SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

Mehr Informationen: [Podcast-Feed][Apple]Spotify][Facebook][Twitter]

Wer den Podcast finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal, Patreon oder Steady.

Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.


Sternengeschichten Folge 587: Das Brummen der Erde

Die Erde brummt. Das können wir nicht hören, aber sie tut es trotzdem. Und deswegen schauen wir uns heute das Erdbrummen, wie es umgangssprachlich genannt wird beziehungsweise die Eigenschwingungen der Erde, wie man es wissenschaftlich korrekt nennt, etwas genauer an. Über ein ähnliches Phänomen habe ich schon in Folge 164 gesprochen, als es um Asteroseismologie ging. Aber, wie der Name schon sagt, waren es damals schwingende Sterne, von denen ich erzählt habe. Schwingen tut aber auch die Erde und bevor wir uns das genauer anschauen, müssen wir erst einmal klären, was damit gemeint ist.

Stellen wir uns eine Kugel aus Metall vor und einen Hammer, mit dem wir auf diese Kugel schlagen. Was passiert ist klar: Es wird „Klong!“ machen. Der Hammer hat die Kugel zum Vibrieren gebracht und dadurch wird auch die Luft in Vibration versetzt und wenn die dann auf unsere Ohren trifft, hören wir ein Geräusch. Oder stellen wir uns einen Wackelpudding vor, auf den wir mit einem Löffel schlagen. Auch dann wird der Pudding, ganz seinem Namen gerecht, hin und her wackeln. Ein Geräusch gibt es dabei nicht, oder besser gesagt: Es gibt kein Geräusch, das wir hören können, denn das Wackeln des Puddings ist zu langsam, als dass es ein für unsere Ohren hörbares Geräusch erzeugt.

Aber es geht ja heute um die Erde. Die ist weder eine Kugel aus Metall und auch nicht aus Pudding. Und es haut auch niemand mit einem riesigen Hammer oder einem großen Löffel auf sie ein. Aber sie schwingt trotzdem. Das merken wir zum Beispiel sehr deutlich, wenn ein Erdbeben stattfindet. Dann breiten sich Erdbebenwellen durch den Planeten aus und das ist ja nichts anderes als eine Schwingung im Gestein der Erde. Aber irgendwann ist so ein Erdbeben vorbei und die Wellen haben sich wieder beruhigt. Die Eigenschwingungen der Erde um die es heute geht, haben mit den Erdbeben allerdings erstmal nicht viel zu tun. Selbst wenn es einmal auf der ganzen Erde keine Erdbeben gibt, keine Vulkanausbrüche, und so weiter, schwingt der Planet trotzdem ein kleines bisschen. Und damit ist wirklich ein kleines bisschen gemeint. Es geht um Bewegungen von ein paar Zehntausendestel Millimeter, die periodisch alle paar Minuten stattfinden. Das Geräusch das dabei entsteht ist erstens enorm schwach und zweitens weit tiefer als das, was unsere Ohren hören könnten.

Aber es gibt diese Bewegung. Es gibt sogar zwei Arten von Bewegungen beziehungsweise zwei grundlegend unterschiedliche Weisen, wie die Erde schwingen kann. Die erste nennt man „sphäroidale Schwingungen“ und das klingt kompliziert. Das kann auch sehr kompliziert werden, aber im Grunde ist es ganz einfach. Wenn die Erde zum Beispiel einfach nur pulsiert, ist das eine sphäroidale Schwingung. „Pulsieren“ heißt in diesem Fall, dass die Erde größer wird, kleiner wird, größer wird, kleiner wird, und so weiter. Wie gesagt, es geht hier um winzigste Änderungen, aber das Prinzip bleibt gleich. Dieses Pulsieren ist die einfachste Schwingung die die Erde durchführen kann, aber es geht auch komplexer. Sie kann zum Beispiel abwechselnd in unterschiedliche Richtungen schwingen. Stellen wir uns vor, wir würden die Erde zusammendrücken, sie quasi mit den Fingern an Nord- und Südpol fassen und dann ein bisschen quetschen. Dann lassen wir los, packen sie am Äquator und ziehen sie auseinander. Dann wird wieder an den Polen gedrückt, und so weiter. Die ganze Schwingerei kann noch viel komplexer werden, aber das ist das Prinzip der sphäroidalen Schwingung.

Die Erde ist fast wie eine Glocke

Es gibt aber auch noch toroidale Schwingungen. Hier können wir uns vorstellen, dass wir probieren, die Erde aufzuschrauben. Wir drehen also die Nordhalbkugel in die eine Richtung und die Südhalbkugel in die andere Richtung. Wenn wir dann loslassen, dreht sich die verdrillte Erde wieder zurück und hin und her, auf unterschiedlichen Hemisphären in unterschiedliche Richtungen. Wenn man es ganz stark und vermutlich zu stark vereinfachen möchte, dann sind sphäroidale Schwingungen welche, bei denen sich der Erdboden auf und ab bewegt und toroidale Schwingungen welche, bei denen sich der Erdboden horizontal hin und her bewegt.

Dass es so etwas geben kann, ist vorerst keine große Überraschung. Alles schwingt, wenn man es entsprechenden Kräften aussetzt. Bei der Sonne zum Beispiel haben wir diese Schwingungen schon in den 1960er Jahren beobachtet. Aber im Gegensatz zu unserem Stern ist die Erde keine Gaskugel sondern besteht aus fester Materie und hier wirken auch nicht die enormen Kräfte, die das Innere der Sonne beherrschen. Und außerdem gibt es andauernd Erdbeben, Vulkanausbrüche und so weiter, die die winzigen Eigenschwingungen unseres Planeten überlagern. Es ist lange Zeit fast unmöglich erschienen, das Erdbrummen zu messen und es hat tatsächlich bis 1998 gedauert, bis es das erste Mal gelungen ist. Kazunari Nawa und Naoki Suda von der Universität Nagoya in Japan haben das geschafft, aber auch nur, weil sie jahrelang gesammelte seismische Daten sehr genau analysiert und alle Störquellen rausgerechnet haben. Und das, was sie nachweisen konnten, waren nur die sphäroidalen Schwingungen; bis auch die toroidalen Schwingungen entdeckt werden konnten, hat es nochmal fast 10 Jahre gedauert. Dann konnte der deutsche Geophysiker Dieter Kurrle sie am Black Forest Observatory im Schwarzwald nachweisen. Dieses Observatorium befindet sich tief in einem alten Bergwerk; die Messinstrumente sind hinter hunderten Metern von Gestein abgeschirmt. Was auch dringend nötig ist, denn es reichen schon kleinste Störungen, um die Messung zu verhindern. Wenn zum Beispiel sich der Luftdruck ein klein wenig ändert. Oder die Temperatur. Und was passiert, wenn irgendwo ein Auto vorbei fährt, kann man sich vorstellen. Aber im Bergwerk des Schwarzwaldes, hinter luftdicht verschlossenen Schleusentüren ist die Messung gelungen. Aber auch nur, weil die Daten von dort mit denen aus ähnlichen Einrichtungen in China und Japan verglichen werden konnten. Nur wenn man überall auf der Welt konsistente Daten kriegt, kann man sicher sein, dass es sich um ein globales Phänomen handelt und keine lokale Störung.

Man darf sich das Erdbrummen übrigens nicht so vorstellen wie eine Glocke, die angeschlagen wird. Wie ich vorhin schon gesagt habe, gibt es ja nicht nur eine Schwingung, sondern jede Menge. Die überlagern sich alle, aber eben nicht so wie bei einem Musikinstrument, wo es einen Grundton gibt und diverse Obertöne, die alle harmonisch zusammenklingen. Beim Erdbrummen sind alle möglichen Frequenzen wild durcheinander gemischt und wenn man unbedingt eine musikalische Analogie finden will, dann eher die eines Orchesters, wo vor dem Konzert erstmal sämtliche Instrumente gestimmt werden und ohne Plan durcheinander klingen.

So, jetzt wissen wir, was das Erdbrummen ist. Aber was ist die Ursache? Warum tut die Erde das? Warum schwingt sie einfach so vor sich hin, auch ganz ohne Erdbeben oder andere große Ereignisse? Das ist eine gute Frage und eine, die schwer zu beantworten ist. Bei den sphäroidalen Schwingungen ist es noch vergleichsweise einfach. Da geht es ja um die Auf-und-Ab-Schwingung und man muss – sehr vereinfacht gesagt – nur auf die Erde drücken, damit das passiert. Und solche Druckkräfte gibt es: Zum Beispiel in der Atmosphäre, wenn sich der Luftdruck verändert. Oder in den Meeren, wenn der Wind Wellen erzeugt, die dann unter Umständen bis tief hinunter auf den Meeresboden drücken. Dass das eine Ursache sein kann, wird auch durch die Beobachtung gestärkt, dass sich das Erdbrummen im Rhythmus der Jahreszeiten verändert. Und im Winter gibt es ja tatsächlich sehr viel mehr und heftigere Stürme, mit entsprechend mehr Wellen. Die Ursache der toroidalen Schwingungen ist dagegen nicht so leicht zu erklären. Hier geht es ja um horizontale Bewegung, nicht um ein Auf und Ab sondern ein Hin und Her. Und dementsprechend braucht es auch eine Kraft, die „schiebt“ und nicht „drückt“. Beziehungsweise eine „Scherkraft“, wie es in der Wissenschaft heißt. Dazu gibt es ein paar Hypothesen, zum Beispiel Berge auf dem Meeresboden, die den Druck der Wellen von oben in eine Scherkraft umlenken. Oder großräumige, lang dauernde Tief- und Hochdruckwirbel, die an der Erde schrauben. Aber all diese Effekte sind viel zu schwach, um das Ausmaß der toroidalen Schwingungen zu erklären.

Am Ende wird es vermutlich eine kompliziertere Erklärung sein. Irgendwie werden die sphäroidalen und toroidalen Schwingungen auf sehr komplexe Weise zusammenwirken, im Wechselspiel mit all dem anderen, das dauernd auf der Erde los ist. Aber wenn wir das mal verstanden haben, dann werden wir auch genau dieses komplexe Wechselspiel der Vorgänge besser verstehen, das unseren Planeten zu dem macht, was er ist. Und werden dann auch besser verstehen können, wie andere Planeten funktionieren. Oder es läuft umgekehrt: Denn was auf der Erde passiert sollte anderswo auch stattfinden. Zum Beispiel auf dem Mars: Der hat zwar keine Ozeane, aber zumindest ein bisschen Atmosphäre. Und vielleicht führt auch die dazu, dass der Planet schwingt; vielleicht gibt es ein „Marsbrummen“. Es gab auch schon Pläne, entsprechende Messinstrumente zu unserem Nachbarplaneten zu schicken, aber daraus ist bis jetzt noch nichts geworden. Aber vielleicht finden wir auch das noch mal raus und wenn wir einen zweiten Planeten brummen hören, hilft uns das eventuell dabei, das Brummen unseres eigenen Planeten zu erklären.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.