Der September 2022 war ein sehr stressiger Monat. Was man unter anderem daran erkennen kann, dass die monatlichen Buchempfehlungen nicht, wie üblich, am letzten Tag des Monats erschienen sind, sondern erst heute. Und ich werde nur ein Buch besprechen, weil ich nur eines geschafft habe (aber dafür ist auch eines neu erschienen, das ich mitgeschrieben habe). Also: Es gibt nicht viel und es kommt zu spät – aber jetzt geht’s los!
Anarchisten am Mond
Im August habe ich ja zwei Bücher von Ursula Le Guin vorgestellt. Ich war sehr begeistert davon; noch besser gefällt mir aber „The Dispossessed“ (auf deutsch „Freie Geister“). Die Geschichte spielt im Planetensystem von Tau Ceti; eine der vielen Welten die in der Zukunft die das Buch beschreibt, von Menschen besiedelt sind und das schon seit Jahrtausenden. Schauplatz ist das Doppelplanetensystem von Urras und Anarres. Eigentlich haben die Menschen dort zuerst Urras besiedelt und dort eine typisch kapitalistische Gesellschaft aufgebaut. Mit verschiedenen Nationen, die auch gerne mal Krieg gegeneinander führen; mit einer auf Konsum und Ausbeutung orientierten Wirtschaft und einer patriarchalen und diskriminierenden Gesellschaft – also in etwa so wie unsere Realität (nur dass man Urras natürlich etwas besser in der Raumfahrt ist). Und so wie bei uns gibt es auch auf Urras Menschen, die das nicht akzeptieren wollen. Insbesondere Odo, eine Philosophin und Revolutionärin, die eine anarchistische Utopie entwirft – so wie es ja auch auf der realen Erde immer wieder diverse Leute getan haben.
In der Welt des Buches existiert aber noch Anarres; der „Mond“ von Urras, der aber eben ein eigener Planet ist. Nicht sonderlich lebensfreundlich, abseits von Pflanzen und Fischen gibt es dort auch nicht viel, was lebt. Aber man kann dort leben und die anarchistischen Anhänger von Odo übersiedeln dorthin um ihre freie Gesellschaft zu verwirklichen. Die Geschichte des Buches setzt 200 Jahre später ein; auf Anarres sind die Anarchisten ihrer Philosophie mehr oder weniger treu geblieben; auf Urras ist man so kapitalistisch wie eh und je. Kontakt zwischen den Welten gibt es nicht; nur ein paar Wissenschaftler tauschen sich aus. Darunter auch Shevek, der in der anarchistischen Welt von Anarres kurz davor ist, eine Theorie zu entwickeln, die überlichtschnelles Reisen erlauben würde. Das interessiert seine Kolleg:innen aber eher wenig, auf Urras ist man aber sehr interessiert. Also bricht Shevek das Tabu und reist auf den Nachbarplaneten.
Dort wird er mit der vollen Wucht des Kapitalismus konfrontiert und jetzt höre ich auch schon wieder auf zu spoilern. Wir immer bei Le Guin ist auch hier die Science Fiction ein Vehikel, um ein eigentlich ganz anderes Thema zu erörtern. In diesem Fall den fundamentalen Konflikt zwischen den Gesellschaftsystemen. Was auf der realen Erde zwangsläufig zu Konflikten führen muss, kann auf der Doppelwelt von Anarres und Urras parallel existieren und wachsen. Anarchie und Kapitalismus können sich entwickeln, obwohl sie natürlich in Person von Shevek zwansläufig aufeinander treffen müssen. Le Guin spart selbstverständlich nicht mit Kapitalismuskritik und das Buch kann durchaus als utopistische Vision verstanden werden. Aber nicht unbedingt als Propaganda für anarchistische oder kommunistische Gesellschaftssysteme. Auch hier beschreibt Le Guin die durchaus erwartbaren Konflikte die sich einstellen, wenn eine Gesellschaft dieser Art nur lange genug existiert.
Das Buch ist 1974 erschienen; aber das merkt man ihm nicht an. Fast 50 Jahre später kann man es immer noch mit großem Gewinn lesen. Was man auch tun sollte!
Das war es auch schon wieder für den September. Der Oktober ist leider auch schon gut mit Auftritten und Arbeit gefüllt. Aber ein Buch sollte ich hoffentlich auf jeden Fall schaffen…
Die Links zu den Bücher sind Amazon-Affiliate-Links. Beim Anklicken werden keine persönlichen Daten übertragen.
Das Buch habe ich in den Siebzigern als Planet der Habenichtse gelesen und lieben gelernt, später verliehen und nicht zurück bekommen – Hoffentlich wandert es (noch immer) von Hand zu Hand. 😉
Einer meine Lieblings-Sci-Fis der 70er, damals und noch mehrfach danach geradezu verschlungen – und immer wieder grinsend über den nicht sehr früh auftauchenden, dafür aber trotz der merkwürdigen Schreibweise äußerst bekannten Namen eines irdischen Wissenschaftlers.
Eine Lehrstunde des ‚Etwas zum Schlechten Besseres ist nicht zwingend gut‘.
Die NamensNummer erinnerte mich schon damals™ sofort an das intensiv tuckerisierende humoristische SciFiHighlight der 70er, ‚The Misspelled Magishun‘ bzw später ‚The Flying Sorcerers‘ von Gerrold/Niven, dessen Protagonist, ein forschender Astronaut, die ganze Zeit ‚Purple‘ genannt wird. Gegen Ende fragt er, warum und bereits zu der Lesezeit wurde klar, wo die Grenzen automagischer Übersetzung liegen (werden):
’Purple‘ ⇐ ‚as a color, shade of purple-grey‘ ⇐ ‚as a mauve‘ ⇐ ‚Asimov‘.
Gratulation noch einmal zu Buch
Vielleicht kommen ja noch ein paar Leser-Eindrücke 🙂
Ich habe 1491 gelesen, den Vorgänger von 1493, das ich schon im April gelesen habe. Hier geht es um die Welt BEVOR Columbus die neue Welt „entdeckte“ und der Autore Charles C Mann räumt dankt neuer (90-00er Jahre) Erkenntnisse in Archologie mit einer Menge Vorurteilen auf – viele Dinge, die lange Zeit als gesetzt galten sind mittlerweile überholt. Die Kulturen waren größer und älter und weiter fortgeschritten als lange angenommen. So argumentiert Mann, dass man Amerika eigentlich als „alte Welt“ bezeichnen müsste, da die Hochkulturen wohl älter sind als die in Europa… Eines von den Büchern, die eigentlich jeder lesen müsste.
Außerdem ist natürlich What If 2 erschinen, das neue Buch von XKCD-Macher Randall Munroe und er beantwortet wieder jede Menge absurde Fragen auf überaus unterhaltsame Art und Weise
An Romaen habe ich den Umwelt-Dystopie-SF-Roman The Windup Girl gelesen, ein durchaus dichter Roman in Thailand nach diversen Umweltkatastrophen. Keine Wohlfühllektüre (und Triggerwarning für sexuelle Gewalt), aber lesenswert, wenn man düstere SF mag.
Der letzte Alcatraz – Band von Brandon Sanderson ist ein würdiger Abschluss der absurden, leicht comichaften Reihe, während der achte Band der Rivers of London – Reihe „False Values“ gewisse Ermüdungserscheinungen hatte – den hätte ich nicht mehr gebraucht.
So, jetzt sind andere an der Reihe…
Ich kann mich an den Band auch erinnern. Mir kam Anarres aber irgendwie wie eine Version der damals noch existierenden Sowjetunion vor. Lebten die Leute dort nicht in etwas, das an sowjetischen Kolchosen erinnert?
Übrigens war ja von Le Guin auch erwähnt worden, dass der einzige Raumhafen von Anarres von einer Mauer umgeben ist. Solche Umfriedungen sind natürlich nicht unüblich – ganz klar. Andererseits empfindet das mindestens eine Person als die Gefängnismauer, die die Bewohner von Anarres Ein- bzw. vom Universum aussperrt.
@rolak:
„Die fliegenden Zauberer“ sind übrigens voller Namenspielereien. Das fängt bei den zwei Brüdern an, die maßgeblich am Bau des Luftschiffs (und dessen Betrieb) beteiligt sind: Orbur und Wilville. Wer erinnert sich da nicht an die Flugpioniere Orville und Wilbur Wright?
Auch die ganzen Götternamen sind verwurstete Bekannte der beiden Autoren. Irgendwann habe ich mal etwas im Internet darüber gefunden, wer „Musk-Watz“ und die anderen Götter und Einheimischen im wahren Leben waren.
Thx, Captain Obvious: das ist die Bedeutung des oben verlinkten ‚Tuckerization‘.
, der Gott des Windes, wurde benannt nach Sam Moskowitz. Wg dessen lauter, durchdringender Stimme [Radio-Interview, 1963] und der (vorgeblichen) Neigung zu ausschweifenden Vorträgen…
Danke, Florian!
„Planet der Habenichtse“ ist, seit ích es vor 20 Jahren endlich gelesen habe, mein zweitliebstes Buch. Le Guin beschreibt eine Gesellschaft, in der es kein Eigentum gibt. In der schon der Gedanke unmöglich ist, irgendetwas zu „besitzen“. Wo es dafür kein Wort gibt. Auch wenn Le Guin ganz deutlich zeigt, daß das beileibe kein konfliktloses Paradies ist, zeigt sie doch: ja, so eine Gesellschaft ist möglich. Wenn sie denkbar ist, ist sie auch möglich. Erst recht, wenn sie sich so detailliert beschreiben läßt. Mir ist sonst noch nie eine so „positive Utopie“ begegnet, also eine, die nicht nur lamentiert, was alles schlimm ist und weg müsste, sondern zeigt, wie es anders viel besser gehen kann. Allein diese Vorstellung: das ist wirklich möglich, verdammt, warum nicht! – läßt mich jedesmal vor Glück weinen, wenn ich das Buch lese. Es muß nicht so sein, daß wir uns und unsere Welt kaputt machen.
(Mein liebstes Buch ist übrigens sozusagen das krasse Gegenteil, eine extrem witzige und zugleich extrem traurige Weltendegeschichte von Kurt Vonnegut. Ja, auch das ist möglich.)
Deine Buchempfehlung lese ich immer wieder gerne, und sie haben mir schon jede Menge Freude gebracht (z.B. mit „Three Body Problem“ und den Folgebänden). Umso erfreuter war ich über die Besprechung von „The Dispossessed“, das ich noch als „Planet der Habenichtse“ im Regal stehen habe. Das Buch habe ich vor vielen Jahren selber mal rezensiert (sogar in einem österreichischen Online-Medium): http://www.aurora-magazin.at/medien_kultur/sf_kaufmann_frm.htm
@J. Kaufmann: „Funktioniert das Modell also nur in Armut – und führt die Armut wiederum dazu, dass das Modell nur teilweise funktioniert?“
Es ist das Gemeinschaftsgefühl im Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, also KEIN Geschäfts-Sinn / keine Werteordnung, der/die sich aus dem Gefühl der Fremdheit zum „gesunden“ Konkurrenzdenken / „freiheitlichen“ Wettbewerb entwickelt hat, wie in unserer Realität.
Im Grunde unserer Vernunftbegabung, sollten wir dies im „Zeitalter der Kommunikation“ erkannt haben und Vernunft zu zweifelsfrei-eindeutigen Verantwortungsbewusstsein gestalten, aber leider ist unser Zusammengehörigkeitsgefühl immernoch zutiefst gespalten/konfusioniert – Wir sind alle im SELBEN Maße reich „durchströmt“ vom Geist/Zentralbewusstsein der/das Schöpfung des programmatisch-holographischen Universums ist.
Seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (biblische Philosophie: „Vertreibung aus dem Paradies“), ist geistiger Stillstand, aufgrund der zeitgeistlich-reformistischen Pflege unserer gleichermaßen unverarbeiteten instinktiven Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriertem „Individualbewusstsein“.
@rauskucker:
Das ist ulkig! Mir kam das damals als Parabel auf die Sowjetunion vor. Alle sind arm, alle reden sich ein, sie wären frei und gleich, aber es wird unterdrückt bis zum Geht-nicht-mehr.
Deine positive Wahrnehmung über diese nicht-kapitalistische Gesellschaft kann ich also, so rein aus der Erinnerung heraus, überhaupt nicht teilen.
@Captain E.
Mit der Sowjetunion kann man das nicht vergleichen – Soweit ich mich erinnere, gab es kein wettbewerbsbedingt-ruinöses Wettrüsten zwischen Anarres und Urras, auch wurde auf Anarres kein vergleichbares Klassenbewusstsein gepflegt.
@hto:
Du übersiehst aber dabei, dass dieses „wettbewerbsbedingt-ruinöses Wettrüsten“ erst nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hat. Während des Krieges wurde die Sowjetunion von ihren Alliierten extrem hochgerüstet.
Aber ich präzisiere mal etwas: Der Planet Anarres kam mir so vor, wie sich das die Russen und die anderen Sowjetbürger in den 20er und 30er Jahren vorgestellt hatten. Das hörte sich damals alles so euphorisch an, ganz nach dem Motto: „Jedem Anfang wohnt es Zauber inne.“
Zugleich gab es aber natürlich Kriege in Zentralasien und der Ukraine, zu denen es zugegebenermaßen keinerlei Entsprechung im Buch gibt. Auch der „Holodomor“ der frühen 30er Jahre hat es nicht ins Buch geschafft. Es war aber auch die Zeit von Felix Dserschinski und seiner Tscheka, der zunächst für Wladimir Iljitsch Uljanow und nach dessen frühem Tod für Josef Dschughaschwili Terror, Unterdrückung und „Säuberungen“ organisiert hat. An diese so vermeintlich paradiesische Anfangszeit der Sowjetunion hat mich der Planet Anarres erinnert.
In einer der letzten Folgen von „Die Anstalt“ outete sich Gastgeber Max Uthoff in einer Nummer als Fan der UdSSR. Nach genauerem Nachfragen angesichts all der Grausamkeiten, die es in wechselnder Ausprägung gegeben, musste er einräumen, dass er ein Fan jener Sowjetunion sei, die es so nie gegeben hatte, die es aber eigentlich hätte geben sollen.
So ähnlich sehe ich eben den Planeten Anarres: Die Kollektivierung der frühen Sowjet-Ära, ohne deren Kriege, aber bereits mit einem gewissen Maß an Unterdrückung (nicht zu vergleichen mit der realen frühen Sowjetunion, die damals bereits extrem viel Unterdrückung verwendet hatte).
@Captain E.
Und Du übersiehst, dass der „Zauber“ schon vorbei war, als England, Frankreich und Deutschland am Anfang zu Lenin gesagt haben: „Nein wir machen nicht mit“.
Auf Anarres wollte man mit dem VERGLEICHBAREN Theater nichts zu tun haben, Shevek hatte keine Ahnung was auf Urras abging, ich empfehle auch die anderen Bücher des Hainisch-Zyklus zu lesen, vor allem zuerst „Stadt der Illusionen“.
Übrigens: Es ist eine üble Frechheit, dass bestimmte Personen immer wieder behaupten ich wäre ein Fan der Sowjetunion, oder von Putin, denn das bin ich absolut nicht.
Ein sozialistisch-kommunistischer Neustart, mit einer entmilitarisierten DDR, da wäre ich sofort dabei gewesen!
@hto:
Hat er das tatsächlich versucht? Wer sehen konnte, wusste doch, wohin das führen würde. Wie soll schon Karl Marx gesagt haben? „Ich fürchte um den Kommunismus, wenn er in die Hände der gründlichen Deutschen oder der fürchterlichen Russen fällt. Für das Deutsche Kaiserreich war Lenin eine Waffe, die es bedenkenlos eingesetzt hat. Die Februarrevolution im März 1917 fand indes weitestgehend ohne Beteiligung der Bolschewiki statt. Die haben sich dann ja erst im November 1917 an die Macht gepuscht, ein paar Kriege vom Zaun gebrochen, den abgesetzten Zaren und dessen Familie ermordet und ihr bekanntes Schreckensregime aufgebaut.
Nun ja, wie gesagt: Eine idealisierte frühe Sowjetunion – aber nicht ohne Repressionen. Wer raus darf, wird ziemlich willkürlich entschieden, und es ist alles andere als sicher, ob er wieder zurück darf. Wer bleiben will, hat sich gefälligst anzupassen. Allen gehört alles, alle sind arm und alle sind glücklich.
Aber nicht vergessen: Die Mauer um den Raumhafen wird im Buch auch schon mal als die einzige Mauer eines planetenweiten Gefängnisses beschrieben.
Das war mir noch gar nicht aufgefallen, aber wo du es gerade schon selber erwähnt hast…
@hto:
Das hätte mit Sicherheit auch nicht funktioniert, und wer hätte den Ostdeutschen dieses schlimme Schicksal nach 12 Jahren Nazi- und 41 Jahren SED-Diktatur auch schon aufbürden wollen?
@Captain E.: „Allen gehört alles, alle sind arm und alle sind glücklich.“
Die gute Ursula hatte damals noch keine oder wenig Ahnung von Genetik und Terraforming, so dass sie dem Planet Anarres womöglich eine blühende Zukunft angedichtet hätte, wenn das dann auch OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik bliebe, was sehr wahrscheinlich geblieben wäre, dann würde auf Urras die Sorge um Abwanderung wachsen, oder auch die Einsicht zu Vernunft und Gemeinschaftseigentum – Aus diesem Grund, gab es nach 1989 eine schnelle Wiedervereinigung!? 😉
Nachtrag: Nein, es ging ihr nie um ein Happy end wie in Hollywood, der Leser sollte schon Raum zum Nachdenken haben, deshalb hat sie das Terraforming in diesem Buch wohl nicht thematisiert!? 🙂
@hto:
Um mit Johann König zu reden: „Das muss man sich einfach immer wieder selbst vorsagen.“ 😉
Die gab es wohl eher aus verschiedenen Gründen. Es konnten sich zum einen noch viele an die Zeit vor der Teilung erinnern. Diesen Menschen kam der Status quo immer noch völlig unnatürlich vor. Auch dazu ein Zitat, nämlich von Altkanzler Willy Brandt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Die jüngeren hatten natürlich Probleme, das nachzuvollziehen.
Viele DDR-Bürger waren aber einfach mit ihrer Lebenssituation völlig unzufrieden. Im Zusammenhang mit der aktuellen Russischen Föderation erwähnte neulich ein Publizist, eine Diktatur benötige nur 1% ihrer Bevölkerung, um zu funktionieren. Die anderen 99% haben sich dann halt einzufügen und zu tun, was ihnen gesagt wird. Wer damit ein Problem hat(te), kommt/kam halt nach Bautzen oder nach Sibirien.
Unter anderem scheinen die Menschen ihre Länder schmerzlich vermisst zu haben, die die DDR-Führung bereits nach wenigen Jahren aufgelöst hatte. Die ursprünglichen DDR-Länder waren im Nu wieder da, im hohen Norden sogar mit dem von der sowjetischen Militärregierung verbotenen „-Vorpommern“. Ostdeutschland hätte schließlich auch ein einziges Land der Bundesrepublik Deutschland beitreten können, aber das war im Osten definitiv nicht gewollt.
Übrigens war West-Fernsehen zwar nicht gern gesehen in der DDR und wurde in staatlichen Einrichtungen wie etwa Altersheimen nicht gezeigt, aber verboten war es nicht. Bezeichnenderweise waren die Menschen im „Tal der Ahnungslosen“, die kein West-Fernsehen empfangen konnten, also in großen Teilen Sachsens und in der Uckermark, am unzufriedensten. Die anderen ahnten zumindest, dass auf der anderen Seite auch nicht alles eitel Sonnenschein gewesen ist.
Klar, von der Wiedervereinigung und vor allem von der D-Mark haben sich im Osten sehr viel mehr versprochen als es am Ende gegeben hat. Die Wettbewerbsfähigkeit ostdeutscher Firmen, insbesondere unter den Bedingungen der neuen Währung, ist von vielen dramatisch überschätzt worden. Der Verlauf der weiteren Geschichte war dann bitter, aber zwangsläufig.
@Captain E.
Ja, ich habe mich auch schon mal gefragt, ob die ostdeutschen Sozialisten/Kommunisten (wenn es den erlaubt gewesen wäre), nach dem Fall der Mauer, auch die (gierige geschäftsmäßige) „Entwicklungshilfe“ im Rahmen der Globalisierung (anderes Wort für Kolonialismus) bekommen hätten, wie China und Russland – Konnte ja keiner ahnen, dass diese „undankbaren Befreiten“ andere Pläne haben!?
Was da nach 1989 gespielt wurde, war ja nicht nur Monopoly, es war auch Roulette, Poker und Schach, was in das jetzige Mensch ärgere dich nicht mit Risiko mündet!?
Obwohl, weil Risiko ja eher nur noch Retro ist, muß es deutlich realistischer call of duty sein, wo dann:
https://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/selenskyjs-praeventivschlagforderung-verstoert-nacht-ueberblick-37359610
@hto:
Was meinst du denn mit „erlaubt“? Klar hätte die DDR weitermachen können. Wer hat es den Menschen in Verantwortung also verboten? Präsident Bush? Bundeskanzler Kohl? Nein, letztlich nur ihr eigenes Volk.
@Captain E.: „Der Verlauf der weiteren Geschichte war dann bitter, aber zwangsläufig.“
Im Grunde ein Satz, der am Ende jeder Formulierung/Beschreibung stehen sollte, seit der „Vertreibung aus dem Paradies“!? 🙂 😉