Der September ist zu Ende, der Herbst ist da (Buh!!) und es wird wieder Zeit für die monatlichen Buchempfehlungen. Hier ist also wieder alles, was ich in den letzten 30 Tagen gelesen habe: Es geht um Mathematik, um eine Asteroiden-Apokalypse, um Sport und Science-Fiction.
Die Mathematik der Liebe
Sehr empfehlen kann ich gleich zu Beginn das schöne kleine Buch „Die Mathematik der Liebe“ (im Orginal: „The Mathematics of Love: Patterns, Proofs, and the Search for the Ultimate Equation“ von Hannah Fry.
Der Titel klingt ein bisschen seltsam; ist doch die Liebe normalerweise das Thema, das man sich am weitesten entfernt von der abstrakten Welt der Mathematik vorstellt. Aber das ist natürlich ein Irrtum. Die Mathematik kann enorm komplexe Phänomene beschreiben; ein bisschen Liebe ist da kein Problem für sie 😉 Hannah Fry arbeitet sich in ihrem Buch durch diverse Themen. Da wird zum Beispiel die spieltheoretische Mathematik des Gefangenendilemmas benutzt um optimale Strategien für Dates zu entwickeln. Andere mathematische Modell können erklären, wie man bei der Suche nach einem Partner fürs Leben vorgehen muss, um auf jeden Fall die beste Wahl treffen zu können (Kurz zusammengefasst: Zuerst ein paar Jahre lang wahllos mit Leuten ausgehen und kurzfristige Beziehungen haben und dann die erste Person auswählen, die besser ist als all die davor). Sehr interessant fand ich die durchaus anspruchsvolle Mathematik, die hinter Online-Datingdiensten wie OK-Cupid steht. Wer dann den richtigen Partner gefunden hat, bekommt von Fry erklärt wie man die Gästeliste und Sitzordnung bei einer Hochzeit vernünftig organisiert (mathematisch gar nicht so einfach wie man denkt) und am Ende präsentiert sie auch noch eine Formel, mit der sich Beziehungsstreitigkeiten vermeiden lassen (darüber habe ich auch kürzlich in meiner Formelwelt-Kolumne berichtet).
Das Buch ist anspruchsvoll, interessant, humorvoll und vor allem sehr verständlich geschrieben. Und liefert einen weiteren schönen Beleg dafür, dass die Mathematik überall in unserem Leben eine Rolle spielen kann – und nicht nur unnötige Nerverei in der Schule ist.
Wer Lust hat, kann sich auch noch den Vortrag ansehen, auf dem das Buch von Fry basiert:
Apokalyptischer Ultralauf
Dieses Buch wird momentan so massiv beworben, dass man kaum umhin kommt es zu registrieren. Man findet es stapelweise in jedem Buchgeschäft und Auszüge davon sogar in der Kundenzeitschrift der Deutschen Bahn. Dort habe ich davon gehört und mir gedacht, dass ich „The End of the World Running Club“ (auf Deutsch: „Am Ende aller Zeiten“) von Adrian Walker wohl lesen muss. Immerhin geht es darin nicht nur um die Auswirkungen eines Asteroideneinschlags sondern auch um Sport. Das ließen zumindest der Klappentext und die Ankündigungen vermuten…
Die Geschichte spielt im Großbritannien der Gegenwart. Die Hauptperson ist ein junger Familienvater, der mit seinem Leben aber nicht sonderlich zufrieden ist. Der Job ist langweilig; mit der Familie läuft es nicht so richtig und er entwickelt sich zur klassischen Couch-Potato mit Übergewicht und einem wachsenden Alkoholproblem. Bis dann einiges Tages ein Asteroid einschlägt. Bzw. genaugenommen nicht einer, sondern gleich ein ganzes Bombardement aus tausenden Brocken über die gesamten britischen Inseln fegt (und ich bin mir noch nicht sicher, ob das ein realistisches Szenario sein kann oder nicht…). Wenige überleben und die Familie des Sportmuffels gehört zufällig und überraschenderweise dazu. Das postapokalyptische Großbritannien ist so, wie man das aus dem Genre kennt: Die Regierung ist futsch; das Militär versucht irgendeine Ordnung aufrecht zu halten; die Welt ist im Arsch und in ihren Trümmern bilden sich seltsame Parallelgesellschaften mit entsprechend brutalen Regeln. Aber auf der Südhalbkugel hat man die Asteroideneinschläge viel besser überstanden; von dort wird eine komplette Evakuierung Großbritanniens organisiert. Dumm nur, dass zwar die Mutter und die beiden Kinder der Familie abgeholt werden; der Vater aber gerade nicht da ist und zurück bleibt. Was also tun? In ein paar Wochen legen die großen Schiffe mit den Flüchtlingen aus Südengland ab – wie kommt man in dieser Zeit von Schottland aus durch ein zerstörtes Land dort hin?
Man läuft: Das jedenfalls ist der Entschluss, denn der unsportliche Hauptdarsteller trifft und umsetzt. Jetzt hätte ich mir im Buch eigentlich ein bisschen mehr Lauf-Content gewünscht; immerhin taucht der „Running Club“ ja auch im Titel auf. In diesem Fall ist der Titel der deutschen Übersetzung aber wohl treffender. Das Laufen an sich spielt keine große Rolle im Buch; abgesehen dass es eben die bevorzugte Art der Fortbewegung durch die apokalyptische Welt ist. Was bleibt ist ein klassischer Weltuntergangsroman, der sich gut liest, stellenweise ein bisschen straffer hätte sein können und halbwegs originell ist. Natürlich trifft man auf viele aus dem Genre bekannte Standardsituationen, aber ab und zu wird man doch überrascht. Es war ein unterhaltsames Buch, aber nach all dem Werberummel das darum gemacht wurde, hätte ich mir ein bisschen mehr erwartet.
Und: Ich würde wirklich gern ein Buch lesen, dessen Handlung durch „The End of the World Running Club“ treffend beschrieben ist. Wie könnte das aussehen? Und wer schreibt es?
Emil Zátopek
Tatsächlich ums Laufen und (fast) nur ums Laufen dreht sich das Leben von Emil Zátopek. Über diese Legende des Laufsports habe ich schon im Mai gelesen und zwar “Endurance: The Extraordinary Life and Times of Emil Zatopek” von Rick Broadbent. Jetzt habe ich aber auch die Biografie gelesen, die Richard Askwith in diesem Jahr veröffentlicht hat:
Wer Askwiths Bücher schon mal gelesen hat (im Juni habe ich von „Feet in the Clouds“ berichtet, der weiß mit welcher Hingabe und Detailverliebtheit er sich dem Thema Laufen widmen kann. Das tut er auch im Fall von Emil Zátopkek. Wer sein Leben verstehen will, wird es nach der Lektüre dieser Biografie verstehen (so gut zumindest wie es mit Biografien überhaupt möglich ist). Wer mehr wissen will, findet eine sehr ausführliche Quellen- und Literaturliste. Askwith hat sich wirklich Mühe gegeben, das Leben des tschechischen Langstreckenläufers zu erforschen. Er hat ausführlich in tschechoslowakischen Archiven recherchiert, hat mit Zátopeks Frau lange Interviews geführt und mit vielen seiner noch lebenden Zeitgenossen, Sportkollegen und Familienmitgliedern. Und daraus entstand eine höchst faszinierende Lebensgeschichte die man auch dann noch faszinierend findet, wenn man – so wie ich – zuvor schon andere Biografien gelesen hat.
Es ist einfach immer wieder beeindruckend nachzuvollziehen, wie Zátopek es bei den olympischen Spielen von Helsinki geschafft hat, nicht nur Gold im 5000 Meter und im 10.000 Meter Lauf zu gewinnen. Sondern auch noch Gold im Marathon; beim ersten Marathonlauf den er überhaupt gelaufen ist! Das hat seitdem nie wieder jemand geschafft. Moderne Spitzenläufer wie der Brite Mo Farah haben zwar ebenfalls das doppelte Langstreckengeld über die 5000 und 10.000 Metter geschafft (Farah sogar zweimal hintereinander; 2012 und 2016). Aber dann auch noch den Marathon dazu und dass alles während so kurzer Zeit: Das konnte nur Zátopek!
WIE er das geschafft hat; warum er das schaffen wollte und wieso ihn selbst seine Konkurrenten geliebt haben erklärt Askwith wunderbar in seinem Buch. Er spart auch die politische Situation nicht aus; immerhin war Zátopek offiziell Offizier in der kommunistischen tschechoslowakischen Armee. Und einerseits selbst überzeugter Kommunist, andererseits aber immer wieder Gegner des Regimes in der Tschechoslowakei. Was ihm während des Prager Frühlings und danach in große Schwierigkeiten gebracht hat…
Lest das Buch, ich kann es nur emfehlen!
Was ich sonst noch gelesen habe: Science-Fiction und anderes
Angeregt durch Christians Buchrezension habe ich im September auch „Replay – Das zweite Spiel“ von Ken Grimmwood ein zweites Mal gelesen. Und es hat mir wieder so gut gefallen wie bei meiner ersten Lektüre im Oktober 2015.
Und weil ich gerade mit meinem Science-Fiction-Archiv beschäftigt war, habe ich auch dem Buch „Der Jesus-Deal“ von Andreas Eschbach eine zweite Lesung gewidmet. Auch dieses Buch verliert nichts beim mehrmaligen lesen und mein Fazit aus dem Februar 2015 bleibt bestehen.
Noch nicht gelesen hatte ich „Der Distelfink“ (im Original The Goldfinch“) von Donna Tartt. Ich kannte nur „Die geheime Geschichte“ (im Original „The Secret History“); ein Buch das mir sehr gut gefallen hatte und das ich auch sehr empfehlen kann. Auf den Distelfink war ich daher sehr gespannt. Zu Recht, denn es ist ein tolles Buch. Tartt beschreibt das Leben von Theo, der seine Mutter bei einem Anschlag auf ein New Yorker Kunstmuseum verliert. Er überlebt, gelangt dabei aber auf recht seltsamen Wegen in den (unrechtmäßigen) Besitz des Meisterwerks „Der Distelfink“ von Carel Fabritius. Danach beginnt eine wilde Odyssee: Vom Pflegekind in einer reichen New Yorker Familie zum seltsamen Vater in Las Vegas; eine dauerhafte Liebe zur Kunst; eine wilde Drogensucht; die Arbeit in einer Werkstatt für Antikmöbel, Theos Karriere als Kunstfälscher und am Ende ein Showdown mit kriminellen Banden in Amsterdam! Und dazwischen steht immer der Distelfink, mit dem alles beginnt und alles endet. „Der Distelfink“ ist die Art von Buch, in der man sich komplett verlieren kann und bei dem man sich wünscht, es würde noch lange so weiter gehen…
Und jetzt?
Mein „Zu Lesen“ Bücherstapel wird immer größer (und wenn ich ehrlich bin, ist das mittlerweile kein Stapel mehr sondern ein ganzes Regal!). Und Danke!! übrigens auch an die netten Leute, die mir in den letzten Wochen und Monaten Bücher geschenkt haben! Ich hab sie nicht vergessen; früher oder später lese ich alles 😉 Material für die Lektüre im Oktober ist also noch genug da. Was es am Ende sein wird, kann ich aber noch nicht sagen. Das erfahrt ihr dann in einem Monat. Und bis dahin interessieren mich wie immer eure Meinungen zu den Büchern und eure Empfehlungen!
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„Der Distelfink“ befindet sich auf der SD-Karte in meinem Auto als Hörbuch. Vor dem Urlaub habe ich ziemlich weit gehört, fand es auch spannend. Im Urlaub habe ich nichts gehört und bin dann bisher nicht wieder verlockt gewesen weiter zu hören. Dabei kann ich gar nicht einmal sagen warum. Vielleicht war die Konkurrenz zu groß oder stören die häufigen Unterbrechungen, wenn wieder lästige Kunden und Kollegen anrufen bei diesem Buch besonders?
Kennst du „The Long Walk“ von Richard Bachman (Pseudonym von Stephen King)? Da geht´s zwar bischen langsamer, aber definitiv bis zum Ende, sehr mitreißend und geht schwer an die Nieren.
Ach ja, das Problem mit dem Bücherstapel, der schnell wächst als man ihn kleiner bekommt …
(und ich hab jetzt schon wieder neue Bücher, die ich gern lesen würde. Dabei steht doch schon die ganze „Wheel of Time“ Reihe drauf, das sind immerhin 14 Bände, dazu noch alle originalen Sherlock Holmes Geschichten, und noch diverses anderes — etwa fast alles von Bernard Cornwell, sowie das eine oder andere Doctor-Who-Buch …)