Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 445: Die Astrotheologie von William Derham
Nein, ich habe mich nicht versprochen. Es geht heute um die Astrotheologie. Und damit sind keine Science-Fiction-Religionen gemeint oder irgendwelche UFO-Sekten. Es geht um echte Wissenschaft, es geht um Religion und es geht um die Verbindung zwischen beiden Bereichen. Das klingt aus heutiger Sicht ein wenig seltsam. Wir sind daran gewöhnt, dass Wissenschaft gerade NICHTS mit „glauben“ zu tun hat. Wissenschaft ist das, was man weiß und wenn man daran glauben muss, kann es keine Wissenschaft sein. Wir sind auch daran gewöhnt, dass es gerade zwischen Wissenschaft und Religion immer wieder zu Konflikten kommt. Und erinnern uns dann an die vielen Geschichten aus der Vergangenheit, wo die Religion der Wissenschaft nicht gerade freundlich gesinnt war. Der Kampf von Charles Darwin und seiner Evolutionstheorie gegen die Lehren der Bibel. Galileo Galilei, der vom Papst verurteilt wurde, weil er behauptet hat, dass die Erde sich um die Sonne bewegt. Giordano Bruno, der am Scheiterhaufen verbrannt wurde, weil er der Meinung war, die Lichter am Himmel wären Sterne, von Planeten umkreist auf denen Leben existiert. Letzters stimmt so übrigens nicht, die Gründe für den Konflikt zwischen Bruno und der Kirche waren nicht so sehr astronomischer Natur – aber das ist ein Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten. Kurz gesagt: Religion und Wissenschaft sind wie Wasser und Feuer, wie Hunde und Katzen, wie Lieferdienste und Türklingeln – erbitterte Feinde die nichts miteinander zu tun haben wollen.
Nur stimmt das so natürlich nicht. Es stimmt heute nicht und hat in der Vergangenheit noch viel weniger gestimmt. Dazu gehen wir am besten zurück an den Anfang der modernen Naturwissenschaft; ins 17. Jahrhundert. Da wurde am 26. November 1657 William Derham in England geboren. Nur knapp 15 Jahre nach Isaac Newton; knapp 10 Jahre nach der Geburt von Gottfried Wilhelm Leibniz: Also mitten in die Ära, als man in Europa damit begann, die Welt auf eine völlig neue Art und Weise verstehen zu wollen. Die großen Erkenntnisse, auf denen die Naturwissenschaft heute noch aufbaut, wurden damals gewonnen. Newtons Gravitationstheorie, die Mathematik von Leibniz und René Descartes, Robert Boyles Theorien über Chemie, die mikroskopischen Beobachtungen von Robert Hoooke. Und so weiter: Damals entwickelte sich die Wissenschaft in der Form, in der sie auch heute noch betrieben wird. Und Willam Derham ist ein wunderbares Beispiel dafür. Nach einem Studium in Oxford wurde er 1681 zum anglikanischen Priester geweiht. Und verbrachte den Rest seines Lebens im Dienst der Kirche.
Aber Derham interessierte sich nicht nur für die Religion. Sondern auch für alles andere. Und neben seiner Arbeit als Priester fand er genug Zeit, eigene Forschungen anzustellen. Zum Beispiel über Uhren: Man vergisst leicht, wie viel damals noch unbekannt war; wie viel noch nicht erfunden und wie viel man über die Welt noch nicht gewusst hat. Uhren im eigentlichen Sinn gab es damals nicht. Es gab Kirchturmuhren, die aber eher ungenau liefen und hauptsächlich dazu da waren, die Gläubigen zur halbwegs rechten Zeit in die Kirche zu rufen. Es gab Sanduhren, Wasseruhren, und so weiter – aber nichts, mit dem man die Zeit wirklich exakt messen konnte. Erst 1637 kam Galileo Galilei die Idee, dass man vielleicht ein genau abgestimmtes Pendel benutzen könnte, um die Zeit vielleicht sogar mit der Genauigkeit von einigen Sekunden zu messen. Er selbst baute allerdings keine und beließ es bei der Idee. Die erste echte Pendeluhr hat der niederländische Forscher Christiaan Huygens 1657 gebaut, also im Jahr von Derhams Geburt. Es war also eine absolut neue Erfindung, der Höhepunkt der damals aktuellen Möglichkeiten. Und immer noch ein enorm spannendes Thema für alle an Wissenschaft und Technik interessierten Menschen. Zu denen auch William Derham gehörte, was er mit seinem 1696 erschienenen Buch „Artificial Clockmacker“ zeigte. Darin erklärte er bis ins letzte Detail, wie eine Pendeluhr funktioniert und wie man sie bauen kann. Es war das erste Buch seiner Art und Derham musste sich das notwendige Wissen über Pendeluhren selbst beibringen, um es schreiben zu können.
Mit einer Pendeluhr gelang es ihm auch, die Geschwindigkeit des Schalls deutlich besser zu messen, als es bis dahin möglich war. 1709 stand er auf einem Kirchturm und beobachtete den Lichtblitz einer weit entfernt abgefeuerten Kanone. Mit dem Pendel maß er, wie lange es dauerte, bis er den dazugehörenden Knall hören konnte. Den Abstand zwischen Kanone und Kirchturm konnte er direkt messen und daraus die Schallgeschwindigkeit berechnen.
Es waren aber nicht nur Physik und Technik, die Derham beschäftigt haben. Er hat Insekten gesammelt, das Verhalten von Wespen und Käfern untersucht oder das Zugverhalten von Vögeln. Er hat sich mit Pflanzen beschäftigt und mit Meteorologie. Er hat Tiere beobachtet und untersucht um herauszufinden, wie sie sich unterscheiden. Dabei ist ihm durchaus auch aufgefallen, dass es innerhalb der Arten jede Menge Variationen gibt; die Sache mit der Evolution hat er aber nicht entdeckt – das kam erst später mit Charles Darwin. Derham war Geologe, hat Gesteinsschichten untersucht und nach mineralischen Quellen gesucht. Kurz gesagt: Er war das, was man damals einen „Naturphilosophen“ genannt hat (und wozu wir heute „Naturwissenschaftler“ sagen würden). Es war damals auch absolut nicht unüblich, die Interessen quer durch alle Wissensgebiete zu streuen. Damals wusste man noch kaum was über die Welt und die Naturgesetze. Und wenn man nichts weiß, dann kann man auch überall neue Phänomene entdecken. Alle Wissenschaftler waren damals mehr oder weniger Universalwissenschaftler. Es gab noch keine Spezialisierung wie es sie heute zwangsläufig gibt, weil wir schon so viel wissen, dass man gar nicht mehr alles lernen kann.
Und natürlich hat Derham sich auch für die Astronomie interessiert. Er hat die Sonnenflecken – die ebenfalls noch nicht allzu lange vorher entdeckt wurden – beobachtet, die Jupitermonde oder die Polarlichter erforscht. Jetzt könnte man vielleicht auf die Idee kommen, dass Derham angesichts all dieser wissenschaftlichen Tätigkeiten gar kein „echter“ Gläubiger war. Vielleicht war der Job des anglikanischen Pfarrers ja nur eine bequeme Art, ohne allzuviel Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen und die viele Freizeit für naturwissenschaftliche Forschung zu nutzen? Hier darf man allerdings nicht den Fehler machen, die Vergangenheit mit dem Blick der Gegenwart zu betrachten. William Derham hat die Arbeit für die Kirche sehr ernst genommen und hat es immerhin zum persönlichen Kaplan des Prinzen von Wales gebracht, dem späteren König George II. Und um jeglichen Zweifel auszuräumen, müssen wir uns nur die Bücher ansehen, die er nach seinem Buch über die Pendeluhr geschrieben hat. 1713 erschien „Physico-Theologie, oder eine Darstellung der Existenz und der Eigenschaften Gottes anhand seiner Schöpfung“. Zwei Jahre später veröffentlichte er „Astro-Theologie, oder eine Darstellung der Existenz und der Eigenschaften Gottes anhand einer Studie des Himmels“. Das ist zumindest die wörtliche Übersetzung des englischen Titels; die schon 1728 erschienene deutsche Übersetzung hat den wesentlich blumigeren Titel „Astrotheologie, Oder Himmlisches Vergnügen in Gott : Bey aufmerksamen Anschauen des Himmels und genauer Betrachtung der himmlischen Cörper ; zum augenscheinlichen Beweis, daß ein Gott, und Derselbe ein Allergütigstes, Allweises und Allmächtiges Wesen sey“.
Womit wir jetzt bei der im Titel dieser Folge versprochenen Astrotheologie angekommen sind. William Derham hat seine astronomischen Beobachtungen – und das, was er anderswo in der astronomischen Fachliteratur lesen konnte – verwendet, um darzulegen, dass es einen Gott geben muss. Man kann das 345 Seiten starke Werk auch heute noch lesen. Vieles davon ist aus moderner Sicht durchaus spannend. Er stellt zum Beispiel fest, dass die Sterne am Himmel ähnliche Objekte sein müssen, wie die Sonne und nur deswegen kleiner erscheinen, weil sie unvorstellbar weit weg sind. Deswegen müssen sie auch mit ihrem eigenen Licht leuchten, denn auf diese Entfernungen können sie unmöglich Licht der Sonne reflektieren wie das die Planeten tun. Und wenn sie leuchten, dann muss das auch einen Grund haben. Derham ist sich sicher: Die Sterne leuchten deshalb, um das gleiche tun zu können wie unsere Sonne. Sie leuchten, um ihre eigenen Planeten in Licht und Wärme zu tauchen. Denn was wäre ansonsten der Zweck der Sterne? Wieso sollte das Universum voll mit leuchtenden Himmelskörpern sein, die nichts anderes tun, als unsere irdischen Nächte minimal heller zu machen? Jeder Stern muss von Planeten umkreist werden, meint Derham. Und das mache auch Sinn: Denn so eine Vorstellung des Universum sei „viel großartiger und einem allmächtigen Schöpfer würdiger“ als einfach nur ein Universum, in dem außer der Sonne und ihren Planeten nur noch ein Haufen heller Lichter am Himmel existieren. Er spekuliert sogar darüber, dass das Universum unendlich groß sein müsste, um der Schöpfung eines Gottes würdig zu sein. Die Menschheit und die Erde stellt er hier nicht besonders hervor. Er nennt es eine „geschmackslose Sicht“, dass alles auf der Welt nur für die Menschen gemacht sei. Wir sind nicht das Zentrum das Universums; wir sind nicht der Höhepunkt der Schöpfung. Wir sind nur ein winziger Teil der grandiosen und unendlich großen Schöpfung Gottes, dessen Herrlichkeit durch die unzähligen Sterne mit ihren unzähligen – natürlich bewohnten – Planeten nur noch erhöht wird.
Auf diese Weise argumentiert Derham im ganzen Buch. Er beschäftigt sich darin mit der Bewegung der Planeten des Sonnensystems, mit den Unterschieden zwischen geozentrischen und heliozentrischen Weltbild; mit dem Aussehen der Milchstraße, der (damals noch unbekannten) Natur von Kometen. Er beschreibt die Flecken in der Atmosphäre des Jupiters, die Berge und Täler auf dem Mond, die Phasen von Mars und Venus. Er beschäftigt sich mit der noch neuen Gravitationstheorie von Isaac Newton, mit Sonnenfinsternissen, den Gezeiten, und so weiter. Es ist ein Überblick über den Stand des astronomischen Wissens der damaligen Zeit, ergänzt durch Derhams eigene Beobachtungen. Und in allem, was Derham über das Universum erklärt, sieht er einen Beweis für die Existenz und das Wohlwollen Gottes.
Das mag aus heutiger Sicht seltsam klingen. Aber Derham war weder der erste, noch der einzige, der auf diese Weise gedacht hat. Isaac Newton etwa war ein zutiefst gläubiger Mensch; ebenso wie so gut wie alle anderen die damals die Welt erforscht haben. Es gab aus damaliger Sicht keinen Widerspruch zwischen Religion und Wissenschaft. Dass das Universum – und mit ihm die Erde und die Menschheit das Resultat – eines bewussten Schöpfungsaktes ist, stand damals außer Frage. Etwas anderes konnte sich niemand vorstellen und nicht, weil die Menschen damals so viel dümmer als wir heute. Die Schöpfung war integraler Teil des damaligen Weltbildes und die Menschen konnten nicht anders, als innerhalb dieses Weltbildes zu denken. Und wenn die Welt einen Schöpfer hat, dann ist es absolut legitim, diese Schöpfung zu erforschen, um unter anderem auch mehr über den Schöpfer zu erfahren. Man stelle sich vor, wir würden heute ein paar Kilometer tief ins Innere der Erde bohren, und dort kein geschmolzenes Gestein finden, sondern Kabelstränge, Maschinen, Computer und jede Menge anderes Zeug. Angesichts dieser Belege für den künstlichen Urspung des Planeten würden wir auch mit aller Macht danach forschen, wer ihn erschaffen hat. Und aus damaliger Sicht war die Welt eben ebenso klar und deutlich erschaffen. Dass so etwas grandioses wie ein Planet oder ein Stern „von selbst“ entstehen kann; dass Menschen, Tiere und Pflanzen sich über unvorstellbare Zeiten hinweg aus mikroskopisch kleinen Wesen entwickelt haben: Das konnte man damals nicht nur nicht wissen, sondern nicht einmal ahnen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Natur war aus damaliger Sicht einfach nur ein anderer Weg, die Schöpfung Gottes zu verstehen.
Was nicht heißt, dass es keine Konflikte gab. Man konnte es sich durchaus mit der Kirche verscherzen. Die hatte ganz konkrete Vorstellungen, wie das „Wort Gottes“ zu verstehen sei und wer anderer Meinung war, bekam Probleme. Isaac Newton zum Beispiel war grundlegend anderer Meinung als die Kirche, was die Dreifaltigkeit des christlichen Gottes anging. Diese „Ketzerei“ musste er geheim halten, ansonsten hätte er es – trotz seiner Genialität und seines Ruhms – schwer gehabt.
Religion und Wissenschaft haben eine Beziehung, die man heutzutage wahrscheinlich mit „es ist kompliziert“ beschreiben würde. Im Laufe der Zeit ist jede Menge sehr wichtige Forschung von Angehörigen der Kirche durchgeführt worden. Selbst Charles Darwin studierte Theologie; dass er sich gleichzeitig intensiv mit Biologie beschäftigt hat, lag daran, dass er stark von der „Naturtheologie“ beeinflusst war, die unter anderem auf der Physiko- und Astrotheologie von William Derham aufgebaut hat.
Heute sieht die Welt natürlich ein wenig anders aus. Das, was William Derham und seine Kollegen so sehr beeindruckt hat, dass sie es nur durch die grandiose Schöpfung eines Gottes erklären konnten, haben wir durch mehr Wissen als natürliche Vorgänge erkannt, die kein bewusstes Eingreifen eines Schöpfers brauchen. Wir wissen, wie Planeten entstehen und Sterne. Wir wissen, wie wir Menschen uns entwickelt haben; wir wissen sehr viel mehr als früher und wissen deshalb auch, dass wir keinen Schöpfer benötigen, um die Welt zu erklären. Wir wissen das alles aber unter anderem deswegen, weil Derham, Newton, und all die anderen frühen Wissenschaftler ihre religiös inspirierte Forschung durchgeführt haben.
Man kann auch heute noch gläubig sein und Wissenschaft betreiben. Im Gegensatz zu früher ist es aber nicht zulässig, den Glauben als Begründung für die Wissenschaft heranzuziehen. Ein Phänomen mit „Gott hat es gemacht“ zu erklären, hat nichts mit moderner Wissenschaft zu tun. Die braucht objektive und nachvollziehbare Begründungen und vor allem braucht sie eine Grundlage, an die man NICHT glauben muss. Wissenschaft ist das, was auch dann noch richtig ist, wenn man aufhört daran zu glauben.
Ein richtungsweisender Beitrag zu Wissenschaft und Religion. Danke für den Mut Herr Freistetter.
Genau! Denn „als natürliche Vorgänge erkannt, die kein bewusstes Eingreifen eines Schöpfers brauchen“ zeigt die Richtung an, in die diejenigen laufen, die es immer noch nicht (an)erkannt haben: vor die Pumpe.
Die Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft erkannte schon Ignatius von Loyola der Begründer des Jesuitenordens im Mittelalter.
Heute müssen Jesuiten einen Beruf erlernen. Sie treten nicht als Geistliche auf.
Viele Wissenschaftler, vorallem in Frankreich gingen aus diesem Orden hervor.
Aus Wikipedia: „Die Jesuiten spielten lange eine große Rolle im Bildungssystem Europas. Die Anregung zur Einrichtung von jesuitischen Bildungsstätten ging auf Ignatius von Loyola selbst zurück, der 1551 vorschlug, dort außer Theologie, auch Logik und die antiken Klassiker zu lehren; später kamen noch Mathematik, Astronomie, Physik und Philosophie hinzu. Im 17. Jahrhundert verbreitete der Orden das Thesenblatt, die großformatige und in Kupfer gestochene Ankündigung der akademischen Disputatio, im gehobenen katholischen Bildungswesen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es in ganz Europa zahlreiche Schulen, an denen z. B. die Söhne von Adligen, aber auch Angehörige niedrigerer sozialer Klassen unterrichtet wurden. Aus den Reihen der Schüler kamen u. a. Rugjer Josip Bošković, René Descartes, Voltaire, Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet, Denis Diderot und Henry Humphrey Evans Lloyd. „
„Die braucht objektive und nachvollziehbare Begründungen und vor allem braucht sie eine Grundlage, an die man NICHT glauben muss.“
ich halte das für eine falsche Aussage, wenigstens dann, wenn man Mathematik und Naturwissenschaft heranzieht. Die Mathematik ist die Königin der Wissenschaften, weil sie an keinerlei Empirie/Erfahrung gebunden ist. Und genau das ist ihr Problem.
1) Die unzähligen Sätze der Mathematik machen nur einen Sinn, wenn man Axiome voraussetzt. Die muss man glauben um miteinander reden zu können. Je nach Axiomensystem können sich zwei parallele Geraden treffen oder auch nicht. Eine Wahrheit gibt es da ohne Anerkennung, also „Glaube“, eines Axiomensystems nicht. Es gibt keinen Beweis für ein Axiomensystem. Vertritt man unterschiedliche Auffassungen, so droht der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Dummerweise ist es nicht immer so leicht zu zeigen, ob zwei Axiomensysteme letztlich identisch sind.
2) Unabhängig vom Axiomensystem existiert in der Mathematik eine Logik mit der formale Systeme „aufgespannt“ werden. Doch gerade diese Logik zeigt mit Logik, dass jedes hinreichend komplexe formale System unvollständig oder widersprüchlich ist. Es gibt Dinge, die in der Mathematik beweisbar unentscheidbar sind. Je nachdem was man glaubt, entstehen in solchen Fällen zwei Mathematiken, ein wenig vollständiger oder sogar in sich widersprüchlich. Man kann nicht wissen ob sich irgendwann ein Widerspruch ergeben kann, nur weil man versucht hat willkürlich eine Unvollständigkeit/Widerspruch zu beheben..
3) Der Physik geht es ähnlich. Man kann die eine oder andere Schule der Quantenphysik vertreten. Man kann die Stringtheorie akzeptieren oder eben nicht, den Spekulationen über Leben auf dem Mars folgen oder den ebenso logischen Aussagen über die vollkommene Sterilität unseres Nachbarn.
Ohne Annahmen (Glaube?) keine Hypothese und ohne Hypothese keine Theorie. Und jedem Physiker ist klar, dass selbst die bisher beste Theorie ihren würdigen Nachfolger haben wird.
Das Problem ist, es existiert keine Grundlage. Naturwissenschaft ist top down. Unten ankommen werden wir nie.
Wir glauben nur unserer Erfahrung, unseren Sinnen, Verallgemeinern, so wie uns die Evolution das eingeprägt hat. Sicher können wir uns nicht sein. Der einzige, der in dieser Situation nicht glauben müsste, der wäre Gott. Und das würde den Satz oben widerlegen.
Sorry, das wurde in knapp 10 Minuten runter gehauen. Wenn es logisch ist, hinreichend genau, dann ist es mit Sicherheit unvollständig oder widersprüchlich. Das könnt ihr nun glauben oder auch nicht 😉
Joachim,
was du da rausgehauen hast ist richtig. Wir sprechen ja auch von einer Arbeitshypothese und schauen, wohin sie führt. Führt sie weiter, wird sie zu einer Theorie. Die Theorie ist wiederum als ein Modell zu verstehen, mit dem man arbeiten kann. Und wie ein „Model“ verschiedene Kleider anziehen kann, so kann auch das Modell sich verändern, die Grundlage aber bleibt bestehen, das ist die Logik.
Wir glauben also an eine Theorie, bis das Gegenteil bewiesen ist. Dieser Glaube läßt GPS funktionieren und bringt uns auf den Mond oder den Mars.
Etwas vernünftiger müsste man sagen, die Fehler der Relativitätstheorie sind klein genug, dass wie darauf vertrauen können. Auf der Erde reicht meist sogar Newton aus.
Wie stark Intuition und „Glaube“ oder auch Bauchgefühl eine Rolle bei den Wissenschaften spielen, das sieht man an Sätzen von wirklichen Genies wie „Gott würfelt nicht“ oder „Primzahlen sind zum Multiplizieren und nicht zum Addieren da“.
Bleiben wir aber bitte so rational, wie sinnvoll möglich. Im Kontext des von mir „kritisiertem“ Satzes geht das schon. Wenigstens dann, wenn man ein wenig Bauchgefühl (Realität?) zulässt. 😉
@Joachim
In einer meiner ersten Mathe-Vorlesungen betonte der Professor, dass das Gebäude der Mathematik auf Sand gebaut sei, und genau das hat er damit gemeint. Die Axiome sind die Sandkörner, unverzichtbarer Bestandteil vom Beton, mit dem das Fundament der Mathematik gelegt wurde. Da kann man schon einigermaßen drauf vertrauen, bis heute ist zumindest das Gebäude der Mathematik nicht eingestürzt, und ich glaube, dass das bis zum Ende des Universums auch so bleiben wird.
@stone1 Ich fürchte, das stimmt so einfach nicht. Da ist kein Beton. Da ist nur Definition. Sicher sinnvolle Definition, die man erst einmal toppen können müsste. Ab und an ist das aber geschehen.
Ich würde höchstens mit Leopold Kronecker zugeben: „Die natürlichen Zahlen hat uns Gott gegeben, alles andere ist Menschenwerk.“
In der Mengenlehre, Geometrie usw. werden durchaus mehrere Axiomensysteme abhängig von der Anwendung genutzt.
Manchmal, wie bei Oberflächen (Kugel) gibt es sogar den Versuch, kleine Bereiche so zu betrachten, wie es Euklids (Axiome von Euklid) tat, obwohl das im Großen gar nicht stimmt. Z.B bei der Winkelsumme des Dreiecks. Und das ist keine Vereinfachung oder Fehler. Dieser Bereich der Mathematik ist ganz schön logisch und auch relativ kompliziert.
Doch das Gebäude der Mathematik ist mit Gödels Satz längst „eingestürzt“. Jedenfalls in der Form: gib mir die Axiome und ich bau daraus logisch die gesammte Mathematik. Das tut’s leider so nicht. Dieses Mammutwerk würde seit Gödel wegen bewiesener Undurchführbarkeit aufgegeben.
Ob das nun William Derham Sicht stützt oder eben genau nicht, das ist sogar heute immer noch die Frage.
@Joachim
Okay, manchmal habe ich einfach nicht im Hinterkopf, dass ich hier hauptsächlich unter Deutschen bin. Man braucht meine Allegorie bitte nicht wörtlich oder gar als ‚Gesetz‘ auffassen wie den Gödelschen Unvollständigkeitssatz.
Als Ösi vergesse ich manchmal, dass vor allem nördlich des Weißwurstäquators gerne mal jedes Wort auf die Waagschale geworfen wird und man die Dinge möglichst genau nimmt.
Ich wollte nur metaphorisch meine persönliche Sicht auf die Mathematik schildern und die Verbindung zum ‚Glauben‘. Ich glaube dass man auch weiterhin so ziemlich alles was nötig ist berechnen wird können, denke andererseits allerdings auch, dass beispielsweise die Stringtheorie(n) Sumpfland ist/sind, in dem nur sehr mühsam, falls überhaupt, etwas Nützliches errichtet werden kann.
@stone1: So langsam kommen wir zueinander 🙂 auch wenn das mit dem Osi vs. unter Deutschen doch ein wenig unfair ist.
Medizin ist das, was hilft (frei nach Nietzsche). Ganz so dumm bin ich auch nicht.
Nur wenn Dinge absolut behauptet werden wie: „Wissenschaft ist das, was auch dann noch richtig ist, wenn man aufhört daran zu glauben“, dann kann man anmerken, wo die Grenzen der Erkenntnis sind.
Diese „Kritik“ soll aber Florian Freistetter oder irgendwen nicht diskreditieren. Es ist schon klar, was er meint – damit hat der ganz sicher Recht. Unvernunft, Aberglaube usw. gehören nicht in die Wissenschaft.
Außerdem einen wunderbaren Artikel geschrieben (finde ich).
@Joachim
Wieso, ihr seid doch eh viele und ich nur einer von ganz wenigen, so unfair ist das für euch auch wieder nicht. : ]
Die Grenzen der Erkenntnis sollten einem natürlich immer bewusst sein, einen aber auch nicht davon abhalten, möglichst nahe an diese herankommen zu versuchen. Auch wenn die Mathematik auf Sand gebaut ist und sich nicht als einzelnes Großbauwerk aufbauen lässt, kann man mit den einzelnen Teile in ihren jeweiligen Gültigkeitsbereichen doch eine Menge anfangen.
In der Physik werden wir es vielleicht auch niemals schaffen, alle Kräfte und Teilchen in einer Weltformel unter einen Hut zu bringen, aber das ist zumindest vorerst auch gar nicht unbedingt nötig, um trotzdem noch einiges mehr als das, was wir heute als gesichertes Wissen annehmen, über uns und das Universum zu lernen.
Seit wann sind Ösis keine Deutschen?
Abseits davon natürlich, dass Regierungen dort schon mal komplett von Leuten nicht aus der Region gebildet werden oder ein Teil der Wende Raubrittertum war.
Zum Thema: Du hast natürlich Recht. Doch darum ging es mir nicht. Es geht mir darum, dass wir nicht viel weiter sind als Newton oder Derham. Es stimmt, man muss nicht Gott als übermächtiges Wesen heranziehen um die Welt zu erklären. Doch sich selbst als Gott zu betrachten ist vermessen.
Es gibt Grenzen für den Menschen und für die Wissenschaft. An diesen Grenzen ist jede Hypothese nicht mehr zu belegen. Ich kann niemanden wiederlegen, der dort an Gott glaubt. Es gibt Physiker, die Buddisten sind und kompetent. Möglicherweise ist Glaube auch weniger der Mann mit dem Bart, der die Welt „geschafften“ hat, als eine Sicht der Welt. Die letzten Sätze des Artikels oben offenbaren einen Teil der Sicht von Florian Freistetter. Die kann ich verstehen und nachvollziehen. Das ist ganz sicher kein Blödsinn.
Doch es gibt andere Sichten, die genau so nachvollziehbar sind. Es ist einfach beweisbar nicht entscheidbar. Deshalb beschreibt der letzte Satz oben einen Glauben. Und das führt zu einer Kontradiktion.
Was ich, bei allem Respekt(!), für nicht sehr wissenschaftlich zu halten wage.
@Joachim
Verwechselst Du da etwas? Ösis sind keine Ossis, Mann. Österreicher, verstehst Du? Austrians, we live in forest cities ((C) der orange Trottel)! : )
Oh, ich finde schon, dass wir seit Einstein und Hawking (der leider viel zu früh verstorben ist) ein gutes Stück weiter sind.
Wer macht denn sowas?
Natürlich gibt es Wissenschaftler, die einen religiösen Glauben behalten haben, aber das ist heutzutage eher die Minderheit. Der österreichische Physiker Anton Zeilinger (Stichwort: Quanten’teleportation‘) ist so ein Beispiel.
Das ist ja auch imho vollkommen in Ordnung, solange dieser Glaube der wissenschaftlichen Arbeit nicht in die Quere kommt.
@stone1:
Ach ja, die Austrians und ihre faszinierende Tierwelt: Känguruhs, Koalas, Wombats und so! 😉
Na, aber mal im Ernst: Heinrich Hoffmann von Fallersleben hat seinerzeit auf Helgoland beim Schreiben des „Lieds der Deutschen“ schließlich alles zwischen Etsch und Belt zum Land der Deutschen gezählt. Es ist reiner historischer Zufall, dass die Etsch dieser Tage ein italienischer Fluss ist. Der deutsche König und Kaiser Friedrich II., von den Italienern liebevoll „Federico Imperatore Due“ genannt, ist auf Sizilien geboren und aufgewachsen.
@stone1 das ist nun mehr als peinlich. Wie dumm von mir. Ich gebe einen aus. Okay?
Zum Thema: Um einmal stark zu überzeichnen: Aus der Sicht eines Kreatonisten ist „…die man NICHT glauben muss“ Gotteslästerung. Wenn man nun sagt, Kreationisten sind ja auch unwissenschaftlich, so macht man es sich zu leicht. Unwissenschaftlich ist nur, etwas objektiv Falsches zu glauben (von wissen kann man ja nicht sprechen weil es ja falsch ist!). Aber die Aussage die Erde sei 4000 Jahre alt hängt von der Definition eines Jahres ab. Ob Dinos mit Menschen gleicheitig lebten ist eine Frage der Definition von Gleichzeitig. Aus der Sicht eines Gottes ist es angesichts des Alters des Universums egal, ob wir einen Fehler von 65Mio Jahre machen oder nicht. Das ist übrigens eine in der Physik zulässige und normale Abschätzung – je nach Kontext natürlich!
Mit etwas Wohlwollen kann man auch im wissenschaftlichem Kontext Kreationisten tatsächlich erst nehmen, so lange die nicht behaupten 1+1 sei 10 ohne den Kontext und die Fehlertoleranzen anzugeben. Vielleicht haben die ja die besseren (Spargel-) Rezepte? Wie auch immer, sie sind Menschen! Der Hass ist unangebracht. Dumm wird es nur, wenn Kreationisten Anderen den Biologieunterricht vorschreiben wollen. Glaube kann nicht aufgezwungen werden.
Die Aussage „die man NICHT glauben muss“ tut das aber aus einer scheinbaren wissenschaftlichen Perspektive heraus – sie verbietet den Glauben als Begründung – und ist damit nicht besser als das Verhalten eines Kreationisten. Denn der Wissenschaftler glaubt auch, dass die Formeln der Quantenphysik eine Wirklichkeit darstellen, selbst dann wenn der Verstand sich sträubt.
Dabei ist eindeutig klar, dass die Quantenphysik nur das bislang beste Modell der Wirklichkeit darstellt. Es ist eine Theorie und grundsätzlich im mathematischem Sinn nicht zu beweisen. Maximal ist sie widerlegbar. Aus der Sicht der Mathematik ist die Physik schwierig, weil nicht beweisbar. Ironisch dabei ist, dass es gerade die Physiker sind, die Mathematik schon mal weiterbringen. Praktiker eben.
Quantenphysik, AST und Co. sind eine Glaubenssache, sehr gut begründet und bisher unersetzlich, stimmen erstaunlich mit den Beobachtungen überein. Man kann sich sogar darauf verlassen, zum Mars damit fliegen oder Rechner bauen. Allerdings kommt man auch in einem Papyrusboot mit dem Wissen/Glauben der alten Ägypter nach Amerika.
Nun, die Theorien werden ersetzt werden, wenn wir uns weiter bewegen wollen. Und dann sagt der Kreationist sagt: „He, Jungs, da habt ihr ja jahrelang Falsches erzählt und bei mir zählt ihr Erbsen? Geht’s noch?“
Aber gut, ich gebe zu, auf einem Hexenbesen kommen wir nicht zum Mars. Das Ganze ist mehr Philosopie als Physik.
@Joachim
^^Man kann natürlich alles zu Tode relativieren, aber da hat eine Diskussion dann wirklich keinen Sinn mehr.
Wieso sprichst Du jetzt von Hass? (Ich bin übrigens auch zum Du gewechselt, ist eigentlich normal hier, aber in letzter Zeit bin ich ein wenig vorsichtig bei Neuzugängen auf Scienceblogs, manche Leute fühlen sich schnell mal auf den Schlips getreten.)
Wie es in manchen Regionen der Vereinigten Staaten der Fall ist, auf muslimisch geprägte Länder will ich hier mal gar nicht eingehen. Versuche in die Richtung gibt es aber auch in Polen, wenn ich mich richtig erinnere.
Das halte ich nicht bloß für dumm, sondern für gefährlich. Denn normalerweise geht es dabei ja nicht nur um die Sicht auf die Vergangenheit der Menschheit, sondern diese Religiösen halten sich ja auch für ‚besser‘ als Ungläubige, ihr jeweiliger Gott ist der superste und mächtigste Wunderwuzzi von allen usw. und deshalb wägen sie sich in einer illusorischen Art von Recht. Die Geschichte hat ja gezeigt, was Religionskonflikte anrichten können, und das hat immer noch nicht aufgehört.
Das ist so nicht ganz richtig. Theorien werden nicht ‚ersetzt‘, sondern weiterentwickelt, beziehungsweise gehen sie in umfassenderen Theorien auf. Newton ist weiterhin gültig und für viele Anwendungen problemlos einsetzbar, in spezielleren Fällen brauchen wir die vollständigere ART (allgemeine Relativitätstheorie, nicht AST). Gleiches gilt für die Quantenmechanik, auch wenn wir eines Tages eine umfassendere Theorie haben sollten, es liefe dabei darauf hinaus, ART und QM unter einen Hut zu bringen, bleibt die QM weiterhin in ihrem Einsatzbereich gültig und anwendbar.
Es ist nicht so, wie Du anscheinend meinst, dass irgendwann völlig was Anderes gelten wird, als wir bisher ‚glauben‘, und Theorien komplett umgeändert werden müssten. Das könnte nur passieren, wenn sich die Naturgesetze auf einmal ändern würden, und das ist eigentlich undenkbar. Dann würde das Universum implodieren, explodieren oder sonstwas und es wär eh alles over.
@stone1: das „du“ freut mich.
Na, Einstein ist schon nicht einfach eine Erweiterung von Newton. Alleine der Gravitationsbegriff oder die Relativität der Zeit. Der Ansatz unterscheidet sich fundamental. Newton lag einfach „falsch“ weil er Dinge nicht wissen konnte. Er hatte überhaut keine Vorstellung von der Gravitation. Der glaubte nur, dass da irgend etwas ist. Das er oft genau genug lag belegt noch lange nicht, dass Einstein da nur eine „Erweiterung“ geschaffen hätte.
Mir ist das so wichtig, weil man sich klar machen muss, dass wir in Modellen denken. Das ist definitiv nicht die Realität. Das ist bestenfalls eine mathematische Beschreibung der Realität. Es tut gar nicht weh, die Modelle mal zu opfen, wenn wir Neues entdecken.
Das ist doch nicht so wie beim Glauben, wo man an Dogmen hängt – oder etwa doch?
Übriges ist das mit dem implodieren oder explodieren des Universums auf lange Sicht noch nicht wirklich gekärt.
Den Rest habe ich gestrichen (zum Hass etwa: Frag einfach eine Suchmaschine nach Kreatonismus).
Doch bitte denke nicht, wenn ich hier eine Position einnehme, das sei meine Meinung. Ich kann auch anders, wie z.B. als Kreatonist argumentieren (…) Wenn Du Recht hast, um so besser. Deshalb rede ich ja mit dir.
@Joachim
Bei nicht-relativistischen Geschwindigkeiten, also praktisch allem was so Alltag auf der Erde ist, kann man weiterhin Newton nehmen, und es funktioniert. Newton lag nicht ‚einfach falsch‘, er lag genau richtig soweit es die Messgenauigkeiten zu seiner Zeit zuließen. Und wenn Du heute die Flugbahn eines Tennisballs berechnen willst oder was bei einem Autounfall für Kräfte wirken, brauchst Du auch nicht gleich die Relativitätstheorie bemühen.
Wenn sich mal eine Theorie aufgrund von Messdaten als grundsätzlich falsch erweist, wird sie ohnehin ‚geopfert‘, aber das war bei Newton nicht der Fall und bei Einstein schon gar nicht. Die ART wird immer wieder mit noch genaueren Messungen überprüft, und dass sie sich ein ums andere Mal bestätigt, spricht für die Genialität dieses Physikers.
Ja, wir denken in Modellen, und wenn wir das passende Modell auf eine Fragestellung anwenden, kommt ein brauchbares Ergebnis raus. Wenn die Modelle besser werden, steigt die Präzision der Ergebnisse.
Und vielen Modellen, wie etwa Newtons Mechanik, darf man ruhig vertrauen, weil sie sich im Alltag bewährt haben. Sonst würden wir weder Radfahren noch mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen können.
ART und QM braucht man im Alltag nicht, aber Raumflug und Computertechnologie würden ohne sie nicht funktionieren.
Etwas sträubt sich in mir nun schon wieder zu widersprechen. Denn es ist nicht so falsch (und war es nie) was du meinst – jedenfalls nicht in der Konsequenz.
Wenn ich aber meine Rolle weiter spiele:
Computertechnologie, ja nicht einmal eine Led würde ohne Quanteneffekt funktionieren. Wir haben das in den Wohnungen und überall.
Newton lass ich mal so stehen weil ich deinen Gedanken verstehe. Trotzdem halte ich das streng genommen für nicht korrekt. Reichen ein paar Korrekturterme um die Argumentation von stone1 zu begründen?
Gibt es hier keinen Physiker der das mal kurz klären könnte? 😉
@Joachim
Da hab ich mich wohl unklar ausgedrückt, ‚braucht man im Alltag nicht‘ meinte ich so, dass man sich nicht selber damit auskennen muss, um seinen Alltag zu meistern. Während newtonsche Mechanik bei allen Bewegungen eine Rolle spielt und man so schon alleine durch die eigene Fortbewegung oder Sportarten, die man betreibt, ein Gefühl dafür entwickelt. Dafür braucht man nicht einmal Formeln kennen, obwohl das auch nicht schaden kann.
Man sollte sich ja auch vor Augen halten, dass das ja alles nur Modelle sind, die Wirkungen und Wirklichkeit so genau wie möglich vorherzusagen. Bei nichtrelativistischen Geschwindigkeiten oder Gravitationsstärken, kann man mit ausreichender Genauigkeit Newtons Gravitationsgesetz nehmen um aus den gegebenen Größen eine Vorhersage zu treffen.
Allerdings ist das Modell ja nicht die Wirklichkeit. Schließlich muss man sich mal fragen, woher tote Materie oder Energie (ist ja bekanntermaßen eh ein und das selbe) denn eigentlich weiß, dass es sich so oder so verhalten muss? Woher „weiß“ der Planet denn, welche Bahn er um die Sonne nehmen muss? Woher weiß ein Photon eigentlich, das Einfallswinkel = Ausfallswinkel ist, wenn es auf einen Spiegel trifft? Warum hält sich ein Photon an die für das Medium geltende Lichtgeschwindigkeit? Warum sehen alle Elektronen gleich aus?
Die Antwort auf diese Fragen ist eigentlich simpel. Sie „wissen“ es nicht. Unterhalb des Wirkumsquantum gibt es keine Regeln. Überlichtgeschwindigkeit, Zeitreisen in die Vergangenheit, Einfallswinkel und Ausfallswinkel etc. das gibt es da nicht. Damit wir aber etwas messen können muss es eine Wirkung geben und hier entstehen erst die Regeln und Naturgesetze. Hier sehen wir erst die Naturkonstanten wie die Lichgeschwindigkeiten. Der imaginäre Türsteher lässt halt nur die rein um eine Wirkung zu erziehlen, die sich an die Hausordnung des Universums halten. Wir haben aber nur die Möglichkeit diese Hausordnung zu lesen.
Woher das Teilchen weiß, was es tun muss ist eigentlich „relativ einfach“. Der Kollaps der Wellenfunktion (sozusagen, wenn man hinschaut) manifestiert Ort und Geschwindigkeit (besser Impuls).
In der Regel. Tricks wie das Doppelspalt-Experiment lassen wir mal weg – bis auf die Erkenntnis, dass es die Sicht letztlich bestätigt.
Das Gesetz der großen Zahl spannt die Regeln auf. Weil es eine „Aufenthaltswahrscheinlichkeit“ (vereinfacht) gibt, agieren Teilchen in großer Zahl unisono, ganz wie erwartet nach den beobachteten physikalischen Regeln. Irgendwann kann man (plötzlich) von Teilchen sprechen, von Geschwindigkeit, Masse und Ort, Energieübertragung beim Zusammenstoß und so weiter.
Aber nur in der Masse als Summe von Wahrscheinlichkeiten. Wäre ich ein riesiges Quantenteilchen (oder ein Mensch ;-)), so wäre denkbar, dass ich durch geschlossene Türen gehen kann. Es ist in der Realität als Summe der Einzelwahrscheinlichkeiten nur unglaublich unwahrscheinlich.
Warum es dann genau diese beobachteten Regeln gibt, liegt einfach daran, dass wir ohne die Regeln so wie sie sind, gar nicht existieren würden. Es sind viele Universen mit unterschiedlichen Regeln denkbar. Es ist sogar denkbar, dass dort etwas lebt. Nur weil die Regeln dort anders sind (Stärke der Grundkräfte oder Naturkonstanten, die Richtung der Zeit vielleicht), wird dieses Etwas vollkommen anders sein. Denkbar wäre zum Beispiel ein umgedrehtes Kausalprinzip bei dem die Wirkung vor der Ursache kommt weil die Zeit rückwärts läuft.
Ich hoffe ein Physiker kann meine Ungenauigkeiten korrigieren. Als unscharfes Modell sollte das aber in der Tendenz stimmen. He, Einführungen in die Quantenphysik sind deutlich länger als dies hier!
@Joachim
Was Du beschreibst ist eine Multiversumtheorie, in die Richtung gibt es Ansätze, es hat aber imho relativ wenig Sinn, sich darüber allzu viele Gedanken zu machen.
Solche parallel oder in einer oder mehreren Dimensionen über unseren 3 Raumdimensionen theoretisch existierende Universen kann man schlecht untersuchen. Eigentlich gar nicht, ich bin da alles andere als ein Experte, aber nach dem, was ich darüber gelesen habe, sind das Modelle, über die man zwar nachdenken kann, aber keinen Zugang dazu hat, so es sie gäbe. Also gar keinen. Wir können keine Messinstrumente bauen, um empirische Forschung in dem Bereich zu betreiben.
Ich müsste nachschauen, in welchen Büchern ich darüber gelesen habe und welche Blogartikel zu dem Thema hier existieren, aber Du kannst ja selber mal die Blogsuche anwerfen, wenn dich das interessiert.
René
Unterhalb des Wirkungsquantum gibt es keine Regeln.
Zur Erinnerung:
Das Wirkungsquantum ist kein kleines Teilchen, kleiner geht es nicht. Das Wirkungsquantum ist nur eine Zahl, eine Konstante, E / f = h. Das Wirkungsquantum ist der Quotient aus der Energie eines Photons und seiner Frequenz.
Daraus zu schließen, dass es dahinter keine Regeln mehr gibt, ……….
Auch Photonen sind nur gedachte Teilchen, wie die aussehen weiß kein Mensch. Man sieht nur die Spur des Photons in der Nebelkammer, aber was man sieht ist nicht das Photon selbst.
Korrektur #@23: Statt Multiversumtheorie hätte ich besser -hypothese schreiben sollen.
@stone1
Nachdem ich meinen Text #22 noch einmal gelesen habe – au weia. Na ja.
Aber das beschreibet nicht zwingend ein Multiversum.
Du bist es doch der immer so auf eine Wirklichkeit, Praxis besteht. Dann sieh auch, dass die Quantenmechanik nachweislich einen guten Teil mit der Wirklichkeit – in dem Sinn, wie von oben Freistetter beschrieben „ohne Glaube“ – überein stimmt und reale, praktische Auswirkungen hat.
@stone1
Sabine Hossenfelder hat sich vor knapp zwei Jahren mit der Multiversumshypothese auseinandergesetzt:
https://backreaction.blogspot.com/2019/07/why-multiverse-is-religion-not-science.html
@hwied
Photonen sind elektrisch neutral und können in einer Nebelkammer nur indirekt nachgewiesen werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nebelkammer
@Gimpel
Genau, das war einer der Beiträge, die ich zu diesem Thema gelesen habe.
~~~
@Joachim
Äh, hab ich denn den Eindruck erweckt, dass ich da anderer Meinung bin? Bin ich nämlich nicht, das muss ein Missverständnis gewesen sein.
@stone1
Ach komm, sei nicht immer gleich (ich übertreibe schamlos!) „angepisst“. Immerhin hast du gesagt, dass QM in der Praxis keine Bedeutung hat – was definitiv falsch ist. LED anyone? Ob es Multiversen gibt kann ich dir nicht beantworten.
Ich kann aber Wikipedia zitieren: Multiversen sind die „Gesamtheit aller physikalisch möglichen Aufteilungen der Realität in lokale physikalische Systeme.“
Da steht nicht, dass es sie gibt. Da steht übersetzt, dass Multiversen alle möglichen Lösungen von Gleichungssystemen sind.
Das ist korrekt und logisch, wenn die Gleichungssysteme korrekt sind. Der Rest ist Phantasie. Wenn die Hypothese Dinge erklärt, dann ist sie sogar brauchbar, so ähnlich wie Newtons Gleichungen heute noch brauchbar sind. Sie arbeiten dran. Und die sind keine Dummköpfe…
@Joachim:
Natürlich wäre vieles aus unserem täglichen Leben ohne Quantenmechanik nicht denkbar. Nur, wer macht sich das schon klar? Die wenigsten! Die Produkte der Quantenmechanik zu benutzen ist nicht ganz dasselbe wie sich selber mit ihr zu beschäftigen.
@Joachim
Selber ach komm, was ist das eigentlich für ein Spielchen, dass Du hier spielst?
Ich hab gesagt:
Klar soweit? Statt LED hab ich halt Computertechnologie als Beispiel genommen.
Aber Du stellst einerseits Fragen, die vermuten lassen, dass Du eher ein Laie in verschiedenen Gebieten bist, wie drüben:
Um dann im selben Kommentar zu schreiben:
also weißt Du eh Bescheid, dass GPL eine Lizenz und keine Art von Software ist.
Ähnlich auch hier bei den Physikthemen, Fragen die vermuten lassen, dass Du dich teilweise noch nicht allzu viel damit beschäftigt hast, dann kommt später aber doch durch, dass Du dich eh relativ gut auskennst. Das finde ich verwirrend.
@#31 tausche ein das für ein dass…
@Joachim
Ich hab erst jetzt grad deine Antwort an Christian Meesters und mich drüben gelesen, dadurch hat sich meine Verwirrung in Wohlgefallen aufgelöst. : )
Konnte ja bisher nicht einschätzen, wie alt Du bist und welchen Hintergrund Du hast, jetzt ist das viel klarer.
Bist also ein alter IT-Hase, sozusagen. Sehr schön, da haben wir eine vernünftige Basis um weiter zu plaudern.
Okay stone1, alles kein Problem. Referenzen gibt es aber nur beim Bier.
Sind wir denn jetzt durch mit:
„ist es aber nicht zulässig, den Glauben als Begründung für die Wissenschaft heranzuziehen.“.
Klar ist Glaube heranzuziehen nicht zulässig, weil Glaube ist per Definition kein Beweis. Wenn man sich auf „Axiome“ und Grundlagen einigt, dann bleibt es so lange logisch, bis die Methode des Herrn Cantor und Herrn Gödel den Knüppel zwischen die Beine wirft. Das ist sehr sehr selten in der Praxis und in der Physik sowieso. Gut die Heisenbergsche Unschärferelation… lassen wir das mal.
In diesem Sinn hat Florian Freistetter ohne Zweifel recht. Nur, die letzten Grundlagen werden angenommen und sind nichts als Vereinbarung. Der Satz von Freistetter – ihm zu Ehren von mir so benannt 😉 – scheint mir einfach einer gewissen „Verzweiflung“ über „Querdenker“, falschen Begründungen nach dem Motto: „Ich habe die Nase voll von lange widerlegtem Unsinn“ zu entspringen als einer Wissenschaftsphilosophie.
Ich habe ein wenig mitbekommen, wieviele absurde Theorien zur Goldbachschen Vermutung den wirklichen Mathematikern auf den Tisch kommen. Da versteht man dann, warum jemand wenigstens auf mathematische Grundkenntnisse besteht. Diese Mathematiker werfen solche Beweise maximal nach ½ Seite oder wenn die „Beweis der Goldbachschen Vermutung“ in der Überschrift sehen in den Mülleimer.
Obwohl, ich bin fast fertig mit Goldbach. Allerdings stirbt man sofort, wenn man das geschafft hat. Aber das kann man nicht beweisen. ζ und β noch einmal.
😉
@Joachim
Dann schau bloß, dass Du gute Aufzeichnungen hinterlässt, nicht dass es uns dann so geht wie bei Fermat damals… ; )