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Sternengeschichten 550: Kugelblitz – Ein schwarzes Loch aus Licht

Wenn ich in dieser Folge der Sternengeschichten über „Kugelblitze“ rede, dann meine ich nicht das, was man vielleicht normalerweise darunter versteht (sofern man darunter überhaupt etwas versteht). Ich meine also nicht die kugelförmigen Leuchterscheinungen, die Menschen immer wieder in der Nähe von Gewittern sehen und bei denen man noch nicht letztgültig weiß, um was es sich handelt beziehungsweise ob sie überhaupt existieren oder nur eine Sinnestäuschung sind.

Die Kugelblitze von denen ich heute erzählen möchte, sind etwas völlig anderes. Es geht um Quantenmechanik und um Relativitätstheorie und das erste Mal, dass der Begriff „Kugelblitz“ in diesem Zusammenhang aufgetaucht ist, war vermutlich in einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 1954. Autor war der amerikanische Physiker John Wheeler, einer der Pioniere bei der Erforschung schwarzer Löcher. Und damit stecken wir auch schon mitten im Thema. Oder vielleicht sollte man besser sagen: Die schwarzen Löcher stecken mitten in den Kugeblitzen. Aber bevor es zu verwirrend wird, fangen wir mit etwas anderem an. Und zwar mit einem „Geon“. Das war auch der Titel der Arbeit von John Wheeler aus dem Jahr 1954: „Geon“.

Dieses Wort ist eine Abkürzung für „gravitational-electromagnetic entity“. Also frei übersetzt, ein gravitativ-elektromagnetisches Dingens. Was Wheeler mit „Geon“ genau meint, ist ohne den Einsatz von sehr viel theoretischer Physik und Mathematik schwer zu beschreiben. Aber vereinfacht gesagt geht es um folgendes. Wenn man eine elektromagnetische Welle hat, dann steckt darin ja eine gewisse Menge an Energie. Und, das wissen wir dank Albert Einstein, Energie und Masse sind äquivalent, dass heißt, beides sind nur zwei unterschiedliche Ausprägungen des selben Phänomens und man kann das eine in das andere umwandeln. Insbesondere wissen wir aber auch, dass Masse die Raumzeit krümmt. Das war ja die große und geniale Erkenntnis die zu Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie geführt hat. Wenn Objekte bei ihrem Weg durch die Raumzeit ihrer Krümmung folgen, dann sieht das für uns so aus, als würde eine Kraft auf sie wirken und zwar genau die Kraft, die wir als Gravitation beschreiben. Oder kurz gesagt: Masse krümmt den Raum und deswegen hat jede Masse eine gewissen gravitative Anziehungskraft. Aber wenn Energie und Masse quasi das selbe sind, dann sollte Energie doch genau so die Raumzeit krümmen wie das eine Masse tut?

Richtig, sagt Wheeler. Und wenn genug Energie in so einer elektromagnetischen Welle steckt, dann krümmt sie dadurch die Raumzeit vielleicht so, dass sie dadurch zusammengehalten wird. Es ist schwer, das genau zu beschreiben, aber die Energie die im elektromagnetischen Feld steckt, kann vielleicht so stark sein, dass die elektromagnetische Energie quasi in einem Stück Raum gefangen ist, weil sie durch die von ihr selbst erzeugte Gravitationskraft fest- oder zusammengehalten wird.

Wenn das passiert, dann hat man genau so ein „gravitativ-elektromagnetisches Dingens“, das Wheeler als „Geon“ bezeichnet hat. In der Einleitung seiner Arbeit schreibt er auch, dass er sich das Wort ausgedacht hat, um den Begriff „Kugelblitz“ zu ersetzen, der früher verwendet worden ist. Das mit dem Ersetzen hat nicht geklappt, aber heute wird „Kugelblitz“ meistens für einen Spezifalfall eines Geons verwendet. Denn wir wissen ja, was passiert, wenn man ausreichend viel Masse auf ausreichend kleinem Raum packt: Dann wird die Anziehungskraft in der Umgebung der Masse so groß und die Raumzeit so stark gekrümmt, dass ein schwarzes Loch mit einem Ereignishorizont entsteht. Nähert man sich dieser Masse dann über den Ereignishorizont hinaus, bleibt man für immer dahinter gefangen.

Wir können uns jetzt die gleiche Frage stellen wie vorhin: Wenn Masse und Energie das selbe sind, kann man dann nicht einfach auch sehr viel Energie in einem gewissen Raumbereich konzentrieren, um ein schwarzes Loch zu erzeugen? Genau das ist ein Kugelblitz! Wenn Strahlung – also Licht, Wärme oder was auch immer sonst – ausreichend stark konzentriert wird, dann krümmt die in dieser Strahlung enthaltene Energie die Raumzeit so stark, dass man ein schwarzes Loch bekommt. Die Strahlung ist dann in dem von ihr selbst geschaffenen Loch gefangen. Von außen betrachtet merkt man dann auch keinen Unterschied mehr; es spielt keine Rolle, ob das schwarze Loch aus einer Konzentration von Masse oder von Energie entstanden ist. Von außen ist alles hinter dem Ereignishorizont sowieso nicht zugänglich. Ein schwarzes Loch ist eine extreme Krümmung der Raumzeit und es ist egal, was der Ursprung dieser Krümmung ist.

Schwarze Löcher können auch aus Licht bestehen

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum uns dann so etwas wie ein Kugelblitz überhaupt interessiert. Wir können schwarze Löcher ja sowieso nur von außen untersuchen. Und wenn wir nicht erkennen können, ob es aus konzentrierter Strahlung oder konzentrierter Masse entstanden ist, dann kann es uns ja auch eigentlich wurscht sein. Das ist im Prinzip richtig – aber auch nicht ganz. Wheeler war unter anderem an dem Konzept interessiert, weil man damit zum Beispiel Elementarteilchen konstruieren könnte. Schwarze Löcher müssen ja keine gigantischen Massenmonster sein, wie die, die wir in den Zentren von Galaxien finden und die Millionen oder Milliarden mal schwerer sind als die Sonne. Es kommt nicht auf den absoluten Wert der Masse an (oder der Energie) sondern auf die Konzentration. Wenn man wenig Masse auf sehr, sehr, sehr kleinem Raum konzentriert, kriegt man genau so ein schwarzes Loch. Ich habe in Folge 471 ja schon von den winzigen primordialen schwarzen Löchern erzählt; schwarze Löcher, die kleiner als Atome sind. Sofern es sie gibt, denn das wissen wir noch nicht. Aber wenn es solche oder andere winzige schwarze Löcher gibt, dann schauen die für uns auf den ersten Blick wie Teilchen aus: Winzige Konzentrationen von Masse und Wheeler hat spekuliert, ob man nicht vielleicht die bekannten Elementarteilchen auf diese Weise erklären kann. Oder sogar Rückschlüsse auf noch unbekannte Teilchen ziehen kann.

Ganz so einfach ist die Sache dann aber auch wieder nicht. Seit der Arbeit von Stephen Hawking wissen wir ja, dass schwarze Löcher nicht stabil sind. Sie erzeugen Hawking-Strahlung und wie das geht, habe ich in Folge 238 ausführlich erklärt. Auf jeden Fall verlieren sie dadurch im Laufe der Zeit Energie und Masse und haben sich irgendwann komplett aufgelöst. Die schwarzen Löcher, die wir kennen, also die, die aus sterbenden Sternen entstehen oder die, die sich in den Zentren von Galaxien befinden, brauchen dafür unvorstellbar lange. Aber kleine schwarze Löcher lösen sich sehr, sehr viel schneller auf.

Ein kleines schwarzes Loch; ein kleiner Kugelblitz ist also ein Objekt, das sehr viel Energie abgibt, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum, je nach seiner Masse. Womit wir bei einem weiteren Punkt sind, in dem die Kugelblitze die Fantasie der Forschung angeregt haben. Und nicht nur die der Forschung. Vielleicht erinnert sich jemand an die Folge von „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ mit dem Titel „Gefangen in einem temporären Fragment“; die im Original nicht ganz so holprig „Timescape“ heißt. Dabei treffen Captain Picard und seine Crew auf die Enterprise, die im Kampf mit einem romulanischen Schiff in der Zeit eingefroren zu sein scheint. Bei der Untersuchung des Vorfalls entdecken sie auch die Energiequelle des Romulaner-Raumschiffs: eine „künstliche Quantensingularität“. Das klingt ein wenig technischer und realistischer als „winziges, selbst erzeugtes schwarzes Loch“ oder „Mini-Kugelblitz“, aber im Prinzip handelt es sich genau darum. Und auch die echte Forschung hat sich – zumindest theoretisch – überlegt, ob man einen Kugelblitz nicht als Antrieb für Raumschiffe verwenden kann.

Dazu muss man so einen Kugelblitz natürlich erst mal herstellen. Oder nachweisen, dass es die Dinger überhaupt geben kann. Das wissen wir nämlich nicht. Man kann natürlich ausrechnen, wie viel Energie man braucht. Wenig überraschend: Sehr viel. Wenn man die dann entsprechend konzentriert, erzeugt man einen winzigen Bereich im Raum, in dem die Temperatur so absurd hoch ist, dass wir gar nicht wissen, ob es so eine hohe Tempertur überhaupt geben kann. Sie ist auf jeden Fall höher als die Temperaturen, die mit den derzeitigen wissenschaftlichen Theorien sinnvoll beschrieben werden können. Wir bräuchten eine Quantentheorie der Gravitation um korrekt zu beschreiben, was bei so absurd hohen Temperaturen wirklich passiert. Aber so eine Theorie haben wir nicht; wir können Gravitation nicht auf Elementarteilchenebene beschreiben und umgekehrt.

Aber tun wir mal so, als könnte es solche Mini-Kugeblitze wirklich geben. Wie mini müssten sie sein, damit man sie für ein Raumschiff nutzen kann? Nicht zu klein, denn dann hätten sie sich durch die Hawking-Strahlung zu schnell aufgelöst. Und nicht zu groß, denn dann kann man im Raumschiff nichts damit anfangen und zu wenig Strahlung geben sie auch ab. Ein passender Kugelblitz wäre auf jeden Fall sehr viel kleiner als ein Proton, als einer der Atomkernbausteine. Hätte aber immer noch eine Masse von mehr als einer halben Million Tonnen und würde etwa 5 Jahre lang brauchen, bis es sich aufgelöst hat. So ein Kugelblitz würde eine Energie von 129 Petawatt abstrahlen, mehr als das 7000fache des jährlichen Energieverbrauchs der ganzen Menschheit. So ein Ding kann man jetzt natürlich nicht einfach irgendwo in ein Batteriefach stecken. Man muss die Strahlung die aus dem Kugelblitz kommt, irgendwie auffangen und nutzen. Die Strahlung ist hochenergetische Gammastrahlung und würde eine massive Platte aus Titan schmelzen, selbst wenn die noch gut 30 Kilometer entfernt ist. Um ein Raumschiff mit einem Kugelblitz betreiben zu können, müsste man also eine ausreichend dicke und große Absorperplatte in ausreichend großem Abstand platzieren, so dass sie von der Strahlung nicht zerstört, sondern quasi angeschoben wird. Oder man kann die Energie irgendwie anders auffangen und nutzen. Wenn man die Energie aus so einem Mini-Kugelblitz zu 100 Prozent nutzen könnte, könnte man selbst ein sehr großes Raumschiff in den 5 Jahren die der Kugelblitz existiert auf die Hälfte oder drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, je nachdem wie groß das Schiff tatsächlich ist.

In Zukunft sehen Raumschiffe vielleicht ganz anders aus

So oder so ist das aber alles mehr Science Fiction als Wissenschaft. Zumindest was die Raumschiffe angeht. Kugelblitze und Geonen sind Teil der theoretischen Physik und werden dort untersucht. Vielleicht finden wir irgendwann einmal raus, ob solche seltsamen Objekte im realen Universum tatsächlich existieren. Ob wir damit aber auch Raumschiffe antreiben werden oder nicht, bleibt wahrscheinlich noch etwas länger der eigenen Fantasie überlassen.

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten 550: Kugelblitz – Ein schwarzes Loch aus Licht“
  1. Hmm. Das sind dann also um die 10^18 kWh, mithin eine ZWh (Peta Exa Zetta …), die man zur Herstellung dieses Mini-Lochs auf dem Volumen eines Protons konzentrieren müsste. Oder meinetwegen auf dem Volumen eines Atoms, keine Ahnung wie groß der Bereich sein kann, damit die erzeugte Raumkrümmung groß genug ist.
    Ich wage mal zu bezweifeln, dass das geht. So prinzipiell. Es dürfte „einfacher“ sein, zwei riesige Linearbeschleuniger zu bauen und fast-lichtschnelle Alphateilchen aufeinander krachen zu lassen.

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