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Sternengeschichten Folge 454: Die ersten Sterne des Universums

Eigentlich hat die Astronomie kein großes Problem damit, Sterne zu finden. Das Universum ist voll damit, egal wohin man den Blick richtet – man wird Sterne sehen. Sehr oft stören sie sogar, weil ihr Licht das überstrahlt, was man eigentlich sehen will. Im Allgemeinen will man ja einen ganz bestimmten Stern beobachten; eine ganz bestimmte Galaxie oder Planet. Und wenn dann überall Sterne rumleuchten, kann das nervig sein. Eine ganz bestimmte Art von Stern hat sich den Teleskopen der astronomischen Forschung aber noch nicht gezeigt. Es geht um die allerersten Sterne des Universums.

Sterne existieren nicht ewig. Sie entstehen irgendwann und irgendwann verschwinden sie auch wieder. Unsere Sonne ist vor 4,6 Milliarden Jahre entstanden. Sie war also definitiv nicht der erste Stern im Universum, denn das ist schon 13,8 Milliarden Jahre alt. Es gibt aber natürlich auch ältere Sterne. Und irgendwann muss es die allerersten Sterne gegeben haben. In der Astronomie teilt man die Stern in „Populationen“ ein. Unsere Sonne gehört zur Population I; das sind Sterne, die – so wie sie – vor ein paar Milliarden Jahren entstanden sind und zur Zeit gerade quasi in der Blüte ihres Lebens stehen. Sterne, die schon circa 10 Milliarden hinter sich haben und damit deutlich vor der Sonne entstanden sind, gehören zur Population II. Es gibt sie noch im Universum, wir haben schon jede Menge davon beobachtet. Man findet sie meistens in den Außenbereichen von Galaxien. Aber trotz ihres hohen Alters waren auch sie nicht die ersten Sterne.

Das wissen wir aufgrund ihrer Metallizität. Davon habe ich in Folge 337 der Sternengeschichten mehr erzählt. Als „Metall“ gilt in der Astronomie alles, was kein Wasserstoff und kein Helium ist. Wir wissen natürlich schon, dass das chemisch nicht korrekt ist. Aber es macht Sinn, den ganzen Rest der chemischen Elemente zusammenzufassen, selbst wenn die – aus historischen Gründen immer noch verwendete – Bezeichnung „Metalle“ nicht ganz richtig ist. Denn nach dem Urknall gab es im Universum nur Wasserstoff und Helium. Sehr viel mehr Wasserstoff als Helium und sonst nichts. Aus den Elementarteilchen der beim Urknall entstandenen Materie haben sich nur diese beiden einfachsten Atome gebildet. Für mehr hat die Zeit nicht gereicht; es haben nur ein paar Minuten lang die Bedingungen geherrscht, unter denen sich Atomkerne bilden konnten. Mehr als Wasserstoff und Helium war da nicht drin. Ok, es sind noch vereinzelt Atome von Lithium und Beryllium entstanden, das dritt- und vierteinfachste Element. Aber in wirklich verschwindend geringen Mengen und für alle anderen Atomkernen muss man so viele Kernbausteine zusammenbasteln, dass das in den paar Minuten nach dem Urknall nicht geklappt hat.

Sterne wie die Sonne bestehen zwar – wie alle Sterne – so gut wie komplett aus Wasserstoff und Helium. Aber schon bei ihrer Entstehung hat sie ein paar Metalle gehabt. Die waren in der großen Gaswolke vorhanden, aus der sie sich gebildet hat. Und wo kommen die her? Von anderen Sternen, die diese Elemente im Laufe ihres Lebens durch Kernfusion in ihrem Inneren erzeugt und dann an ihrem Lebensende bei großen Explosionen durch den Kosmos geschleudert haben. Auch die älteren Sterne der Population II enthalten Metalle. Weniger als die der Population I, aber immer noch so viele, dass wir daraus schließen können, dass sie ebenfalls nicht von Anfang an da gewesen sein können. Auch sie müssen ihre Metalle von anderen Sternen bekommen haben, die vor ihnen existiert haben.

Metall ist super!

Genau darum geht es: Um Sterne, die KEINE Metalle enthalten. Um Sterne, die nur aus Wasserstoff und Helium bestehen. Sterne der Population III: Die ersten Sterne im Universum. Es muss sie gegeben haben. Denn irgendwo müssen die ganzen chemischen Elemente, die weder Wasserstoff noch Helium sind, ja hergekommen sein. Das kann nur durch die Kernfusion im Inneren von Sternen passiert sein. Und wenn nach dem Urknall nur Wasserstoff und Helium vorhanden waren, dann müssen logischerweise die allerersten Sterne ausschließlich aus Wasserstoff und Helium bestanden haben. In ihrem Inneren haben sie die ersten NEUEN chemischen Elemente produziert und den Kosmos nach ihrem Tod damit angereichert. Wir haben keinen Zweifel an der Existenz von Sternen der Population III. Aber es ist enorm schwierig, sie zu finden.

Wir gehen davon aus, dass diese allerersten Sterne enorm gewaltig waren. Je komplexer ein Atom ist, desto leichter kann es Energie loswerden. Ich erspare mir die ganzen Details der Quantenmechanik: Aber es läuft darauf hinaus, dass ein Atom nur dann Energie abstrahlen kann, wenn eines der Elektronen aus seiner Hülle seine Position ein wenig verändert. Komplexere Atome haben mehr Elektronen und mehr Möglichkeiten für solche Übergänge. Wasserstoff besteht aber nur aus einem Kernbaustein und einem Elektron drum herum. Bei Helium sind es zwei Elektronen. Das ganze Wasserstoff-Helium-Gemisch das nach dem Urknall vorhanden war, war also einerseits schon mal warm, weil es so kurz nach dem Urknall generell wärmer war als heute. Und andererseits konnte es diese Wärme nicht so gut loswerden, wie das eine interstellare Gaswolke heute tun kann, in einem kälteren Universum und durchsetzt mit allen möglichen schweren Elementen, die Wärme gut abstrahlen können. Die Temperatur einer solchen Wolke bestimmt aber, wann und wie sie unter ihrer eigenen Gravitation kollabieren kann. Was sie tun muss, damit aus einer diffusen Wolke ein echter Stern wird. Je heißer sie ist, desto schneller bewegen sich die Teilchen. Und je schneller die sich bewegen, desto länger können sie dadurch der Gravitationskraft, die die Wolke zusammenfallen lassen will, etwas entgegensetzen. Oder anders gesagt: In einer wärmeren Wollke braucht es sehr viel mehr Masse und damit eine stärkere Gravitationskraft, wenn man einen Stern kriegen will.

Heute liegt die theoretische Obergrenze für die Masse eines Sterns bei ungefähr dem 150fachen der Sonnenmasse. Das ist keine fixe Grenze; wir wissen nicht ganz genau, wie schwer ein Stern heute wirklich werden kann. Es gibt auch heute noch Bedingungen, unter denen ein Stern vielleicht mehr Masse haben kann. Aber damals, als das Universum daran ging, das erste Mal Sterne entstehen zu lassen, muss die Grenze bei ein paar hundert Sonnenmassen gelegen haben; vielleicht sogar dem 1000fachen der Sonnenmasse.

Jetzt könnte man meinen, dass das die Suche einfacher macht. Ein massereicher Stern sollte ja einfacher zu finden sein als ein winziger Zwergstern, oder? Im Prinzip schon. Aber je mehr Masse ein Stern hat, desto heißer ist es in seinem Inneren. Und desto schneller läuft dort die Kernfusion ab. Ein massereicher Stern hat seinen Brennstoff also deutlich früher aufgebraucht als ein kleiner Stern, der quasi auf Sparflamme brennt. Unsere kleine Sonne hat eine Lebensdauer von 10 bis 12 Milliarden Jahren. Ein gewaltiger Stern der Population III wäre nach 2 bis 5 Millionen Jahren schon durch. Das heißt, das mit Sicherheit keiner dieser gewaltigen Sterne vom Anfang des Universums bis heute überlebt hat. Jetzt wiederum könnte man auf die Idee kommen, dass die Suche nach ihnen dadurch komplett aussichtslos wäre. Wie sollen wir etwas finden, was seit mehr als 13 Milliarden Jahren nicht mehr existiert? Aber da kommen die großen Entfernungen in der Astronomie ins Spiel. Wenn wir Licht beobachten, dass sehr, sehr lange zu uns unterwegs war, dann blicken wir zurück in die Vergangenheit. Eine Galaxie, deren Licht 13 Milliarden Jahre bis zu uns gebraucht hat, erscheint uns so, wie sie vor 13 Milliarden Jahren ausgesehen hat, als das Universum selbst quasi noch ein Kind war.

Wie soll man da was finden? (Bild: ESO/R. Schoedel)

Wir sind in der Lage, so weit zurück zu schauen. Unsere Teleskope können solche alten – oder jungen, je nachdem wie man es betrachtet – Galaxien sehen. Ihr Licht haben sie nur ein paar hundert Millionen Jahre nach dem Urknall hinaus in den Kosmos gestrahlt. Der aber dehnt sich ja aus. Während das Licht unterwegs war, ist der Raum den es durchquert, immer mehr geworden. Deswegen ist ein Teil dieses Lichts heute eben immer noch unterwegs und wir haben eine Chance, es zu detektieren. Die Suche nach dem Licht der allerersten Sterne ist also durchaus schwierig, aber nicht chancenlos. Wir haben Sterne beobachtet, die enorm alt sind und enorm wenig Metalle enthalten. Aber eben noch keinen, der wirklich fast so alt wie das Universum selbst und frei von Metallen ist.

Oder vielleicht doch: Im Jahr 2015 hat ein portugiesisch-niederländisches Team aus Lisabon und Leiden eine Galaxie entdeckt, deren Licht wirklich lange unterwegs war. 12,9 Milliarden Jahre – wir sehen sie also sie, wie sie ausgesehen hat, als das Universum selbst nur knapp 800 bis 900 Millionen Jahre alt war. Wie man sich denken kann, leuchtet eine so weit von uns entfernte Galaxie nur schwach. Diese hier war aber sehr viel heller, als man es erwartet hätte. Jetzt ist es an sich nicht ungewöhnlich, das weit entfernte Galaxien aus der Frühzeit des Universums viel Strahlung abgeben. Das liegt an den aktiven Galaxienkernen, also den Zentren ferner Galaxien, in denen Materie um ein gigantisches schwarzes Loch kreist und dabei Unmengen an Energie abgibt. In aktiven Galaxien sieht man aber vor allem Röntgen- und Radiostrahlung und die konnte man hier nicht sehen. Stattdessen war da nur helles Licht, wie man es von Sternen erwartet. Und eine genaue Analyse zeigte: In der hellen Regionen gibt es nur Anzeichen von Wasserstoff. Und Helium. Und sonst nichts.

Die Galaxie – den Namen CR7 trägt, was einerseits für die Katalognummer 7 des Beobachtungsprojekts „Cosmic Redshift“ steht, andereseits aber, leider, auch für den Spitznamen des portugiesischen Fußballers Christian Ronaldo und seine Rückennummer 7 – diese Galaxie also zeigte ganz klar die Spuren des Lichts von Sternen der Population III. Aber nicht alle waren mit der Interpretation der Daten einverstanden – zwei Jahre später veröffentlichte ein britisches Forschungsteam ihre eigenen Beobachtungen von CR7 und zeigten, dass sie einerseits die früheren Daten nicht reproduzieren konnten und andererseits die restlichen Beobachtungen durchaus mit einer normalen aktiven Galaxie vereinbar sind, in der zwar alte Sterne existieren, aber keine Sterne der Population III. Es ist eben schwer, so weit entfernte Objekte mit der nötigen Genauigkeit zu beobachten, um eindeutige Aussagen machen zu können. Klarheit werden erst neue Beobachtungen bringen, die mit besseren Instrumenten durchgeführt werden.

Vielleicht lohnt es sich aber doch, auch in unserer Nähe nach den ersten Sternen zu suchen. Ein indisches Forschungsteam hat 2017 eine Arbeit veröffentlicht, in der sie argumentiert, dass nicht alle der ersten Sterne solche Massemonster gewesen sein müssen. Ihre Simulationen zeigen, dass bei manchen der Entstehungsprozess quasi unterbrochen werden kann, so dass sie am Ende nur eine Masse haben, die sogar noch kleiner als die der Sonne ist. Damit würde sich ihre Lebensdauer dramatisch erhöhen; sie könnten dann tatsächlich auch heute noch im Universum existieren. Unklar ist allerdings, wo man am besten nach ihnen suchen sollte. Manche meinen, dass sie überall zwischen den normalen, jüngeren Sternen verteilt sind. Manche sagen voraus, dass man sie eher im Zentrum der Milchstraße finden kann; andere dagegen, dass man viel mehr in den Außenbereichen der Galaxie suchen muss. Kurz: Wenn es sie überhaupt gibt, dann können sie nach dem was wir jetzt wissen, überall sein.

Womit wir wieder beim Problem vom Anfang wären: Es gibt einfach verdammt viele Sterne. Irgendwo müssen auch die allerersten Sterne sein. Entweder hier in unserer Umgebung, in unserer eigenen Milchstraße. Oder vielleicht weit entfernt in Raum UND Zeit, so dass sie uns nur der astronomische Blick in die Vergangenheit zeigen kann. Fest steht nur: Es muss sie geben. Und wenn wir in der Astronomie wissen, dass es eine bestimmte Art von Himmelskörper geben MUSS, dann geben wir keine Ruhe, bis wir die Dinger auch gefunden haben!

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 454: Die ersten Sterne des Universums“
  1. Es gibt sie, diese alten Sonnen, sie verstecken sich in den genauso alten Wasserstoffwolken im Universum, vergleichbar mit Eiswürfel im Eiswasser.

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