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Sternengeschichten Folge 536: Der Komet Shoemaker-Levy 9

Am 23. März 1993 beobachtete das Ehepaar Carolyn und Eugene Shoemaker gemeinsam mit ihrem Kollegen David Levy von der Mount Palomar Sternwarte aus den Himmel. Sie arbeiteten am damals kleinsten der vier dortigen Teleskope, einem kleinen Spiegelteleskop, das aber ein sehr großes Gesichtsfeld hat, was ideal ist, wenn man einen großen Bereich des Himmels auf einmal sehen möchte.

Das Wetter in dieser Nacht war nicht optimal für Beobachtungen; es war stürmisch und Wolken zogen auf. Aber ein Teil des Himmels war noch wolkenfrei; der, wo sich auch Jupiter damals gerade befand. Die drei machten ein paar Aufnahmen; damals noch digital auf Film, bevor auch hier die Wolken eine weitere Beobachtung unmöglich machten.

Die Shoemakers und Levy waren auf der Suche nach Asteroiden und Kometen. Wenn man die finden will, muss man die selbe Region des Himmels zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten beobachten und die Bilder dann vergleichen. Ein Komet oder Asteroid bewegt sich im Vergleich zu den fernen Sternen auch in ein paar Stunden schon meßbar und wenn man einen Lichtpunkt findet, der seine Position von einem Bild zum nächsten verändert hat, hat man eine gute Chance, dass es sich um einen Asteroid oder Kometen handelt.

Carolyn Shoemaker kam aber erst zwei Tage später dazu, die Bilder zu sichten. Dann wurde sie aber fündig. Mit dem Satz „Ich weiß nicht, was es ist, aber es sieht aus wie ein zerquetschter Komet.“ hat sie ihre Entdeckung verkündet. Kometen sind ja eigentlich recht kleine Objekte. Sie bestehen aus einer Mischung von Eis und Gestein und sind höchstens ein paar Kilometer groß und normalerweise würde man so winzige Dinger so gut wie gar nicht entdecken können. Aber wenn ein Komet der Sonne nahe genug kommt, dann erwärmt er sich, ein Teil des Eises wird gasförmig, dehnt sich aus und entweicht ins All. Dabei wird auch Gesteinsstaub mitgerissen, der eine Hülle um das Objekt herum bildet. Diese Hülle, die „Koma“, kann sehr, sehr groß werden, viele tausend Kilometer groß. Und weil der Staub das Sonnenlicht reflektiert, ist ein Komet – oder besser gesagt die Koma des Kometen – sehr gut zu sehen. Außerdem wird ein Teil des Staubs durch den Sonnenwind davon gerissen und bildet den noch längeren Kometenschweif. In diesem Fall sah Carolyn Shoemaker aber nicht eine Koma und einen Schweif, sondern eine komische Mischung aus einander überlappenden Komas und Schweifen.

Der neu entdeckte Komet war definitiv einen zweiten Blick wert. Zuerst aber wurde der Fund offiziell bekannt gegeben und der Himmelskörper bekam seinen offiziellen Namen. Wie bei Kometen üblich, wird der Name aus den Nachnamen der Personen gebildet, die ihn entdeckt haben. In diesem Fall Shoemaker-Levy 9 – weil die Shoemakers und David Levy sehr gut darin waren, Kometen zu entdecken und gemeinsam zuvor schon acht andere gefunden hatten. Aber keiner war so außergewöhnlich wie Nummer 9.

Zuerst einmal stellte man fest, dass Shoemaker-Levy 9 die Sonne gar nicht direkt umrundet. Der Komet befindet sich in einer Umlaufbahn um den Planeten Jupiter, wie ein kleiner Mond. Berechnungen seiner Bahn haben außerdem gezeigt, dass der Komet im Jahr zuvor, am 7. Juli 1992 in nur knapp 40.000 Kilometer Abstand an Jupiters Wolkendecke vorbei geflogen ist. Dabei müssen enorme Gezeitenkräfte auf den Kometen gewirkt haben, die den Kern in mehrere Stücke auseinander gerissen haben. So ist der „zerquetschte Komet“ entstanden, den Carolyn Shoemaker auf ihrer Fotografie beobachtet hatte.

Shoemaker-Levy 9 im Anflug auf Jupiter (Bild: NASA, ESA, H. Weaver and E. Smith (STScI) and J. Trauger and R. Evans (NASA’s Jet Propulsion Laboratory)

Ein Komet, der Jupiter umkreist und das durch die Gezeitenkraft des Riesenplaneten nicht mehr am Stück sondern als Trümmerhaufen: Das alleine wäre schon außergewöhnlich. Aber das war noch nicht alles! Zwei Monate nach der Entdeckung, am 22. Mai 1993, schickte Brian Marsden vom Minor Planet Center der Internationalen Astronomischen Union eine seiner üblichen Kurzmitteilungen in die Welt hinaus. Das Minor Planet Center ist die offizielle Anlaufstelle für alles was mit Kometen und Asteroiden zu tun hat. Dort werden alle Beobachtungsdaten gesammelt; dort werden Entdeckungen bestätigt, von dort aus wird mitgeteilt, welche Objekte noch ein paar mehr Beobachtungsdaten vertragen könnten, um ihre Bahn genauer zu bestimmen, und so weiter. In diesem Fall begann die Mitteilung mit der Feststellung, dass man in den letzten 2 Monaten schon knapp 200 Beobachtungen von Shoemaker-Levy-9 gesammelt hatte. Dann wurde noch einmal bestätigt, dass der Komet im Juli 1992 extrem knapp an Jupiter vorbei geflogen ist. Und dass es eine weitere sehr nahe Begegnung im Juli 1994 geben wird. Der Abstand zum Mittelpunkt von Jupiter wird dabei knapp 45.000 Kilometer betragen. Der Planet hat allerdings einen Radius von knapp 70.000 Kilometer. Oder anderes gesagt: Der Komet Shoemaker-Levy-9 wird mit Jupiter kollidieren.

Und DAS war eine wirkliche Sensation. Wir wissen natürlich, dass immer wieder Asteroiden und Kometen mit anderen Himmelskörpern kollidieren. Das wusste man auch schon 1993. Aber einerseits war dieses Wissen noch vergleichsweise neu. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts und unter anderem maßgeblich durch die Arbeit von Eugene Shoemaker setzte sich damals die Erkenntnis durch, dass große Einschläge nichts sind, was nur in der fernen Vergangenheit des Sonnensystems passiert ist, sondern heute immer noch stattfinden kann. Und zweitens konnte man bis damals noch nie live zusehen, wie zwei Himmelskörper kollidieren.

Und was genau passiert wenn ein Komet in die gewaltigen Gasmassen eines Riesenplaneten wie Jupiter eindringt, wusste damals auch niemand genau. Es könnte sein, dass das Ding einfach durch die atmosphärischen Schichten des Jupiters rauscht und quasi spurlos verschluckt wird. Oder aber es wird, zumindest kurzfristig, ein Loch in die Atmosphäre des Planeten gerissen und wenn der Komet dann unter dem Druck der tiefer liegenden Gasschichten zerissen wird und explodiert, wird jede Menge Gas hinaus ins All geschleudert.
Das Problem: Anfangs sah es so aus, als würden wir nichts davon mitbekommen, egal was passiert. Denn die Berechnungen zeigten, dass der Einschlag am 16. Juli 1994 mitten auf der erdabgewandten Seite des Jupiters passieren sollte. Und man konnte in der kurzen Zeit nicht mal eben ein Teleskop hinter den Jupiter fliegen. Immerhin: Die Raumsonde Galileo war damals gerade schon auf dem Weg zum Jupiter und hatte von ihrer damaligen Position im Asteroidengürtel freie Sicht auf das Spektakel.

Zuerst passierte aber noch etwas anderes: Der zerquetschte Komet verwandelte sich in eine Perlenkette. Die Brocken im zertrümmerten Kern des Kometen bewegten sich zwar alle in die selbe Richtung. Aber bei der Annäherung an Jupiter wirkten wieder die Gezeitenkräfte. Die Trümmer, die ein bisschen näher an Jupiter waren, spürten eine stärkere Anziehungskraft als die, die weiter weg waren. Der Trümmerkern zog sich immer weiter auseinander, bis die Stücke wie an einer Kette aufgereiht durchs All Richtung Jupiter flogen. Es würde also nicht nur eine Kollision geben, sonderen mehrere, über mehrere Tage hinweg. Und dann zeigten neue Berechnungen, dass die ersten Treffer zwar immer noch auf der erdabgewandten Seite stattfinden würden. Aber immerhin an einer Stelle, die durch die Rotation des Jupiter schnell in unser Sichtfeld gedreht werden würde. Den Impakt selbst würde man also nicht direkt sehen können, aber wir würden sehr schnell sehen, welche Spuren der Komet hinterlassen hat.

Einschlagsspuren auf Jupiter (Bild: R. Evans, J. Trauger, H. Hammel and the HST Comet Science Team and NASA)

Das erste Fragment von Shoemaker-Levy 9 traf am Abend des 16. Juli 1994 mit einer Geschwindigkeit von 60 Kilometer pro Sekunde auf den Jupiter. Die Raumsonde Galileo konnte einen Feuerball beobachten, der eine Temperatur von fast 24.000 Grad Celsius hatte und sich fast 3000 Kilometer über die Wolkendecke von Jupiter erhob. Fast alle großen Teleskope auf der Erde und auch das Hubble-Weltraumteleskop waren auf den Jupiter gerichtet. Als dann endlich der Einschlagsort ins Bild kam, sah man einen dunklen Fleck in der Atmosphäre des Riesenplanet. Einen Fleck, der größer als die Erde war. Das war natürlich kein Einschlagskrater, so etwas gibt es bei einem Gasplaneten nicht. Was man stattdessen gesehen hatte, war Gas aus den tieferen Schichten des Jupiters, das durch den Einschlag an die Oberfläche gelangt ist. Vor allem Schwefel und Schwefelkohlenstoff. Auch die anderen Kometentrümmer, die in den nächsten Tagen einschlugen, hinterließen Spuren – die man teilweise noch viel länger beobachten konnte. Und sogar 2010, fast 20 Jahre nach dem Einschlag, konnten Astronominnen und Astronomen noch Spuren des Einschlags nachweisen. Damals wurde das Herschel-Weltraumteleskop benutzt um den Jupiter zu beobachten. Herschel ist ein Infrarotteleskop und in der Lage, die Existenz von bestimmten Molekülen nachzuweisen, zum Beispiel Wasser. Das fand man bei Jupiter, aber es war auf eine Weise in seinen äußeren Atmosphärenschichten verteilt, die sehr ungewöhnlich war, wenn man davon ausgeht, dass es sich um Wasser handelt, das immer schon Teil von Jupiters Atmosphäre war. Viel besser ließen sich die Beobachtungen erklären wenn man davon ausgeht, dass es Wasser ist, das aus dem Kometenkern von Shoemaker-Levy 9 stammt.

1994 war das erste Mal, dass wir einen Kometeneinschlag beobachten konnten. Aber es war nicht das letzte Mal. Im Juli 2009 beobachtete man einen dunklen Fleck auf Jupiter, genau so wie damals die Spuren von Shoemaker-Levy 9. Den Einschlag selbst hat offensichtlich niemand mitbekommen, aber es muss ein kleiner Asteroid oder Komet gewesen sein, der da ein weiteres Mal auf Jupiter gefallen ist. Mittlerweile sind viel mehr Raumsonden unterwegs und auch viel mehr Teleskope auf der Erde und im Weltraum auf den Himmel gerichtet und deswegen bekommen wir auch mehr solcher Ereignisse mit. Aus den vorhandenen Daten schätzt man, dass es zwischen 10 und 65 Einschläge kleinerer Objekte auf Jupiter pro Jahr gibt, also Asteroiden die zwischen 5 und 20 Meter groß sind. Die größeren Objekte, die sichtbare Spuren in der Atmosphäre hinterlassen, treffen den Jupiter alle 2 bis 12 Jahre. So große Dinger wie Shoemaker-Levy 9 treffen den Jupiter aber nur einmal in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Wir haben großes Glück gehabt, dass wir damals live dabei zusehen konnte – noch dazu aus sicherer Entfernung!

5 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 536: Der Komet Shoemaker-Levy 9“
  1. Es war seinerzeit überlegt worden, Eugene Shoemaker auf den Mond zu schießen, aber er wurde dann aus gesundheitlichen Gründen doch nicht genommen. Am Apollo-Projekt hat er daher nur vom Boden aus teilgenommen. Shoemaker war einer der maßgeblichen Wissenschaftler, die an Einschlagskratern geforscht haben, etwa das Nördlinger Ries oder den Barringer-Krater. Zuvor war eine gängige Lehrmeinung gewesen, dass Krater auf der Erde und auf dem Mond vulkanischen Ursprungs sein müssten.

  2. Ist das nun so, dass der Jupiter jetzt durch den Einschlag etwas schneller rotiert und sich seine Umlaufbahn im Radius etwas vergrößert hat? Letzteres leuchtet unmittelbar ein, aber ersteres? Es ist so: von oben gesehen rotiert Jupiter linksrum, ebenso linksrum ist der Komet zuerst um Jupiter gekreist. Beim Herunterfallen gewinnt er ungeheure kinetische Energie, die dann beim Aufprall so wirkt, dass sie die Drehung anschubst. Überhaupt könnte das ja erklären, warum der Jupiter von einer Umlaufbahn auf der heutigen Marsbahn nach außen gewandert ist und sich dieser Riese in nur 10 Stunden einmal um die Achse dreht. Liege ich da richtig?

  3. Mir war damals überhaupt nicht bewusst, was für ein besonderes Ereignis das damals war, auch wenn es im Fernsehen rauf und runter Thema war. Heute ärgere ich mich, dass ich mich damals noch nicht so sehr für Naturwissenschaften, besonders für Astronomie, interessiert hatte. Trotzdem habe ich den Kometen nie vergessen und das eine oder andere TV-Bild von Berichten darüber nochimmer vor verschwommen vor Augen; dass das irgendwie besonders war habe ich wohl also unbewusst wohl doch gemerkt.

  4. Ich war damals mitten in den Vordiplomsprüfungen, und die liefen gerade alles andere als optimal. Aber diese Nacht musste ich mir dann doch um die Ohren schlagen und vor dem Fernseher verbingen. Ich erinnere mich noch, wie es mich gegruselt hat: Wenn ein Einschlag auf einem Gasgiganten wie dem Jupiter solche Spuren hinterlässt, was würde der auf der Erde anrichten? Zumal SL-9 vielleicht nicht vorher zerbrochen wäre. Jedenfalls, danke mal wieder, Jupiter. Das Vordiplom habe ich dann letztlich auch geschafft.

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