Verdammt! Morgen ist der September schon wieder zu Ende; ich hab diesen Monat irgendwie viel länger in Erinnerung. Auf jeden Fall hat mich das Monatsende ein wenig überrascht und eigentlich sollten hier ja jetzt die monatlichen Buchempfehlungen erscheinen. Ich bin aber gerade in Graz, mitten in den Dreharbeiten für die neue Staffel der Science-Busters-Fernsehsendungen. Also gibt es ausnahmsweise nur sehr kurze Empfehlungen zu dem, was ich im September gelesen habe.
- „Die Anomalie“ von Hervé Le Tellier. Ein sehr großartiges Buch. Unbedingt lesen. Es ist keine „schnöde“ Science Fiction, sondern höchst offizielle Literatur, ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt. Ein Flugzeug landet, und alle mögliche Menschen steigen aus. Ganz normal; zumindest so lange, bis ein paar Monate danach exakt das selbe Flugzeug noch einmal landet. Mit den selben Menschen darin. Die Personen aus dem Flugzeug existieren nun also zweimal und das stellt die Welt und vor allem die „kopierten“ Personen vor einige Probleme. Das Buch würde problemlos als klassische Science Fiction durchgehen; Le Tellier hat dafür genug Wissenschaft und wissenschaftsbasierte Spekulation über die Ursache des Phänomens untergebracht. Er beschreibt aber auch sehr eindringlich, wie die unterschiedlichen Menschen auf einer ganz persönlichen Ebene damit umgehen, plötzlich doppelt zu existieren. Man sollte auf in diesem Fall am besten auf Klassifizierungen wie „Science Fiction“ usw verzichten und einfach nur festhalten: Es ist ein großartiges Buch und eine absolute Leseempfehlung.
- „Forty Signs of Rain“ von Kim Stanley Robinson. Über Robinsons Buch „Das Minsterium für die Zukunft“ hab ich ja schon im Juli ausführlich geschrieben und nutze auch diese Gelegenheit nochmal, um es sehr dringend zu empfehlen. „Forty Signs of Rain“ ist schon etwas älter, erster Teil einer Trilogie und thematisch sehr ähnlich. Auch hier geht es um den Klimawandel; auch hier geht es um Behörden und Wissenschaft. Ich kann noch nicht sagen, wohin die Handlung am Ende führen wird. Aber die Lektüre lohnt sich. Das hier ist „Hard Science Fiction“ einer ganz besonderen Art. Robinson beschreibt sehr exakt, wie die tatsächliche Arbeit in der Wissenschaft und der Wissenschaftsförderung abläuft. Das mag ein wenig unaufregend klingen; das ist auch unaufregend. Aber so ruhig die Handlung stattfindet, so interessant ist sie auch. Und es beschleicht einen das Gefühl, dass man hier sehr ausführlich die Ruhe vor einem enorm großen Sturm erlebt…
- „The Georgian Star: How William and Caroline Herschel Revolutionized Our Understanding of the Cosmos“ von Michael Lemonick. Ich durfte kürzlich im „Geschichten aus der Geschichte“-Podcast ein wenig über die wissenschaftliche Arbeit von Willhelm Herschel erzählen. Das war sehr nett und es hat mich auch inspiriert, wieder mal ein Buch zu den Herschels zu lesen. „The Georgian Star“ ist kurz, spannend und man erfährt vor allem sehr viel über das Leben von Willhelm und Caroline, bevor sie sich der Astronomie gewidmet haben. Sehr gut!
- „Infinitum: Die Ewigkeit der Sterne“ (im Original „To sleep in a sea of stars“) von Christopher Paolini. Das war das einzige Buch des Monats, das mich nicht überzeugt hat. Die Handlung an sich ist originell. In der Zukunft hat sich die Menschheit über die Milchstraße verteilt. Eine junge Astrobiologin macht eine spektakuläre Entdeckung (die ich nicht spoilern will) und plötzlich ändert sich alles für sie selbst und die Menschheit. So weit, so gut. Aber eine gute Idee reicht nicht. Paolini hat sich irgendwie mehr auf Effekte konzentriert anstatt auf eine vernünftige Handlung. Da werden sehr spannende Handlungsstränge aufgebaut und man will wissen, wie es weiter geht. Und dann werden sie plötzlich und ohne Not kommentarlos fallengelassen. Es werden gigantische Weltraumschlachten entworfen und wirklich lange ausgewalzt; es gibt titanische „End-Boss“-Kämpfe und man wartet auf „die“ überraschende Wendung; den Knalleffekt und am Ende hauen die sich alle einfach so lange gegenseitig bis einer genug gehauen wurde und tot ist… Das Buch kann sich auch nicht entscheiden, ob es eher lustig sein will, wie Douglas Adams oder visionär wie zum Beispiel „2001“. Es ist beides und das harmoniert leider nicht immer. Man kann sich die Geschichten schon geben; sie ist unterhaltsam. Aber man muss damit rechnen, am Ende ein bisschen frustiert zurück zu bleiben.
Das war die Kurzversion meiner Lektüre im September. Und im nächsten Monat probiere ich dann, das Monatsende nicht mehr zu verpassen. Bis dann!
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Immer wieder dankend angenommene Tipps – diesmal Tellier/Robinson.
Zu „Die Anomalie“ ich mag deine Tipps und will dir auch nix unterstellen, aber das klingt ein bißchen wie.
Kritiker: „Sceine Fiction ist Trivial-Literatur“ SF-Fan: „Aber das hier ist wirklich gut geschrieben“ Kritiker: „Dann ist es keine Science Fiction“
Vielleicht bin ich aber auch als langjähriger SF-Fan einfach nur zu empfndlich;-)
@MinkyMietze: Ich wollte eigentlich nur sagen: Wer denkt, dass Science Fiction nur Trivialliteratur sein kann, sollte mal dieses Buch lesen und erfährt, dass das definitiv nicht so ist.
Selbiges gilt für Fantasy, wenn Genres überhaupt Sinn machen.
Im September las ich die letzten 2500 Seiten des Malazan Book of the Fallen von Steven Erikson und im Sommer Band 3 und 4 von Prousts Recherche.
Ein Literaturwissenschaftler würde mir jetzt den Hals umdrehen, wollte ich beide in die “Weltliteratur“ einordnen. Dennoch…
Da fällt mir Ursula K. Le Guin ein:
„Jede Beurteilung von Literatur per Genre ist Schrott. Jede Einstufung einer literarischen Form als inhärent höher- oder minderwertiger ist Schrott. Es gibt viele schlechte Bücher. Es gibt keine schlechten Genres.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/klimakrise-in-science-fiction-literatur-gehen-wir-unter.976.de.html?dram:article_id=494664
[…] letzen Monat habe ich ja noch gehofft, dass ich im Oktober erstens mehr Zeit haben werde um die Buchempfehlungen zu schreiben und […]