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Sternengeschichten Folge 572: Terraforming auf der Venus

Können Menschen auf der Venus leben? Ganz klar: Nein! Ende der Folge. Aber damit ich doch noch etwas zu erzählen habe, stelle ich die Frage lieber anders. Nämlich so: Könnten wir die Venus lebensfreundlich machen? Und da lautet die Antwort: Na ja… vielleicht!

In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um Terraforming. So bezeichnet man, wie ich schon in Folge 414 erzählt habe, die absichtliche Umwandlung eines für Menschen unbewohnbaren Himmelskörpers so dass Menschen dort leben können. In der damaligen Folge habe ich allerdings über den Mars gesprochen und über Methoden wie wir diesen Planeten für uns Menschen lebensfreundlich machen könnten. Heute wollen wir uns die Venus ansehen. Die Venus lebensfreundlich machen: Das könnte man für eine ziemlich aussichtslose Idee halten. Immerhin kennen wir kaum einen Planeten, der so unfreundlich für uns ist wie die Venus.

Die Temperatur auf unserem Nachbarplaneten liegt bei 460 Grad Celsius. Die Atmosphäre ist so dicht, dass auf der Oberfläche der 90fache Druck herrscht, den wir hier auf der Erde spüren. Und die Atmosphäre besteht noch dazu fast komplett aus Kohlendioxid. Auf der Venusoberfläche zu stehen wäre etwa so, also würden wir uns hier auf der Erde in über 900 Meter Meerestiefe aufhalten. In einem Meer allerdings, dass fast 500 Grad heiß ist und in dem Blei schmelzen würde. Wie um Himmels Willen soll man so eine höllische Welt lebensfreundlich machen? Und warum überhaupt?

Das Warum ist eine gute Frage; denn natürlich muss man sich schon fragen, wieso wir einen zweiten Planeten brauchen. Und ob es ethisch vertretbar ist, einen kompletten Planeten umzuformen und quasi seinen Originalzustand zu zerstören, nur für uns Menschen. Darüber will ich heute aber nicht reden (obwohl ich der Meinung bin, dass man Planeten wie Mars und Venus in Ruhe lassen und erforschen aber nicht verändern soll). Sondern über die Frage, wie man es anstellen würde, wenn man sich dazu entschieden hat. Und wenn wir einen anderen Planeten terraformen wollen, ist die Venus gar keine so schlechte Wahl. In Größe und Masse ist sie fast ein Zwilling der Erde, ganz im Gegensatz zum Mars, der viel kleiner ist. Die Anziehungskraft die man auf der Venusoberfläche spürt ist fast identisch mit der auf der Erde und würden wir dort leben können, hätten wir keine Probleme mit Muskelschwund wegen der geringen Gravitationskraft wie wir es auf dem Mars hätten. Und wenn man mal vom Mond absieht, kommt kein anderer großer Himmelskörper des Sonnensystems der Erde so nahe wie die Venus. Man könnte vergleichsweise leicht, regelmäßig und schnell von einem Planeten zum anderen fliegen, was durchaus von Vorteil ist, wenn beide Welten von Menschen bewohnt sind.

Aber bevor es so weit ist, müssen wir die Venus erst mal lebensfreundlich kriegen. Und das ist, wie man sich denken kann, definitiv nicht so einfach. Sieht man von diversen Science-Fiction-Büchern ab, dann war der erste, der sich darüber Gedanken gemacht hat, der amerikanische Astronom Carl Sagan. In einer Arbeit aus dem Jahr 1961 schlug er vor, das man Mikroorganismen auf der Venus aussetzen könnte, die Fotosynthese betreiben. Sie würden so das Kohlendioxid in der Atmosphäre in Sauerstoff umwandeln. Denn genau das ist das Hauptproblem beim Venus-Terraforming: Wir müssen irgendwie die enorm dichte CO2-Atmosphäre loswerden.
Sie sorgt dafür, dass dort ein so extremer Treibhauseffekt existiert und die Temperaturen so absurd hoch sind.

Sagans Idee war prinzipiell gut, aber damals wusste man noch nicht, dass der Druck auf der Venusoberfläche so extrem hoch ist. Bei den Werten die dort herrschen, funktioniert das Prinzip nicht. Man wusste auch nicht, dass in der Atmosphäre Schwefeldioxid enthalten ist und das es so gut wie kein Wasser auf der Venus gibt. Das alles zusammen führt dazu, dass Mikroorganismen dort nicht viel ausrichten können. Man bräuchte auch Wasserstoff, damit die Mikroorganismen den Kohlenstoff aus dem CO2 irgendwie in andere Moleküle umwandeln können und den findet man auf der Venus auch kaum.

Aber Kohlenstoff und CO2 kann man auch anders loswerden. Auf der Erde ist viel CO2 im Gestein gebunden. Man könnte probieren, jede Menge Magnesium und Kalzium auf die Venus zu bringen. Die könnte CO2 binden und aus der Atmosphäre entfernen. Allerdings braucht man dafür eine wirklich große Menge. Ungefähr so viel, wie der Asteroid Vesta wiegt und der hat immerhin einen Durchmesser von über 500 Kilometern. Gut, man könnte das Zeug vielleicht irgendwo vom Merkur zur Venus rüber schaffen, denn der Merkur enthält sehr viele passende Mineralien. Aber leicht ist das nicht und definitiv außerhalb unserer aktuellen und vermutlich auch zukünftigen Fähigkeiten.

Aber kann man die Atmosphäre nicht einfach direkt loswerden? Jetzt nicht irgendwie absaugen, aber wenn zum Beispiel ein großer Asteroid auf einem Planeten einschlägt, kann dadurch auch ein Teil der Atmosphäre ins All geschleudert werden. Die Venus hat aber eine recht große Masse und dementsprechend groß muss auch ein Asteroid sein, um das zu erreichen. Wenn der Einschlag nicht mit ausreichend Wumms erfolgt, dann werden die Moleküle der Atmosphäre nicht ausreichend stark beschleunigt, um ins Weltall entkommen zu können. Man bräuchte ein paar tausend Einschläge von Brocken, die circa 700 Kilometer groß sind. Und abgesehen davon, dass wir die aus dem äußeren Sonnensystem zur Venus schaffen müssten, weil es so viele davon in der Nähe gar nicht gibt, wäre es vermutlich auch einfacher, die Sache mit dem Magnesium vom Merkur durchzuziehen.

Die Oberfläche der Venus heute… (Bild: gemeinfrei)

Also sollte man vielleicht einen ganz anderen Ansatz probieren? Ein Vorschlag des britischen Wissenschaftlers Paul Birch sieht vor, einen riesigen Spiegel im All zu installieren, der das Sonnenlicht von der Venus abhält. Das entfernt zwar die Atmosphäre nicht, würde aber die Temperatur deutlich senken. Und wenn es mal ein wenig kühler ist, kann man es vielleicht wieder mit den Mikroorganismen probieren. Heutzutage ist es ja auch kein großes Problem mehr, die per Gentechnik an etwaige Widrigkeiten auf der Venus anzupassen. So ein Spiegel müsste zwischen Venus und Sonne platziert werden, am besten im Lagrange-Punkt L1, also an einem der Punkte, an denen sich die von Venus und Sonne wirkenden Gravitationskräfte aufheben. Und so ein Spiegel müsste einen Durchmesser haben, der vier mal so groß ist wie der Durchmesser der Venus. Nicht einfach zu bauen also, ganz im Gegenteil. Und wenn wir so ein gigantisches reflektierendes Dings im All hätten, würde es nicht lange an Position bleiben. Der Druck des Sonnenlichts würde den Spiegel langsam aber sicher verschieben. Wir müssen also entweder einen Antrieb einbauen, der jede Menge Energie braucht. Oder bauen einen schlaueren Spiegel: Am besten eine Flotte aus vielen kleinen Spiegel, die so positioniert werden, dass sie einen Teil des Sonnenlichts so auf die Nachbarspiegel umleiten, dass dieses Licht genau den Druck des restlichen Sonnenlichts ausgleicht und alle in Position bleiben. Theoretisch ist das möglich, praktisch aber nicht einfach umsetzbar.

Wenn wir aber so eine Spiegelflotte hinkriegen, könnten wir die Venus damit weit unter den Gefrierpunkt von Wasser kühlen. So weit, dass das Kohlendioxid in der Atmosphäre zuerst flüssig und dann fest wird. Dazu sind mindestens gut -60 Grad Celsius nötig und dann hätte die Venus keine dichte CO2-Atmosphäre mehr. Das ganze Kohlendioxid würde in Form von Trockeneis auf ihrer Oberfläche liegen und dann müsste man es irgendwie einsammeln und wegschaffen – zum Beispiel zum Mars, wo man Treibhausgase gut brauchen kann, wenn man auch diesen Planeten aufwärmen und terraformen will.

Alles nicht einfach, aber zumindest nicht unmöglich. Wenn wir es also irgendwie geschafft haben sollten, eine Venus zu bauen, die eine vernünftige Temperatur und keine dicke CO2-Atmosphäre hat, sind wir aber noch lange nicht fertig. Denn es fehlt uns Wasser. Das müssten wir hinbringen; wir könnten zum Beispiel einen der kleineren Monde von Jupiter und Saturn schnappen, die fast komplett aus Wassereis bestehen. So ein Mond wie Enceladus zum Beispiel, mit gut 250 km Durchmesser. Denn schmeißen wir auf die Venus und haben Wasser. Ganz fertig wären wir dann aber immer noch nicht. Die Venus rotiert extrem langsam um ihre eigene Achse. Auf der Erde dauert so eine Rotation 24 Stunden und so lange dauert auch ein Tag hier bei uns. Ein Venustag dauert dagegen gut 117 Erdtage. Es ist also extrem lange hell – und dann extrem lange dunkel. Das müsste man auch irgendwie korrigieren. Den Planeten schneller rotieren lassen ist keine Option; dafür wäre so absurd viel Energie nötig, dass das kaum zu schaffen ist. Besser wäre es, man installiert wieder ein paar Spiegel in einer Umlaufbahn um die Venus die – je nachdem – ein bisschen Licht der Sonne blockieren oder Sonnenlicht zur Oberfläche umlenken, so dass man dann Tag und Nacht vernünftig regulieren kann.

Was der Venus dann trotz allem noch fehlt, ist ein Magnetfeld, das leider auch recht wichtig ist, wenn wir Menschen dort leben wollen. Ohne Magnetfeld schützt uns nichts vor der kosmischen Strahlung. Wie wir ein planetares Magnetfeld bauen können, ist aber völlig ungeklärt. Man könnte gigantische Ringe aus supraleitenden Material um den Planeten legen, durch die Strom fließt und dabei ein Magnetfeld erzeugt. Aber auch wenn das theoretisch nicht unmöglich ist, ist es das vermutlich in der Praxis.

Wir können am Ende also drei Dinge festhalten: Erstens ist es zumindest in der Theorie machbar, die Venus in einen lebensfreundlichen Planeten zu transformieren. Zweitens haben sich erstaunliche viele Forscherinnen und Forscher mit dieser Frage beschäftigt. Und drittens zeigt uns der absurde Aufwand, den wir dafür treiben müssten, ein weiteres Mal, was für ein einzigartiger Planet unsere Erde ist. Schauen wir besser darauf, dass sie lebensfreundlich bleibt; dann können wir uns in der Zukunft immer noch um die anderen Planeten kümmern.

3 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 572: Terraforming auf der Venus“
  1. Wenn man liest, was es so alles bräuchte damit wir auch nur annähernd lebensfreundliche Bedingungen auf einem anderen Planeten hinbekommen, dann wundert es einen auch nicht mehr so sehr, dass da draußen so wenig Leben zu finden ist (bisher). Es muss schon EINIGES zusammenkommen, und selbst im Falle unserer Erde gibt es genug Episoden in der Geschichte, in denen diese für menschliches Leben im Sinne unserer heutigen Zivilsastion nur bedingt geeignet gewesen wäre. Vielleicht ist das Fermi-Paradox ja gar nicht so paradox wie der Name besagt.

  2. Wenn wir wir Billionen Tonnen Magnesium vom Merkur zur Venus schaffen würden, dann würde die Venus schwerer und der Merkur leichter. Welche Auswirkungen hätte das langfristig auf die Umlaufbahnen beider und damit auch auf die anderen Planeten? Die gleiche Frage stellt sich, wenn wir einem Gasriesen einen 250km großen Mond klauen und zur Venus bringen. Das Sonnensystem ist seit Milliarden Jahren stabil, vielleicht sollten wir das besser nicht anfassen.

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