Die Welt steckt in einer Krise. Sie betrifft den gesamten Planeten und sie betrifft jeden einzelnen Menschen. Unser Alltag wird davon beeinflusst; politische Entscheidungen müssen getroffen werden. Um die Krise und die notwendigen Maßnahmen verstehen zu können, sind Kenntnisse der wissenschaftlichen Grundlagen notwendig. Deswegen sind Krise und Wissenschaft regelmäßig Teil der medialen Berichterstattung.

Diese Situation haben wir seit Anfang 2020; seit die Covid19-Pandemie ihren Anfang genommen hat. Jeden Tag wird über die aktuellen Entwicklungen im Fernsehen berichtet, in allen Nachrichtensendungen und zur besten Sendezeit. Es gibt Talkshows, Dokumentationen und Sondersendungen. Virolog:innen und andere Expert:innen werden regelmäßig gebeten, der Öffentlichkeit die Situation zu erklären. Unwissenheit ist gefährlich, angesichts der vielen Maßnahmen, die getroffen werden müssen, um die Krise in den Griff zu bekommen. Wenn es um Corona geht, dann klappt es mit der Information. Beim Klima aber nicht.

Dabei ist die Klimakrise nicht weniger relevant für uns als Corona. Ganz im Gegenteil. Die Covid19-Pandemie wird irgendwann vorbei sein. Die Klimakrise allerdings nicht. Auch sie betrifft alle Menschen und den ganzen Planeten. Sie ist in einem noch viel größeren Ausmaß eine existenzielle Bedrohung für uns als Corona. Sie beeinflusst unser Leben, unseren Alltag und es müssen auch hier politische und gesellschaftliche Entscheidungen getroffen werden. So schnell wie möglich – damit das aber vernünftig passieren kann, braucht es die dafür notwendige Information. Und im Gegensatz zu Corona ist die Berichterstattung zur Klimakrise unzureichend.

Aktuell gilt das sowieso für so gut wie alle Themen, die nichts mit der Pandemie zu tun haben. Wenn es nicht um das Virus geht, hat man derzeit kaum eine Chance, ein (wissenschaftliches) Thema irgendwo in den Medien prominent zu verbreiten. Aber die unzureichende Berichterstattung über die Klimakrise gab es auch schon vor der Pandemie. Und wir sollten uns darum kümmern, dass sie danach nicht immer noch unzureichend ist.

Deswegen gibt es in Deutschland schon seit einiger Zeit die Initiative „Klima vor acht“. Das Ziel: Eine regelmäßige Berichterstattung über die Klimakrise in den öffentlich-rechtlichen Medien auf einem guten Sendeplatz. Einem Sendeplatz, wie ihn beispielsweise derzeit „Börse vor acht“ innehat: Montag bis Freitag wird um 19.55 in der ARD circa 5 Minuten lang über Börsennachrichten informiert, seit mehr als 20 Jahren. Wirtschaftsnachrichten sind durchaus relevant – aber man kann zu Recht darüber diskutieren, ob es eine quasi tägliche Sendung über die Börse wirklich auf diesem Sendeplatz braucht. Oder ob dort nicht vielleicht andere Themen besser platziert wären.

Natürlich: Über das Klima und die Klimakrise wird berichtet. Es gibt auf den öffentlich-rechtlichen-Sendern (und anderswo, vor allem im Internet) sehr viele sehr gute Wissenschaftsformate. Aber so wie die Pandemie ist auch die Klimakrise ein singuläres Ereignis. Es ist eben nicht einfach „nur“ ein interessantes wissenschaftliches Thema. Die Klimakrise betrifft uns alle und sie wird nicht verschwinden. Sie wird nur immer dramatischer werden. Um eine Chance zu haben, etwas dagegen zu unternehmen, braucht es ein entsprechendes Bewusstsein dafür in der Bevölkerung. Ein Bewusstsein dafür, dass wir uns in einer Krise befinden. Ein Bewusstsein für die wissenschaftlichen Grundlagen, die Ursachen und die Zusammenhänge. Dank der wissenschaftlichen Berichterstattung zur Pandemie können wir alle fast problemlos mit Begriffen wie „Reproduktionszahl“, „7-Tage-Inzidenz“ oder „Fluchtmutante“ hantieren. Aber was ist mit „Kipppunkt“, „Strahlungsantrieb“ oder „Klimasensitivität“?

Angesichts der außergewöhnlichen Bedeutung der Klimakrise, reicht es eben nicht, wenn man darüber ab und zu mal etwas erfährt. Auf einem Sendeplatz, wo vielleicht nur die zusehen, die sich aktiv dafür entschieden haben. Oder auf einem YouTube-Kanal, in einem Podcast oder anderen Medien, die von einem relevanten Teil der Bevölkerung nicht genutzt werden. Die Information über die Klimakrise muss eine vorrangige Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien sein und sie muss dort stattfinden, wo man mit dem größtmöglichen Publikum rechnen kann.

Die Initiative „Klima vor acht“ halte ich daher für absolut unterstützenswert. Und es ist erfreulich, dass sie von den Medien nicht mehr komplett ignoriert wird. Um zu zeigen, wie so etwas aussehen könnte, hat „Klima vor acht“ per Crowdfunding ein paar Beispielsendungen produziert, die man auf YouTube sehen kann. Die erste Folge ist schon online:

Wie dieses Beispiel zeigt, geht es nicht darum, möglichst viel Panik zu schüren oder möglichst alarmistisch zu sein (obwohl das eigentlich durchaus angebracht wäre). Sondern darum, zu informieren. Und neben der Realität der Klimakrise und deren Ursache, auch die Lösungsmöglichkeiten und Strategien aufzuzeigen.

Ich würde mich enorm freuen, wenn „Klima vor acht“ auch abseits von YouTube Realität wird. Noch mehr freuen würde ich mich, wenn so eine Initiative nicht nur auf Deutschland beschränkt bliebe. Ich war mir eigentlich sicher, dass es auch entsprechende Bemühungen für ein „Klima vor acht“ in Österreich gibt. Meine Recherche dazu blieb aber ohne Ergebnis (sieht man von einem Punkt in einer Deklaration von CliMates Austria ab). Vielleicht habe ich nur nicht an den richtigen Stellen gesucht; wer mehr weiß als ich, soll mir bitte Bescheid sagen! Ansonsten wird es Zeit, dass eine entsprechende Initiative auf die Beine gestellt wird! In Österreich gibt es zwar keine passende Sendung kurz vor acht, die wie die deutschen Börsennachrichten, sinnvoll ersetzt werden kann. Die Hauptnachrichtensendung des ORF – „Zeit im Bild“ – läuft auch nicht um 20 Uhr, sondern schon um 19.30. Was aber immer noch „vor acht“ ist. Und zur Not kann man die Klimainformationen auch „nach acht“ unterbringen. In ORF 1 läuft derzeit um 20.03 und unmittelbar vor dem Hauptabendprogramm die Sendung „Hallo Österreich“, ein „Österreich-Update vor der Primetime“, wie es offiziell heißt. Da kann man doch wunderbar ein „Klima-Update vor der Primetime“ daraus machen. Und wollte ich ketzerisch sein, würde ich sogar fordern, dass man die seit 1987 existierende, täglich um 20:05 auf ORF zwei ausgestrahlte Sendung „Seitenblicke“ durch ein Klimaformat ersetzt. „Berichtet wird in den täglich fünf Minuten Sendezeit über das österreichische Gesellschaftsleben der Adabeis, der Schickeria und der „Society-Löwen“.“, schreibt die Wikipedia. So groß ist Österreich nicht, in den letzten 34 Jahren sollten wir alle Adabeis und Society-Löwen abgearbeitet haben – da wird es Zeit für etwas Neues

Wie auch immer. Ob vor acht oder nach acht: Nicht nur Deutschland braucht ein regelmäßiges Klimaformat zur besten Sendezeit, auch Österreich. Idealerweise eigentlich jedes Land auf diesem Planeten. Wenn uns die aktuelle Pandemie eines gezeigt hat, dann: Die Politik hat kein Problem damit, die Wissenschaft konsequent zu ignorieren. Sie richtet sich vor allem nach dem, von dem sie denkt, dass die Bevölkerung es gerne hätte. Also müssen wir dafür sorgen, dass die Bevölkerung gerne wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz möchte. Regelmäßige Information ist der Anfang.

5 Gedanken zu „„Klima vor acht“: Klimaforschung muss ins Fernsehen (auch in Österreich)“
  1. Eine Sache, bei der deine Heimat zumindest extrem weit vorne ist: Österreich hat so gut wie keine Kohlekraftwerke soweit ich weiß. Und das ist zumindest etwas positives.

  2. Solange die Mehrheit weiterhin glaubt, die Klimakrise ließe sich bewältigen indem man sie mit
    a) Geld,
    b) Technik oder/und
    c) Politik
    bewirft, hätte Klima vor acht genau dasselbe Problem wie FFF auf die Dauer. Beides ist notwendig, doch an die Kernwahrheit – eine Veränderung der individuellen Verhaltensmuster – traut sich kaum einer ran oder wird als Ökospinner verschrien.
    Was es braucht ist eine Sichtbarmachung der Avantgarde an Menschen, die bereits in der Praxis so leben, dass sie nicht über ihre ökologischen und damit sozialen Verhältnisse existieren. (Vgl. Niko Paech, Postwachstumsökonomie etc.)

    P.S. Mein durchschnittlicher Jahresstromverbrauch als 1-Person-Haushalt der letzte Jahre ist 200kWh.

  3. @ Falk
    Das klingt nett und wird auch erwünscht. Bringt aber nicht viel. Es beruhigt nur das Gewissen, der Erderwärmung ist es egal. Denn bedenken Sie: wir leben heute im zweiten Jahr der Pandemie und man ist sich einig, daß das langfristig für den Klimawandel keine Bedeutung hat, da nicht Verzicht den Klimawandel beendet, sondern nur der Umbau der Wirtschaft. Denn stärker als den bald zweijährigen lockdown läßt sich eine Wirtschaft gar nicht privat drosseln.

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