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Sternengeschichten Folge 537: Die Helios-Raumsonden
1957 flog mit Sputnik der erste künstliche Satellit ins Weltall. Und auch wenn es vermutlich alle wissen sage ich trotzdem noch einmal dazu, dass ein Satellit ein Objekt ist, das die Erde umkreist. Was insofern wichtig ist, weil wir uns in dieser Folge mit Raumsonden beschäftigen wollen. Und ein Satellit ist keine Raumsonde. Eine Raumsonde ist ein Raumfahrzeug, dass das Schwerefeld der Erde verlassen hat. Dazu muss es in Bezug auf die Erde schneller als 11,2 Kilometer pro Sekunde unterwegs sein. Das ist die sogenannte Fluchtgeschwindigkeit, alles was langsamer ist umkreist – wie eben ein Satellit – die Erde, aber kommt nicht weiter weg. Die erste erfolgreiche Raumsonde der Welt war Luna 1, mit der die Sowjetunion den Mond erreichen wollte, aber leider nicht ganz erreicht hat. Aber Luna 1 ist trotzdem am 4. Januar 1959 am Mond vorbeigeflogen und war damit definitiv die erste Raumsonde. Und ebenso definitiv nicht die letzte. Kurz nach Luna 1, im März 1959 waren die USA das erste Mal mit Pioneer 4 erfolgreich und dann folgten jede Menge andere Raumsonden die mal von der Sowjetunion und mal von Amerika gestartet wurden. Vor allem damals zum Mond, aber in den 1960er Jahren auch schon zur Venus und zum Mars. Zu Beginn der 1970er Jahren machte man sich dann auch auf den Weg zu Jupiter und Saturn – aber Raumfahrt und der erfolgreiche Start von Raumsonden war bis dahin eine Sache der beiden Weltmächte USA und UdSSR. Erst 1974 kam ein drittes Land ins Spiel: Die Bundesrepublik Deutschland mit den Helios-Sonden.
Schon 1966 haben der damalige westdeutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard und der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson vereinbart, dass man gemeinsam eine Mission zur Erforschung des Weltraums starten würde. Auf Seiten der USA sollte natürlich die NASA die entsprechende Planung durchführen; in Deutschland war die erst 1969 gegründete Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) verantwortlich, die Organisation aus der das heutige Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hervorgegangen ist. Und im Juni 1969 wurde die Zusammenarbeit auch offiziell beschlossen. Zwei Raumsonden sollten gebaut werden, deren Ziel kein Planet war, sondern der damals noch recht unerforschte Weltraum zwischen Sonne und Erde. Man wollte näher an die Sonne fliegen als je zuvor und schauen, was in der Nähe unseres Sterns so alles passiert.
Deutschland sollte 70% der Mission übernehmen, unter anderem den kompletten Bau der Raumsonden. Die Raketen würden von der USA kommen, ebenso wie ein Teil der Infrastruktur zur Kommunikation mit den Raumfahrzeugen. Der Name für die Mission wurde passend vom griechischen Sonnengott ausgeliehen: Helios.
Auf den ersten Blick waren die beiden Helios-Sonden fast identisch. Helios-A hatte ein Gewicht von 370 Kilogramm, Helios-B war mit 376,5 Kilogramm nur wenig schwerer. Aussehen tun beide wie überdimensionale Garnrollen. Zieht man die Antennen ab, dann waren beide Sonden knapp über 2 Meter hoch und an der dicksten Stelle 2,77 Meter breit. Da das Ziel die Erforschung der Sonne war, musste man natürlich darauf achten, dass die Sonden nicht zu heiß werden. Dazu hat man sie mit spiegelnden Reflektoren bestückt und auch noch Radiatoren eingebaut, die die aufgenommene Wärme möglichst schnell wieder abgeben können. Außerdem sollten die Sonden sich später im All sehr schnell um ihre eigene Achse drehen, mit einer Umdrehung pro Sekunde, damit die Wärme möglichst gleichmäßig aufgenommen und abgegeben werden kann.
Aber lassen wir mal die reine Raumfahrttechnik beiseite und schauen auf die Wissenschaft. Denn die beiden Sonden hatten natürlich auch jede Menge wissenschaftliche Instrumente an Bord. Zum Beispiel einen Detektor um Elektronen, Protonen und andere Teilchen zu messen. Damit wollte man mehr über den Sonnenwind rausfinden. Die Sonne gibt ja nicht nur Licht ab, sondern schleudert auch jede Menge Teilchen aus ihren äußeren Gasschichten ins All. Das ist der Sonnenwind und die Helios-Sonden sollten messen, wie viel davon wo zu finden ist. Enstprechende Messungen wurden minütlich gemacht, um ein möglichst detailiertes Bild zu bekommen. Ein Magnetometer war mit dabei, dass die Stärke und Richtung des Sonnenmagnetfeldes gemessen hat; man hatte ein Instrument dabei um die kosmische Strahlung zu detektieren. Die Erforschung von Sonnenwind und des Magnetfeldes im sonnennahen Weltraum waren zwei wichtige Forschungsfelder der Helios-Mission, aber nicht die einzigen. Man war auch am Staub interessiert, der da zwischen Sonne und Erde rumflog. Deswegen war zum Beispiel das „Zodiacal light instrument“ an Bord, also ein Instrument das die Helligkeit des Zodiakallichts messen konnte (davon habe ich in Folge 97 mehr erzählt). Der interplanetare Staub reflektiert ja einen Teil des Sonnenlichts und wenn man diese Helligkeit kennt, kann man berechnen, wo und wieviel Staub im Weltraum zu finden ist. Außerdem gab es auch noch ein Gerät an Bord, das direkt vor Ort Mikrometeoriten untersuchen kann. Wenn die winzigen Staubkörner im Weltall auf die Sonde treffen – bzw. auf den Teil der Sonde, wo das entsprechende Instrument sitzt, dann konnte man damit die Masse der Körner bestimmen. Insgesamt waren auf jeder Helios-Sonde zehn wissenschaftliche Instrumente (sieben aus Deutschland und drei aus den USA) und dann gab es noch zwei Experimente, bei denen die Sonden selbst als Instrument verwendet worden sind. Aus der genauen Analyse der Bewegung der Sonden wollte man zum Beispiel die genaue Masse des Merkur bestimmen. Und dann wollte man noch ein bisschen was über die Sonnencorona herausfinden, also die äußerste, extrem dünne und extrem heiße Schicht der Sonnenatmosphäre. Wenn die Helios-Sonden da durch fliegen und ihre üblichen Radiosignale zur Erde schicken, dann sorgt das Material der Sonnencorona für Veränderungen im Signal, die man entsprechend analysieren kann.
Soweit die Wissenschaft, aber bevor man irgendwas messen kann, müssen die Sonden ins Weltall. Helios-A startete am 10. Dezember 1974 von Cape Canaveral aus und alles lief super, zumindest größtenteils. Und nach dem Start hat man die Sonden übrigens von A und B auf 1 und 2 umbenannt. Es war also jetzt Helios 1, die auf eine Umlaufbahn um die Sonne geflogen wurde, wo sie für eine Runde 192 Tage brauchte. Dabei kam sie unserem Stern auf 46,5 Millionen Kilometer nahe. Das ist ungefähr der Abstand, den auch der sonnennächste Planet Merkur zur Sonne hat. Man hatte zwar ein paar Probleme mit der Kommunikation, weil eine der beiden Antennen von Helios 1 sich nicht korrekt ausrichten ließ. Aber das bekam man halbwegs in den Griff. Im Februar 1975 kam Helios 1 der Sonne näher als jedes andere Raumfahrzeug zu dieser Zeit, der Abstand betrug nur noch 46,2 Millionen Kilometer. Und man stellte fest: Es wird zwar heiß, aber die Raumsonde wird nicht so enorm heiß, wie man eigentlich gedacht hatte. Das waren gute Nachrichten, besonders für Helios 2. Schlauerweise hat man beide Sonden nicht gleichzeitig gestartet sondern erst einmal abgewartet, was Helios 1 so treibt, bevor man Helios 2 ins All fliegt. Denn jetzt konnte man mit den Erkenntnissen aus der ersten Mission die zweite Sonde ein wenig verbessern. Zum Beispiel hat man noch ein wenig an der Antenne nachgebessert und die Genauigkeit von ein paar Instrumenten erhöht. Und weil Helios 1 kühler geblieben ist als gedacht, hat man sich dafür entschieden, Helios 2 noch ein Stück näher an die Sonne zu fliegen. Start für Nummer 2 war am 10. Januar 1976 und auf ihrer Umlaufbahn kam die Sonde bis auf 43,5 Millionen Kilometer an die Sonne heran.
Ursprünglich waren beide Sonden für eine Missionsdauer von 18 Monaten gebaut. Aber sie haben deutlich länger funktioniert. Erst im März 1980, also vier Jahren nach dem Start ist die Kommunikation mit Helios 2 abgebrochen; Helios 1 hat sogar bis 1986 durchgehalten. Und in dieser Zeit haben die Sonden jede Menge herausgefunden. Zum Beispiel, dass da deutlich mehr interplanetarer Staub herumfliegt, als man bisher gedacht hatte. Man konnte zum ersten Mal Helium-Atome im Sonnenwind nachweisen. Man bekam ein deutlich besseres Verständnis für die Sonnenaktivität. Die Sonne schleudert ja nicht immer gleich viel Material ins All; der Sonnenwind ist nicht immer gleich stark. Die Aktivität ändert sich mit einer Periode von circa 11 Jahren und die Helios-Mission überdeckte fast den kompletten Aktivitätszyklus, ausgehend vom Minimum im Jahr 1976. Zwischendurch war auch noch Zeit, ein paar Kometen zu beobachten die 1975, 1976, 1978 und 1979 nahe an der Sonne vorbeigeflogen sind, wobei man zum Beispiel untersuchen konnte, welche Auswirkungen der Sonnenwind auf die Kometenschweife hat.
Die erste Raumsondenmission an der nicht ausschließlich die USA oder die UdSSR beteiligt war, war also durchaus erfolgreich. Die Helios-Sonden haben Rekorde gesetzte, die lange Zeit nicht gebrochen wurden. Helios 2 hatte den Rekord für die größte Annäherung an die Sonne bis zum Jahr 2018, da ist dann die Parker Solar Probe der NASA bis auf 43,4 Millionen Kilometer an die Sonne geflogen. Beide Helios-Sonden waren bis 2018 auch die schnellsten Raumsonden, die je durchs All geflogen sind. Im Vergleich zur Sonne waren sie mit 70 Kilometer pro Sekunde unterwegs und auch hier war es die Parker Solar Probe, die diesen Rekord mit 163 Kilometer pro Sekunde gebrochen hat. Es ist übrigens kein Zufall, dass alte und neuer Rekordhalter Sonnenforschungssonden sind. Man muss schnell sein, wenn man sich der Sonne nähert; je näher man ihr kommt, desto stärker ist die Anziehungskraft und desto schneller muss man sein, wenn man sich auf einer Umlaufbahn halten will.
Die Helios-Sonden waren nicht so spektakulär wie die Apollo-Flüge zum Mond, die davor stattgefunden haben und angesichts der spektakulären Missionen der Gegenwart mit all ihrem Medienrummel fällt es leicht, die Raumfahrt der 1970er Jahre aus den Augen zu verlieren. An die Helios-Mission kann man sich aber durchaus erinnern. Es war eine wichtige Mission – und auch wenn wir sie nicht mehr erreichen können, fliegen beide Raumsonden auch heute noch um die Sonne herum.