Der Physik-Nobelpreis 2016 wurde verliehen. Nicht für die Gravitationswellen oder die anderen vorhergesagten Themen. Sondern eher überraschend für etwas Kompliziertes mit Quanten! Oder, wie es der Journalist Ben Hammersley ausgedrückt hat:
Oh balls, it's something quantum and weird, sigh science journalists worldwide, closing their half-written LIGO drafts.
— Ben Hammersley (@benhammersley) 4. Oktober 2016
Ja, „quantum und weird“ trifft es recht gut. Ich habe den Nachmittag damit verbracht zu verstehen, um was es da geht. Ich habe vor allem versucht zu verstehen, um was es überhaupt geht und was jetzt bei all dem Gerede und Getwitter über „topologische Isolatoren“, „Quanten-Hall-Effekt“, „Donuts“, und „Symmetriebrechung“ jetzt eigentlich das Ding war, was das Nobelkomitee mit dem Preis ausgezeichnet hat. Selbst die meisten Experten die ich kontaktiert hatte, konnten so spontan nicht aushelfen.
Aber egal – ich habe einfach mal probiert, mein bestes zu geben und möchte euch hier die Resultate meiner Recherche präsentieren. Nachdem ich einen Nachmittag lang die Materialien des Nobelkomitees studiert und diverse verfügbare Medienberichte gelesen, stellt sich der Nobelpreis für Physik des Jahres 2016 aus meiner Laienhaften Sicht so dar wir unten beschrieben. Wenn jemand mitliest und besser über das Thema Bescheid weiß als ich, dann bitte ich sehr darum, in den Kommentaren zur Aufklärung der Angelegenheit beizutragen (Und ich möchte noch anmerken, dass es seine sehr instruktive Übung war, ein komplexes wissenschaftliches Thema von dem ich so gut wie keine Ahnung habe nur anhand der vorhandenen medialen Aufarbeitung verstehen zu wollen. Das zeigt umso mehr, wie wichtig vernünftiger Wissenschaftsjournalismus und vernünftige Wissenschaftskommunikation ist).
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Der Nobelpreis für Physik des Jahres 2016 geht an die britischen Forscher David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz. Und zwar für „theoretische Entdeckungen von topologischen Phasenübergängen und topologische Zustände von Materie“. Das klingt beeindruckend, aber auch ein wenig vage.
Was ein Phasenübergang ist, ist noch leicht zu erklären. Man kennt ja die drei Aggregatzustände der Materie: Fest, flüssig und gasförmig und wenn die Materie von einem Zustand in den anderen wechselt, dann ist das ein Phasenübergang. Flüssiges Wasser das gefriert durchläuft einen Phasenübergang. Genauso wie flüssiges Wasser, das verdampft. Aber neben diesen drei klassischen Aggregatzuständen gibt es auch noch einige andere Zustände, die im Alltag eher nicht auftreten. Nur bei enorm hohen Temperaturen kann ein Gas zum Beispiel in einen Plasmazustand übergehen; dann lösen sich die Elektronen aus der Hülle der Atomkerne und bewegen sich frei herum. Bei sehr kalten Temperaturen gibt es wieder andere Zustände – da kann Materie zum Beispiel nicht einfach nur flüssig sein, sondern „supraflüssig“, also fließen ohne dabei einen Widerstand zu spüren. Auch die Supraleitfähigkeit ist so ein extremer Zustand.
Aber nicht nur die Temperatur beeinflusst die Zustände und Phasenübergänge. Auch die räumlichen Eigenschaften spielen eine Rolle. Normalerweise nehmen die Atome der Materie immer einen dreidimensionalen Raum ein. Unter bestimmten Umständen kann man sie aber auch „zweidimensional“ anordnen, also Flächen erzeugen, die nur aus einer einzigen Atomschicht bestehen (wie zum Beispiel das Material Graphen, für dessen Untersuchung der Physik-Nobelpreis des Jahres 2008 verliehen wurde).
David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz haben in den 1970er und 1980er Jahren untersucht, wie sich Phasenübergänge in so einer zweidimensionalen Welt abspielen. Ein Phänomen, bei der so eine Analyse eine Rolle spielt (und dessen Analyse durch die Arbeit der Nobelpreisträger überhaupt erst möglich geworden ist) sind sogenannte „topologische Isolatoren“. Dabei handelt es sich um einen Festkörper, der sich in seinem Inneren wie ein elektrischer Isolator verhält, also keinen elektrischen Strom leitet. Seine Oberfläche, also die Außenseite ist dagegen sehr stark leitfähig, fast so wie ein Supraleiter. Das alleine wäre aber noch nicht das bemerkenswerte. Das besondere an den topologischen Isolatoren ist die Art und Weise, wie sich die Elektronen an seiner Oberfläche bewegen.
Ein Isolator kann deswegen keinen Strom leiten, weil die Elektronen in den Hüllen seiner Atome stark an den Atomkern gebunden sind und nicht frei fließen können. Bei guten elektrischen Leitern befinden sich jedoch viele Elektronen weit enfernt vom Atomkern und können sich quasi losreißen und bewegen: Das Material ist leitfähig. Bei den topologischen Isolatoren muss man aber auch noch den Spin berücksichtigen und wenn in der Quantenmechanik der Spin ins Spiel kommt, wird es immer kompliziert. Man stellt sich Teilchen wie Elektronen ja gerne als kleine Kugeln vor und ihren Spin als die Richtung, in der sie um ihre Achse rotieren. Aber Elektronen sind eben keine kleinen Kugeln und da rotiert auch nichts im klassischen Sinn. Eigentlich ist der Spin nur eine physikalische Eigenschaft, die ein Elektron haben kann und für die es keine Entsprechung in der Alltagswelt gibt.
Aber die Elektronen haben nun einen Spin und dank dieses Spins können sie wie kleine Magnete wirken. Jetzt wird es komplex: Elektrisch geladene Teilchen die sich bewegen, wie die Elektronen, erzeugen ein Magnetfeld. Und weil sie dank des Spins selbst wie Magnete wirken, spüren sie magnetische Kraft. Die Bewegung der Elektronen wird also einerseits vom Magnetfeld beeinflusst; erzeugt das Magnetfeld aber andererseits selbst wieder erst.
Je nach Material kann diese Kopplung zwischen Bewegung und Magnetfeld stärker oder schwächer sein. Und bei topologischen Isolatoren ist sie so stark, dass die ganze Struktur der Elektronenverteilung durcheinander gebracht wird. Elektronen, die sonst stark an den Atomkern gebunden wären, können sich nun doch frei bewegen. Aber auch nur innerhalb gewisser Grenzen. Der Spin der Elektronen, der zwei verschiedene Werte annehmen kann, bestimmt, ob sie sich – vereinfacht gesagt – von links nach rechts oder von rechts nach links bewegen können.
Wie das genau abläuft und bei welchen Materialen das funktioniert, wird von der Topologie bestimmt. Genau das war die Entdeckung, die die drei Nobelpreisträger gemacht haben und genau das ist auch der Punkt, an dem man Donuts und Brezeln erwähnen muss. Der Vergleich ist zwar nicht mehr sonderlich originell, weil er seit Jahrzehnten von Mathematikern und Physikern zur Erklärung der Topologie benutzt wird, aber ich will mich dieser Tradition natürlich nicht entgegenstellen. Außerdem hatte ich Hunger und mir daher einen Krapfen (aka „Berliner“ aka „Pfannkuchen), einen Donut und eine Brezel gekauft.
Diese drei Objekte unterscheidet natürlich jede Menge. Sie sind unterschiedlich groß, unterschiedlich schwer und schmecken auch ganz unterschiedlich. Aber in der Topologie spielt das alles keine Rolle. Hier geht es einzig und allein um die Form. Man kann sich im Rahmen der Topologie jedes Objekt so vorstellen, als würde es aus einer beliebig verformbaren Gummimasse bestehen. Und sieht dann alle Objekte als identisch an, die sich ohne Gewaltanwendung (das heißt zerreissen oder Löcher bohren) ineinander umwandeln lassen. Aus meinem Krapfen (dessen Verformbarkeit ich jetzt einfach mal voraussetze) könnte ich zum Beispiel problemlos eine Schüssel machen. Ich müsste nur in die Mitte eine Vertiefung drücken und dann die Seiten ein wenig nach oben ziehen. Ein Krapfen und eine Schüssel sind topologisch also identisch. Aber egal was ich anstelle: Ich werde aus dem Krapfen niemals einen Donut machen können, ohne irgendwo ein Loch bohren und das Material zerreissen zu müssen. Ein Krapfen und ein Donut sind topologisch also unterschiedlich. Ein Donut und eine Kaffeetasse mit Henkel dagegen wieder nicht. Das erscheint seltsam, ist aber so: Eine Gummitasse mit Henkel kann man leicht zu einem Donut umformen; man muss nur das Material das die Tasse ausmacht so lange herum ziehen und zerren und um die Öffnung verschmieren, die der Henkel umschließt bis alles gleichmäßig verteilt ist und schon hat man einen Donut. Bei der Brezel ist es wieder anders; die hat in diesem Fall drei Löcher und kann nicht zu einem Donut (oder einer Kaffeetasse) mit nur einem Loch verformt werden.
Kurz gesagt: Die Objekte in der Topologie unterscheiden sich vor allem in der Anzahl der Löcher (und Knoten) die sie haben. Das alles hat jetzt vorerst noch nichts mit dem Nobelpreis zu tun – die mathematische Disziplin der Topologie gibt es schon viel länger – aber es ist der Teil der ganzen Geschichte der sich am besten erklären lässt…
Die drei Nobelpreisträger jedenfalls haben die Methoden der Topologie benutzt um die Eigenschaften von Phasenübergängen an den Oberflächen von Festkörpern zu untersuchen. Und dabei jede Menge interessante Entdeckungen gemacht. Zum Beispiel, dass es hier ganz besondere Arten von Phasenübergangen gibt, die keine Symmetrien brechen. Symmetriebrechung bei Phasenübergängen klingen zwar wild, sind aber normal. Flüssiges Wasser in dem die Wassermoleküle zufällig und ständig herumwirbeln, sieht in jeder Richtung gleich aus. Friert es aber und wird fest, ordnen sich die Moleküle in Kristallgittern an und es gibt nun Richtungen die anders aussehen als andere. Die Symmtrie des flüssigen Wassers ist beim festen also gebrochen.
Bei den topologischen Phasenübergangen an den Oberflächen von Festkörpern ist das allerdings nicht immer der Fall. Hier gibt es Symmtrien, die auch weiterhin bestehen, egal welchen Zustand der Festkörper einnimmt. Mit den theoretischen Methoden die von David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz entwickelt wurden, konnte man das nun nicht nur verstehen, sondern auch ausführlich untersuchen. Und so auch Phänomene wie die Supraleitfähigkeit besser verstehen als früher.
Nicht nur das: Das bessere Verständnis der seltsamen Eigenschaften dieser Materie erlaubt auch neue Anwendungen. Die topologischen Isolatoren konnten 2005 schon im Labor hergestellt werden und man macht sich Hoffnungen, sie irgendwann mal als Bauteile neuer und viel besserer Computer verwenden zu können. Die theoretischen Physiker dagegen sind eher daran interessiert, ganz neuen Materialien zu konstruieren, die sich an ihren Grenzflächen noch seltsamer verhalten. Mit der Arbeit der Nobelpreisträger kann man auch „topologische Supraleiter“ beschreiben in denen Quantenzustände herrschen, die simulieren wie sich zum Beispiel die lang gesuchte aber noch immer nicht entdeckte dunkle Materie verhalten könnte.
In drei Worten zusammengefasst lautet die Arbeit der Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2016: „Irgendwas Kompliziertes mit Quanten“ (ok, das waren vier – selbst für eine blöde Witzantwort in drei Worten ist das Thema zu komplex). Etwas länger und seriöser zusammengefasst: Die drei Wissenschaftler haben spezielle mathemtische Methoden zur Untersuchung der Eigenschaften von Materie entwickelt. Dabei haben sie festgestellt, dass diese Eigenschaften oft von der Form der Oberfläche dieser Materialien abhängt und durch das Wechselspiel von Topologie und Quantenmechanik die seltsamen Quanteneffekte die man sonst nur aus der Mikrowelt einzelner Atome kennt auch im großen Maßstab der normalen Welt auftreten können.
Auf jeden Fall: Gratulation an die Preisträger!
(Der Quanten-Hall-Effekt! Verdammt! Ich hab den Quanten-Hall-Effekt vergessen!)
Hä?
Ach verdammt! Wenn das Netz so langsam ist wie hier in diesem Hotel, lagt die Tastatur immer 🙁
„Flüssiges Wasser in dem die Wassermoleküle zufällig und ständig herumwirbeln, sieht in jeder Richtung gleich aus. Friert es aber und wird fest, ordnen sich die Moleküle in Kristallgittern an (…)“
Bei flüssigen Wasser kommt aber doch ganz gewaltig die Zeit ins Spiel, oder? In flüssigem Wasser bewegen sich die Moleküle ja fortwährend. Wenn ich aber die Zeit einfrieren könnte, und eine Momentaufnahme von flüssigem Wasser auf Molekularebene machen könnte, das wäre doch eigentlich das zu betrachtende Objekt.
Was Du sagen willst, ist doch eigentlich: „In flüssigem Wasser ist keine Symmetie auf molekularer Ebene zu finden; die Moleküle sind chaotisch verteilt.“
Oder habe ich da etwas gründlich missverstanden?
vielen vielen dank fuer die recherche arbeit und diesen artikel!!
die ganzen medienartikel die man bis jetzt dazu lesen kann sind derart nichtssagend und unverstaendlich, dass man auch als physiker nach deren lektuere nicht die geringste ahnung hat um was des denn jetzt eigentlich geht.
also nochmal: danke
Konnte dir gut folgen.
Hall-Effekt und Quanten-Hall-Effekt sind ja schon länger bekannt, da müsstest du den „alten“ Nobelpreis vom von Klitzing aufwärmen. Soweit ich das verstanden habe, ist die „topologische Erklärung“ weitreichend.
Freu mich auf deinen Beitrag.
Vielen Dank das war ganz gut verständlich für mich als Laie.
@Stefan:
Wenn alle Raumrichtungen für die Moleküle gleichwahrscheinlich sind, dann ist das eine Form von Symmetrie, weil man den Standpunkt beliebig ändern kann, ohne dass sich in der Sicht auf die Verteilung etwas ändern würde. Eine Symmetrie hängt stets mit einer Unveränderlichkeit = Invarianz zusammen.
Beim Gefrieren/Erstarren geht das verloren, so sich Kristalle bilden.
@FF #2: Harr! Eine „lagende“ Tastatur ist in etwa das makroskopische Pendant zum symmetriebrechenden molekularen Phasenübergang!
(Wenn deine Tastatur massgeblichen Einfluss auf das Internet hat, oder andersherum, wäre das auch (ig)nobelpreis-verdächtig!)
Aber vielen Dank fürs „Runterbrechen“ der Thematik für Unkundige. Trotz Wettbewerbs freut man sich dann doch lieber über Texte des Originals!! Danke dafür!
@FF
Vielen Dank für die lesenswerte didaktische Aufbereitung!
Aber was hat die Frage, wieviele Löcher ein bestimmter topologischer Körper hat, mit den untersuchten Phasenübergängen und physikalischen Eigenschaften zu tun? Oder wolltest du mit den Backwaren nur den Begriff „Topologie“ erklären?
Das ist mal wieder ein toller Beitrag von Dir, so aktuell und für meine Begriffe sehr gut beschrieben. Warum so tiefstapeln…. du machst gute Arbeit und besonders dieser Beitrag brachte Licht ins Dunkel…. DANKE dafür
Genieße die unterschiedliche Formen Deiner süßen Belohnung…
Irgendwas Kompliziertes Quantentechnisches
Ha, ich habs mit 3 Worten hinbekommen. 😀
Wenn du magst, ruf mich mal an.
@Robert: Danke fürs Angebot. Ich weiß nicht ob ich morgen dazu komme, weil da die Premiere der neuen Science Busters Show in Mainz ist und ich ziemlich verplant bin. Ist denn in meinem Artikel was grob falsch? Dass man mehr dazu sagen kann, denke ich mir auch – aber ich wär schon glücklich, wenn ich nichts falsch verstanden habe…
@FF
Zur Topologie:
Man sollte hier auch erwähnen, dass man auch nichts zusammen kleben darf. Sonst könnte ich ja eine Kugel langziehen und an den Enden zusammenkleben. Dann bekomme ich einen Donut bzw. Torus. Kugel und Torus sind aber topologisch nicht das selbe.
Ja, die Sache mit der Topologie. Dazu fällt mir eine interessante Beobachtung aus dem Haushalt ein.
Nudeln kann man walzen oder pressen. Nudel-Manufakturen und -Fabriken pressen in der Regel, weil es schnell geht und man quasi unbegrenzt auf der eine Seite Teig einfüllen und fertige Nudeln an der anderen Seite abschneiden kann. Zu Hause wird in der Regel nur gewalzt, weil die meisten Nudelpressen entweder nichts taugen oder sehr teuer sind. Es gibt aber auch einige Hohlnudelmaschinen, die sich jeder leisten kann. Soviel zur Vorrede.
Gewalzte Bandnudeln können schon einmal brechen, vor allem dort, wo man sie biegen muss zum Aufhängen. Nicht weiter schlimm, aber Hohlnudeln wie Rigatoni oder Maccheroni neigen nach 2-3 Tagen Lufttrocknung massiv zum Splittern. Und nun zur Topologie: Vor einiger Zeit habe ich einen Nudeteig gewalzt und zu Quadraten geschnitten. Die eine Hälfte habe ich aufgewickelt und durch das Zusammenkleben die Topologie verändert, die andere Hälfte blieb unverändert. Röhren haben im Gegensatz zu Quadraten halt ein Loch. Ergebnis: Die Quadrate haben sich beim Trocknen ein wenig gewellt, die Röhrchen sind reihenweise gesplittert.
Erklärungsversuch: Durch die Topologieänderung gab es nun ein „Innen“ und ein „Außen“. Die Innen- und Außenseite sind dann wohl unterschiedlich schnell getrocknet. Dadurch dürften Spannungen entstanden sein, die die Nudelröhrchen letztlich auseinander gerissen haben.
@captain e
Könnte ich mir sehr gut vorstellen. Bei einer Makkaroni lässt sich innen die Feuchtigkeit erheblich schlechter abführen als aussen. Küchenphysik ist echt spannend 😉 sozusagen.
Durchaus, tomtoo, durchaus, und wir reden gerade über Röhrchen mit ca. 0,5 cm Innendurchmesser. Vielleicht hätte ich sie föhnen sollen, damit da schön die Luft durchs Innere zieht und die Feuchtigkeit mitnimmt?
Nachdem hier alle übers Essen reden, knurrt mir jetzt der Magen. Vielen Dank auch.
Im Ernst, dieser Artikel ist mehr mehr Wert als alles, was ich bisher „in den Medien“ darüber gehört/gelesen habe. Deine Fähigkeit, Wissen auf diese Weise zu vermitteln, ist wirklich bemerkenswert.
Aber was genau ist mit Topologie gemeint, genauer, Topologie von was? Geht es um die Topologie des Körpers, der an seiner Oberfläche leitfähig ist? Könnte man also etwas flapsig sagen, die Leitfähigkeit eines Topologischen Isolators hängt von der Anzahl seiner der Löcher ab? Oder geht es um die Topologie von etwas anderem?
@schlappohr: Genau kann ich es dir auch nicht sagen. Ich schreib dazu heute noch was – aber im Prinzip ist es das: Topologie beschäftigt sich mit Invarianten, also Dingen die sich nicht ändern wenn man was verformt. Eben „Löcher“ – und die sind immer diskret; es gibt Löcher nur ganzzahlig, es gibt keine halben Löcher. Und weil sich die Quanteneigenschaften mit den Löcher ändern, ändern sich die Quanteneigenschaften eben auch nur diskret (d.h. sie sind quantifiziert). Und dank der topologischen Erklärung der drei Preisträger hat man das jetzt verstehen können.
@captain e
Oder sie von aussen etwas länger feucht halten. Also so ganz leicht mit einem feinst zersteuber ansprühen.
Fragen über Fragen.
😉
@schlappor
sry wegen dem appetit.
Aber „pasta und topologie“ hätte doch was so als Buchtitel für ein Mathebuch
@ Captain E.
Bitte einen Beitrag zum Schreibwettbewerb nächstes Jahr.
Thema: “ Topologie von Nudeln“ mit praktischen Tipps und Anleitungen zum selber machen.
Danke! 😉
Entschuldigung nochmal ich.
Hab mal gegoogelt wegen pasta und topologie. Und auf was stoße ich ? Astrophysik !
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Nuclear_pasta
Da gibts alles was das Hertz ( Magen) begehrt. 😉
So – eine kürzere Version der Erklärung hab ich jetzt im Blog der Science Busters veröffentlicht: https://sciencebusters.agentur-o.de/?p=392
Da veröffentliche ich ab jetzt übrigens auch immer wieder Texte; wer will kann den entsprechenden Feed abonnieren: https://feeds.feedburner.com/ScienceBusters
@tomtoo:
Und vergiss die legendäre „Spaghettifizerung“ nicht!
@Ursula:
Einen eigenen Beitrag? Hm, warum nicht. Ich müsste nur erst einmal klären, ob das mittige Zusammenpressen und in Folge davon Zusammenkleben eines Teigquadrates zu einer Farfalle als topologische Änderung anzusehen ist oder nicht – die Anzahl der Löcher im Teigstück ändert sich ja nicht.. 😉
@tomtoo:
Ein Sternchen für dich in „Logisches Denken“! Ansprühen soll tatsächlich helfen. Ich schwanke aber noch, ob ich mir wirklich etwas zum Sprühen besorgen und die Idee mal ausprobieren soll.
Ich habe mir jetzt nochmal die ausführliche Erläuterung auf https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/2016/advanced-physicsprize2016.pdf durchgelesen. Offenbar gibt es den Preis dieses Mal nicht für die eine tolle Entdeckung, sondern für eine Reihe von Erkenntnissen, die alle im Zusammenhang mit „topologischen Phasen im Festkörper“ stehen.
Da geht es vor allem um topologische Invarianten, zB in Abbildung 3 aus dem Paper links kann man deutlich erkennen, dass die Pfeile (die alle die Länge 1 haben) aus einem Punkt rauskommen und wenn man an allen Pfeilen etwas wackelt, kann man den Punkt vielleicht verschieben, es bleibt aber immer eine „Quelle“ da. Ein anderes Beispiel (das etwas näherer an den physikalischen Modellen dran ist als die Backwaren) ist der zu kämmende Igel: Man stelle sich vor, dass man einen Igel (als Kugel vorgestellt) kämmen soll, also alle Stacheln in irgendeiner Richtung flachlegen soll und dass bitte in stetiger Weise also ohne Sprünge (wie Scheitel oder Wirbel). Etwas Überlegung zeigt, dass das nicht geht, es bleiben immer irgendwo zwei Wirbel (oder ein Doppelwirbel) übrig. Hier ist die entsprechende Invariante 2. Hätte der Igel statt der Gestalt einer Kugel die eines Donuts, würde es aber einfach gehe (hier ist die Invariante 0), bei der Brezel wieder nicht.
Die Stacheln des Igels entsprechen entweder den Elektronenspins oder der quantenmechanischen Phase in den physikalischen Modellen.
Das hat dann messbare Auswirkungen: Im Quantenhalleffekt (ich versuche nicht, ihn in drei Zeilen zu erklären), misst man einen bestimmten elektrischen Widerstand und stellt fest, dass dieser in Vielfachen von e^2/h springt. Dh, die Sprünge hängen nur von Naturkonstanten ab, aber nicht zB von Details der Probe, wie ihre Größe oder Form oder wie sehr sie verunreinigt ist. Das ist schon sehr erstaunlich und wurde von einem der diesjährigen Preisträger erstmals richtig mit Hilfe der „Chernzahl“ (einer anderen topologischen Invarianten) erklärt. Für Kenner nur: Hier wird gezählt, wie oft sich die Fermiflaeche um die Brioullinzone windet (diese beiden Wörter bitte nachgooglen).
@captain e
Du musst mal [formation] aufmachen in dem wiki Artikel.
Da gehts von Gnocchi über Spaghetti nach Lasagne zu Bugattini. Und oben drauf noch schweizer Käse. Gut das ist geschmaksache 😉
@robert
Danke ! Das mit dem Igel ist anschaulich.
@tomtoo:
Natürlich ist der Igel bereits ein ganz alter Hut in der Mathematik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Satz_vom_Igel
„…die seltsamen Quanteneffekte die man sonst nur aus der Mikrowelt einzelner Atome kennt auch im großen Maßstab der normalen Welt auftreten können.“
Was meinst du genau damit? Soweit mir bekannt ist, sind Quanteneffekte ab der Atomebene nicht mehr beobachtbar. Bedeutet das nun, dass diese Quanteneffekte, die sonst innerhalb eines Atoms auftreten, auf der Atomebene zu messen sind?
@Arnold: Zum Beispiel den Quantenhall Effekt. Da ändert sich die leitfähigkeit eines Materials quantifiziert, obwohl sie es eigentlich kontinuierlich tun sollte. Hab ich hier ein wenig genauer beschrieben: https://sciencebusters.agentur-o.de/?p=392
@captain e
Gibt auch sowas:
https://www.pearl.de/a-NC4955-1173.shtml
Tja die Hypothese zu testen wäre spannend.
@arnold
Ich versuche das so zu verstehen. ( kann absolut falsch sein)
Nehmen wir eine dünnschicht (eine Atomlage )und misst den Wiederstand so ist der Wiederstand direkt abhängig von Quanteneffekten. Also auch im Makroskopichem bereich.
Für hilfe wäre ich auch dankbar.
Danke für die schnellen Antworten.
Also sind es doch nur Quanteneffekte, deren Effekte sich bis auf die Atomebene auswirken. So ist eine Verschränkung zweier Teilchen zwar auch auf eine beliebige Distanz möglich. Jedoch wurde meines Wissens bis heute kein Atompaar miteinander verschränkt.
Und so wie sich die Lorentzkraft auf den Hall-Effekt auswirkt und es damit auch zu Folgewirkungen auf ein größeres System kommt, so befinden sich die Quanteneffekte (im Sinne von Aktionen) doch in Größenordungen unterhalb von Atomen.
Oder ist das hier doch anders?
„Aber neben diesen drei klassischen Aggregatzuständen gibt es auch noch einige andere Zustände, die im Alltag eher nicht auftreten. Nur bei enorm hohen Temperaturen kann ein Gas zum Beispiel in einen Plasmazustand übergehen“
Hallo,
auch eine normale (Kerzen-, Feuerzeug- oder Streichholz-)Flamme ist streng genommen ein (schwaches) Plasma — und ich hoffe sehr, dass eine solche auch gelegentlich im Alltag vieler Menschen eine Rolle spielt.
Diverse Formen von Blitzen sind abgesehen davon ebenfalls Plasmen.
@Arnold #33
Dass verstehe ich nicht so ganz. Atome gehorchen doch noch der Quantenwelt.
https://www.weltderphysik.de/gebiet/atome/news/2015/quantenverschraenkung-sichtbar-gemacht/
Aber da bin ich lieber still und horche mal auf die Profis. Bevor ich zur allgemeinen Verunsicherung beitrage.
Viele dieser Zustände treten in der Realität (also bei uns Experimentalphysikern *g*) nur unter niedrigen Temperaturen und/oder hohen Drücken auf, weil die Korrelation der Elektronen sonst im themischen Rauschen untergeht (vgl. Supraleitung). Die topologische Betrachtung war dabei sehr gut stabile Bedingungen vorherzusagen und wird von vielen Theoretikern benutzt um Kandidaten vorzuschlagen, die dann experimentell untersucht werden können. Idealerweise fusioniert das dann zu einem neuen Modell mit dem ein solcher Effekt dann erklärt werden kann und einer Anordnung die sehr stabil ist und ggf. sogar bei Raumtemperatur funktioniert und Quantencomputer ermöglicht. (Stichwort: Skyrmionen, Multiferroica)
Wer hätte gedacht, was man mit Topologie noch alles machen kann.
@Florian
Danke für die tolle Erklärung
@tomtoo #35
Danke für den Link.
Anscheinend lag ich da falsch. Auf Wiki werden die Quanteneffekte auch auf Atomebene beschrieben und laut der folgenden Quelle soll es
„sogar für Fullerene – komplexe Moleküle aus 60 Kohlenstoffatomen“
Quanteneffekte erzeugen können.
https://www.weltderphysik.de/gebiet/theorie/quanteneffekte/grundlagen/
Diskussion auf MO: https://mathoverflow.net/questions/251470/topology-and-the-2016-nobel-prize-in-physics bringt ja vielleicht noch die eine einleuchtende Erklaerung 🙂
[…] passendes Backwerk besorgen und mit dieser Energie habe ich dann zwei Artikel (einen langen und einen kurzen) darüber verfasst in denen man nun auch nachlesen kann, was der Nobelpreis mit […]
Die drei Wissenschaftler haben spezielle mathemtische Methoden zur Untersuchung der Eigenschaften von Materie entwickelt. Dabei haben sie festgestellt, dass diese Eigenschaften oft von der Form der Oberfläche dieser Materialien abhängt und durch das Wechselspiel von Topologie und Quantenmechanik die seltsamen Quanteneffekte die man sonst nur aus der Mikrowelt einzelner Atome kennt auch im großen Maßstab der normalen Welt auftreten können.
ok, ohne wissenschaftliches Geschwurbelschreib wäre das dann:
Die drei Wissenschaftler haben spezielle mathemtische Methoden zur Untersuchung der Eigenschaften von Backstuben entwickelt. Dabei haben sie festgestellt, dass diese Eigenschaften oft von Form der Eingangstür dieser Läden abhängt und durch das Wechselspiel von Topologie und Türmechanik die seltsamen Geschmacksrichtungen die man sonst nur aus der Mikrowelt einzelner Gebäcke kennt auch im großen Maßstab der normalen Welt auftreten können.
soso…
Work on the [Berezinskii–Kosterlitz–Thouless] transition led to the 2016 Nobel Prize in Physics being awarded to Thouless, Kosterlitz and Duncan Haldane.
https://en.wikipedia.org/wiki/Kosterlitz%E2%80%93Thouless_transition
Wenn man die Geschichte einigermaßen verstehen will, sollte man generell etwas über Phasenübergänge wissen, sonst schweben die schönen Laugenbrezeln, Donuts und Krapfen im luftleeren Raum.
[…] Scienceblogs – Astrodicticum Simplex: Der Nobelpreis für Physik 2016: Etwas Kompliziertes mit Quanten! […]
„… die seltsamen Quanteneffekte die man sonst nur aus der Mikrowelt einzelner Atome kennt auch im großen Maßstab der normalen Welt auftreten können.“
Da werden die Esos aber jubeln und ihren Quantenquark kräftig umrühren.
@ PandiG #44
Genau aus diesem Grund habe ich auch nochmal nachgefragt.
Weil Esoteriker oft damit argumentieren, habe ich mich mal mit dem Thema etwas näher beschäftigt. Und habe irgendwo (ich glaube in einem Interview mit Anton Zeilinger) mitbekommen, dass diese Effekte ab der Atomebene nicht mehr durchführbar sind. Könnte auch sein, dass er nur einen bestimmten Effekt meinte oder ich sonst irgendwas falsch verstanden habe.
Müsste nun alle seine Interviews mal durchgehen, falls er es überhaupt war.