Ich habe ein Buch geschrieben. Also noch ein Buch, um genau zu sein. Und wenn man ganz genau sein will, dann habe nicht ich es geschrieben, sondern ich, gemeinsam mit meinem Kollegen Helmut Jungwirth. Der ist Biologe und Professor für Wissenschaftskommunikation an der Uni Graz, was praktisch ist, da das neue Buch von Biologie handelt. Es heißt „Eine Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen“ und ist genau das.
Vor zwei Jahren habe ich mein Buch „Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen“ geschrieben. Und im Vorwort darauf hingewiesen, dass ich natürlich nicht DIE Geschichte des Universums geschrieben, sondern nur EINE Geschichte. Und dass man noch sehr viel mehr Geschichten erzählen kann. Genau das haben Helmut und ich in unserem Buch getan. Es mag ein wenig seltsam erscheinen, wenn ich als Astronom auf einmal ein Buch über Biologie schreibe. Ist es aber nicht. Denn erstens spielen die winzigen Viecher auch in der Astronomie eine wichtige Rolle, zum Beispiel dann, wenn es um die Suche nach außerirdischem Leben geht. Oder wenn man wissen will, wie Menschen lange Zeit im Weltraum verbringen können. Oder wenn man wissen möchte, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. Überall dort haben die Mikroorganismen ihre (nicht vorhandenen) Finger im Spiel und deswegen gibt es im Buch auch jede Menge Kapitel mit astronomischen Inhalten. Und zweitens muss man das Thema, über das man schreibt, nicht unbedingt bis zum Doktortitel studiert haben (wäre es so, dürfte es auch keine Sport- oder Politikberichterstattung in den Medien geben, denn die wenigsten die darüber berichten, waren im Spitzensport oder der Spitzenpolitik tätig). Außerdem habe ich das Buch ja nicht alleine geschrieben, sondern gemeinsam mit einem studierten Mikrobiologen. Helmut hat aufgepasst, dass alles, was im Buch steht, auch dem Stand der Wissenschaft entspricht (was im Umkehrschluss natürlich bedeutet, dass sämtliche Fehler seine Schuld sind und nicht meine 😉 ).
Und bevor sich jemand Sorgen macht: Es geht in unserem Buch NICHT um Corona; es geht nicht einmal vorrangig um Krankheiten und Medizin. Das kommt natürlich auch das eine oder andere Mal vor, denn immerhin spielen die Mikroorganismen als Krankheitserreger eine wichtige Rolle. Aber sie sind eben so viel mehr als nur fiese Dinger, die uns krank machen. Genau diese Vielfalt wollten wir in unser Buch packen. Das fängt schon bei den Mikroorganismen selbst an: Es geht dabei nicht nur um Viren und Bakterien. Sondern auch um Algen und Pilze. Und um Archaeen! Die sind überhaupt die besten: Wann immer man von einem Mikroorganismus hört, der sich unter irgendwelchen absurd extremen Bedingungen durchsetzen kann, hat man es mit ziemlicher Sicherheit mit einem Archaeon zu tun. Die Entdeckung dieser seltsamen Wesen ist natürlich auch Teil des Buches: Lange Zeit hat man sie für eine komische Art von Bakterien gehalten. Bis dann der Amerikaner Carl Woese in den 1960er Jahren bei genetischen Untersuchungen festgestellt hat, dass die „Bakterien“ sich von den anderen Bakterien so sehr unterscheiden, dass man sie eigentlich als komplett neue Domäne des Lebens bezeichnen muss. Was man heute auch tut: Man teilt das Leben in Bakterien, Eukaryoten (Tiere, Pflanzen, Pilze, etc) und Archaeen ein. Und die Archaeen sind enger mit den Eukaryoten verwandt als mit den Bakterien. Oder anders gesagt: Wir Menschen und die extremen Archaeen stehen uns evolutionär näher als wir den Bakterien stehen.
Die Archaeen sind wichtig, wenn man die Entstehung des Lebens oder außerirdisches Leben verstehen will. Aber sie haben auch ganz konkrete wirtschaftliche Bedeutung: Da sie ihren Stoffwechsel unter extremsten Bedingungen (in kochendem Wasser, in Säure, in Basen, in Dunkelheit, im Gestein, etc) aufrecht erhalten können, können wir ihre biochemischen Tricks auch nutzen, um diverse chemische Prozesse zu optimieren (und umweltfreundlicher zu machen). Aber das Buch handelt nicht nur von Biologie und Chemie. Sondern zum Beispiel auch von Religion: Wer hätte gedacht, dass wir den Feiertag Fronleichnam einem Bakterium zu verdanken haben? Oder das Viren in diversen Gegenden der Erde eigene Götter hervorgebracht haben? Es geht um Kunst und den Einfluss, den Mikroalgen auf den Jugendstil gehabt haben. Um Politik, Präsidenten und Staatsmikroben. Es geht natürlich um Essen: Ohne Mikroorganismen hätten wir kein Bier, kein Brot, keinen Käse, keinen Wein, keine Schokoladen, und so weiter. Es geht um ganz viele Menschen, die sich die Erforschung der Mikroorganismen zur Aufgabe gemacht haben und es geht um all die Mikroorganismen, die in uns und mit uns leben. Es geht um Wirtschaftskrisen, um Wintertourismus, um die Entstehung der Erde und den Pudding von Fanny Hesse.
Kurz gesagt: Es geht um die Welt, die eine Welt der Mikroorganismen ist. Wir sind nur zufällig auch dort; die wahren Chefs sind aber die für unsere Augen unsichtbaren Wesen über die wir viel zu lange viel zu wenig gewusst haben und die wir immer noch viel zu wenig verstehen. Wer ein klein wenig in die Welt der Mikroorganismen eintauchen möchte, kann das gerne mit unserem Buch tun. Es ist heute offiziell erschienen und man kriegt es überall dort, wo Bücher verkauft werden. Es ist natürlich auch als eBook erhältlich (und ein Hörbuch wird es gegen Ende des Jahres auch geben).
Wer Helmut und mich live über das Buch reden hören möchte, kann das am 14.09.2021 in Wien (Thalia Wien Mitte) tun. Und ohne Helmut komme ich am 15.11.2021 nach Heidelberg (DAI). Und wenn sich in der Zwischenzeit noch andere Veranstaltungslocation melden, dann wird es die 100 Mikroorganismen auch an anderen Orten zu hören, zu sehen (und zu schmecken) geben.
Ganz viele Infos zum Buch gibt es hier, eine Leseprobe gibt es hier und wer Helmut und mich in ein paar kurzen Videos über Themen aus dem Buch reden sehen möchte, sollte dem Instagram-Account von Helmut folgen.
„Überall dort haben die Mikroorganismen ihre (nicht vorhandenen) Finger im Spiel“
Keine Finger… aber doch bestimmt das eine oder andere Pseudopodium!