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Sternengeschichten Folge 471: Primordiale Schwarze Löcher
Schwarze Löcher waren schon sehr oft Thema in den Sternengeschichten; das erste Mal und ausführlich in Folge 40 und seitdem immer wieder. Es sind ja auch äußerst faszinierende Objekte und darüber hinaus auch noch enorm wichtig, wenn man verstehen will, was da draußen im Universum passiert. Schwarze Löcher bilden die Zentren der großen Galaxien und bestimmen mit ihren Eigenschaften wie sich solche Galaxien bilden, verhalten und entwickeln. Schwarze Löcher sind das Endstadium in der Entwicklung großer Sterne; sie können die Entstehung von Sternen beschleunigen oder verhindern. Ursprünglich hat man schwarze Löcher für eine mathematische Kuriosität der allgemeinen Relativitätstheorie gehalten; etwas, was dort in den Formeln auftaucht, im echten Universum aber nicht existieren kann. Dann hat sich aber gezeigt, dass die Dinger durchaus sehr real sind; wir haben sie überall im Universum gefunden und mittlerweile ausführlich beobachtet und studiert. Aber natürlich sind wir noch weit davon entfernt, komplett zu verstehen, was es mit den schwarzen Löchern auf sich hat und wie sie funktionieren. Das zeigt sich besonders gut bei einer ganz speziellen Art von schwarzem Loch, um die es in der heutigen Folge gehen soll: Die primordialen schwarzen Löcher.
Werfen wir vorher zur Wiederholung noch einen ganz kurzen Blick auf die „normalen“ schwarzen Löcher. Da unterscheidet man im Wesentlichen zwei Arten. Es gibt die „stellaren“ schwarzen Löcher, die – wie der Name schon sagt – aus Sternen entstehen. Wenn ein sehr großer Stern am Ende seines Lebens die Kernfusion in seinem Inneren mangels Brennstoff einstellt, dann kollabiert die gesamte gewaltige Masse unter ihrem eigenen Gewicht. Der Stern wird immer kleiner und kleiner, die Masse bleibt aber im Wesentlichen gleich und daraus folgt: Das ganze Ding wird immer dichter. Immer mehr Masse ist auf immer weniger Raum zusammengepresst und genau das ist es, was man braucht um ein schwarzes Loch zu kriegen. Je näher man einer Masse kommt, desto stärker spürt man die Gravitationskraft, die von ihr ausgeübt wird. Und wenn diese Masse sehr stark komprimiert ist, dann kann man ihr eben auch sehr, sehr nahe kommen. Und kommt man ihr nahe genug, wird die Anziehungskraft so groß, dass man schneller als die Lichtgeschwindigkeit sein müsste, um ihr wieder zu entkommen. Was nicht geht, weswegen man in diesem Moment ein schwarzes Loch hat, dem nichts – auch kein Licht – mehr entkommen kann.
Das alles ist nicht neu; das habe ich in den Sternengeschichten schon oft erzählt und auch die Wissenschaft weiß schon lange darüber Bescheid. Schwarze Löcher die aus dem Kollaps eines großen Sterns entstehen haben wir schon draußen im Weltall beobachtet, ebenso wie die zweite Art, die „supermassereichen schwarzen Löcher“. Das sind die enormen Dinger, die im Zentrum von Galaxien sitzen. Die können die millionen- bis billionenfache Masse eines Sterns haben und wir wissen noch nicht so genau, wie sie entstehen. Es ist unwahrscheinlich, dass auch sie direkt aus dem Kollaps eines Objekts entstanden sind – denn was für ein gewaltiges Objekt sollte das denn sein? Vermutlich sind sie durch die Verschmelzung vieler kleinerer schwarzer Löcher entstanden, aber wie genau das abgelaufen sein könnte, wissen wir noch nicht.
Klar ist aber auf jeden Fall: Die „normalen“ schwarzen Löcher entstehen aus Sternen und können deswegen auch nur Massen haben, die ungefähr der Masse von großen Sternen entsprechen. Die „primoridialen“ schwarzen Löcher um die es heute gehen soll, sind dagegen ganz anders. Beziehungsweise: Sie könnten ganz anders sein, denn wir wissen noch nicht, ob es sie gibt. Aber tun wir einfach mal so als gäbe es sie. Dann bräuchte man keinen Stern, damit sie sich bilden. Und sie wären auch sehr viel leichter als die schwarzen Löcher, die wir bis jetzt kennen.
Fangen wir am Anfang an und in diesem Fall ist damit wirklich der ultimative Anfang gemeint. Wir müssen zurück bis zum Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren. Unmittelbar danach war das Universum voll mit Energie und Materie. Irgendwelche Strukturen oder Himmelskörper gab es noch nicht. Es gab nur hochenergetische Lichtteilchen und eine Suppe aus Elementarteilchen die im winzigen, neugeborenen Universum absolut gleichmäßig verteilt waren. Oder genauer gesagt: NICHT exakt gleichmäßig verteilt waren. Es gab minimalste Schwankungen in der Dichte des Materials. An manchen Orten war ein bisschen mehr Materie, an manchen ein bisschen weniger. Die Ursache für diese Dichteunterschiede liegt in der quantenmechanischen Unschärfe; man kann ja nie exakt sagen wo ein Teilchen sich befindet und gleichzeitig auch seine Bewegung exakt kennen und in der Realität ist die Sache natürlich viel komplizierter, aber weil die Quantenmechanik eben diese fundamentalen Unschärfen und Schwankungen quasi eingebaut hat und weil das junge Universum im Wesentlichen ein quantenmechanisches Objekt war – also winzig und voller Elementarteilchen – finden wir solche Schwankungen auch dort.
Was heißt das jetzt? Das heißt, dass es im frühen Universum Regionen im Raum gegeben haben kann, in der durch diese zufällig auftretenden Dichteschwankungen ausreichend viel Materie auf ausreichend kleinem Raum zusammengedrückt wurde, so dass ein schwarzes Loch entsteht. Das mag komisch erscheinen, weil man sich schwarze Löcher ja oft als „Materiemonster“ vorstellt, mit gewaltigen Massen. Aber genaugenommen spielt es keine Rolle, welche Masse ein schwarzes Loch hat. Es kommt nur darauf an, wie stark man diese Masse komprimiert; es kommt auf die DICHTE an, wie ich zu Beginn ja erklärt habe. Man könnte auch eine Bowlingkugel nehmen, die nur ein paar Kilogramm wiegt und sie soweit zusammenquetschen, bis daraus ein schwarzes Loch entsteht. Man müsste in dem Fall eben sehr weit quetschen: Aus einer Bowlingkugel mit einer Masse von etwa 3 Kilogramm würde erst dann ein schwarzes Loch, wenn diese Masse in eine Kugel mit einem Radius von einem Quadrilliarstel Meter gequetscht würde. Das ist enorm wenig, das ist 100 Millionen mal kleiner als der Durchmesser eines Elektrons!
Aber rein theoretisch spricht nichts dagegen, dass im frühen Universum entsprechende Dichteschwankungen kleine Massen auf sehr kleinem Raum komprimiert und so winzige schwarze Löcher erzeugt haben. Und das „winzig“ bezieht sich hier sowohl auf die Masse, als auch auf den Ereignishorizont, also den Radius der Kugel, auf die diese Masse komprimiert werden muss, damit man ein schwarzes Loch bekommt. Jetzt könnte man sich fragen, wo hier das Problem ist. Wenn die Theorie behauptet, dass es solche kleinen schwarzen Löcher gibt, dann muss man halt schauen, ob sie da sind. Wir sind ja heute in der Lage, winzigste Elementarteilchen nachzuweisen, da sollte das mit den schwarzen Löcher ja auch möglich sein.
Im Prinzip ja. Aber so einfach ist die Sache dann eben doch nicht. Da gibt es vor allem einmal die Hawking-Strahlung. Dieses Phänomen ist enorm komplex, wie ich in Folge 238 ausführlich erklärt habe. Aber es läuft darauf hinaus, dass auch ein schwarzes Loch nicht ewig existiert. Es löst sich im Laufe der Zeit auf und diese Zeit ist bei den normalen schwarzen Löchern absurd lange. So absurd lange, dass man mit den entsprechenden Zahlen kaum etwas anfangen kann; die Lebensdauer eines normalen schwarzen Lochs geht unvorstellbar weit über die bisherige Lebensdauer des gesamten Universums hinaus. Aber die Stärke der Hawking-Strahlung und damit die Lebendsdauer eines schwarzen Lochs hängt direkt mit der Masse zusammen. Je weniger Masse, desto kürzer lebt auch ein schwarzes Loch. Das Bowlingkugel-Loch von vorhin wäre mit seiner winzige Masse von 3 Kilogramm quasi sofort nach seiner Entstehung schon wieder zerstrahlt und verschwunden. Man muss sich also zuerst einmal überlegen, wie lange die hypothetischen primordialen schwarzen Löcher überhaupt überleben können.
Und das hängt davon ab, wann sie entstanden sind. Je früher, also je kürzer nach dem Urknall sich ein primordiales schwarzes Loch bildet, desto geringer seine Masse. Wir reden hier jetzt von Zeiträumen, die alle sehr, sehr viel kürzer als eine Sekunde sind! In diesen allerersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall sind aber im Universum jede Menge Dinge passiert, wie ich in Folge 99 ausführlicher erklärt habe. Vor allem gab es da – vermutlich – die sogenannte Inflationsphase. Da hat sich das Universum in einer unvorstellbar kurzen Zeit unvorstellbar stark ausgedehnt. Die Details der Inflation spare ich mir jetzt – vor der Inflationsphase jedenfalls hätten etwaige primordiale schwarze Löcher so winzige Massen gehabt, dass sie quasi unmittelbar danach noch schon wieder verschwunden wären. Nach der Inflationsphase – und wer es genau wissen will: Wir reden hier über einen Zeitraum der 10 hoch minus 32 Sekunden nach dem Urknall stattgefunden hat – könnten die primordialen schwarzen Löcher allerdings schon Massen von circa einer Milliarde Tonnen gehabt haben. Das ist so viel, wie ein typischer Berg hier auf der Erde hat. So ein Loch hätte einen Durchmesser der im Bereich der Elementarteilchen liegt und eine Lebensdauer von etwas über einer Milliarde Jahren. Heute wären sie also ebenfalls schon längst verschwunden. Aber man darf nicht vergessen, dass wir in der Astronomie immer auch in die Vergangenheit schauen können. Und eine Milliarde Jahre nach dem Urknall: Das liegt innerhalb dessen, was wir prinzipiell beobachten können. Die kosmische Hintergrundstrahlung zum Beispiel stammt aus einer Epoche, die nur 400.000 Jahre nach dem Urknall stattgefunden hat. Und die können wir wunderbar beobachten. Schwarze Löcher, die ein bisschen weniger Masse haben als die Milliarde Tonnen von vorhin und die entsprechend früher zerstrahlt sind, könnten in der Hintergrundstrahlung Spuren hinterlassen haben. So ein Loch verdampft ja explosiv und auch wenn es klein ist, kann es – sehr vereinfacht gesagt – seine Umgebung dadurch so beeinflussen, dass wir heute noch entsprechende Muster in der Verteilung der Hintergrundstrahlung beobachten können sollten. Und schwarze Löcher die ein bisschen später entstanden sind und ein bisschen mehr Masse haben als eine Milliarde Tonnen, könnten ihr Leben ein wenig später beenden. Das könnten wir dann ganz konkret beobachten, als Explosion am Himmel, so wie wir ja auch immer wieder Sterne explodieren sehen können. Tatsächlich sollte ein verdampfendes primordiales schwarzes Loch in etwa so aussehen wie ein Gammablitz, also die Explosionen die entstehen, wenn ein sehr großer Stern bei einer gewaltigen Supernova sein Leben beendet. Man hat in der Astronomie auch schon diskutiert, ob manche der Gammablitze die wir bisher beobachtet haben, genau auf solche primordialen schwarzen Löcher zurück gehen – eindeutig nachweisen hat man es bis jetzt aber noch nicht können.
Warum machen wir uns so viele Gedanken über etwas, was es vielleicht gar nicht gibt? Weil man mit primordialen schwarzen Löchern sehr viel erklären könnte! Wir wissen immer noch nicht genau, wie sich die ersten Strukturen im jungen Universum gebildet haben. Also die ersten Sterne, die ersten Galaxien, und so weiter. Wenn schon unmittelbar nach dem Urknall jede Menge vergleichsweise schwere primordiale schwarze Löcher da waren, dann könnten die als Ausgangspunkt für die Entstehung von Sternen gewirkt haben; könnten Masse an und um sich gezogen haben, aus denen sich dann erste Himmelsobjekte gebildet haben. Sie könnten miteinander verschmolzen sein und so die supermassereichen schwarzen Löcher gebildet haben, die dann wiederum das ganze Gas um sich geschart hätten, aus denen dann all die Sterne einer Galaxie entstanden sind. Primoridiale schwarze Löcher – sofern es sie gibt und sofern es sie heute noch gibt – könnten einen relevanten Teil der dunklen Materie stellen, deren wahre Natur wir ja immer noch nicht kennen. Und natürlich würde der Nachweis primordialer schwarze Löcher auch unser Wissen über das, was unmittelbar nach dem Urknall passiert ist bestätigen und erweitern.
Es muss sich übrigens niemand davor fürchten, dass da vielleicht jede Menge winzige schwarze Löcher durchs Universum fliegen. Denn erstens können die nicht überall sein; wenn sie WIRKLICH häufig wären, hätten wir schon längst davon gemerkt, weil wir dann ständig merken und sehen würden, wie sie mit Sternen kollidieren, und so weiter. Beziehungsweise hätte sich all die Sterne und Planeten in ihrer heutigen Form gar nicht erst gebildet. Und zweitens sind die schwarzen Löcher klein! Wenn der Ereignishorizont nur so groß ist wie ein Elementarteilchen, dann heißt das auch, dass man so einem Ding so nahe kommen muss, wie es nur zwei Elementarteilchen tun, damit einem was passiert. Man kann von einem primordialen schwarzen Loch nicht so einfach „verschluckt“ werden; dazu ist es zu klein. Klar, seine Masse beträgt immer noch ein paar Milliarden Tonnen und wenn so ein Ding mit der Erde kollidiert würde man das definitiv merken. Aber wie gesagt: Wenn das häufig vorkommt, dann hätten wir das auch schon gemerkt.
Primordiale schwarze Löcher sind höchst faszinierend und wenn wir ihre Existenz nachweisen können, dann wäre das großartig für die Wissenschaft. Angst haben müssen wir vor ihnen aber definitiv nicht.
Ich könnte jetzt auf eine Runde Quantenbowling mit Florian…
Danke wie immer sehr spannend und gut erzählt.
bei „Das Bowlingkugel-Loch“ musste ich allerdings 3-4 lesen bis ich mir halbwegs sicher was was gemeit ist;-)
Jürgen Lutz
Soweit ich weiß sollten schwarze Löcher keine Haare haben. Ist hiermit widerlegt, es muss sich um ein schwarzes Loch handeln, wo sonst sollte so viel Wissen Platz haben.
An dieser Stelle einfach vielen Dank für den super Blog! Wissenschaft rocks, grad in der heutigen Zeit.
Na ja …
Es gibt den klassischen Elektronenradius.
Es gibt den Wirkungsquerschnitt vom Elektron.
Und dann soll das Elektron auch strukturlos und damit punktförmig sein. 😉
Der Text hat mich zu einer Frage inspiriert, die hoffentlich beantwortet werden kann:
Wäre es denkbar, dass ein primordiales schwarzes Loch von der Größe eines Elektrons im Zentrum eines Sterns, wie der Sonne sein könnte?
Ich denke eher nicht, aber was würde passieren, wenn wir so ein Objekt dort hinein schmeißen würden, in einem Gedankenspiel?
@Aldiguru
Ein sehr interessanter Gedanke. Mal gucken, ob ich Lust habe das durch zu rechnen. Mit Rechnen meine ich eine grobe Überschlagsrechnung um die Größenordnungen zu bestimmen.
Zu den Schwarzen Löchern sei an dieser Stelle auch nochmals an eine klassische Nummer der Science Busters erinnert:
https://www.youtube.com/watch?v=rP5gCS8RcFY
Es gab dann auch noch eine weitere Aufarbeitung des Themas mit FF. Ich meine, es war im Programm „Warum landen Asteroiden immer in Kratern?“, bei der er Martin Puntigam und Prof. Jungwirth als Visualisierung dirigierte – ich finde diese tolle Szene nur leider nicht bei YT…
@ FF:
Hättest Du da eventuell noch einen Link?
Ich frage mich, welche Konsequenzen es auf die Kosmologie hat, wenn man keine primordialen findet. Wenn die Dichte hinreichend war, sie sich aber dennoch nicht bildeten, bliebe für mich jetzt nur der Schluss, dass die Inflationsphase noch schneller vonstatten ging, als angenommen oder abermals quantenmechanische Schwankungen den Kollaps vereitelten. Das würde wieder zu neuen Fragen führen. Immerhin bleibt’s spannend.
@FF:
Danke für den -wie von Dir gewohnt- schönen Artikel!!!
Und nein, das auf dem Foto ist keine Bowlingkugel und auch kein SL, welche bekanntlich *gar* keine Haare haben 😉