Zwischen 1994 und 2013 gab es 556 Kollisionen zwischen der Erde und kleineren Asteroiden aus dem Weltall. Zumindest hat man 556 solcher Kollisionen registriert – und es muss sich niemand wundern, wieso man von all diesen Zusammenstößen kaum etwas mitbekommen hat. Nicht jede Kollision muss gleich so dramatisch ablaufen wie in den einschlägigen Hollywoodfilmen. Es gibt wesentlich mehr kleine Himmelskörper als große und apokalyptische Katastrophen werden eben nur von den größeren Objekten verursacht. Die kleineren Asteroiden erreichen beim Zusammenstoß meistens nicht mal den Erdboden und lösen sich schon beim Flug durch die Atmosphäre auf. Und genau solche Ereignisse machen die Mehrheit der anfangs erwähnten 556 Kollisionen aus.
Es geht um Daten die von der amerikanischen Regierung gesammelt und nun von der NASA veröffentlicht worden sind. Natürlich war die Regierung weniger an wissenschaftlicher Erkenntnis interessiert und die Daten stammen größtenteils aus einem Netzwerk, dass nukleare Explosionen bzw. startende Raketen mit atomaren Waffen aufspüren soll. Aber wenn es in der Atmosphäre der Erde laut rummst oder blitzt, dann sind dafür (glücklicherweise!) selten Atomwaffen verantwortlich. Meistens handelt es sich um Felsbrocken aus dem All, die mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde treffen. Und auch dann rummst und blitzt es gewaltig: So wie zum Beispiel im Februar 2013, als so ein Ereignis über Tscheljabinsk in Russland stattfand. Solche „Meteore“ (auch „Bolide“ oder „Feuerkugeln“ genannt) gibt es häufig, aber meistens finden sie so hoch über dem Erdboden statt, dass man davon wenig mitbekommt. Es sei denn, man hat entsprechend gute Sensoren…
Das sind all die Boliden, die in den letzten beiden Jahrzehnten registriert worden sind und die bei der Kollision eine Energie von mehr als einem Gigajoule freigesetzt haben:
Die Farbe der Datenpunkte gibt an, ob die Kollisionen am Tag (gelb) oder in der Nacht (blau) stattgefunden haben. Man sieht recht gut, dass es keine wirklich bevorzugte Tageszeit gibt und auch räumlich sind die Ereignisse einigermaßen gleichmäßig über die ganze Welt verteilt. Die kleinsten Punkte auf der Karte entsprechen Boliden, die von etwa einem Meter großen Objekten hervorgerufen werden und dabei eine Energie von einem Gigajoule. Das entspricht (zumindest den immer seltsamen aber hilfreichen Vergleichen von Wolfram Alpha zu Folge) dem Drittel der jährlich von einem Wäschetrockner verbrauchten Energie oder zwei Dritteln der Energie eines durchschnittlichen Blitzes. Oder der Explosion von knapp 240 Kilogramm TNT-Sprengstoff. Die größten Kreise auf der Karten entsprechen Asteroiden die etwa 20 Meter durchmessen. Das sind schon ziemlich ordentliche Brocken und die freigesetzte Energie beträgt ca. das 20 bis 30fache der Hiroshima-Atombombe. In diese Kategorie fällt auch der Meteor von Tscheljabinsk, der in der Karte als großer gelber Kreis mitten in Russland zu sehen ist.
Ist das eine Karte, vor der man Angst haben muss? Immerhin zeigt sie uns, dass es 28 Kollisionen pro Jahr gibt; mehr als zwei pro Monat! Das klingt wirklich ein wenig besorgniserregend. Andererseits gab es in den letzten 20 Jahren ja ganz offensichtlich keine große Asteroiden-Katastrophe… und das zeigt, dass Panik vorerst nicht angebracht ist. Wie ich hier im Blog schon oft genug erklärt habe, es ist relativ normal, dass kleine Objekte aus dem Weltall auf die Erde fallen. Je kleiner das Zeug, desto mehr ist davon da. Pro Tag erreichen 100 Tonnen an Material aus dem Weltall die Erde – aber die überwiegende Mehrheit davon ist kosmischer Staub, der nicht weiter auffällt (höchstens als Sternschnuppe). Ab und zu ist mal ein größerer Brocken dabei und dann registrieren die Überwachungssysteme einen Feuerball in der oberen Atmosphäre, ohne das wir am Erdboden etwas mitbekommen. Viel seltener sind Ereignisse wie in Tscheljabinsk, bei denen auch am Erdboden etwas zu spüren ist und ganz selten sind die Objekte so groß, dass sie tatsächlich auf dem Boden einschlagen und die Katastrophen hervorrufen, die wir aus den Hollywoodfilmen kennen.
Und wenn wir herausfinden wollen, wie wahrscheinlich all diese Ereignisse genau sind, dann braucht man dazu genau solche Daten wie sie in der Karte zu finden ist. Nur mit einer ausreichend guten Statistik kann man Kollisionwahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit der Asteroidengröße berechnen. Und was die Statistik angeht sind unsere Daten leider gerade bei den kleinen Objekten lückenhaft. Die wirklich großen Brocken können wir direkt im All beobachten; die kleineren sind aber zu lichtschwach, um mit den Teleskopen leicht aufgespürt werden zu können. Deshalb sind die Daten der Überwachungsnetzwerke so wichtig und es ist gut, dass sie nicht nur dem Militär, sondern auch den zivilen Wissenschaftler zur Verfügung stehen. Denn wenn man auch nicht unbedingt akut vor Asteroideneinschlägen Angst haben muss, sind es doch Katastrophen, die tatsächlich stattfinden können und da lohnt es sich, so viel wie möglich darüber zu lernen…
@FF: Die Grafik hatte ich schon auf Twitter gesehen, aber es ist sehr interessant auch etwas über den Hintergrund zu erfahren. Vielen Dank dafür! Da hat mal das Militär auch einen zivilen Nutzen, sowas könnte noch viel häufiger vorkommen. Und ich weiß jetzt auch warum ich keinen Wäschetrockner habe.
@Florian
Gibt’s eigentlich auch irgendeine Tabelle mit den Daten der abgebildeten Einschläge? Auf den JPL-Seiten habe ich mal gesucht aber nichts gefunden.
Wäre interessant zu erfahren, wann die beiden Punkte in der Nähe des Ärmelkanals entstanden. Ich hab‘ damals den Tageslicht-Meteor vom 13. Oktober 2009 gesehen, hätte mich interessiert, ob der es auf die Karte geschafft hat.
@Alderamin: „Gibt’s eigentlich auch irgendeine Tabelle mit den Daten der abgebildeten Einschläge? „
Wär mir jetzt nichts bekannt; aber ich hab auch noch nicht extra danach gesucht. Wenn ich was finde, sage ich Bescheid!
Aber das ist schon schick für Augen-auf-Statistik:
die Verteilung der Kontakte sieht wirklich ziemlich homogen aus.
100 Tonnen Material täglich, die auf die Erde regnen? Jetzt verstehe ich, warum meine Wagge meint, ich würde zunehmen. Das bin nicht ich, die Gravitation der Erde wird größer! 🙂
@Christian: „Das bin nicht ich, die Gravitation der Erde wird größer! :-)“
Naja, die 100 Tonnen machen da nicht wirklich viel aus. Die Sonne verliert pro Sekunde 4 Millionen Tonne Masse durch Kernfusion. Davon merken wir auch nichts…
Ist die Verteilung wirklich so homogen? Müsste um die Pole nicht wesentlich weniger runter kommen, als zwischen den Wendekreisen?
@Benny: warum gerade zwischen den Wendekreisen?
Also: die Frage an sich verstehe ich schon (größter Teil des herumfliegenden Materials auf eine verhältnismäßig dünne Scheibe verteilt und so…) , aber jene Scheibe ist dicker als die Erde. Und sieh dir mal an, in welchen Winkeln zur Ekliptik der Krempel da draußen herumfliegt. Dazu kommt, daß der größte Teil des in der Scheibe herumfliegenden Krempels sich in den letzten paar Milliarden Jahren möglicherweise gegenseitig zu so kleinem Staub zerrieben hat, daß er aus genau dieser größer-1-Gigajoule-Statistik herausfällt. Und auch die Gravitation der Erde wirkt ja in alle Richtungen gleich stark.
warum gerade zwischen den Wendekreisen?
Weil das die Stirnseite in Flugrichtung ist.
@Benny: „Weil das die Stirnseite in Flugrichtung ist.“
Der Kram kommt aber nicht nur aus der Ebene der Ekliptik sondern von überall her. Die Kleinkörper haben teilweise stark geneigte Bahnen.
@Benny
Aber ein Asteroid kann doch auch parallel zur Ebene der Erdbahn fliegen und trotzdem den Pol treffen. Der Querschnitt der Erde ist eine Scheibe, und die Asteroiden fliegen darauf zu wie Darts auf eine Zielscheibe. Nur, dass niemand versucht, mit ihnen das Zentrum der Scheibe zu treffen.
Ein bisschen Ausdünnung zu den Polen hin sollte es geben, wo sich der Erdball nach hinten wegkrümmt und ein bestimmter Querschnitts-Raumwinkel mehr Erdoberfläche enthält. Außerdem streckt die Projektion im Bild die Breitengrade zu den Polen hin. Diesen Ausdünnungseffekt kann man in der Karte aber auch erkennen.
Ich finde den Vergleich mit dem Wäschetrockner und TNT gut: Mein Wäschetrockner verbraucht also im Jahr die Energie von ca. 750 kg TNT !?!
Au weia!
Eine Frage: Ich habe mir in einem Flugzeug mal eingebildet, dass ein rotglühender Stein neben dem Flugzeug bremste und dann nach unten fiel. Muss ich das als Sauerstoffmangel im Hirn einordnen, oder kann es sein, dass ein Meteor in 10km Höhe schon so stark gebremst wurde, dass er quasi nur mehr ‚glühend runterfällt‘ ?
By the way: Dort ist Tscheljabinsk ? Da wohnt jemand ? wow
@Franz
Ich fürchte schon, so ein Stein fällt am Ende immer noch mit ein paar hundert km/h nach unten, und der Flieger ist mit 900 km/h in einer anderen Richtung unterwegs. Wie willst Du da einen kleinen Stein im Vorbeifallen erkennen?
Außerdem bremsen die nicht abrupt ab und fallen danach senkrecht herunter, die Flugbahn ist eher ein langgezogener Bogen, der Meteoroid wird allmählich immer langsamer. Da die Luft nach unten hinten dichter wird, wird er wohl aufgrund der somit zunehmenden Luftreibung die geringste Geschwindigkeit erst am Erdboden erreichen.
@Alderamin
Naja, wenn er parallel zum Flugzeug unterwegs war, dann hatte er ja noch 900km/h. Es ist schwer zu beschreiben weil natürlich alles sehr schnell ging 🙂
Das Ding kam ‚von hinten‘, zog eine helle Spur die plötzlich endete und dann ’sah(?) ich ein helles (glühendes ?) Objekt das ballistisch nach unten wegdriftete.
Ich dachte mir selbst, wow ein Meteor, aber dann dass das doch nicht sein kann, dass ich zufällig in 10km Höhe einen Meteor sehe, der gerade seine ‚Plasmabahnphase‘ beendet hat und jetzt ballistisch fällt. Mir ist bisher nur keine andere Erklärung eingefallen.
hoppla, das ist aber schon ungewöhnlich; unten ca bildmitte knapp über der antarktis liegen zwei dots (tag/nacht) exakt übereinander. oder war das *ein* ereignis genau an der tag/nacht-grenze?
Heisst das, mit 50 % der Energie, die ein (druchschnittlicher) Wäschetrockner pro Jahr benötigt (=1 Blitz), könnte ich einen DeLorean durch die Zeit reisen lassen?
Hurra, die Rathausturmuhr ist gerettet!
🙂
@Franz
Die Leuchterscheinung findet in 80-120 km Höhe statt, der Stein ist längst abgebremst, wenn er in die Troposphäre in 10-12 km Höhe eintritt, wo die Verkehrsflieger unterwegs sind. Und meistens auch schon abgekühlt, frisch gefundene Meteoriten sind kalt, weil sie nur kurz oberflächlich erwärmt wurden.
Ich weiß nicht, was Du da gesehen hast, aber ein Meteorit kann es nicht gewesen sein Vielleicht ein anderes Flugzeug, das im Sonnenlicht leuchtete und die Richtung geändert hat, keine Ahnung.
@Florian: Bei einer Strasse fliegen Moskitos auch in alle Richtungen. Trotzdem findet man viele auf den Frontscheinwerfern und kaum welche auf den Rückleuchten.
@Benny
Im Gegensatz zu fahrenden Autos dreht sich die Erde um ihre Achse und die Asteroiden sind selbst meist schneller unterwegs als die Erde, während Mücken relativ zum Auto beinahe in Ruhe sind. Und Asteroiden kommen aus verschiedenen Richtungen und Ebenen, wie Florian sagte.
Es ist aber richtig, dass man morgens, wenn man sich auf der in Bahnrichtung voraus zeigenden Seite der Erde befindet, mehr Meteore beobachtet als abends. Nur ist halt durch die Erddrehung überall mal „morgens“ (bis auf die Polregionen, dazu hatte ich schon was gesagt).
@Franz: Wenn Du das Flugdatum noch rekonstruieren kannst, dann sind im Schnitt 2 Ereignisse pro Tag ja gut geeignet, um die Möglichkeit genauer einzugrenzen. Mit der Uhrzeit müsste eine grobe Orts- und Zeitbestimmung möglich sein.
Wenn die Daten zugänglich sind, dann würde ich da mal nachforschen. 🙂
– – –
Mich interessiert auch die Richtung des Auftreffens. Im Prinzip kommt der Krempel von allen Seiten, aber die Flug- und Rotationsrichtung – sorgen die für mehr Treffer von vorne?
Die Verteilung stimmt aber überhaupt nicht. Die Dinger kommen ja immer nur über den USA runter und verwüsten alles 🙂
Scherz, eh klar!
Interessant zu sehen, dass dem nicht so ist.
Die Daten für die Bolide Events Map werden aus irgendwelchen DOD-Quellen kommen. Bis 2009 war das offenbar einfacher…
https://www.nature.com/news/2009/090612/full/459897a.html
https://www.space.com/10426-military-talks-share-fireball-data-secret-satellites.html
und booooom…
14.11.
https://www.slate.com/blogs/bad_astronomy/2014/11/19/russian_fireball_another_meteor.html
@advanced deep space propeller
Wie unten im Update in Plaits Artikel steht und auch hier (20. November, unter dem Sonnenbild): War kein Meteor, sondern ein heller Blitz am Boden (bisher unbekannt, was es war).
Danke für die links Alderamin; im zweiten steht es sehr treffend:
big boom and nobody knows why.. 😉
aus nicaragua hat man auch nix mehr gehört…
https://en.wikipedia.org/wiki/Managua_event
oder hat da jemand news??