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Sternengeschichten Folge 558: Analoge Standorte: Mars und Mond auf der Erde

Raumfahrt ist ein großartiges Abenteuer. Egal ob es jetzt um Satelliten geht, die fremde Himmelskörper umkreisen und fantastische Bilder zur Erde schicken. Oder um Rover, die auf der Oberfläche von Mond und Mars herumfahren. Oder um Menschen, die diese fremden Welten tatsächlich betreten. Raumfahrt ist aber nicht nur ein Abenteuer sondern ein gefährliches Abenteuer und vor allem nicht Selbstzweck, sondern Wissenschaft. Wir wollen diese fremden Welten verstehen und wir wollen dabei nicht sterben und auch nicht unnötig viel Geld verschwenden. Auf der Erde kann man in vielen Fällen Dinge einfach ausprobieren und wenn es nicht klappt, dann zieht man hier eine Schraube nach, baut dort ein neues Teil an und versucht es noch einmal. Ok, so einfach ist es nicht immer, aber im Weltall ist es nie einfach. Es ist schon gefährlich und aufwendig, überhaupt einmal dorthin zu kommen. Und wenn man dort ist und etwas nicht funktioniert, dann hat man im besten Fall nur ein teures Gerät kaputt gemacht und im schlimmsten Fall sterben Menschen.

Aber wie soll man das Problem lösen? Der Weltraum ist gefährlich, gerade weil es der Weltraum ist und nicht die Erde. Die Bedingungen dort; die Bedingungen auf Mond oder Mars sind völlig anders als auf der Erde. Wie soll man etwas für einen Einsatz im Weltraum oder auf der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers testen, wenn man sich nicht dort befindet? Gar nicht, wäre die korrekte Antwort. Zumindest dann nicht, wenn man die Tests unter exakt den gleichen Bedingungen wie beim Einsatz durchführen will. Aber man kann zumindest probieren, näherungsweise hier auf der Erde nach Bedingungen zu suchen, die man auch außerhalb der Erde findet. Orte, an denen das möglich ist nennt man „Analoge Standorte“ und die wollen wir uns in dieser Folge ein wenig genauer ansehen.

Was genau ein „analoger Standort“ ist, hängt davon ab, was man genau untersuchen will. Ein Container der auf irgendeinem Parkplatz rumsteht, kann ein analoger Standort sein, wenn es darum geht herauszufinden, wie Menschen sich verhalten, wenn sie lange Zeit auf engstem Raum eingesperrt sind, so wie sie es wären, wenn sie sich in einem Raumschiff oder einer Raumstation befinden. Aber im allgemeinen sucht man schon nach etwas präziseren Übereinstimmungen.

Man kann die Realitätsnähe analoger Standorte grob nach folgenden Kategorien einteilen: Morphologie, Chemie, Biologie und Forschungsbedingungen. Der Container am Parkplatz wäre ein Beispiel für die letzte Kategorie; da geht es ja darum, die Bedingungen nachzustellen, die Menschen bei ihrer Arbeit auf einer Raumstation haben. Genauso dazu gehören Unterwassereinrichtungen wie zum Beispiel die der NASA Extreme Environment Mission Operations oder kurz NEEMO, wo sich Astronautinnen und Astronauten knapp 20 Meter unter dem Meeresspiegel in speziellen Stationen wochenlang von der Außenwelt abschirmen und für ihre Arbeit üben können. Wenn sie dann die Station verlassen und sich im Wasser aufhalten, haben sie zwar keine echte Schwerelosigkeit, aber zumindest ähnliche Bedingungen wie bei einem Einsatz im Weltall und ein Raumanzug, der schon im Wasser Probleme macht, wird vermutlich auch im All nicht sonderlich praktisch sein.

Weit weg und gefährlich (Bild: NASA)

Man kann aber auch nach anderen Ähnlichkeiten suchen, zum Beispiel nach geografischen Merkmalen auf der Erde, die denen auf anderen Himmelskörpern ähneln. Ein Rover, der sich über den Boden des Mars bewegen soll, sollte das zumindest in einer ähnlich beschaffenen Landschaft auf der Erde schaffen, sonst braucht er gar nicht erst losfliegen. Als die ersten Astronauten des Apollo-Programms zum Mond geflogen sind, hat man sie vorher an geologischen Expeditionen auf der Erde teilnehmen lassen, damit sie lernen, wie man zum Beispiel Gestein erkennt, das bei Asteroideneinschlägen entstanden ist. Das findet man auch auf der Erde und wenn sie es am Mond finden sollen, müssen sie besser vorher lernen, wie es aussieht. In der Umgebung vieler irdischer Vulkane findet man Terrain, dass dem auf dem Mond ähnlich ist; auf unseren Gletschern kann man zumindest ein Gefühl dafür kriegen, wie es in den Polarregionen des Mars sein muss, und so weiter. Neben diesen morphologischen Ähnlichkeiten, also den Ähnlichkeiten in der Form von geografischen Merkmalen, kann man auch auf die Chemie und die Biologie schauen.

Eine Rover, der auf dem Mars bestimmte Gesteinsarten finden und analysieren soll oder gar nach den Spuren von Mikroorganismen sucht, sollte all das auch auf der Erde finden können und idealerweise unter ähnlichen Bedingungen. Und bevor der Rover sich an die Arbeit machen kann, müssen wir überhaupt erst mal verstehen, ob und wie sich Chemie und Biologie auf anderen Himmelskörpern überhaupt verhalten könnten. Wenn wir wissen wollen, ob am Mars etwas lebt oder gelebt haben kann, müssen wir hier auf der Erde nach Orten suchen, wo es zumindest mal ebenso kalt und trocken ist und schauen, was dort leben kann und wie es das tut. Und so weiter. Es gibt jede Menge Fragestellungen, bei denen man schon hier auf der Erde anfangen kann, nach Antworten zu suchen, bevor man sich auf den Weg ins All macht. Und es gibt ebenso viele Orte, an denen man das tun kann. Die können wir uns nicht alle ansehen, aber zumindest ein paar davon schon.

Zum Beispiel den Rio Tinto im Südwesten von Spanien. Der Name bedeutet so viel wie „roter Fluss“ und genau das ist er auch: Ein Fluss, dessen Wasser deutlich rot gefärbt ist. Grund dafür sind vor allem Pyrit und Chalkopyrit, zwei Eisenverbindungen die verwittern. Das tun sie unter anderem deswegen, weil dort Mikroorganismen leben, die in der Lage sind, einen Teil dieser Verbindungen quasi zu „fressen“ und dabei andere Stoffe freisetzen, die dann in den Fluss gelangen. Wegen all dieser Stoffe ist das Wasser des Flusses auch extrem sauer, weswegen dort so gut wie nichts leben kann, nur eben ein paar sehr zähe, sehr extreme Mikroorganismen. Genau deswegen interessiert sich auch die Astrobiologie auch für den Rio Tinto, denn dort kann man lernen, wie es vielleicht auf dem Mars abgelaufen sein könnte. Eisenverbindungen gibt es dort heute noch jede Menge und Wasser gab es früher vielleicht mal sehr viel mehr als jetzt und wenn wir das Leben im Rio Tinto verstehen, kriegen wir einen Eindruck, wie es am Mars gewesen sein könnte.

Rio Tinto (Bild: Carol Stoker, NASA, gemeinfrei)

Ein anderer analoger Standort ist Beacon Valley in der Antarktis. Dieser Ort kommt den Bedingungen am Mars vielleicht näher als jeder andere Ort auf der Erde. Dass es in der Antarktis kalt ist, ist keine Überraschung und wenn es dort richtig kalt ist, ist es fast so kalt wie auf dem Mars. Der Mars ist aber nicht nur kalt, sondern auch extrem trocken. Trockenheit erwartet man sich in der Antarktis nicht; immerhin ist da ja alles voll mit gefrorenem Wasser. Aber einerseits ist das Wasser dort eben gefroren und damit trocken und nicht flüssig. Und andererseits gibt es in der Antarktis auch die antarktischen Trockentäler, zu denen auch Beacon Valley gehört. Die Täler sind Teil des transantarktischen Gebirges, das sich einmal quer durch den südlichsten Kontinent zieht. Die Berge dort können bis zu 4500 Meter hoch werden und sie schirmen die Trockentäler vom Eis ab. Die Gletscher aus dem Inneren des Kontinents kommen da nicht drüber und auf der Küstenseite des Gebirges bleiben die Täler eisfrei. Auch der Wind, der vom eisigen Inneren über die Berggipfel zu den Tälern wehen muss, verliert dabei seine Feuchtigkeit. Der Schnee fällt auf das transantarktische Gebirge und übrig bleibt nur ein sehr trockender Fallwind, der von den Bergen in die Täler zum Meer saust und dabei noch die letzten Reste an Feuchtigkeit mitnimmt.

Wir haben dort also extrem kalte und trockene Bedingungen, so wie überall auf dem Mars. Auf der Erde sind die antarktischen Trockentäler aber einzigartig und deswegen auch ein einzigartiger analoger Standort wenn man den Mars erforschen will. Dass es auf der Oberfläche des Mars kein Leben zu geben scheint, wissen wir mittlerweile. Und auch in den Trockentäler der Antarktis gibt es an der Oberfläche quasi kein Leben. Aber dort gibt es unterirdische Seen und in einigen hat man schon Mikroorganismen gefunden. Noch haben wir solche Lebensräume auf dem Mars nicht gefunden, aber wenn wir sie einmal finden sollten, dann sicherlich nur, weil wir zuvor auf der Erde entsprechend geübt haben.

Beacon Valley in der Antarktis (Bild: NASA, gemeinfrei)

Wenn man auf der Suche nach einer extrem trockenen Gegend mit sehr dünner Luft ist – der Mars hat ja auch so gut wie keine Atmosphäre – dann wird man in der Atacama-Wüste fündig. Auch hier ist es kalt, im Vergleich zu vielen anderen Wüsten, immerhin liegt die Gegend 3000 Meter über dem Meeresspiegel. Durch die Höhe kriegt man auch sehr viel UV-Strahlung ab, wie man es in der dünnen Atmosphäre des Mars tun würde und Salzbecken mit Perchloraten. Das sind Verbindungen aus Chlor und Sauerstoff, die man auch im Marsstaub nachgewiesen hat. Und die auf der Erde von Mikroorganismen abgebaut werden können. Es ist also kein Wunder, dass auch in der Atacama-Wüste jede Menge weltraumrelevante Forschung durchgeführt worden ist.

Es gibt noch viel mehr Orte auf der Erde, wo man zumindest ein Gefühl dafür kriegen kann, wie es draußen im Weltall und auf der Oberfläche anderer Himmelskörper sein könnte. Das ist für die Wissenschaft sehr praktisch – aber uns Menschen reicht das Gefühl alleine nicht. Wir wollen wirklich dort draußen sein. Und wenn wir auf der Erde ausreichend viel geübt und gelernt haben, werden wir das irgendwann auch schaffen.

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 558: Analoge Standorte: Mars und Mond auf der Erde“

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