In den letzten Wochen war es vor allem der unaussprechliche Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, der die Aufmerksamkeit der Astronomieinteressierten auf sich gezogen hat. Und wenn dann am 12. November die Landung auf dem Himmelskörper ansteht, werden mit Sicherheit wieder alle Augen auf diesen Kometen gerichtet sein. In der Zwischenzeit lohnt es sich aber, auch mal einen Blick auf Siding Spring zu richten. Als der letztes Jahr entdeckt wurde, sah es kurzfristig so aus, als könne der 700 Meter große Brocken auf dem Mars einschlagen. Das wäre ein grandioses Spektakel geworden, bei dem wir außerdem jede Menge neue Dinge über kosmische Kollisionen gelernt hätten. Aber mittlerweile wissen wir, dass Siding Spring am Mars vorbei fliegen wird. Der minimale Abstand zwischen den beiden Himmelskörpern wird am 19. Oktober 2014 nur noch knapp 140.000 Kilometer betragen (also weniger als die Hälfte des Abstands zwischen Erde und Mond). Für den Mars besteht hier keine Gefahr (für die Erde sowieso nicht), aber die diversen Raumsonden die den Planeten umkreisen könnten unter Umständen in Mitleidenschaft gezogen werden. Sie können aber wichtige neue Daten liefern und das werden sie selbstverständlich auch versuchen.
Beim Mars befindet sich ja mittlerweile schon eine ganze Flotte an Raumfahrzeugen von der Erde. Und die Wissenschaftler stehen nur vor dem Problem, dass sie die einmalige Chance natürlich nutzen und den nahen Vorbeiflug des Kometen mit allen Instrumenten beobachten wollen, die ihnen zur Verfügung stehen. Aber sie wollen die Raumfahrzeuge natürlich auch nicht riskieren. Man kann zwar ausschließen, dass eines von ihnen mit dem Komet selbst kollidiert. Es gibt genug Platz zum Ausweichen und man weiß ja, wo Siding Spring lang fliegt. Aber so ein Komet zieht ja auch eine große Staubwolke mit sich und das ist auch bei Siding Spring der Fall. Die Staubteilchen aus der Koma und dem Schweif des Kometen sind mit hohen Geschwindigkeiten von ungefähr 56 Kilometer pro Sekunde unterwegs und können die Raumfahrzeuge und Instrumente durchaus schädigen.
Man hat sich daher für eine „Duck and Cover“-Taktik entschieden: Die Sonden und Satelliten werden einen kurzen Blick auf den Kometen werfen und sich dann schnell auf der abgewandten Seite des Mars verstecken. Die Rover auf der Marsoberfläche sind sowieso geschützt; sie werden von der Atmosphäre des Mars vor etwaigen Staubteilchen abgeschirmt.
Es wird sich aber definitiv lohnen, ein kleines Risiko einzugehen um den Kometen zu beobachten. Siding Spring ist aus der fernen Oortschen Wolke zu uns gekommen; der großen Wolke aus Kometen die unser Sonnensystem weit draußen im All umgibt. Die Kometen die wir bisher aus der Nähe untersucht haben, stammten alle aus den inneren Bereichen des Sonnensystems; mit Siding Spring bietet sich nun das erste Mal die Möglichkeit, auch ein Objekt aus dieser noch mehr oder weniger völlig unbekannten Region genau zu untersuchen. Man wird probieren, möglichst viele gute Bilder des Kometenkerns zu machen um seine Form und genau Größe zu bestimmen. Aber auch seine Rotation soll untersucht werden und die Zusammensetzung seiner Oberfläche. Instrumente werden die Dichte seiner Staubhülle und des Staubs im Schweif messen und die chemische Zusammensetzung des aus dem Kometen strömenden Gases untersuchen. Man wird die Größenverteilung der Staubkörner zu messen probieren und herausfinden, was passiert, wenn das Material aus dem Kometen auf die Atmosphäre des Mars trifft (und passenderweise ist erst vor kurzem die Sonde MAVEN am Mars angekommen, deren explizite Aufgabe die Untersuchung der Marsatmosphäre ist).
Jede Menge Arbeit also für die Raumsonde – aber auch eine enorme Chance. Normalerweise ist es schwer, Kometen aus der Nähe zu beobachten und wie aufwendig und kompliziert es ist, wenn man einen Kometen besuchen will, zeigt ja die schon mehr als 10 Jahre dauernde Rosetta-Mission. Mit Siding Spring haben wir nun das große Glück, dass einer dieser Himmelskörper direkt an einer Stelle des Sonnensystems vorbei fliegt, an der sich schon eine ganze Batterie wissenschaftlicher Instrumente befindet! Natürlich werden aber auch die Teleskope von der Erde und die Satelliten im Erdorbit ganz genau hinsehen, wenn Siding Spring am Sonntag seinen Vorbeiflug am Mars absolviert. Besonders interessant wird es circa 90 Minuten nach dieser nächsten Annäherung. Dann wird sich der Mars auf seiner Bahn der Bahn des Kometen auf nur 28.000 Kilometer genähert haben und die Chance, dass die Sonden von dem ganzen dort verstreuten Staub beschädigt werden, ist am größten.
Am Sonntag, dem 19. Oktober 2014, um 20:27 MESZ wird der Komet den geringsten Abstand zum Mars erreicht haben. Der Mars wird dann aber schon fast untergegangen sein; er ist am Sonntag nur in der Abenddämmerung zu sehen. Und den Kometen selbst sieht man mit freiem Auge sowieso nicht. Zum Glück gibt es die Instrumente vor Ort – sie werden mit Sicherheit großartige Bilder machen. Ich bin schon gespannt…
Wird man in der Lage sein, Swing-By-Anomalien zu erkennen/beziffern?
@Florian
Ich weiß mal nicht, die Kameras der Marssonden sind ja für ganz andere Beobachtungen ausgelegt. Was Curiosity so an Deep-Sky-Aufnahmen gemacht hat, übertrifft man auf der Erde locker mit der Automatik einer Kompaktknipse, und die Aufnahmen von ISON aus dem Marsorbit durch MRO waren auch nicht so der Bringer. Der Komet ist diesmal zwar viel näher dran an den Sonden, aber damit wird er zu einer großen diffusen Wolke, die sich über den ganzen Himmel erstreckt, und einem Kern, der maximal ein paar Pixel groß sein wird. Man wird sicherlich interessante Ergebnisse erzielen, aber spektakuläre Bilder erwarte ich eher nicht.
@Alderamin: „Man wird sicherlich interessante Ergebnisse erzielen, aber spektakuläre Bilder erwarte ich eher nicht.“
Wenn ich „Bilder“ sage, meine ich ja nicht unbedingt klassische Fotos. (siehe auch hier: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/10/14/eine-bunte-kollision-in-der-riesengalaxie/). Aber es war missverständlich, ja.
@krypto: Ja, man wird sicher merken, wie der Vorbeiflug die Bahn des Kometen ändert, wenn es das ist, was du meinst.
Es wundert mich immer wieder aufs Neue, wenn behauptet wird, der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko sei so schwer auszusprechen. Gut, der Name ist etwas lang, aber schwer auszusprechen? Für einen Amerikaner vielleicht, aber die helfen sich mit ihrer typischen Infantilisierung und nennen ihn Tschurri-Gerry. Haben wir so was nötig? Ich finde, die Herren Tschurjumov und Gerasimenko, die nicht ohne Grund Namensgeber dieses Kometen sind, verdienen mehr Respekt. Sollte jedenfalls jemals ein Komet nach mir benannt werden (zugegeben, das ist äußerst unwahrscheinlich) verbitte ich es mir, das er Ferry genannt wird.
PS: Ich freue mich ebenfalls auf die Bilder und Daten!
@Ferrer: „Gut, der Name ist etwas lang, aber schwer auszusprechen? „
Nun ja, wenn man unvorbereitet auf das Wort „67P/Tschurjumow-Gerasimenko“ trifft muss man als normaler deutschsprechender wahrscheinlich schon ein bisschen länger bei der AUssprache nachdenken als wenn das Ding zum Beispiel „Susi“ heißen würde…
„verdienen mehr Respekt. „
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich respektlos war.
@Ferrer:
Insbesondere verdient die Entdeckerin Swetlana Gerassimenko den Respekt, nicht „Herr Gerasimenko“ genannt zu werden.
@Hugo
Toucheeeeeeee (lol)
Also ich finde den Namen des Kometen nicht unaussprechlich.
Er tippt sich halt nur wie Stacheldraht!
@hugo: Touché in der Tat. Ups!
@Florian Freistetter: Ich wollte Sie nicht der Respektlosigkeit bezichtigen, nehmen Sie es mir bitte nicht übel. Ich habe den Eindruck, die Beschreibung „unaussprechlich“ hat sich verselbstständigt. Ich habe sie bereits dutzendfach gelesen, auf mehreren Sprachen. Ich halte die Beschreibung immer noch für falsch.
[…] (19.10.2014) Abend fliegt der Komet Siding Spring sehr nahe am Mars vorbei. Ich habe kürzlich darüber berichtet und auch erklärt, warum das so interessant ist und was sich die Wissenschaftler von diesem […]