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Sternengeschichten Folge 565: Regolith – Der Boden über unseren Füßen

„Erinnert euch daran, nach oben zu den Sternen zu blicken – und nicht nach unten auf eure Füße“ – das hat Stephen Hawking in seiner letzten Videobotschaft, kurz vor seinem Tod im März 2018 gesagt. Und diesem Zitat kann ich natürlich nur zustimmen. Allerdings kann es sich durchaus auch lohnen nach unten auf die Füße zu sehen. Ganz besonders dann, wenn diese Füße nicht auf der Erde stehen, sondern auf dem Boden eines anderen Himmelskörpers.

Und genau das ist das Thema dieser Folge der Sternengeschichten. Es geht um den Boden über unseren Füßen; den Boden anderer Himmelskörper und insbesondere den Boden des Mond. Dort sind ja tatsächlich schon menschliche Füße gestanden. Und vielleicht fragt sich jetzt der eine oder die andere: Ok, schön und gut – aber was soll man da groß erzählen können? Boden ist Boden, egal ob auf der Erde, dem Mond oder dem Mars. Am Mond ist der Boden halt grau und ohne Pflanzen und man braucht einen Raumanzug, wenn man darauf rumlaufen will. Aber was soll da eine ganze Podcastfolge füllen?

Nun, so einfach ist die Sache nicht. Nehmen wir den Mond: Als in den 1960er Jahren die ersten Versuche gemacht wurden, dort zu landen – zuerst mit Raumsonden und später dann auch mit Raumkapseln aus denen Menschen aussteigen sollten – da war man sich nicht wirklich sicher, was einen dort erwartet. Man befürchtete zum Beispiel, dass das Apollo-11-Raumschiff nicht landen, sondern einfach in einer meterdicken Schicht aus lockerem Staub versinken könnte. Das klingt komisch, aber wir müssen uns nur einmal überlegen, was „Boden“ eigentlich sein soll. Wenn man das genau wissen will, dann ist das eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Auf der Erde ist da zuerst mal die Gesteinskruste des Planeten, aber als „Boden“ bezeichnet man eigentlich nur die oberste Schicht dieser Kruste. Und wie die beschaffen ist, hängt ganz deutlich von den Eigenschaften des Planeten selbst ab. Lassen wir mal die Stellen beiseite, an denen die Erdoberfläche tatsächlich aus nacktem Gestein besteht; Gebirge, und so weiter. Dann ist die Beschaffenheit des restlichen Bodens, vereinfacht gesagt, durch die Anwesenheit von Leben, Wasser und Wetter geprägt. Wind und Wetter erodieren das Gestein, zerbröckeln es, Flüsse transportieren diese Stücke durch die Gegend und wir kriegen zum Beispiel Boden der aus Sand besteht. Oder wir kriegen die Art von Boden, die wir „Erde“ nennen, wenn Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen darin leben und mit ihrem Stoffwechsel das Gestein langsam aber sicher zu Erdboden machen.

Staubige Gegend… (Bild: NASA, gemeinfrei)

Aber auf dem Mond gibt es kein Wetter, es gibt kein fließendes Wasser und es gibt keine Lebewesen. Wieso sollte man dort etwas anderes finden, als Gestein? Man kann ja auch schon mit kleinen Teleskopen sehen, dass dort überall Krater sind. Und in meterdicken Staubschichten kriegt man keine Krater. Aber wie ich schon gesagt habe: So einfach ist es nicht. Ja, am Mond sind Krater. Aber genau diese Krater sagen uns, dass auf dem Mond im Laufe der Zeit jede Menge Asteroiden eingeschlagen haben. Mehr noch: Wir wissen, dass der Mond keine Atmosphäre hat, so wie die Erde. Die Erdatmosphäre sorgt dafür, dass nur die sehr großen Felsbrocken aus dem All auf dem Erdboden einschlagen können. Die kleineren brechen in der Atmosphäre auseinander. Auf dem Mond findet das nicht statt; alles, was aus dem All kommt, kommt auch bis zur Mondoberfläche durch und trifft dort mit Geschwindigkeiten bis zu 25 Kilometer pro Sekunde auf. Große Asteroiden, die große Krater schlagen ebenso wie winzige interplanetare Gesteinsbrocken die nur ein paar Zentimeter oder Millimeter groß sind. Und auch die verursachen Krater. Kleine Krater, aber eben trotzdem Krater, weil nichts da ist, was sie bremmst. Und dann gibt es auch noch die kosmische Strahlung, also vor allem die geladenen Teilchen die die Sonne aus ihren äußersten Schichten hinaus ins All schleudert. Auch davor schützt uns auf der Erde die Erdatmosphäre; der Mond wird dagegen voll davon getroffen. Und auch diese kosmische Strahlung kann das Gestein der Mondoberfläche verwittern.

Wir haben also den Mond, mit einer felsigen Oberfläche und ohne schützende Atmosphäre. Die Mondoberfläche ist seit 4,5 Milliarden Jahren dem Bombardement von Asteroiden und kosmischer Strahlung ausgesetzt. Was passiert mit Felsen, wenn man sie ein paar Milliarden Jahre lang mit großen und kleinen Hämmern bearbeitet? Sie werden zu Staub! Die Frage, die man sich in den 1960er Jahren gestellt hat, war die nach der Dicke dieser Staubschicht. Es war klar, dass der Mond nicht komplett mit Staub bedeckt ist; es gab auch Regionen mit festerem Gestein; voller Krater und übersäht mit riesigen Felsbrocken – das konnte man ja von der Erde aus sehen. Aber das waren genau die Gegenden, in denen man eigentlich nicht landen wollte. Man wollte eine Region in der möglichst nichts war, was die Landung behindern könnte. Und das waren genau die Ebenen, auf denen unter Umständen dicke Staubschichten ein Raumschiff verschlucken könnten.

Ob das wirklich passieren würde oder nicht, hängt unter anderem auch davon ab, wie „fluffig“ der Staub ist, also wie gut die Staubkörner zusammenhalten – oder eben nicht. Aber das wusste man damals nicht. Die ersten Raumsonden, die in den 1960er Jahren auf dem Mond landeten, lieferten gute Hinweise, dass die Staubschicht nur ein paar Zentimeter dick ist, aber man konnte nicht ausschließen, dass es in anderen Gegenden vielleicht anders ist. Und wenn man sich die Landestützen der Apollo-Raumschiffe ansieht, dann erkennt man auch, dass man diese Gefahr nicht ganz abgeschrieben hatte. Die Landebeine hatten unten große Scheiben montiert mit einem Durchmesser von jeweils fast einem Meter. Ihr Zweck: Zu verhindern, dass die Landefähre zu sehr in der Staubschicht einsinkt.

Ist sie dann aber ja nicht. Wir wissen heute, dass die Staubschicht auf dem Mond tatsächlich nur ein paar Zentimeter dick ist. Beziehungsweise ist sie durchaus deutlich dicker, so wie man es nach Milliarden von Jahren an mechanischer Einwirkung erwarten würde. Aber man sinkt eben nur ein paar Zentimeter ein. Und es wird langsam Zeit, diese Staubschicht bei ihrem korrekten Namen zu nennen: Regolith. Der Regolith auf dem Mond war aber auch nach der erfolgreichen Landung nicht unproblematisch. Man war natürlich zuerst einmal wissenschaftlich daran interessiert und tatsächlich bestand einer der ersten Aktionen, die Neil Armstrong nach seinem Ausstieg aus der Landefähre durchgeführt hat, darin, ein bisschen Mondstaub in einen Beutel zu füllen und in seiner Tasche zu verstauen. Selbst wenn man jetzt aus irgendwelchen Gründen sofort wieder starten würde müssen, hätte man zumindest irgendwas vom Mond mitgebracht. Am Ende hat man ja sehr viel mehr zur Erde transportiert; nicht nur Felsbrocken sondern auch Staub. Zum Teil hat man den Staub absichtlich gesammelt, zum Teil aber unabsichtlich mitgenommen. Wenn man sich die Bilder der Apollo-Astronauten ansieht, dann erkennt man deutlich, wie schmutzig ihre weißen Raumanzüge sind. Das liegt daran, dass der feine Regolith elektrostatisch geladen ist und deswegen extrem gut an der Kleidung haftet. Deswegen wissen wir auch, wie Mondstaub riecht: Als sich die Astronauten nach ihrem Einsatz umgezogen haben, konnten sie den Geruch an ihren Raumanzügen feststellen und waren einhellig der Meinung, es würde nach abgebrannten Schwarzpulver riechen, also ein wenig so wie nach einem Feuerwerk.

Staubiger Astronaut Gene Cernan (Bild: NASA, gemeinfrei)

Staub, der überall haften bleibt ist allerdings auch ein Problem; nicht nur wenn man hier auf der Erde eine saubere Wohnung haben will. Im Weltraum kann es wirklich schwierig werden, zum Beispiel weil helle Oberfläche durch den Staub dunkel werden, wodurch sie sich dann stärker aufheizen, als sie es tun sollten. Die Staubkörner werden auch nicht durch Wind und Wetter abgeschliffen und sind zum Teil recht kantig, und deswegen besonders gut darin, Oberflächen und andere Komponenten durch Abrieb zu schädigen. Ebenso wie die Lungen und den Rest des Körpers der Menschen, die diesen Staub einatmen. Das ist bei Mondstaub noch gefährlicher als bei irdischem Staub. Eben weil die Körnchen so kantig sind, haben sie eine größere Oberfläche als runde Staubkörner und können deswegen besser chemisch reagieren. Die gesundheitlichen Folgen sind also tendenziell größer als bei Staub von der Erde.

Neben diesen negativen Auswirkungen ist der Mondstaub aber auch etwas, mit dem wir uns auseinander setzen können beziehungsweise müssen, wenn wir in Zukunft vielleicht dauerhafte Siedlungen auf dem Mond errichten wollen. Dafür brauchen wir Baumaterial und es wäre besser, wir finden es vor Ort als das wir es von der Erde ins All fliegen müssen. Ein Vorschlag ist „Mondbeton“ oder „Lunarcrete“ bzw. „Mooncrete, so wie Beton auf der Erde, nur mit Regolith. Entsprechende Experimente wurden mit – sehr geringen Mengen – an echtem Mondstaub gemacht und waren recht erfolgreich. Dieses Material ist hitzbeständig und kann die Temperaturextreme auf dem Mond aushalten; es kann die radioaktive Strahlung aus dem Weltall abwehren – ist aber nicht luftdicht. Ob wir in Zukunft wirklich in Häusern aus Mondbeton wohnen, wird sich erst zeigen müssen. Aber wenn, dann wollen wir auf dem Mond vielleicht auch Pflanzen züchten. Das geht in irdischem Boden vergleichsweise einfach, weil die Mikroorganismen ihn ausreichend mit Nährstoffen angereichert haben. Beim Mondstaub muss man die extra hinzufügen, aber wenn man das macht, dann können dort tatsächlich Pflanzen wachsen, wie ein Experiment 2022 erstmals gezeigt hat.

Es gäbe noch viel mehr über den Boden des Mondes zu erzählen und noch viel mehr über den Boden des Mars. Dort waren zwar noch keine Menschen unterwegs, aber das kommt ja vielleicht noch. Auch dort ist alles voll mit Regolith, aus fast den selben Gründen wie beim Mond. Wir wissen, dass wir nicht darin versinken würden. Aber wenn wir irgendwann dauerhaft auf dem Mars leben wollen, dann müssen wir auch hier überlegen, wie wir aus dem Regolith einen echten Erdboden machen können, der Pflanzen ernähert und dort wachsen lässt.

Die Sterne sind wichtig. Aber der Boden eben auch. Im Sinne von Stephen Hawking beende ich diese Folge also mit: „Erinnert euch daran, nach oben zu den Sternen zu blicken – und auf den Boden über euren Füßen“.

3 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 565: Regolith – Der Boden über unseren Füßen“
  1. Falls sich jemand wundert:

    Auf dem Mond findet das nicht statt; alles, was aus dem All kommt, kommt auch bis zur Mondoberfläche durch und trifft dort mit Geschwindigkeiten bis zu 25 Meter pro Sekunde auf.

    .
    Hier sind natürlich Kilometer gemeint.

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