My Cephei (<a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Mu_Cephei?uselang=de#/media/File:Erakis_(Garnet_Sidus).jpg">Bild: gemeinfrei</a>)

SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

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Sternengeschichten Folge 567: Der Granatstern My Cephei

„Einen sehr ansehnlicher Stern, der nicht von Flamsteed markiert wurde, kann man in der Nähe des Kopfes von Kepheus finden. Er hat eine schöne, tief granatrote Farbe (…) und ist ein äußerst schönes Objekt, ganz besonders wenn man zuvor einige Zeit einen weißen Stern betrachtet, bevor man das Teleskop auf ihn richtet.“

Das schrieb der Astronom Wilhelm Herschel im Jahr 1783 in einem Aufsatz, in dem er unter anderem Sterne auflistete, die er am Himmel sehen konnte, die aber nicht im Katalog seines Kollegen John Flamsteed zu finden waren. Den Stern, den Herschel da neben vielen anderen erwähnt, bezeichnen wir heute als „My Cephei“ oder auch als „Granatstern“. Seine rote Farbe ist tatsächlich etwas besonderes; es ist der röteste Stern, den man mit bloßem Auge am Himmel sehen kann. Aber bevor wir uns mit seiner Farbe beschäftigen, klären wir zuerst einmal die grundlegenden Dinge.

My Cephei ist, wie der Name sagt, am Himmel im Sternbild Kepheus zu finden, das am Nordhimmel zwischen der Kassiopeia und dem Drachen liegt. Man kann Kepheus und damit auch My Cephei das ganze Jahr über in der Nacht beobachten. Seine Entfernung ist schwer zu bestimmen, liegt aber verMytlich bei circa 3000 Lichtjahren. Die Helligkeit von My Cephei ist veränderlich; sie schwankt zwischen 3,4 und 5 Magnituden. Je nachdem, wann man gerade schaut, kann er also wie ein durchschnittlich heller Stern am Himmel erscheinen oder wie ein sehr schwach leuchtender, den man ohne optische Hilfsmittel gerade noch sehen kann. Die Helligkeitsschwankungen sind dabei komplex und werden von zwei Perioden von 850 beziehungsweise 4400 Tagen dominiert.

Und warum verändert der Granatstern seine Helligkeit? Weil es sich dabei um einen roten Überriesen handelt und einen besonders großen noch dazu. Seine Leuchtkraft ist gut 300.000 mal höher als die der Sonne, womit My Cephei zu den hellsten Überriesen der gesamten Milchstraße gehört. Der Stern ist gut 1500 mal größer und 25 mal schwerer als die Sonne, mit einer Oberflächentemperatur von circa 3200 Grad aber ein paar tausend Grad kühler. Man Myss sich nochmal klar machen, wie groß das wirklich ist. Würde man My Cephei ins Zentrum unseres Sonnensystems setzen, würde er weit über die Umlaufbahn des Jupiter und fast bis zum Saturn reichen!

So groß sind Sterne normalerweise nicht; so groß werden sie erst gegen Ende ihres Lebens und auch nur, wenn sie schon recht groß angefangen haben. Wir wissen, dass sich auch unsere Sonne ausdehnen wird, wenn sie in ein paar Milliarden Jahren den Wasserstoff in ihrem Zentrum komplett zu Helium fusioniert hat. Dann wird sie anfangen, Helium zu anderen chemischen Elementen zu fusionieren und mehr Energie produzieren als vorher. Sie wird im Kern deutlich heißer werden und auch ihre äußeren Schichten werden wärmer. So warm, dass der Wasserstoff, der sich dort befindet, nun auch fusionieren kann. Die Kernfusion wird dann im Kern und in den äußeren Schichten stattfinden; sehr viel mehr Energie wird aus dem Inneren der Sonne nach außen dringen und der ganze Stern wird sich dadurch stark aufblähen. Die Sonne wird allerdings höchstens bis zur Erdbahn reichen; um ein roter Überriese zu werden, hat sie nicht genügend Masse.

My Cephei allerdings schon und dieser Stern hat die Endphase seines Lebens schon erreicht. Er hat dafür auch nur gut 10 Millionen Jahre gebraucht; im Gegensatz zu den circa 10 Milliarden Jahre, die es bei der Sonne insgesamt dauern wird, bis sie den aufgeblähten Zustand erreicht. Aber wir wissen ja, dass die Kernfusion in einem Stern umso heftiger und schneller abläuft, je größer seine Masse ist und My Cephei ist eben ein enorm großer Stern.

My Cephei (Bild: gemeinfrei)

Rote Überriesen wie My Cephei zeigen auch so gut wie immer Helligkeitsveränderungen. Wie sie genau entstehen, ist immer noch nicht eindeutig geklärt. Aber es hat verMytlich mit ihrer komplexen Struktur zu tun. Eben weil die Kernfusion nicht mehr nur im innersten Kern abläuft sondern auch in den äußeren Schichten, kann sich dadurch die Durchlässigkeit dieser Schichten für Strahlung ändern. Die wird unter anderem davon bestimmt, wie viele freie Elektronen dort existieren. Normalerweise sind die Elektronen ja Teil der Hülle der Atome, aber wenn es heiß genug wird, können sie sich ablösen und verhindern, dass sich die Strahlung, die von weiter innen kommt, ungestört nach außen ausbreiten kann. Sie „staut“ sich quasi, heizt den Stern weiter auf, was zu einer zusätzlichen Ausdehung und erhöhter Helligkeit führt. Durch die Ausdehung kühlt die Schicht aber wieder ab, die Durchlässigkeit wird höher und die gestaute Strahlung kann entweichen. Ich hab das in Folge 64 schon mal ein wenig genauer erklärt, als es um den Kappa-MechanisMys gegangen ist und man verMytet, dass so etwas ähnliches auch in den roten Überriesen stattfindet.

Ich habe jetzt schon oft erwähnt, dass My Cephei ein roter Überriese ist und auch Wilhelm Herschel hat ja von der granatroten Farbe gesprochen. Man kann die Sache mit der Farbe auch wissenschaftlich angehen, wenn man den sogenannten „Farbindex“ berechnet. Dazu misst man die Helligkeit eines Objekts mit unterschiedlichen Farbfiltern und vergleicht die Werte. Sehr gebräuchlich sind Messungen im blauen Licht und im roten Licht und wenn man dann die rote Helligkeit von der blauen Helligkeit abzieht, bekommt man einen Farbindex. Wenn dieser Index nahe beim Wert Null liegt, dann gibt der Stern ähnlich viel blaues wie rotes Licht ab und wird insgesamt eher weißlich erscheinen. Ist der Farbindex negativ, dann überwiegt der blaue Anteil und man wird einen eher bläulich leuchtenden Stern vor sich haben. Ein positiver Farbindex weißt dagegen auf einen rot leuchtenden Stern hin. Und wer jetzt genau aufgepasst hat und sich denkt: Moment Mal – wenn ein Stern im roten Licht heller ist als im blauen Licht und ich die größere rote Helligkeit von der kleineren blauen Helligkeit abziehe – müsste ich dann nicht einen negativen Farbindex bekommen?, hat zwar einerseits recht, andererseits aber nicht. Denn man darf die, zugegebenermaßen etwas komische, Konvention der Astronomie nicht vergessen, nach der die Helligkeit in der Astronomie in der Einheit „Magnituden“ gemessen, die so definiert sind, dass Sterne mit hoher Helligkeit eine kleine Magnitude haben und umgekehrt.

Aber lassen wir diese Rechnerei beiseite und halten fest: Je größer der Farbindex, desto röter der Stern. Der Granatstern hat einen Farbindex von gut 2,4 Magnituden, was ihn von allen Sternen die man mit bloßen Auge sehen kann, zum rötesten Stern macht. Aber bevor sich jetzt alle begeistert aufmachen um ihn am Himmel zu suchen, Myss ich noch zwei Dinge anmerken. Erstens ist der Granatstern zwar tatsächlich rot, aber ein Teil seiner roten Farbe ist nicht auf ihn selbst zurückzuführen, sondern auf den interstellaren Staub, der sich zwischen uns und ihm befindet. Licht, dass durch diesen Staub dringt, erscheint uns auch röter und weil der Granatstern so weit weg ist, ist da viel Staub in der Sichtlinie. Ohne den Staub wäre er zwar immer noch rot, aber der Farbindex wäre geringer. Zweitens, und das ist der wichtigere Punkt: Wer den Stern am Nachthimmel findet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit kein rotes oder rötliches Objekt sehen. Es kann sein, dass er rötlich erscheint, aber das liegt dann daran, dass bei der Beobachtung gerade starke Luftunruhen herrschen. Die stören die Ausbreitung des Sternenlichts durch die Atmosphäre, was auch der Grund ist, warum Sterne oft zu flackern scheinen; sie stören aber Licht unterschiedlicher Farbe unterschiedlich stark und es kann sein, dass deswegen gerade mehr rotes Licht unser Auge erreicht als normal. Bei ruhiger Atmosphäre oder beim Blick mit Fernglas oder Teleskop wird der Stern eher orange-gelblich erscheinen, vielleicht mit einem Stich ins rötlich-bräunliche. Herschels Bezeichnung als „granatrot“ war ein wenig klein wenig unglücklich; beziehungsweise war es vor allem meine Übersetzung. Im englischen Original sagt Herschel, dass er einen Stern gesehen hat mit „a very fine deep garnet colour“. Das Wort „garnet“ entspricht zwar dem deutschen „Granat“ und bezieht sich zwar auf das entsprechende Mineral, dass tatsächlich sehr oft rot ist, aber nicht rot sein Myss und durchaus auch andere Farben haben kann. Wilhelm Herschel hat keine Fotos gemacht; wir wissen auch nicht, ob er den Stern mit freiem Auge angesehen hat oder mit einem Teleskop und welche optischen Fehler dieses Teleskop gehabt haben könnte, die den Farbeindruck beeinflussen.

Polnischer Adler mit Granat (Bild: gemeinfrei)

Aber am Ende ist das ja auch egal. Es kann jeder und jede selbst zum Himmel schauen und eine eigene Vorstellung der Farbe des Granatsterns bekommen. Dass es ein roter Überriesenstern ist, ist ebenso klar und damit auch, wie es um die Zukunft seiner Farbigkeit bestellt ist. Nicht gut nämlich, Sterne mit so großer Masse wie My Cephei werden am Ende ihres Lebens bei einer gewaltigen Supernova explodieren. Übrig bleibt dann nur ein schwarzes Loch und dann hat sich die Sache mit der Farbe von selbst erledigt.

7 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 567: Der Granatstern My Cephei“
  1. Öhä.
    Hat da der Florian etwa einen „Global Change“ verwendet, um „mu Cephei“ (eng) gegen „My Cephei“ zu tauschen und hat dann nur alles „mu“ durch „My“ ersetzt?
    Nun, zumindest bei „verMytlich“, „Myss“ und „Kappa-MechanisMys“ ist das schiefgegangen. 😀

  2. Hi Florian,
    der Kollaps mit anschließender Supernova ist ja ein spontanes und vergleichsweise wahnsinnig kurzfristiges Ereignis. Bei der Fusion zu Eisen ist ja energetisch Ende für den Stern. Mich würde interessieren ob sich das irgendwie spektral in der Beobachtung erkennen und damit der wahrscheinliche Zeitpunkt des Kollaps grob abschätzen lässt (wohl eher nicht bzw. wenn überhaupt, wie genau ? Z.B. sowas wie „Ziemlich sicher in den nächsten 100 oder 1000 Jahren“ oder so) Dazu habe ich bisher noch nichts gehört/gefunden.

    Grüße und danke im voraus

    1. „mü“ is aber seeehr vierziger-Deutsch. Der griechische Buchstabe wäre als Ersetzungsziel viel besser. Du hast „μ Cephei‘“ ja auch schreiben können.

  3. Ja. Sehr niedlich. Ist Herr Freistetter etwas gestresst? ansonsten gibt es in brauchbaren Editoren die „nur ganze Wörter“-Taste, und ein µ sollte sich spätestens im Sonderzeichen-und-Emoji-und-so’n-Krimskrams-Programm des Betriebssystems der Wahl finden lassen.

  4. @Florian
    Ich lese mich seit einigen Monaten chronologisch rückwärts durch die Sternengeschichten und habe dabei festgestellt, dass dir öfters Tippfehler oder auch ausgelassene Wörter passiert sind. Was hältst du davon, wenn ich diese Fehler bei mir lokal korrigiere und die die korrigierten Artikel dann zur erneuten Veröffentlichung zumaile? Verlangen würde ich nichts dafür…

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