Seit der Veröffentlichung des Buches „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“ (im Original: „Extraterrestrial: The First Sign of Intelligent Life Beyond Earth“)* des amerikanischen Astronomen Avi Loeb sind die Aliens mal wieder in den Medien. Die Behauptung: Der interstellare Asteroid ‚Oumuamua sei in Wahrheit gar kein Asteroid, sondern eine außerirdische Raumsonde, angetrieben von einem Sonnensegel. Dass Avi Loeb immer wieder spektakuläre Thesen vertritt, wissen die Leser:innen meines Blogs ja. Das meiste davon ist spekulativ, aber wissenschaftlich seriös und interessant. Was ‚Oumuamua angeht hat sich Loeb aber meiner Meinung nach ziemlich verrannt.
Ja, der Asteroid hat sich nicht so verhalten, wie man das erwartet hätte. Seine Form ist ungewöhnlich und seine Bewegung zeigt den Einfluss nichtgravitativer Kräfte. Aber sieht man mal davon ab, dass die Beobachtungsdaten an sich schon etwas ungenau sind, weil wir nur wenig Zeit hatten, den Himmelskörper zu untersuchen, dann sind auch die Auffälligkeiten gar nicht so auffällig. Nichtgravitative Kräfte wie Strahlungsdruck, Jarkowski-Effekt und ähnliches kennen wir auch von Asteroiden in unserem Sonnensystem. Und auch die etwas längliche Form ist nicht SO extrem, als das man gleich Aliens als Erklärung ins Feld führen müsste. Natürlich ist ein Objekt, das aus dem interstellaren Raum zu uns kommt, etwas besonderes. Aber wir wissen, dass es jede Menge solcher interstellarer Asteroiden geben muss und es war nur eine Frage der Zeit, bis wir mal eines davon entdecken (und tatsächlich war die Entdeckung auch nicht völlig überraschend).
Man kann natürlich „Aliens“ als Erklärung anführen. Wir können nicht ausschließen, dass es irgendwo anders intelligente Lebewesen gibt, die Raumsonden durchs All schicken. Aber einerseits kann man mit „Aliens“ alles erklären (und damit nichts). Und andererseits gibt es für das Verhalten von ‚Oumuamua durchaus sehr viel plausiblere Erklärungen. Die wurden übrigens ziemlich zeitgleich zu Loebs Buch veröffentlicht – aber wer sich in den Medien nicht nur gegen eine Pandemie sondern auch gegen Aliens durchsetzen muss, hat schlechte Karten. Dabei sind die neuen Erkenntnisse über ‚Oumuamua durchaus spannend. Vermutlich handelt es sich bei dem Asteroid um einen gewaltigen „Eisberg“, der aus einem Stück gefrorenem Stickstoff besteht. Das Teil wurde aus der Eiskruste eines „Exo-Pluto“ geschlagen; also eines großen, eisigen Himmelskörpers am Rande eines anderen Sonnensystems und in den interstellaren Raum geschleudert. Auch das ist eine spektakuläre und spekulative Erklärung – aber im Gegensatz zu den Aliens eine, bei der wir wissen, dass es genau so abgelaufen sein könnte. Wir wissen, das es Himmelskörper wie Pluto oder Triton gibt, die von einer Stickstoffeiskruste bedeckt sind. Wir wissen, das Material durch Asteroideneinschläge ins All und auch in den interstellaren Raum geschleudert werden kann. Und wir wissen, dass die Beobachtungsdaten zu dieser Hypothese passen. Über Aliens wissen wir dagegen gar nichts.
Wer eine ausführliche Erklärung zur „Eisberg“-Hypothese hören will, dem kann ich den Podcast der Science Busters empfehlen (gibt es überall dort wo es Podcasts gibt). In Folge 2 habe ich mit Martin Puntigam ausführlich über diese Geschichte und Avi Loebs Alien-Spekulation gesprochen.
Das Thema „Aliens“ hat mich, gemeinsam mit meiner Kollegin Ruth Grützbauch, auch in der aktuellen Folge des „Das Universum“-Podcast beschäftigt. Der Astronomie wird ja immer gerne mal vorgeworfen, sie würde sich nicht mit außerirdischem Leben oder Aliens beschäftigen wollen, sondern solche „Pfui-Themen“ einfach ignorieren. Das könnte kaum weniger richtig sein; tatsächlich gibt es nicht nur enorm viel Forschung über Astrobiologie und die Suche nach Leben auf anderen Planeten. Auch intelligentes Leben wird gesucht und als ich für die Folge nach entsprechenden wissenschaftlichen Arbeiten recherchiert habe, hab ich so viel gefunden, das ich den Großteil davon gar nicht verwenden konnte. Am Ende musste ich mich auf vier aktuelle Forschungsarbeiten zum Thema „Technosignaturen“ beschränken. Darin geht es nicht nur um die Frage nach der Existenz von Aliens an sich. Sondern auch darum, wie wir sie finden könnten. Oder genauer gesagt: Ob wir etwas finden können, was diese Aliens konstruiert haben. Zum Beispiel Raumsonden, wie ‚Oumuamua eine wäre, wenn Loeb recht hätte 😉 Oder gewaltige kosmische Strukturen, wie Dyson-Sphären, Clarke-Gürtel oder ähnliche Konzepte, die wir nur aus der Science Fiction kennen.
Was das genau ist, wie man so etwas nachweisen könnte und wie die Chancen dafür stehen, diskutieren Ruth und ich in der aktuellen Folge. Und wie üblich beantworten wir auch Fragen aus der Hörerschaft (in diesem Fall auch zum Thema „Aliens“).
Wenn ihr auch Fragen an das Universum habt, die Ruth und ich beantworten sollen, schickt uns doch einfach eine Mail an fragen@dasuniversum.at. Oder ihr schickt uns eine Frage an podcast@sciencebusters.at (gerne als Audio), wenn wir im Science Busters Podcast
darüber sprechen sollen.
Die wissenschaftliche Literatur zum Thema „Aliens“ ist in der Tat sehr umfangreich. Auch deshalb wurde vor einiger Zeit ein Aufruf zur Einrichtung einer diesbezüglichen Bibliographie gestartet (https://arxiv.org/pdf/1908.02587 und Journal of the British Interplanetary Society 72 (6), pp. 186–189. Unter https://ui.adsabs.harvard.edu/, Suchfrage Bibgroup: SETI findet man mit etwa 2829 Referenzen, die gegenwärtig umfangreichste Zusammenstellung. Diese Bibliographie „lebt“ und wird ständig aktualisiert.
#1
„wissenschaftliche Literatur“??
Ich denke der Professor weiß, dass der Hunger nach neuen Erkenntnissen nach wie vor sehr groß ist. Das Buch wird sich vermutlich gut verkaufen.
Mit der Frage ‚where is everybody?‘ lässt sich nun mal kein Geld verdienen.
#2
wenn man Zeitschriften wie Nature, Science, Acta Astronautica, Astrobiology, JBIS, Astronomical Journal, Astrophysical Journal u.v.a als wissenschaftlich ansehen möchte, dann ist das genau so. Bitte mal selbst nachschauen … hilft durchaus beim Erkenntnisgewinn!
Oder einfach in die Shownotes des Podcasts schauen; da sind immer alle Fachartikel verlinkt, über die wir reden
[…] früher schon mal über die Suche nach außerirdischer Lichtverschmutzung geschrieben und über die “Technosignaturen” außerirdischer Lebewesen kann man stundenlang […]
Wieso ist ‘Oumouamoua eigentlich das erste interstellare Objekt, das die Menschheit je entdeckt hat? Ist das überhaupt richtig, und wenn ja, wieso?!
… das durch unser Sonnensystem reiste, sollte ich hinzugefügt haben
@Martin
Diese Frage ist leicht zu beantworten: weil man vorher noch keines entdeckt hatte.
Ein Click auf den Link interstellare Asteroid ‘Oumuamua‘ oben im Artikel hätte übrigens gereicht, um eine ausführliche Antwort zu finden. 😉
Nein, da muss ich jetzt eher von einer ganz grundlegenden Seite widersprechen:
Erstens hat Loeb nie behauptet, eine Erklärung gefunden zu haben, er hat nur eine Hypothese aufgestellt und nicht behauptet „das ist sicher so“. Er kritisiert nur, dass so getan wird, als ob „außerirdisch künstlich“ gar keine Hypothese sein DARF.
Und zweitens kennen wir sehr sowohl Stickstoffeis als auch zu mindestens eine Zivilisation, die Sonden in den interstellaren Raum schickt, nämlich unsere. Wir wissen also, dass beide spekulativen Hypothesen zu mindestens im Prinzip möglich sind.
Und wenn wir jetzt mal optimistisch davon ausgehen, dass wir Menschen uns nicht gegenseitig umbringen werden, was wird dann wahrscheinlich häufiger unser Planetensystem verlassen? Kilometergroße Brocken aus planetaren Krusten, die durch den Impakt auf die dritte kosmische Geschwindigkeit beschleunigt werden oder von uns gebaute Raumsonden?
Hmmm … wenn man mal im Hinterkopf behält, dass wir erst seit ca. 60 Jahren Raumsonden ins All schicken aber das ganze Zeug in unserem Planetensystem ca. 5 Milliarden Zeit hatte zusammen zu stoßen … Ich wäre für Türchen 1.