Vor ein paar Wochen haben Klimaktivist:innen in Museen die Glasscheiben vor Kunstwerken beschmiert und damit eine heftige, immer noch andauernde Auseinandersetzung zur „korrekten“ Art von Aktivismus ausgelöst. In diesem Artikel soll es allerdings nicht um die Frage gehen, ob solche Aktion der Sache des Klimaschutzes nützen oder schaden; dazu habe ich damals schon einen ausführlichen Text aus Sicht der Wissenschaft geschrieben. Die Aktivist:innen haben sich auf jeden Fall durchaus Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre Aktionen durchführen können, ohne der Kunst zu schaden. Man kann sogar sagen: Im Klimaschutz ist immer auch der Schutz von Kunst und Kultur inkludiert. Denn das, was in Zukunft wirklich gefährlich für die Kulturgüter dieser Welt ist, sind nicht Klimaaktivist:innen, sondern die Folgen der Klimakrise.

Weltkulturerbe

„Kultur“ und „Kunst“ sind umfassende Begriffe und es ist unmöglich, sie ebenso umfassend in einem kurzen Text zu behandeln. Wenn ich daher im Folgenden über die Bedrohung der Kultur durch die Klimakrise schreibe, dann meine ich damit viele Phänomene nicht. Es geht nicht um steigende Energiekosten, die den Besuch von Museen, Theatern oder Konzerthäusern teurer machen. Auch nicht die sich verändernden Bedingungen für Konservierung und Restaurierung von Kunst. Neue Pandemien, die – so wie COVID-19 – zu Einschränkungen beim Besuch öffentlicher Orte führen. Und so weiter – zu all diesen Themen hat die (Klima)Forschung durchaus etwas zu sagen; hier soll es aber um die Auswirkungen der Klimakrise auf das UNESCO-Weltkulturerbe gehen.

In der „Convention Concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage“ die von der UNESCO 1972 veröffentlicht wurde, kann man nachlesen, was damit gemeint ist und warum es sich dabei um schützenswerte Güter handelt: „[the] deterioration or disappearance of any item of the cultural or natural heritage constitutes a harmful impoverishment of the heritage of all the nations of the world“. Damit bezieht man sich auf das „Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten“ (die „Haager Konvention“) in deren Präambel zu lesen ist: „Jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, bedeutet eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet.“

In Österreich zählt zum Beispiel das historische Zentrum der Stadt Salzburg oder die Semmeringbahn zum Welterbe, in Deutschland sind es unter anderem der Aachener Dom, die Altstadt von Bamberg oder die Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura. Aber das „Welt“ steht natürlich nicht zum Spaß im Begriff „Welterbe“. Kulturell bedeutsame Stätten findet man überall auf der Erde; mehr als 1000 Stätten sind entsprechend gelistet, auf allen Kontinenten.

Klimakrise ist Kulturkrise

Ebenso global wie das Welterbe ist auch die Klimakrise. Die sitzt nicht nur irgendwo in der Arktis und geht Eisbären auf die Nerven. Ihre Auswirkungen sind (unterschiedlich stark) überall auf der Welt zu spüren und betreffen alle Bereiche des Lebens. Deswegen ist es auch nicht überraschend, dass man im aktuellen Sachstandsberichts des Weltklimarates (IPCC) auch immer wieder Abschnitte findet, die sich mit den Folgen der Krise für das Welterbe beschäftigt. In Kapitel 6 des zweiten Teils geht es um „Cities, Settlements and Key Infrastructure“ und Unterkapitel 6.3.3.6 trägt den Titel „Cultural heritage/institutions“. Dort wird zur Einleitung festgehalten:

„Cultural heritage is primarily associated with identity and is closely intertwined with the complexities of history, politics, economics and memory. Climate change adds another layer of complexity to cultural heritage and resource management“

Oder, frei übersetzt: Es ist jetzt schon schwer genug sich um den Erhalt des Welterbes zu kümmern und die Klimakrise macht die Sache nicht einfacher. Ganz im Gegenteil: Jetzt schon sieht man die negativen Folgen – als Beispiel führt der Bericht die Große Moschee von Djenné in Mali an, das größte sakrale Lehmgebäude der Welt, das unter den Temperatur- und Luftfeuchtigkeitänderungen leidet. Der IPCC-Bericht listet auch auf, wo das Problem beim Schutz der Kultur vor der Klimakrise liegt: Oft wird einfach gar nichts gemacht; oft wird zwar dokumentiert, was schief läuft, ohne dann aber auch zu handeln. Echter Schutz kostet Geld und Ressourcen, die oft nicht bereit gestellt werden; was noch viel mehr für eine Umsiedlung der Stätten gilt – die aber meistens sowieso nicht möglich ist beziehungsweise den kulturellen Wert des Erbes zerstören würde.

Übrigens: Das ist ein Punkt, den Menschen wie Markus Lanz gerne vergessen, wenn sie behaupten, man könne die Kunstwerke ja einfach irgendwo in den „Dolomiten, da kommt nie irgendein Wasser hin“ verstauen. Man kann vielleicht einen Haufen Gemälde, Bücher oder Statuen in den Bergen verstecken. Aber den Kölner Dom oder die Altstadt von Wien kann man da eher nicht unterbringen. Und dann gibt es ja noch das immaterielle Kulturerbe, das an bestimmte Traditionen, Lebensweisen, geografische Regionen, etc gebunden ist und mit diesen Traditionen, Lebensweisen und Regionen verschwinden wird, wenn die durch die Klimakrise zerstört werden.

Aber bleiben wir beim materiellen Weltkulturerbe. Eine der größten Bedrohungen dafür ist der steigende Meeresspiegel. Diese Abbildung – ebenfalls aus dem Sachstandsbericht des Weltklimarates (Teil 2, Kapitel 9) zeigt, welche Weltkulturerbe- und Weltnaturerbestätten zum Beispiel in Afrika bis zum Jahr 2100 durch den Meeresspiegelanstieg bedroht sein werden:

<a href="https://report.ipcc.ch/ar6/wg2/IPCC_AR6_WGII_FullReport.pdf">Bild: IPCC (2022)</a>

Wir in Europa neigen ja aber gerne mal dazu, dass uns Afrika egal ist. Aber bei uns ist die Lage nicht besser. So sieht es rund um das Mittelmeer aus:

<a href="https://report.ipcc.ch/ar6/wg2/IPCC_AR6_WGII_FullReport.pdf">Bild: IPCC (2022)</a>

Das Bild zeigt sämtliche Schlüsselrisiken für den Mittelmeerraum, also die Risiken, die diese Region besonders stark treffen. Dazu gehören auch die Risiken für das Welterbe, die in der Grafik durch die Säulen angezeigt werden. Überall wo sich so eine Säule befindet, ist mindestens eine Welterbestätte (kleine Säule) oder gleich vier davon (große Säule) bedroht. 37 der derzeit 49 Welterbestätten in der Region sind jetzt schon von Überflutungen bedroht, 42 davon durch die Erosion der Küstengebiete. Bis 2100 rechnet man mit einer Bedrohung von 47 der 49 Welterbestätten und danach wird es nur noch schlimmer.

Wie teuer es ist, sich um die Erhaltung des Weltkulturerbe zu kümmern, kann man am Beispiel von Venedig sehen. Der italienischen Stadt ist ein eigener Abschnitt (Box 13.1 in Teil 2) des Sachstandsberichts gewidmet. Die Schutzanlagen die dort gebaut wurden und immer noch gebaut werden haben bis jetzt circa 6 Milliarden Euro gekostet. Aber die zu erwartenden Schäden die man ohne Anpassung in den nächsten 50 Jahren haben würde, belaufen sich auf bis zu 17 Milliarden Euro. Und Venedig hat zumindest eine Anpassungsstrategie. Im Bericht des Weltklimarates wird nämlich auch festgestellt:

„European cultural heritage in general and world heritage sites specifically lack adaptation strategies to preserve key cultural assets. Key reasons are the underdeveloped adaptation actions available, resources for implementing them and the absence of overarching policy guidance.“

Oder kurz gesagt: Es fehlt an Planung, Ressourchen und politischer Führung, um das europäische Welterbe zu schützen, so weit das überhaupt möglich ist. Und bis jetzt habe ich nur vom Welterbe gesprochen. Das sind Stätten die unter ganz besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit und der Politik stehen. Die ganze restliche Kunst und Kultur, die nicht zum Welterbe gezählt wird, ist natürlich genau so bedroht, wird aber noch mehr vernachlässigt.

Fazit

Es ist verständlich, wenn sich Menschen darüber aufregen, dass Klimaaktivist:innen einen Teil ihres Protestes im Umfeld von Museen und anderen kulturellen Einrichtungen durchführen. Kunst und Kultur sind uns wichtig, zu Recht, und ebenso recht ärgern wir uns, wenn wir das Gefühl haben, sie würden bedroht oder missbraucht werden. Die Gefahr für unsere Kultur geht aber nicht von Klimaschützer:innen aus. Sondern von der Klimakrise und denen, die immer noch so tun, als gäbe es keinen Handlungsbedarf. Wer die Kunst und Kultur erhalten will, sollte sich hinter die Aktivist:innen stellen und endlich weitreichende und wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz fordern!

3 Gedanken zu „Die Bedrohung der Kultur durch die Klimakrise“
  1. Interessant. Wenn man das von einer allgemingesellschaftlichen Perspektive betrachtet, zumindest hier in Schweden, kann man nicht anders als konstatieren, dass wir es nicht wissen wollen, was auf uns zukommt. da ist die Kultur nur ein kleiner, aber wichtiger Aspekt. Die Entwicklung in der Bevölkerung ist leider kontraproduktiv. Wir haben hier in Scweden zwar einige gute Ansätze (Greta z.B.) aber generell eine sehr aktive (passiv die augen zumachende) Majorität in der Bevölkerung die sich nicht nur in der politischen Landschaft ausdrückt. erstens, was wählt die schwedische Bevölkerung? Richtig, man wählt rechtskonservativ bzw. rechtsradikal. die Grünen schweben kurz vor dem Rausschmiss. von rechtskonservativ tönt, dass wir ja gar nichts machen müssen, wir sind ja schon die besten. Statt dessen sollten witr lieber Entwicklungsländern wie China helfen. Ach ja? Wer produziert denn heute die meisten Elektroautos und Mobiltelefone, oder Solarkollektoren? Jaja, so was produziert man natürlich nur in Entwicklungsländern, Wir in Schweden wollen statt dessen die Leute in billigarbeitsplätze verschieben. Rechtsradikal wirds noch schlimmer. Der Forschungsanschlag der schwedischen Universitäten wird zum Jahr 2024 HALBIERT! (ich glaube ein Ausrufezeichen reicht nicht, also) !!!!!!!!!!!
    Nicht nur das, die Finanzierung der Schulen in konservativ gesteuerten Landkreisen (Schule ist Kreissache hier, noch viel schlimmer als in Deutschland mit Ländersache) wie z.B. bei mir wird extrem gekürzt. Von umgerechnet 3 Mio. Euro Kürzungen im Jahresbudget trägt die Schule 2/3. Warum? Bildung nützt ja sowieso nix?
    Oder sogar :“wir wollen keine gebildeten Leute!“ ?
    Bei den Rechtsradikalen in unserer Regierung existiert ja der Klimawandel nicht, oder er ist sogar ein Betrug der Wissenschaftler. Die sind ja sowieso böse und wollen uns nur das Geld aus der Tasche ziehen.
    Die Gegen- Miljöbeweegung hier in Schweden treibt irgendwie auch merkwürdige Blüten. Ich habe drei Kionder in der Schule momentan, man trifft also eien Menge junge Leute. Gerade in den letzten Jahren sieht man hier einen Trend, bewusst, oder im unbewussten Protest alles zu verdrecken. McDoof verpackungen werden grundsätzlich aus dem Autofenster geworfen, oder aber einfach vor dem Laden auf den Boden fallen gelassen. Autos müssen mölglichst viel verbrauchen (was teilweise den Wahlerfolg der Rechtsradikalen erklärt mit dem Versprechen den Benzinpreis unter 1 Euro zu drücken), und sie werden auch grundsätzlich nicht ausgemacht wenn man sich abends mit den Freunden auf dem Parkplatz trifft. Auch die Erwachsenen sind nicht besser. mehr und mehr Müllsäcke wandern in den Wald statt auf die Deponie. in den letzten zwei Jahren haben sich die Anzeigen wegen illegaler Abfallentsorgung verdoppelt. Entsorgung auf der Mülldeponie ist beui uns gratis. wenn wir also das Auto vollpacken sollte das überhaupt kein Problem sein. Es gibt aber einen wunderschönen waldweg 100m vor der Deponie. Das Personal fährt einmal die Woche diesen waldweg ab und sammelt den Müll ein, der hier von den leuten einfach in den Wald gekippt wird. Wie bekloppt muss man sein? man fährt doch sowieso mit vollgepacktem Auto dahin. 100 m weiter landet alles im richtigen Container. Statt dessen fährt man in den wald und schmeisst es raus.
    Es gibt ewig viel solche Geschichten. weg vom Abfall zur Waldwirtschaft und zum Wasser. Bei uns stirbt der Wald genauso wie in Deutschland. Natürlich liegt das DEFINITIV NICHT am Klimawandel mit heissen trockenen Sommern und warmen nassen Wintern. Deshalb pflanzen die Waldbauern ja auch nahezu alle wieder Fichtenmonokulturen OBWOHL es seit 2004 einen Umstellungsfond gibt. Bis heute sind nur 5% der Mittel dieses Fonds verbraucht. Wie bekloppt muss ich als Waldbauer eigentlich sein die Gelder nicht zu nehmen?
    Oder Wasser. 70% der Feuchtgebiete und Moore Schwedens sind drainiert. Seit 20 Jahren spricht man davon dass wir diese Feuchtgebiete für unsere Trinkwasserversorgung dringend brauchen. Passiert was? Nö, im Gegenteil, die Drainierung des Restes geht fröhlich weiter.
    Kultur? nö, gehört ja zur Bildung, brauchen wir nicht. Kürzungen im Budget der Museen werden angeblich über neu eingeführte Eintrittsgelder überkompensiert? Schön wärs. Übrigens eine interessante Feststellung, dass wir jedes mal wenn wir eine linke Regierung haben, die Museen freien Eintritt haben, und jedesmal bei einer konservativen Regierung die Museen schweineteuer werden wenn man reinwill. Gleiches gilt übrigens für Bibliotheken. Die werden geöffnet wenn wir eine linke Regierung haben, und geschlossen bei konservativen. Die rechtsradikalen wollen sogar politisch bestimmen welche Bücher überhaupt angeschafft werden dürfen.
    Ihr seht, ich bin momentan recht angepisst von der Situation hier. Da ist der Kulturaspekt nur ein kleiner Teil des Klimawandels.
    Kultur hat mit Bildung zu tun, und Bildung ist hier gerade nicht gewollt.
    Randnotiz: das ganze Dilemma liegt beiweitem nicht nur an den Politischen Parteien. Ich schrieb oben schon mal dass die Bevölkerung das eigentliche Problem ist. wenn man mal hier die Uni besucht bietet sich schon ein komisches Bild. Spricht man etwa schwedisch? nö, weil 1/3 ist deutsch, 1/3 ist chinesisch und das letzte drittel ist alles mögliche.
    die letzten beiden Ausschreibungen für eine Doktorandenstelle hatten 98, respektive 52 Bewerbungen. Schweden dabei? nö (bzw. eigentlich 3, aber ohne jegliche Qualifikation).
    von 70 Studienanfängern geht mal gerade ein Student ins Doktorandentum. Und SIE ist keine Schwedin.
    (das gilt für die Geowissenschaften bei mir im Westen von Schweden, in Mittelschweden ist noch cooler mit einem fast komplett chinesischen Institut)
    Fazit, die Schweden wollen selber keine Bildung oder Kultur. Sind ja sowieso die anderen die absaufen.

    1. Da kann ich leider nur beipflichten.
      Diese Rechtspopulisten: das Rassemblement in Frankreich ist die Atompartei, die PiS in Polen die Kohlepartei und die AfD ist Beides. Trojanische Pferde zur Verhinderung einer Energiewende? Genau das sollte mal saufs Tapet kommen.

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