Am Samstag, dem 20. März 2021 wird endlich der Frühling anfangen. Zumindest astronomisch; was das Wetter dazu zu sagen hat, wird sich noch zeigen. Einen Tag später, am 21. März 2021, bekommt die Erde Besuch von einem Asteroiden. Das ist (leider) immer wieder gerne ein Anlass für schlechte Schlagzeilen in den Medien. Vor allem die Sache mit dem „Vorbeiflug“ scheint da immer noch für Probleme zu sorgen. Das finde ich ja immer ein wenig seltsam: Da sagt die Astronomie Bescheid, dass ein Asteroid an der Erde VORBEI fliegen wird – und die einschlägigen Medien machen daraus eine Geschichte, in der sie darüber spekulieren, ob der Asteroid mit der Erde kollidieren wird. Mehr noch: Wenn die Astronomie von einem „Vorbeiflug“ spricht, dann heißt das nicht, das das Ding knapp über unseren Köpfen durch den Himmel saust und man den Hut festhalten muss… „Vorbei“ kann alles heißen, von ein paar tausend Kilometern bis ein paar Millionen Kilometer Abstand zur Erdoberfläche. Ein Felsbrocken in so einer Entfernung kann uns nichts tun… er kann höchstens sehr interessant für uns sein.

Womit wir jetzt auch schon bei der Geschichte sind, die am kommenden Sonntag stattfinden wird. Es geht um den Asteroid mit der Bezeichnung 2001 FO32 und die sagt uns schon mal, dass dieses Objekt nicht neu für uns ist. Wir haben es im Jahr 2001 entdeckt und „wir“ ist in dem Fall das Lincoln Near Earth Asteroid Research (LINEAR) Projekt des MIT. Dessen Ziel ist es, möglichst viele große und erdnahe Asteroiden zu finden und 2001 FO32 passt da wunderbar. Das Ding ist zwischen 440 und 680 Meter im Durchmesser und gehört zur Gruppe der „Apollo“-Asteroiden. Also den Asteroiden, die sich nicht nur in der Nähe der Erde rumtreiben. Sondern sich auch auf Bahnen befinden, die die Bahn der Erde kreuzen. Die mittlere Entfernung eines Apollo-Asteroiden von der Sonne ist zwar immer größer als die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne. Dass sie die Erdbahn aber trotzdem kreuzen können liegt daran, dass der sonnennächste Punkt einer Apollo-Bahn immer näher an der Sonne liegt als der sonnenfernste Punkt der Erdbahn.

Aber: Nur weil Bahnen sich kreuzen, folgt daraus nicht, dass es auch zwingend zu Kollisionen kommen muss. Am 21. März 2021 wird so etwas definitiv nicht passieren. Früher oder später wird 2001 FO32 aber vermutlich Pech haben. Seine Bahn ist stark exzentrisch; sie ist alles andere als kreisförmig! Am sonnenfernsten Punkt seiner Bahn befindet sich der Asteroid weit außerhalb der Marsbahn. Am sonnennächsten Punkt hält er sich dagegen innerhalb der Merkurbahn auf. Oder anders gesagt: Er kreuzt nicht nur die Bahn der Erde, sondern auch die von Mars, Venus und Merkur. Die Bahn ist allerdings auch stark geneigt – um 39 Grad gegenüber der Erdbahn – und deswegen sind Kollisionen eben dann doch nicht ganz so wahrscheinlich. Denn die gibt es ja nur, wenn sich Planet und Asteroid gerade in den Schnittpunkten der Ebene befinden.

Umlaufbahn von 2001 FO32 (in grau, die Balken zeigen die Neigung der Bahn gegenüber der Erdbahn) (Bild: NASA/JPL-Caltech)

Wir wissen jedenfalls, dass 2001 FO32 in den nächsten 200 Jahren keine Gefahr für uns darstellt (danach vermutlich auch noch länger nicht, aber so weit kann man nicht mit der nötigen Exaktheit in die Zukunft rechnen). Was wir auch noch wissen: Am 21. März 2021 wird der Asteroid in einem Abstand von 2,02 Millionen Kilometer an der Erde vorbei fliegen. Und da hör ich schon wieder die Medien schreiben (hört man Medien schreiben? Egal…), dass das aus astronomischer Sicht ja quasi ein „Streifschuss“ ist. Oder was die da sonst immer so schreiben. Und ja, wenn man das ganze mit den Distanzen zwischen den Sternen und Galaxien vergleicht, dann sind 2 Millionen Kilometer kaum bemerkenswert. Es geht hier aber nicht um ferne Galaxien – sondern um Kollisionen zwischen Asteroiden und Planeten. Und zwei Millionen Kilometer sind genau 1.999.999 Kilometer mehr als nötig, um eine Kollision zu vermeiden (Ja, ich weiß – es braucht schon ein wenig mehr Sicherheitsabstand, weil Erde und Asteroid keine Punkte sind. Aber ihr versteht meinen Punkt!).

Der Asteroid wird in mehr als der fünffachen Distanz zwischen Erde und Mond an uns vorbei fliegen! Wer davor Angst hat, muss theoretisch auch ständig Angst haben, weil da ein 3500 Kilometer großer Himmelskörper in nur dem einfachen Mondabstand an der Erde vorbeifliegt (nämlich der Mond!). Es gibt also definitiv keinen Grund zur Sorge. Was es aber geben wird, ist Wissenschaft! Asteroiden sind großartig, spannend, wichtig und vor allem immer weit weg. Wenn wir was über diese Himmelskörper rausfinden wollen, müssen wir teure Raumsonden bauen und sie dorthin fliegen lassen. Deswegen ist so ein „naher“ Vorbeiflug keine Katastrophe sondern ein Grund zur Freude. Denn in so einem Fall – großer Asteroid halbwegs nahe – können wir Teleskope auf der Erde verwenden um ihn zu beobachten. In diesem Fall wird das vor allem ein Infrarot-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii sein. Denn man will den Felsbrocken nicht nur sehen, sondern auch wissen, woraus er zusammengesetzt ist. Das kann man rausfinden, wenn man sich das Sonnenlicht anschaut, das er reflektiert. Und dann analysiert, wie stark oder schwach bestimmte Anteile des Lichts von bestimmten Regionen der Oberfläche absorbiert oder reflektiert werden. Das geht im Infrarotlicht besonders gut; das ist ja nichts anderes Wärmestrahlung und wir beobachten damit, wie der Asteroid sich im Sonnenlicht erwärmt und diese Wärme dann wieder abstrahlt.

Solche Daten kann man dann mit den hier auf der Erde gefundenen Meteoriten vergleichen und damit konkret rausfinden, welche Gesteinsarten auf 2001 FO32 zu finden sind. Was uns wiederum viel darüber sagt, wo dieser Asteroid her kommt, was er in der Vergangenheit so erlebt hat. Was uns am Ende ein paar Geschichten über die Entstehung des Sonnensystems und der Erde selbst erzählen kann. Also! Keine Angst vor dem Asteroid. Er wird uns nicht schaden, sondern uns Informationen liefern, die anders nur sehr viel schwerer zu kriegen wären.

Übrigens: Sehen könnt ihr den Vorbeiflug nicht. Dazu braucht ihr ein halbwegs brauchbares Teleskop mit circa 20 Zentimeter Spiegeldurchmesser. Und müsst genau wissen, wann und wo man es auf den Himmel richten muss, um am Ende nen vorbeihuschenden Lichtpunkt zu sehen… Am besten, man wartet auf die Daten der professionellen Astronomie.

8 Gedanken zu „Der Vorbeiflug des größten Asteroiden des Jahres: Keine Gefahr, aber super für die Wissenschaft“
  1. Ja die Schlagzeilen.. heute ist im Merkur zu lesen „ERDERWÄRMUNG NIMMT TÖDLICHE ZÜGE AN – Sauerstoff verschwindet: Forscher sagen Datum voraus, an dem auf der Erde kein Leben mehr möglich ist“. Naja im Artikel selbst ist zu lesen, dass das erst in einer Milliarde Jahre passiert, dann ist es ja auch wieder gut. Klick gebaitet.

  2. Warum wird Asteroid eigentlich nie dekliniert? In der Überschrift und im ersten Satz muss es „des AsteroidEN“ und im ersten Absatz „von einem AsteroidEN“ heißen.

    Sorry Florian, ich weiß, dass es dich nervt, aber ich muss doch nochmal fragen, warum du das durchgehend so machst. Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass du die korrekte Form nicht kennst. Ist es vielleicht Profi-Jargon (da gibts ja die merkwürdigsten Sachen)? Oder ein irgendwie geartetes Statement, welches ich nicht verstehe?

    Ich erwarte, gerade von Bloggern, keine Perfektion in Orthografie und Grammatik, aber diesen wiederholten Fehler, gerade bei deinem Lieblingsbegriff in der Astronomie, empfinde ich als ziemlich eklatant, und als nachlässig deinen Lesern gegenüber (gerade Jüngeren, die das dann vielleicht so übernehmen, weil es ja von einem Fachmann kommt). Ich denke immer, das kann doch nicht so schwer sein. Irre ich mich da? Haben manchen Leute vielleicht grammatische „blinde Flecken“, die sie selbst gar nicht wahrnehmen? Es scheint ein bisschen so, als wäre es dir völlig unmöglich, das richtig zu schreiben, denn dann würdest du es ja tun …

    Tut mir leid, dass ich das Fass jetzt aufmache, aber ich bin echt etwas ratlos.

  3. @Dampier
    Dazu kommt noch, dass man die eigenen Fehler grundsätzlich nicht sieht, nur bei den anderen….
    „Haben manchen Leute…“
    Habe damals unzählige Diplomarbeiten in meiner Seminargruppe korrekturgelesen, nur bei meiner eigenen haperte es dann…
    Und wir hatten schon das Glück, als erster Jahrgang mit Computer, Disketten und „Typenraddrucker“ (weiß überhaupt noch jemand, was das ist?) arbeiten zu dürfen.

    @Florian
    Wieder sehr interessant. Hat man eigentlich schon Asteroiden mit – möglicherweise temporär eingefangenen – kleineren Begleitern gefunden? Die Geschichte mit dem Vorbeiflug von Duende und dem Meteor von Tscheljabinsk am gleichen Tag 2013 geht mir nicht aus dem Kopf. Gesagt wurde ja, dass wegen der rekonstruierten Flugbahnen beide höchstwahrscheinlich nichts miteinander zu tun hatten…

  4. @hwied:

    mich würde interessieren wie stark der Asteroid aus seiner Bahn beim Vorbeiflug an der Erde abgelenkt wird.?

    Bei dem Abstand vermutlich weniger als 1 Grad – mal so aus dem Gefühl heraus getippt.

  5. @Florian

    Wir wissen jedenfalls, dass 2001 FO32 in den nächsten 200 Jahren keine Gefahr für uns darstellt (danach vermutlich auch noch länger nicht, aber so weit kann man nicht mit der nötigen Exaktheit in die Zukunft rechnen)

    200 Jahre finde ich nach astronomischen Maßstäben relativ wenig.

    Liegt die Unsicherheit daran, dass es schwierig ist, die Ablenkung durch den nahen Vorbeiflug zu berechnen?

    Wie sieht es nach dem Vorbeiflug aus? Dann haben wir ja neue Beobachtungsdaten, die die Vorhersagen verbessern. Würdest Du erwarten, dass wir dann weiter in die Zukunft rechnen können?

    Wann sind die nächsten nahen Begegnungen?

    1. @Till: „Liegt die Unsicherheit daran, dass es schwierig ist, die Ablenkung durch den nahen Vorbeiflug zu berechnen?“

      Einerseits geht es darum, dass man hier die Bahne SEHR genau berechnen will. Das geht nicht mehr mit Newton, da brauchst du Einstein, da musst du die Erde nicht als Punktmasse sondern als 3D rechnen, musst den gravitativen Einfluss der großen Asteroiden berücksichtigen, usw. Das macht den Rechenaufwand sehr enorm. Und dann hast du natürlich auch die Probleme die durch die nahen Begegnungen kommen (obwohl die jetzt nicht so wirklich nahe ist… ). Weil das sich halt nicht exakt rechnen lässt. Andererseits sind 200 Jahre mal gut genug fürs erste; man kann mit Sicherheit auch bis zu ~1000 Jahre rechnen. Hat man halt nicht getan – gibt viele Asteroiden und man kann nicht bei allen alles berechnen…

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