Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 591: Lentikuläre Galaxien
Lentikuläre Galaxien werden auch linsenförmige Galaxien genannt und man nennt sie deswegen so, weil sie linsenförmig aussehen. Vielen Dank fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal! Nein, es geht natürlich weiter. Denn die lentikulären Galaxien haben noch mehr zu bieten. Dazu müssen wir uns aber noch einmal kurz ansehen, was sie von anderen Galaxien unterscheidet. Ich habe in Folge 33 der Sternengeschichten schon mal einen kurzen Überblick über die Galaxienarten gegeben, aber vielleicht schauen wir uns das noch einmal schnell an.
Also: Es gibt erstmal zwei grundlegend unterschiedliche Arten von Galaxien, nämlich elliptische Galaxien und Spiralgalaxien. Elliptische Galaxien sind im Wesentlichen große, kugelförmige Haufen von Sternen. Diese Haufen können komplett kugelförmig sein oder mehroder weniger ellipsoid, also quasi abgeflachte Kugeln. Spiralgalaxien sind das, an was wir meistens denken, wenn wir uns eine Galaxie vorstellen: Eine flache Scheibe, in der sich die Spiralarme befinden und in der Mitte eine kugelförmige Region, in der die Sterne sehr dicht beieinander stehen, der Bulge. Unsere Milchstraße ist genau so eine Spiralgalaxie und zwar eine Balkenspiralgalaxie. In dieser Untergruppe wächst aus dem Bulge noch eine balkenartige Struktur aus Sternen, aus der dann die Spiralarme wachsen. Es gibt auch noch die irregulären Galaxien, deren Form – wie der Name sagt – irregulär ist. Aber die sollen uns hier nicht beschäftigen, ich erwähne sie nur der Vollständigkeit halber.
Man bekommt all die unterschiedlichen Galaxienformen oft als Diagramm gezeigt, in der die elliptischen Galaxien entlang einer Linie angeordnet sind, von den komplett kugelförmigen bis hin zu den ganz stark abgeflachten. Von dort zweigen dann zwei Linien ab, wie bei einer Stimmgabel und auf der einen findet man die unterschiedlichen Formen der Spiralgalaxien und auf der anderen die entsprechenden Balkenspiralgalaxien. Das sieht dann oft so aus, als wäre das eine Entwicklungssequenz; so, als würde jede Galaxien als kugelförmige elliptische Galaxie beginnen, dann im Laufe der Zeit immer flacher werden bis sie sich irgendwann zu einer Spiral- oder Balkenspiralgalaxie entwickelt. Das ist definitiv nicht so; genau genommen ist es sogar umgekehrt, denn die elliptischen Galaxien können entstehen, wenn Spiralgalaxien miteinandern kollidieren und verschmelzen. Trotzdem gibt es diese Diagramme immer noch und am Schnittpunkt, dort wo elliptische auf die Abzweigungen zu den Spiralgalaxien treffen, findet man meistens einen Galaxientyp eingetragen, der mit „S0“ bezeichnet wird. Genau das sind die Lentikulären Galaxien.
In den linsenförmigen Galaxien sind die Sterne in einer Scheibe angeordnet, so wie in den Spiralgalaxien auch. Nur gibt es dort keine Spiralarme, es ist einfach eine flache Scheibe aus Sternen; ein bisschen so ein Mittelding zwischen elliptischen und Spiralgalaxien. So weit, so klar. Was weit weniger klar ist, ist die Entstehungsgeschichte dieser Galaxienart. Wie elliptische Galaxien entstehen können, wissen wir halbwegs, das habe ich vorhin schon erwähnt. Wenn zwei Spiralgalaxien kollidieren, dann verschmelzen sie im Laufe von Milliarden von Jahren und bilden einen großen Haufen von Sternen, eine elliptische Galaxie. Und als damals im jungen Universum aus gigantischen Gaswolken die ersten Sterne beziehungsweise eben die ersten Galaxien entstanden sind, waren das vor allem erstmal irreguläre Galaxien, in denen sich erst im Laufe der Zeit und durch weitere Verschmelzungen die Spiralarme ausgebildet haben. Aber die irregulären Galaxien wollte ich ja auslassen. Ich lasse auch die Details der Entstehung der Spiralarme aus, was aber wichtig ist, ist die Tatsache, dass die Spiralarme vor allem aus jungen Sternen bestehen. Spiralarme sind keine „fixen“ Strukturen; man darf sie sich nicht vorstellen wie die Speichen eines Fahrrads. Durch das ganze gravitative Wirrwarr in einer Galaxie aus hunderten Milliarden Sternen gibt es „Dichtewellen“, also Bereiche, wo die kombinierte Gravitationskraft dazu führt, dass Gaswolken kollabieren und zu jungen, hell leuchtenden Sternen werden. Und weil sich alles in so einer Galaxie ständig bewegt, wandern immer wieder Gaswolken in diese Bereiche, dort entstehen Sterne, die wieder weiterziehen, aber durch neue junge Sterne ersetzt werden, die aus neuen Gaswolken entstehen, die in diese Dichteregionen wandern. Solange es noch genug Gas gibt, aus dem Sterne entstehen können, wird es also auch immer junge Sterne geben, die die Spiralarme quasi ausleuchten.
Lentikuläre Galaxien haben keine Spiralarme und daraus folgt, dass dort auch kaum noch neue Sterne entstehen. Ist die Sache damit jetzt also schon geklärt? Wir fangen mit einer Spiralgalaxie an, die wird immer älter und älter, irgendwann ist das ganze Gas für die Sternentstehung verbraucht und dann verblassen quasi die Spiralarme. Dazu passt auch folgender Befund: Wenn wir schauen, wo im Universum die Lentikulär-Galaxien zu finden sind, dann sehen wir sie vor allem in unserer Nähe. Oder anders herum gesagt: Wenn wir Galaxien betrachten, deren Licht sehr, sehr lange bis zu uns gebraucht hat; die also aus der Frühzeit des Universum stammen, finden wir dort kaum lentikuläre Galaxien. Oder noch einmal anders herum gesagt: lentikuläre Galaxien scheinen ein Phänomen des gegenwärtiges Universums zu sein; in der Vergangenheit hat es sie nicht gegeben. Was wiederum die Annahme unterstützt, dass es Zeit braucht, bis sie sich bilden und es sich um ausgeblichene Spiralgalaxien handelt.
Es könnte aber auch genau anders herum sein. Wir wissen, dass Galaxien einander immer wieder in die Quere kommen. Unsere Milchstraße und ihre Nachbargalaxie, die Andromedagalaxie, sind zum Beispiel gerade dabei, miteinander zu kollidieren. Der Vorgang dauert ein paar Milliarden Jahre, aber am Ende werden beide zu einer großen elliptischen Galaxie verschmolzen sein. So eine Wechselwirkung zwischen zwei Spiralgalaxien kann aber auch anders ablaufen. Wenn sie sich nahe kommen, wirken zwischen ihnen enorme Gezeitenkräfte. Dann verformen sie sich; die Spiralarme verformen sich und können regelrecht aufgedröselt werden und auch das Gas, aus dem Sterne entstehen können, kann aus den Galaxien rausgerissen werden. Am Ende kriegt man eine Galaxie ohne Spiralarme und ohne Gas, aus dem neue Sterne entstehen können, die neue Spiralarme bilden könnten.
Auch für diese Hypothese gibt es Beobachtungsdaten, die das stützen. Wenn wir uns große Galaxienhaufen anschauen; also die gewaltigen Ansammlungen aus hunderten oder bis zu hunderttausenden Galaxien. Dort finden wir alle möglichen Formen, auch die lentikulären Galaxien. Die sind in diesen Haufen aber vor allem in den inneren Regionen der Haufen, also dort, wo die Galaxien am dichtesten stehen und am ehesten miteinander wechselwirken können.
Beide Hypothesen haben ihre Stärken. Beide haben auch ihre Schwächen. Die Hypothese mit den wechselwirkenden Spiralgalaxien hat vielleicht ein paar mehr Stärken als Schwächen als die Verschmelzungshypothese. Zum Beispiel wenn man sich anschaut, wie schnell die Linsengalaxien rotieren und das mit ihrer Helligkeit vergleicht. Zwischen beiden Größen gibt es bei den normalen Spiralgalaxien einen Zusammenhang, nämlich die „Tully-Fisher-Beziehung“ und der selbe Zusammenhang findet sich, leicht verschoben, auch bei den Lentikulärgalaxien. Aber auch das ist kein definitiver Beleg.
Wie die komischen Galaxien ohne Spiralarme entstehen, wissen wir noch nicht. Aber sie sind dort draußen, sie sind ein Teil unseres Universums und deswegen werden wir nicht aufhören, auch sie verstehen zu wollen.