Ich hab erst kürzlich über den Versuch, Neutrinos aus extrasolaren Quellen nachzuweisen geschrieben und auch in meinem Podcast über diese sich entwickelnde „Neutrinoastronomie“ gesprochen. Neutrinos zu beobachten ist viel schwieriger als die normale Astronomie, die „nur“ Licht und andere Arten der elektromagnetischen Strahlung registrieren muss. Die flüchtigen Elementarteilchen sind elektrisch nicht geladen und wechselwirken auch kaum über die elektromagnetische Kraft. Sie reagieren daher auch so gut wie gar nicht mit normaler Materie und das macht es naturgemäß schwer, sie irgendwie zu bemerken. Man braucht riesige Detektoren, um wenigstens ein paar dieser Teilchen nachweisen zu können. Aber für die Astronomie bieten sie eine große Chance: Eben weil sie kaum mit normaler Materie reagieren können sie uns Einblicke in Phänomene gewähren, die wir anders nie kriegen würden.

Neutrinos entstehen zum Beispiel bei den Kernreaktionen im Inneren von Sternen. Mit Licht oder anderer elektromagnetischer Strahlung können wir dort nicht hineinblicken. Aus Sicht der Neutrinos scheint die ganze dichte Sternmaterie aber gar nicht zu existieren. Sie sausen glatt durch den Stern durch und entkommen direkt ins All. Aus der Untersuchung der Neutrinos, die im Zentrum unserer Sonne entstanden sind, haben wir beispielsweise gelernt, welche Kernreaktionen dort wirklich für die Umwandlung von Wasserstoff und Helium und ihre Energieproduktion verantwortlich sind.

Das zentrale schwarze Loch (SgrA*) der Milchstraße und seine Umgebung im Röntgenlicht - unterschiedliche Farben entsprechen Röntgenstrahlung unterschiedlicher Energie (Bild: NASA/CXC/Univ. of Wisconsin/Y.Bai. et al.)
Das zentrale schwarze Loch (SgrA*) der Milchstraße und seine Umgebung im Röntgenlicht – unterschiedliche Farben entsprechen Röntgenstrahlung unterschiedlicher Energie (Bild: NASA/CXC/Univ. of Wisconsin/Y.Bai. et al.)

Aber auch bei Supernovaexplosionen entstehen Neutrinos, die auf ihrem Weg hinaus ins All nicht von den Gaswolken um den sterbenden Stern (oder irgendwelche anderen kosmischen Wolken zwischen uns und der Supernova) aufgehalten werden. Neutrinos können uns Informationen über das Leben und Sterben von Sternen liefern; aber auch über die Vorgänge in den Zentren von Galaxien. Dort sitzen die riesigen, supermassereichen schwarzen Löcher und wenn sie Materie verschlucken entstehen dabei ebenfalls Neutrinos, die weder durch das ganze Material dort noch durch die starken Magnetfelder gebremst oder abgelenkt werden.

Es gibt bei der Suche nach Neutrinos nur ein Problem. Beziehungsweise zwei: Das erste Problem ist der schon angesprochene schwierige Nachweis. Aber das funktioniert mittlerweile halbwegs. Ein anderes Problem ist herauszufinden, wo die Neutrinos herkommen. Beim normalen Licht kann man meistens ziemlich genau sagen, von welcher Stelle am Himmel es zu uns gelangt ist. Bei Neutrinos ist das schwerer. Hat mein eines registriert, dann kann man ihren Ursprung momentan bestenfalls auf eine Region am Himmel eingrenzen, die 20 mal größer als der Vollmond ist (und meistens nicht einmal das).

Die meisten nachgewiesenen Neutrinos kommen natürlich von der nahen Sonne zu uns. Sie ist die stärkste Neutrinoquelle in unserer Nachbarschaft. Aber manche Neutrinos haben eine so hohe Energie, dass sie nicht bei den normalen Kernreaktionen im Zentrum unseres Sterns entstanden sein können. Sie müssen anderswo aus dem All stammen, wo die Dinge ein wenig heftiger ablaufen. Explodierende Riesensterne, aktive Kerne ferner Galaxien, und so weiter – aber wie gesagt: Die Quelle zu bestimmen ist schwer. Bis jetzt ist das (neben der Sonne) nur bei der nahen Supernova im Jahr 1987 gelungen, die in der Großen Magellanschen Wolke, unserer Nachbargalaxie, stattfand.

Aber Yang Bai von der Universität Wisconsin und seine Kollegen haben nun vielleicht Neutrinos aus einer weiteren extrasolaren Quelle identifiziert („Neutrino Lighthouse at Sagittarius A*“): dem zentralen schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße. So wie in allen anderen Galaxien, sitzt auch bei uns ein großes, supermassereiches schwarzes Loch in der Mitte. Es ist relativ ruhig und nicht so aktiv wie zum Beispiel die fernen Quasare. Ein schwarzes Loch macht normalerweise nicht viel. Nur wenn Materie in seiner Nähe ist, wird es interessant. Die sammelt sich in einer schnell rotierenden Scheibe um das Loch, bevor es hineinfällt und während sie das tut, wird dabei jede Menge Röntgen- und Gammastrahlung frei. Und es entstehen – vermutlich – auch viele hochenergetische Neutrinos.

Bai und seine Kollegen haben nun Beobachtungen von drei Weltraumteleskopen die Gamma- und Röntgenstrahlung beobachten mit Detektionen des Neutrino-Observatoriums IceCube in der Antarktis kombiniert. Denn auch wenn unser galaktisches schwarzes Loch meistens recht brav ist, gibt es ab und zu doch ein paar Aktivitätsausbrüche. Dann kann man helles Röntgenlicht beobachten. Aber was ist mit den Neutrinos? IceCube hat seit seiner Betriebsaufnahme im Jahr 2010 insgesamt 36 hochenergetische Neutrinos nachgewiesen, die nicht von der Sonne stammen (ja, es waren tatsächlich so wenige – ich sag ja, dass die Dinger schwer zu kriegen sind!). Die Wissenschaftler haben nun nachgesehen, ob ein paar davon genau dann registriert worden sind, als die Weltraumteleskope auch gerade Röntgenausbrüche beim schwarzen Loch gesehen hatten.

NuStar beobachtet Röntgenflares beim zentralen schwarzen Loch Bild: NASA/JPL
NuStar beobachtet Röntgenflares beim zentralen schwarzen Loch Bild: NASA/JPL

Und genau das war der Fall. Röntgenlicht, das von den Teleskopen Chandra, Swift und NuStar gesehen wurde passte zeitlich mit Detektionen von IceCube überein! Das ist natürlich noch kein Beweis, dass Röntgenstrahlung und Neutrinos wirklich aus der selben Quelle stammen. Aber zumindest ein guter Hinweis und die Chance, dass es nur Zufall war liegt bei etwa einem Prozent.

Die Beobachter werden weiter beobachten. Und die Theoretiker werden weiter nachdenken. Denn es ist immer noch nicht völlig klar, auf welchem Weg die Neutrinos in der Umgebung supermassereicher schwarzer Löcher produziert werden. Sie könnten entstehen, wenn Schockwellen in der Materiescheibe um das Loch einzelne Teilchen auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen. Dabei kann es zu Kollisionen kommen (wie in einem Teilchenbeschleuniger), die am Ende in Neutrinos resultieren.

Es wird noch ein wenig dauern, bevor die Neutrinoastronomie ihren Kinderschuhen entwachsen ist. Aber wir sind offensichtlich auf einem guten Weg und am Ende werden wir eine völlig neue Methode haben, um das Universum zu betrachten. Und wenn man die Dinge auf eine neue Weise betrachtet, dann entdeckt man dabei so gut wie immer etwas, mit dem man zuvor nicht gerechnet hat…

42 Gedanken zu „Neutrinos vom zentralen schwarzen Loch der Milchstraße nachgewiesen?“
  1. @Florian

    Wieso können Neutrinos überhaupt nachgewiesen werden? Ich meine, wieso fliegen die durch einen ganzen Planeten ohne irgendwelche Wechselwirkungen zu zeigen aber können dann in einem Wassertank nachgewiesen werden?

    Lg H.

  2. @Higgs: weil von 10^35 Neutrinos, die durch die Erde durchfliegen, ein paar wenige hängenbleiben. Und noch viel weniger bleiben im Wassertank hängen. Da kann es dann schon einmal passieren, daß in einer Woche drei Neutrinos im Tank eingefangen werden.

  3. Aus der Untersuchung der Neutrinos, die im Zentrum unserer Sonne entstanden sind, haben wir beispielsweise gelernt, welche Kernreaktionen dort wirklich für die Umwandlung von Wasserstoff und Helium und ihre Energieproduktion verantwortlich sind.

    @Flrorian: Hast du dazu irgendeine weiterführende Referenz? Oder kannst du, wenn du Lust und Zeit, hast dazu einen Blogeintrag schreiben?

  4. Sehr interessante Thematik, danke für den Artikel.
    Die Wiki-Artikel bzgl Neutrinos, Detektoren und IceCube sind auch einen Blick wert, zumal da nochmal deutlich wird, was konkret detektiert werden kann und warum.
    Für mich als Laie aber leider nicht so wirklich verständlich.

  5. Es ist sehr interessant solche Neuigkeiten aus der Neutrinoforschung zu lesen. Was mich noch beschäftigt:
    Führt der Zustrom von Neutrinos nicht zu einer nennenswerten Gewichtszunahme des Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstraße? Ich versuche das mal abzuschätzen:
    – Durchmesser des SL im Zentrum unserer Galaxie: ca. 3100 AU
    – Volumen des SL: ca. 1,4*10^37 cm^3
    – Neutrinos im SL: ca. 390/cm^3 (durchschnittliche Dichte von Neutrinos im Universum)
    Im Mittel würde ein Neutrino nach 1550 AU/c also ca. 500 Sekunden das SL verlassen (wenn das möglich wäre). Für jedes Neutrino das ein SL verlassen würde stürzt aber ein anderes ins SL um die durchschnittliche Dichte aufrechtzuerhalten.
    Also stürzden ca. 1,1 *10^37 Neutrinos pro Sekunde ins Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Wir kennen zwar die Ruhemasse der Neutrinos nicht, aber die müsste ja extrem niedrig sein dass man solche Werte vernachlässigen kann. Oder mache ich einen Fehler?

  6. @Silava:
    Falls Neutrinos eine Ruhemasse haben, wäre sie extrem gering.
    Sonst könnten sie sich auch nicht mit c bzw. annähernd c bewegen. Eine evt. Abweichung von c liegt nach meinem Kenntnisstand derzeit unter der Messgenauigkeit aktueller Experimente.

  7. @Silava

    Die Neutrinos machen einen winzigen Bruchteil der Masse aus, die aus der Akkretionsscheibe ohnehin in das Schwarze Loch gefallen wäre (die Strahlung, Röntgen wie Neutrino, entsteht dort, nicht im Schwarzen Loch).

  8. @Alderamin
    Ich weiß dass die Neutrinos nicht im Schwarzen Loch entstehen. Es gibt ja auch inaktive Schwarze Löcher in die lange Zeit „nichts“ hineinfällt. Laut aktuellen Prognosen sollen die Schwarzen Löcher über extrem lange Zeiträume „verdampfen“. Ich frage mich ob das überhaupt möglich ist, wenn ständig zumindest Neutrinos hineinfallen. (Und dann wäre da noch die Dunkle Materie, die auch eine Masse hat und bestimmt auch in nennenswertem Umfang zufällig in Scharze Löcher stürzt.)

  9. @Silava:
    Klar ist das Verdampfen möglich:
    Wir reden hier über sehr, sehr extrem lange Zeiträume:
    In dieser äußerst fernen Zukunft ist in der Nähe von SL nichts mehr da zum Akkretieren; bestenfalls die eigene Strahlung.

  10. @Silava

    Laut aktuellen Prognosen sollen die Schwarzen Löcher über extrem lange Zeiträume “verdampfen”. Ich frage mich ob das überhaupt möglich ist, wenn ständig zumindest Neutrinos hineinfallen.

    Nein, wie ich gelesen habe, reicht schon bei stellaren Schwarzen Löchern die Menge der 3K-kosmischen-Hintergrundstrahlung, die hineinfällt, aus, um den Verlust durch Hawking-Strahlung wieder wett zu machen (je kleiner ein Schwarzes Loch ist, desto mehr Hawking-Strahlung sendet es aus). Das Supermassive Schwarze Loch in der Milchstraße ist nicht sehr aktiv, aber wenn gelegentlich Röntgenstrahlung von dort kommt, dann fällt offenbar auch noch hin und wieder Materie hinein. Und diese Menge ist sicherlich bei weitem höher als der die Masse von Neutrinos oder kosmischer Strahlung, die zusätzlich hinein fällt (übrigens dürfte die Entstehung von Neutrinos eher dafür sorgen, dass weniger Masse hineinfällt, weil diese in alle Richtungen ausgesendet werden, und so doch mehr dem Schwarzen Loch entkommt, als hineinfällt; ohne Neutrinoaussendung wäre deren Masseäquivalent doch mit Sicherheit irgendwann komplett ins Schwarze Loch gefallen).

    Stellare und Supermassive Schwarze Löcher werden erst dann allmählich schrumpfen, wenn das Weltall kalt und leer ist. Und erst in 10^80-10^100 Jahren ganz aufgelöst sein (laut: „Die 5 Zeitalter des Universums„)

  11. Ich habe eine Frage zu Neutrinos allgemein, ich stell sie hier einfach mal: Wechselwirken Neutrinos untereinander oder tun sie das genausowenig wie mit „normaler“ Materie?
    Weiters hab ich in der SChule (lang lang ists her) mal gehört, dass bei einem Betazerfall antineutrinos entstehen würden? Wenn Neutrinos nun untereinander wechselwirken, kann es dann unter Umständen auch zu einer Annihilation zwischen einem Neutrino und einem ANtineutrino kommen und wenn ja, könnte man die auch irgendwie nachweisen? (Sorry, falls das ales grober Unfug ist, bin leider kein Physiker 😉 )

  12. IceCube hat seit seiner Betriebsaufnahme im Jahr 2010 insgesamt 36 hochenergetische Neutrinos nachgewiesen, die nicht von der Sonne stammen

    Ich finde 36 hochenergetische Neutrinos, die ja eigentlich alles durchdringen ohne damit zu Interagieren, in 4 Jahren ist ein toller Erfolg.

  13. @Balu
    Soweit ich das richtig verstanden habe, sind es vor allem die hochenergetischen Neutrinos die detektiert werden, da die Wahrscheinlichkeit einer Wechselwirkung höher ist. Neutrinos mit niedrigen Energien gehen dabei deutlich weniger Wechselwirkungen ein.

    @all
    Verständnisfrage: die Neutrinos selbst werden nicht detektiert, sondern die aus der Wechselwirkung resultierenden, geladenen Leptonen? Und nur wenn letztere wiederum eine bestimmte Mindestenergie besitzen (und mit den Wassermolekülen wechselwirken), wird Cherenkov-Strahlung frei, die dann gemessen werden kann?

  14. Kann man eigentlich berechnen, wie hoch die Energie wäre, wenn man all die Neutrinos, die durch die Erde gehen, einfangen würde? Also wie hoch ist diese Energie, verglichen zB. mit der Infrarotstrahlung der Sonne?

  15. Das Innere der Sonne wird ja schon länger mit Neutrinoteleskopen beobachtet. Gibt es da auch „Fotos“ von? Oder ist auch bei Sonnenneutrinos die Detektionsrate so niedrig, dass daraus keine „Karte“ vom Sonneninneren erstellt werden kann?

  16. Frage an die Fachgemeinde:
    gibt es denn Hinweise ob Neutrinos überhaupt durch ein SL gehalten werden können (wenn diese denn praktisch masselos sind)? Welcher Mechanismus steckt denn bei einem „Einfangen“ dahinter?

  17. @deva4ever

    Neutrinos haben Masse und alles mit Masse bzw. Energie wird vom Schwarzen Loch verschluckt. Der Mechanismus nennt sich Graviation: Die Raumzeit wird so gekrümmt, dass der Zukunfts-Lichtkegel ganz im SL liegt.

    @McPomm

    Wie Florian geschrieben hat, ist die Richtungsauflösung 20 mal schlechter als beim Vollmond, und der Vollmond hat ziemlich genau die selbe Größe, etwa ein halbes Grad wie die Sonne.

    @PMCB

    Ja, Detektion erfolgt über die Tscherenkowstahlung der geladenen Teilchen, die durch die Wechselwirkung des Neutrinos beschleunigt werden.

  18. @Silava, #5:
    Ein SMBH mit 4 Millionen Sonnenmassen hat sicher keinen Schwarzschild-Radius von 1500 AU.
    Schwarzschild-Radius = 2GM/c² = 1.4 × 10^-27 m/kg × M
    4 Millionen Sonnenmassen: ca. 6 × 10^36 kg
    Ergibt ca. 10^10 m oder 10 Millionen km.

  19. @PMCB, #14:
    Eis hat laut wiki einem Brechungsindex von 1.31.
    Also ab ca. 77% der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit können geladene Teilchen Cherenkov-Strahlung erzeugen. Neutrinos selbst sind, wie der Name schon sagt, elektrisch neutral.

  20. Jetzt muss ich meine Fragen, die ich schon zu „Sternengeschichten 103“ gestellt hatte, doch nochmal etwas erweitert loswerden:

    @ „auf eine Region am Himmel eingrenzen, die 20 mal größer als der Vollmond ist“
    Ein Neutrino macht sich durch e i n e n Lichtblitz im Wassertank bemerkbar. Hat dieses Photon denn eine Vorzugsrichtung (wie im Laserlicht) ? Ich kann mir nicht vorstellen, wie man sonst aus dem “Lichtblitz” auf die Richtung zurückschließen kann, aus dem das Neutrino angekommen ist. Es gibt ja wohl keine Möglichkeit, irgendwelche Kollimatoren einzusetzen, um aus solchen Einzelereignissen eine Strahlrichtung abzuleiten.

    @ „Aber manche Neutrinos haben eine so hohe Energie, dass sie nicht bei den normalen Kernreaktionen im Zentrum unseres Sterns entstanden sein können.“
    … Wo steckt denn überhaupt die Neutrino-Energie – etwa in der Geschwindigkeit des masselosen Teilchens? Und wie misst man die „Geschwindigkeit“ (Weg pro Zeit) eines „Einzelereignisses“?
    Der Rückschluss auf die Energie erfolgt dann ja wohl nur über die Wellenlänge des erzeugten Tscherenkow-Lichtes – oder?

    @ „(Das) Röntgenlicht, das von den Teleskopen Chandra, Swift und NuStar gesehen wurde passte zeitlich mit Detektionen von IceCube überein!“
    … Weil die Neutrinos aber nur mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fliegen können, müssten sie doch hinter den Röntgenquanten der Flares zeitlich zurückgeblieben, also deutlich später im IceCube angekommen sein.

    1. @Karl Heinz: „Hat dieses Photon denn eine Vorzugsrichtung (wie im Laserlicht) „

      Stell dir das so vor wie die Teilchenspuren in ner Nebelkammer (https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/11/01/zeitreisen-beobachten-in-der-selbstgebauten-nebelkammer/) Daraus kannst du rückschließen, wo das ding hergekommen ist.

      „Wo steckt denn überhaupt die Neutrino-Energie – etwa in der Geschwindigkeit des masselosen Teilchens?“

      Neutrinos haben Masse, halt nur nicht viel. Und die Energie steckt in der Geschwindigkeit, ja.

      „Weil die Neutrinos aber nur mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fliegen können, müssten sie doch hinter den Röntgenquanten der Flares zeitlich zurückgeblieben, also deutlich später im IceCube angekommen sein.“

      So ein Flare bei nem Supermassereichen SL dauert ja nicht nur einen Augenblick. Und man kriegt nicht unbedingt die allerersten Neutrinos mit die ankommen, sondern halt nur irgendwelche irgendwann während des Ereignis.

  21. @Stefan K.:

    Ich habe eine Frage zu Neutrinos allgemein, ich stell sie hier einfach mal: Wechselwirken Neutrinos untereinander oder tun sie das genausowenig wie mit “normaler” Materie?

    Ja, sie wechselwirken untereinander – und ja, sie machen das genauso selten (eher noch deutlich seltener) als mit normaler Materie.

    Weiters hab ich in der SChule (lang lang ists her) mal gehört, dass bei einem Betazerfall antineutrinos entstehen würden?

    Bei einem Beta-minus-Zerfall (das ist in der Natur der übliche) entstehen in der Tat Antineutrinos. Bei einem Beta-plus-Zerfall (viel seltener, kann aber auch vorkommen) entstehen Neutrinos.

    Wenn Neutrinos nun untereinander wechselwirken, kann es dann unter Umständen auch zu einer Annihilation zwischen einem Neutrino und einem ANtineutrino kommen und wenn ja, könnte man die auch irgendwie nachweisen?

    Ist rein theoretisch möglich – aber nur unter gewissen Bedingungen, bei denen alles andere als klar ist, ob die wirklich erfüllt sind. Und es wird in der Tat daran geforscht, ob so etwas wirklich passiert – man spricht da vom „neutrinolosen Doppel-Beta-Zerfall.“

    Wikipedia hat einiges interessantes dazu:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Doppelter_Betazerfall#Neutrinoloser_Doppel-Betazerfall

  22. @Karl Heinz:

    „… Weil die Neutrinos aber nur mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fliegen können, müssten sie doch hinter den Röntgenquanten der Flares zeitlich zurückgeblieben, also deutlich später im IceCube angekommen sein.“

    Ergänzend zu @Florians Posting:

    Die Photonen, die sich durch so ein Flare „durcharbeiten“ müssen, wechselwirken elektromagnetisch.
    Dh. mit allem an Teilchen was da so rumfliegt.

    Das bedeutet es kann sein, dass die Photonen schon ein bischen länger brauchen um bei uns anzukommen als die Neutrinos, die mit nichts wechselwirken.

  23. @Florian

    Die flüchtigen Elementarteilchen sind elektrisch nicht geladen und wechselwirken auch kaum über die elektromagnetische Kraft.

    wohl ein kleiner typo. da sie nicht elektrisch geladen sind wechselwirken sie gar nicht über die elektromagnetische kraft. schwache wechselwirkung!

    Das ist natürlich noch kein Beweis, dass Röntgenstrahlung und Neutrinos wirklich aus der selben Quelle stammen. Aber zumindest ein guter Hinweis und die Chance, dass es nur Zufall war liegt bei etwa einem Prozent

    wie schätzt man so eine wahrscheinlichkeit (also das eine prozent)?

    @Björn

    Ist rein theoretisch möglich – aber nur unter gewissen Bedingungen, bei denen alles andere als klar ist, ob die wirklich erfüllt sind. Und es wird in der Tat daran geforscht, ob so etwas wirklich passiert – man spricht da vom “neutrinolosen Doppel-Beta-Zerfall.”

    also dass neutrinos und ANTIneutrinos annihlieren ist im standardmodell ganz ohne frage so (auch wenn es experimentell wohl nicht nachweisbar ist).

    beim neutrinolosen doppel-beta-zerfall geht es darum ob neutrinos ihre eigenen antiteilchen sind (sog. majorana fermionen). denn beim „normalen“ doppelten beta-zerfall enstehen ja zwei antineutrinos (und nicht einmal antineutrino und einmal neutrino) und könnten normal nicht annihlieren. nur unter der vorraussetzung dass neutrinos majorana fermionen sind wäre daher ein neutrinoloser (weil vernichtung der beidnen neutrinos) doppel beta-zerfall möglich. und daher wird auch angestrengt danach gesucht, denn die frage ob neutrinos ihre eigenen antiteilchen sind oder nicht ist in der tat noch nicht geklärt.

    @Zorro

    Neutrinos sind verdammt klein … https://apod.nasa.gov/apod/ap140112.html

    die seite ist toll, aber die unterschiedlichen „größen“ der elementarteilchen (ab ca. 10^-18 m) macht so keinen sinn. alle elementarteilchen (quarks, leptonen, eichbosonen, higgs) werden im standardmodell der teilchenphysik als punktförmig ohne jede ausdehnung oder innere struktur angenommen (was nicht heißt dass sie das sind, aber wir können keine seriösen aussagen darüber machen). so gesehen: ja, neutrinos sind verdammt klein!

    auf dieser seite hat man für die quarks anscheinend die „größe“ irgendwie mit der masse in zusammenhang gebracht (vl. über die compton-wellenlänge), aber das ist eben nicht wirklich die „größe“ oder „ausdehnung“ eines quarks. und warum die die neutrinos (die ja viel viel leichter sind) dann noch unterhalb des top-quarks sind ist mir ein rätsel.

  24. @Bullet

    Genau das verstehe ich ja nicht. Was bringt das eine von diesen 10^35 Neutrinos dazu eine Wechselwirkung zu zeigen? Wovon ist es abhängig ob ein Neutrino wechselwirkt oder nicht?

    Lg H.

  25. ach so. Na ich denke, das ist reine Statistik. Beim radioaktiven Zerfall stellt sich die Frage ja auch: warum zerfällt dieses eine Teilchen gerade jetzt und nicht in zehn Minuten – und die viel üblere Frage ist: warum verhalten sich große Massen von „Individuen“ so stark mathematisch vorhersagbar – obwohl ihre „individuelle Verhaltensweise“so überhaupt nicht in Zahlen zu fassen ist?
    Vielleicht muß der Zusammenstoß eines Neutrinos mit einem Nukleon oder Elektron einige ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit eine Reaktion stattfinden kann – also zum Beispiel ein Treffer genau mittig auf ein Nukleon mit nur wenigen Milligrad Abweichung. Das wäre eine Möglichkeit(!!!), ein so seltenes Ereignis zu begründen. (Obwohl ich mir sicher bin, daß die mitlesenden Teilchenphysiker wegen des von mir begangenen Frevels gerade einen Scheiterhaufen für mich vorbereiten. 🙂 )

  26. @Higgs-Teilchen
    Je nach Art der Wechselwirkung muss man eine Mindestenergie haben (genug, um die Ruhemasse der Teilchen zu erzeugen. Zusätzlich muss man Impulserhaltung erfüllen und der Prozess muss erlaubt sein.
    Dann kann man etwas wie den Wirkungsquerschnitt ausrechnen.
    Und damit kann man die Anzahl der Wechselwirkungen bei gegebener Luminosität und Wirkungsquerschnitt angeben.
    Wenn man hier schaut, dann sieht man auf der 2 Seite den Wirkungsquerschnitt gegen die Energie. Das zieht sich über etwa 20 Größenordnungen. Von daher muss man sich erstmal überlegen, auf welcher Energie man ist.

    Welches Neutrino wechselwirkt ist aber Zufall, da kannst du nur Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Prozesse und Streuwinkel angeben.

  27. Neutrinos fliegen ja in allen Richtungen, so müsste im Zentrum einer Galaxie eine hohe Neutrino Dichte sein, die vom schwarzen Loch verschluckt werden, durch die Raumkrümmung, obwohl Neutrinos eine sehr geringe Ruhemasse haben aber die Dichte müsste sehr hoch sein im Zentrum des Schwarzen Loches, müssten die eigentlich das Schwarze Loch mit Energie versorgen , oder ?

  28. Nochmal@Bernhard:
    Falls es im Galaxienzentrum eine höhere Neutrinodichte gäbe, dann läge das an der höheren Sternendichte und nicht an der Raumkrümmung durch das SL. Die ist nämlich auf dem Maßstab ein lokaler, vernachlässigbarer Faktor: Nur bei sehr dichtem Vorbeiflug würden Neutrinos ähnlich wie Lichtstrahlen abgelenkt werden. Und da Neutrinos nur selten mit Materie zusammenstoßen, werden sie auch recht unbeeindruckt von der Akkretionsscheibe sein. Daher kann ein SL im wesentlichen nur durch direkte Treffer Neutrinos aufnehmen.

  29. @Bernhard, Krypto

    Die Neutrinos, um die es hier geht, kommen ja ohnehin aus der Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs, d.h. sie entkommen zum größten Teil dem ansonsten sicheren Absturz in das selbige. Aber da Neutrinos weniger als 3 eV/c² Masse (bisher verifizierte Obergrenze) haben, Protonen und Neutronen hingegen über 900 Millionen eV/c², geht wirklich nicht viel Masse durch die Neutrinos verloren.

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