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Sternengeschichten Folge 239: Der Asteroid Vesta

Vesta ist die römische Göttin von Heim und Herd; die Hüterin des heiligen Feuers. Vesta ist aber auch der Name eines 516 Kilometer durchmessenden Asteroids der zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter seine Runden um die Sonne zieht. Offiziell lautet sein Name „(4) Vesta“ und die „4“ vor dem Eigennamen sagt aus, dass es der vierte Asteroid war, den Astronomen entdeckt haben. Da wir mittlerweile mehr als 600.000 Asteroiden kennen muss Vesta also schon ziemlich früh in den Teleskopen der Wissenschaftler aufgetaucht sein.

Der Asteroid Vesta (Bild: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA)
Der Asteroid Vesta (Bild: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA)

Ganz genau war es der 29. März 1807 als Heinrich Wilhelm Olbers in Bremen durch sein Teleskop blickte und einen Lichtpunkt sah den vorher noch niemand gesehen hatte. Eigentlich war Olbers aber Arzt; 1780 schrieb er seine Dissertation über das menschliche Auge. Ganz passend eigentlich für jemanden der einen Großteil seines Lebens mit der Beobachtung des Himmels verbrachte. Denn schon während seines Medizinstudiums hatte sich Olbers mit der Astronomie und vor allem der Beobachtung von Kometen beschäftigt.

Damals konnte man am Himmel auch nicht viel mehr entdecken als Kometen. Ok, Sterne natürlich. Aber von denen gibt es so viele das es keinen Sinn macht von „Entdeckung“ zu sprechen. Und dann natürlich auch die Planeten! Dass hatte Wilhelm Herschel im Jahr 1781 mit der Entdeckung von Uranus gezeigt. Und am 1. Januar 1801 entdeckte der italienische Astronom Giovanni Piazzi ebenfalls einen neuen Planeten. Der bekam den Namen „Ceres“ und befand sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter (und von dieser Entdeckung habe ich in Folge 186 der Sternengeschichten mehr erzählt).

Und falls sich jetzt jemand wundert: Nein, das war kein Versprecher. Als Piazzi damals diesen neuen Himmelskörper fand wurde er tatsächlich als „Planet“ bezeichnet und alle Astronomen gingen auch davon aus das es sich um genau das handelte. Und auch Olbers reihte sich schnell in die Riege der Planetenentdecker ein. Schon am 28. März 1802 entdeckte er „Pallas“. Eigentlich wollte Olbers damals ja nur den neuen Planeten Ceres beobachten. Dass zwischen Mars und Jupiter noch weitere Planeten ihre Runden ziehen nahm damals niemand an. Damals glaubte man noch an die Gültigkeit der sogenannten „Titius-Bode-Reihe“ (über die ich in Folge 86 der Sternengeschichten mehr erzählt habe) mit der sich die Position und Existenz von Planeten vorhersagen lassen sollte. Und die sagte eben nur einen Planeten zwischen Mars und Jupiter voraus und das musste Ceres sein. Als Olbers dann plötzlich an fast gleicher Stelle einen zweiten Planeten – eben „Pallas“ fand – war man kurz verwirrt. Aber Olbers fiel schnell eine Lösung ein: Der eigentliche Planet zwischen Mars und Jupiter musste irgendwie zerstört worden sein und Ceres und Pallas wären nur die Bruchstücke. Und wo zwei Bruchstücke sind, finden sich vielleicht noch mehr.

Also suchte man weiter. Und tatsächlich fand 1804 der deutsche Astronom Karl Ludwig Harding einen weiteren Planeten dem er den Namen „Juno“ gab. Und drei Jahre später folgte dann der zweite Streich von Olbers mit der Entdeckung von Vesta. Dann fand man lange nichts; erst 38 Jahre später konnte ein weiterer deutscher Astronom – Karl Ludwig Hencke – den Planeten „Astrea“ ausfindig machen. Dann folgten in kurzer Abfolge immer mehr Planetenentdeckungen bis den Astronomen irgendwann klar wurde, dass das mit den Planeten nicht so ganz stimmen kann. Es musste sich um eine andere Art von Himmelskörper handeln, denn Planeten sausen normalerweise nicht in großen Gruppen durchs All. Auf Vorschlag von Alexander von Humboldt wurden sie in „Asteroiden“ umbenannt und ab 1850 setzte sich allgemein durch dass die vielen Himmelskörper zwischen Mars und Jupiter keine Planeten sind.

Was aber nichts daran ändert das Vesta ein äußerst interessanter Himmelskörper ist, egal ob er nun „Planet“ oder „Asteroid“ heißt. Für eine Runde um die Sonne braucht der kleine Felsbrocken 3 Jahre und 7 Monate. Seine Bahn liegt nicht genau in der Ebene der anderen Planeten sondern ist ihr gegenüber um 7 Grad geneigt. Seine Form ist unregelmäßig: An der längsten Stelle beträgt sein Durchmesser 573 Kilometer, an der kürzesten sind es nur 446 Kilometer. Seine scheinbare Helligkeit liegt bei wenig mehr als 5 Größenklassen, zumindest dann wenn er der Erde am nächsten ist. Damit ist Vesta der hellste Asteroid am Nachthimmel und als einziger zumindest prinzipiell mit bloßem Auge sichtbar. Allerdings nur unter absolut optimalen Bedingungen an einem absolut dunklem Himmel und wenn man weiß wo man ihn suchen muss.

Vesta gehört zu den sogenannten differenzierten Himmelskörpern. Das bedeutet das er kein homogener Brocken ist der durch und durch aus dem selben Material besteht. So wie zum Beispiel auch die Erde hat er einen Mantel aus Gestein unter dem ein Kern aus Eisen und Nickel liegt. Damit das passieren kann muss ein Himmelskörper groß genug sein: Nur dann ist auch die Menge an natürlich auftretenden radioaktiven Materialien in seinem Inneren groß genug damit er warm genug werden kann um teilweise aufzuschmelzen. Das schwere Metall sinkt in den Kern, das leichtere Gestein bleibt außen zurück.

Geologische Karte von Vesta (NASA/JPL-Caltech/ASU)
Geologische Karte von Vesta (NASA/JPL-Caltech/ASU)

Wir haben das große Glück über Vesta sehr viel mehr zu wissen als über die meisten anderen Asteroiden. Denn am 15. Juli 2011 bekam er Besuch von der Raumsonde Dawn der NASA. Die war eigentlich auf dem Weg zu Ceres, legte aber vorher noch einen Stopp bei Vesta ein. Aus guten Gründen: Denn Ceres befindet sich ein Stück weiter von der Sonne entfernt als Vesta. Ungefähr zwischen den Umlaufbahnen von Ceres und Vesta verläuft in unserem Sonnensystem die sogenannte „Schneelinie“ über die ich in den Folge 67 und 68 der Sternengeschichten mehr erzählt habe. Hinter der Schneelinie war es während der Entstehung der Asteroiden und Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren kalt genug das neben dem ursprünglichen Staub auch Eispartikel existieren konnten. Die Himmelskörper die hinter der Schneelinie entstanden sind sollten daher auch mehr Eis enthalten als die anderen. Wie genau sich diese Unterschiede bei der Entstehung auswirken wollten die Wissenschaftler unter anderem mit Dawn erforschen und haben daher nicht nur Ceres sondern auch Vesta im Detail untersucht.

Dawn fing mit einer kompletten Kartografierung des Asteroiden an und hielt dabei einen Abstand von 2750 Kilometer. Danach kam sie ihn bis auf 180 Kilometer nahe um Vesta auch im Detail beobachten zu können. Und das hat sich gelohnt! Der kleine Asteroid hat offensichtliche eine aufregende Vergangenheit. Seine Oberfläche ist von jeder Menge Einschlagskrater geprägt. Nicht nur kleine, sondern auch richtige Prachtexemplare.

Der größte von ihnen trägt den schönen Namen „Rheasilvia“, hat einen Durchmesser 505 Kilometern – ist also fast so groß wie der Asteroid selbst! In der Mitte des Kraters befindet sich ein Zentralberg der sich 22 Kilometer hoch über den Kraterboden streckt. Der Krater selbst ist 13 Kilometer tief. Damit landet der kleine Asteroid also gerade noch unter den Top 10 der größten Einschlagskrater des Sonnensystems. Und auf der Liste der höchsten Berge liegt der Rheasilvia-Zentralberg sogar auf Platz 2, knapp hinter dem Olympus-Mons-Vulkan auf dem Mars. Es muss dort also irgendwann mal ein ziemlich großes Ding mit Vesta zusammengestoßen sein. Man schätzt das Vesta damals ein Prozent ihres Volumens verloren hat.

Der "Millbillillie-Meteorit" der vermutlich von Vesta stammt (Bild: H. Raab, CC-BY-SA 3.0)
Der „Millbillillie-Meteorit“ der vermutlich von Vesta stammt (Bild: H. Raab, CC-BY-SA 3.0)

Dass es auf Vesta ordentlich rund gegangen sein muss können wir übrigens auch direkt hier auf der Erde beobachten. Nämlich an den sogenannten „HED-Meteoriten“. Das ist eine Klasse von Gesteinsmeteoriten und die Buchstaben „HED“ stehen für „Howardite“, „Eukrite“ und „Diogenite“. Als „Howardite“ werden Gesteine bezeichnet die beim Zusammenstoß von Himmelskörpern entstehen, „Eukrite“ sind eine spezielle Klasse von Meteoritengestein das sich durch Aufschmelzen und Abkühlen bildet und „Diogenite“ bilden sich wenn Magma in unterirdischen Kammern sehr langsam abkühlt.
Das klingt jetzt alles sehr technisch und geologisch – aber wenn man sich im Labor ansieht wie genau diese HED-Meteorite Licht reflektieren dann sieht das fast exakt so aus wie das Licht das Vesta selbst von der Sonne reflektiert. Es liegt also nahe, dass die HED-Meteorite Bruchstücke von Vesta sind die bei früheren Kollisionen ins All geschleudert wurden und dann irgendwann auf der Erde gelandet sind. Und bei den Riesenkratern die man auf Vesta finden kann ist das nicht wirklich unwahrscheinlich…

In Folge 111 der Sternengeschichten habe ich über Asteroidenfamilien gesprochen, also Gruppen von Asteroiden die alle Bruchstücke einer früheren Kollision sind. Zu diesen Familien gehört auch die Vesta-Familie die, wie der Name andeutet, Bruchstücke von Vesta sind. Untersucht man deren Umlaufbahnen kann man bestimmen wann die Gruppe entstand, also die Kollision stattgefunden hat. Bei Vesta deutet das auf ein Alter von etwa einer Milliarde Jahre für Rheasilvia hin.

Diese Kollision war so enorm, das nicht nur Material aus dem Mantel von Vesta ins All geschleudert wurde sondern eigentlich auch Zeug aus den metallischen Kernregionen entkommen sein muss. Und tatsächlich haben Wissenschaftler im Jahr 2011 den Asteroid 1999 TA10 untersucht und festgestellt das dessen Lichtreflektion genau so aussehen wie das was man von Material erwarten würde das aus dem Kern von Vesta stammt.

Vesta ist ein höchst faszinierender Himmelskörper. Bei seiner Entdeckung war er ein Planet. Heute ist er einer der größten bekannten Asteroiden. Er hat in seiner Vergangenheit gewaltige Kollisionen erlebt und die Bruchstücke fliegen heute noch durchs All. Manche davon sind auf der Erde gelandet. Über Vesta gäbe es noch jede Menge zu erzählen. Aber das tue ich dann in einer anderen Sternengeschichte…

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 239: Der Asteroid Vesta“
  1. @Florian
    Der Artikel selbst ist gut zu sehen, aber der Text dazu auf der Hauptseite ist kaputt.

    Verstehe ich den Wikipedia-Artikel zur „Grand Tack Hypothesis“ richtig, dass Jupiter sich an der Schneelinie bildete und sich eisige Asteroiden weiter außen bildeten, steinige dagegen weiter innen, und erst nach Jupiters Migration erst nach innen und dann nach außen alle im selben Asteroidengürtel landeten?

    Oder waren sie doch von Anfang an Teile desselben Gürtels?

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