krone“ sind.
Die Nördliche Krone lässt sich auch ganz ohne Hilfsmittel sehr gut beobachten, auch wenn es sich um ein sehr kleines Sternbild handelt. Von den 88 Sternbildern die der Himmel zu bieten hat, sind nur 15 noch kleiner als die nördliche Krone. Wer sie sehen will, muss zwischen die ebenfalls sehr gut sichtbaren und bekannten Sternbilder „Herkules“ und „Bärenhüter“ schauen. Genau in der Mitte ist ein kleiner Bogen aus Sternen, der eher wie eine Halskette aussieht als wie eine Krone. Es handelt sich aber auch nicht um eine zackige Krone die wir von den Märchenkönigen oder aus dem Mittelalter kennen. Sondern eher um einen Kranz, der auf den Kopf gesetzt wird und der zur Stirn hin offen ist, so wie die Lorbeerkränze mit denen zum Beispiel römische Kaiser gern abgebildet werden.
Die Nördliche Krone ist ein altes Sternbild, es ist eines der 48 Sternbilder die schon der griechische Astronom Claudius Ptolemäus in der Antike beschrieben hat. Und wie alle antiken Sternbilder gibt es auch hier eine passende Geschichte aus der Mythologie. Sie hat mit Ariadne und Theseus zu tun. Die gute Ariadne hat kein einfaches Leben gehabt. Ihr Vater war Minos, König von Kreta. Und ihr Halbbruder der Minotaurus, ein Wesen halb Mensch halb Stier. Das Monster wurde in einem Labyrinth eingesperrt. Und weil Minos irgendwann mal Athen erobert hatte, musste die Athener alle neun Jahre sieben junge Frauen und sieben junge Männer abliefern, die vom Minotaurus gefressen werden sollte. Das fanden die Athener natürlich nicht so super, besonders nicht Theseus, der Sohn des Königs von Athen. Also machte er sich auf nach Kreta um den Minotaurus umzubringen. Ariadne sieht Theseus und wie das so ist bei Königskindern, haben die beiden sich ineinander verliebt. Ariadne verspricht Theseus zu helfen den Minotaurus zu besiegen und wieder aus dem fiesen Labyrinth zu entkommen. Dafür gibt sie ihm einen langen Faden, mit der den Weg markieren und den Ausgang wiederfinden kann. Alles klappt und die beiden fliehen gemeinsam aus Athen. Happy End? Nicht ganz. Der fiese Theseus nämlich lässt Ariadne unterwegs einfach auf der Insel Naxos sitzen und reist alleine nach Hause. Ariadne liegt also nun auf der Insel rum, und als sie einmal am Strand schläft, kommt der Gott Dionysos vorbei. Der war wesentlich netter zu ihr als Theseus, heiratet sie und schenkt ihr eine coole Krone. Als Ariadne schließlich stirbt, holt Dionysos sie in den Olymp zu den restlichen Göttern und ihre schicke Krone landet am Himmel, wo man sie heute noch als Sternbild sehen kann.
Eine schöne Geschichte, aber natürlich nicht die einzige! Wir neigen heute dazu, nur die griechisch-römische Antike zu beachten, aber selbstverständlich haben sich auch überall sonst Menschen Geschichten über den Himmel erzählt. Bei den Kelten waren die Sterne keine Krone sondern das Spinnrad der Göttin Arianrhod, die arabischen Astronomen nannten das Gebilde „Alphecca“ was in etwa so viel wie „zerbrochen“ bedeutet und auf eine zerrissene Halskette hindeutet. Amerikanische Ureinwohner sahen in den Sternen das Loch durch das Rauch über einem Feuer in den Himmel steigt; bei den australischen Ureinwohner waren die Sterne ein Bumerang.
Der Himmel ist voller Geschichten und auch wenn sie nichts mit Naturwissenschaft zu tun haben, sollte man sie trotzdem nicht gering schätzen. Sie zeigen uns, wie sehr uns die Sterne im Laufe der Zeit beeinflusst und inspiriert haben. Ich will aber trotzdem auch ein wenig über die echten Sterne der nördlichen Krone und ihre astronomischen Eigenschaften sprechen. Der hellste Stern dort heißt „Gemma“, lateinische für „Edelstein“ oder und mittlerweile auch offiziell „Alphekka“, so wie die Araber das ganze Sternbild genannt haben. Es ist ein sehr heller Stern. Was daran liegt, dass er nicht nur sehr hell leuchtet sondern auch vergleichsweise nahe ist. Seine Entfernung zur Erde beträgt 75 Lichtjahre und der Stern hat circa die 60fache Leuchtkraft unserer Sonne. Es ist ein heißer Stern und er ist nicht alleine. Er wird von einem kleineren Stern umkreist der mit freiem Auge nicht sichtbar ist. Alphekka leuchtet weiß, was auch viele andere Sterne tun. Alphekka tut es aber quasi hochoffiziell. Die Farbe eines Sterns ist in der Astronomie nämlich nicht nur ein subjektiver Eindruck sondern eine objektive und messbare Größe. Bis man die Sternfarben aber auch vernünftig messen konnte, hat es ein wenig gedauert. Früher konnte man ja wirklich einfach nur hinschauen und sagen: Der ist gelb/weiß/rot und so weiter. Genauso konnte man Helligkeiten nur mehr oder weniger genau abschätzen. Später konnte man dann Fotos machen. Und Helligkeiten schon etwas besser messen, weil man ja jetzt schauen konnte, wie viel Licht auf der Fotografie gelandet ist. Nur: Was heißt hier „Licht“ genau? Ein Stern auf einem Foto kann heller oder dunkler erscheinen als mit den Augen betrachtet. Weil unser Auge nicht auf die gleiche Weise empfindlich ist, wie das Material das bei einer Fotografie belichtet wird. Und unterschiedliche fotografische Materialien sind unterschiedlich empfindlich. Wenn man das ganze vergleichen will, muss man also ganz genau dazu sagen, um welches Licht es geht. Also um welche Wellenlänge des Lichts. Deswegen haben die amerikanischen Astronomen Harold Johnson und William Morgan in den 1950er Jahren das sogenannte UBV-System entwickelt. Da werden genau drei Wellenlängen betrachtet: Ultraviolettes Licht mit 364 Nanometern, blaues Licht mit 442 Nanometern und gelbes Licht mit 540 Nanonmetern. In jeder Wellenlänge hat der Stern typischerweise eine andere Helligkeit und wenn man diese Helligkeiten vergleicht, kann man daraus einen exakten Wert für die Farbe eines Sterns bestimmen, also berechnen, ob er eher rötlich oder bläulich leuchtet. Sowas nennt sich „Farbindex“ und damit das alles wirklich exakt und nachvollziehbar ist, braucht das ganze auch noch einen Nullpunkt. Wenn man einen Stern hat, der weder rot noch blau leuchtet sondern wirklich rein weiß, dann muss der auch einen Farbindex von Null haben und wenn man das ganze System entsprechend einrichten will, braucht man dazu helle Sterne die weiß leuchten. Einer der Sterne die Morgan und Johnson benutzt haben um ihr Farbsystem zu kalibrieren war Alphekka – ein offiziell also farbloser Stern.
Aus der nördlichen Krone gibt es aber noch mehr astronomische Geschichten zu erzählen. Der Stern Epsilon Coronae Borealis zum Beispiel ist 230 Lichtjahre von der Erde entfernt. Er ist ungefähr so alt wie die Sonne, aber deutlich heller und größer. Es handelt sich um einen orangenen Riesenstern und er ist nicht alleine, sondern bildet mit einem orangenen Zwergstern ein Doppelsternsystem. Der große Stern wird aber auch noch von einem Planeten umkreist, wie man 2012 entdeckt hat. Einmal in 418 Tagen kreist dort ein Gasriese mit circa der 7fachen Masse des Jupiter um den großen Stern. Auch bei einigen anderen Sternen im Sternbild der nördlichen Krone hat man schon Planeten entdeckt. Zum Beispiel bei Kappa Coronae Borealis, wo man nicht nur einen Planeten gefunden hat sondern auch noch eine Scheibe aus Staub die den Stern umgibt.
Alphekka ist mit Abstand der hellste Stern der nördlichen Krone; zwischen 1866 und 1946 hat er aber Konkurrenz bekommen durch T Coronae Borealis. Der ist 2000 Lichtjahre weit weg und eine sogenannte wiederkehrende Nova. Es handelt sich um einen Roten Riesen in unmittelbarer Nähe eines weißen Zwergs. Die beiden kreisen in engem Abstand umeinander, so nahe, dass immer wieder Material vom roten Riesen auf den weißen Zwerg fallen. Wenn dort genug Material gelandet ist, wird dieser eigentlich schon tote Stern plötzlich wieder lebendig; für kurze Zeit kann dort wieder Kernfusion stattfinden und er leuchtet hell auf. Bis alles wieder vorbei ist und der weiße Zwerg erneut ruhig und dunkel.
Mit großen Teleskopen kann man in der nördlichen Krone auch jede Menge Galaxien sehen; ein ganzer Superhaufen aus tausenden Galaxien trägt deswegen sogar den Namen „Corona Borealis Superhaufen“. Die gewaltige Ansammlung von Galaxien ist so weit weg dass das Licht fast eine Milliarde Jahre bis zu uns braucht und 330 Millionen Lichtjahre groß.
Es gäbe noch mehr zu sehen in der nördlichen Krone, wir schauen jetzt aber nochmal kurz zum südlichen Gegenstück. Corona Australis oder die südliche Krone wurde ebenfalls schon in der Antike von Claudius Ptolemäus erwähnt. Hier gibt es aber keine schöne mythologische Geschichte mehr; vermutlich hat die Sternengruppe ihren Namen einfach deshalb bekommen, weil es sich ebenfalls um eine bogenförmige Gruppe handelt. Man kann sie von Mitteleuropa aus nur im Sommer kurz sehen und dann auch nur zum Teil. Wer die südliche Krone komplett und länger beobachten möchte, muss weiter nach Süden reisen. So spektakulär wie die nördliche Krone ist sie aber eh nicht, die hellsten Sterne sind zwar mit freiem Auge noch zu sehen, aber bei weitem nicht so gut wie beim nördlichen Gegenstück.
Dem genauen Blick der Astronomie sind aber im Laufe der Zeit aber auch hier jede Menge spannende Objekte aufgefallen. Da ist zum Beispiel die Corona Australis Molecular Cloud, eine große, dunkle Wolke aus Gas in 430 Lichtjahren Entfernung in der neue Sterne entstehen. Es handelt sich um eine der uns am nächsten gelegenen Sternentstehungsregionen die wir kennen. Was es auch noch gibt sind die „Corona Australiden“, ein Meteorstrom. Also ein Sternschnuppenschauer der sein Maximum jedes Jahr Mitte März erreicht und bei dem Sternschnuppen aus der Richtung der südlichen Krone zu kommen scheinen um auf die Erde zu fallen. Es ist allerdings ein sehr schwacher Sternschnuppenschauer; nicht zu vergleichen mit den viel prominenteren Perseiden oder Leoniden.
Was die südliche Krone ebenfalls noch zu bieten hat ist ein Mitglied der Glorreichen Sieben. So werden sieben junge Neutronensterne genannt, die sich alle in relativer Nähe der Erde befinden; nicht weiter als 1630 Lichtjahre weit weg und nur ein paar hunderttausend Jahre alt. Der erste davon wurde 1992 entdeckt, trägt die Bezeichnung RX J1856.5−3754 und ist einer der uns am nächsten gelegenen bekannten Neutronenstern. Er ist nur knapp 400 Lichtjahre weit weg und als man ihn damals entdeckt hat, war das erstens prinzipiell eine coole Sache und zweitens eine mögliche Revolution. Denn der Stern hat zwar – wie alle Neutronensterne – ungefähr die 1,4fache Masse der Sonne, aber nur einen Durchmesser von 11 Kilometern. Was ein wenig kleiner ist, als Neutronenstern üblicherweise sind. Das war spannend, denn wie ich im Podcast ja schon oft erzählt habe, sind Neutronensterne das, was von einem größeren Stern übrig bleibt wenn dort keine Kernfusion mehr stattfindet. Die ganze Materie aus der er besteht kracht unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen; die Atome werden in Neutronen umgewandelt, also Bausteine des Atomkerns und enorm dicht zusammengequetscht. Es gab und gibt aber Vermutungen, dass unter gewissen Umständen die Materie noch weiter komprimiert werden kann, so dass sie nur noch aus einzelnen Quarks besteht. Also den Elementarteilchen die man normalerweise nur verbunden mit anderen Quarks finden kann und aus denen die gesamte Materie besteht. Das wären dann ganz seltsame Objekte die ganz anderes funktionieren als alles was wir bisher kennen – ich habe in Folge 279 schon ausführlich über solche „Quarksterne“ erzählt. Ihre Existenz nachzuweisen ist schwierig und bis jetzt noch nicht gelungen. Aber wenn es sie gibt, schauen sie ungefähr so aus wie Neutronensterne, nur ein wenig kleiner. Also genau so wie das Ding in der südlichen Krone! Allerdings hat man dann später festgestellt, dass man sich bei der Bestimmung der Größe des Neutronensterns geirrt hat. Er ist größer als 11 Kilometer und damit kein Kandidat für einen Quarkstern mehr.
Es gäbe in den beiden himmlischen Kronen noch jede Menge mehr zu sehen und zu entdecken. Natürlich, denn so ein Sternbild ist ja nur eine willkürliche Grenze die wir am Himmel gezogen haben. Der Blick auf ein Sternbild ist immer ein Blick auf einen Teil des gesamten Universum, mit all seinen unterschiedlichen Objekten und Phänomenen. In einem Sternbild findet man alles: Sterne, Kometen, Planeten, Galaxien, und so weiter. Man könnte einfach auch irgendwo anders am Himmel eine beliebige Region markieren und würde dort die gleiche Vielfalt an Phänomenen finden wie in der nördlichen oder südlichen Krone. Aber wir Menschen sind eben Menschen. Wir brauchen unsere willkürlichen Definitionen und Grenzen. Und der Himmel braucht die Geschichten, die wir darüber erzählen.
„wirklich rein weiß“, „helle Sterne die weiß leuchten“.. Weiß ist doch keine Farbe, sondern nur ein subjektiver Seheindruck an den wir durch unsere Evolution gewöhnt sind. Ein Spektrum, das unserer Sonne zur Mittagszeit entspricht, erscheint uns neutral. Alles ab gewissen Grenzen abweichende erscheint uns irgendwie gefärbt. Das ist eine Funktions unseres Gehirns das uns hilft, Informationen zu verarbeiten und zu überleben.
moin Robert, selbstverständlich ist Weiß eine Farbe, wenn auch eine sogenannt unbunte und auch noch durch ihren Eindruck definierte: „ein Gemisch aus Einzelfarben, das den gleichen Farbeindruck hervorruft wie Sonnenlicht.“
Spektral gemessen gibt es also ziemlich viele Weiß.
@Robert:
Das ist doch ziemlich genau eine der Bedeutungen des Wortes „Farbe“.
[…] Auf diesem Teleskopsichtfeld nahe der nördlichen Grenze von Corona Australis, der Südlichen Krone, kreuzen kosmische Staubwolken ein reiches Sternfeld. Die Staubwolken sind […]