Ein großer Gasplanet mit beeindruckend Ringen, so wie Saturn. Viele kleine Monde, die zwischen den Ringen den Planet umkreisen, so wie Saturn. Aber nicht in unserem Sonnensystem sondern knapp 300 Lichtjahre entfernt. Dort, wo einmal ein Stern so ähnlich wie unsere Sonne existiert hat, aber mittlerweile schon längst nicht mehr existiert. Der Stern hat seinen Brennstoff verbraucht und die Kernfusion eingestellt. Er ist in sich zusammengefallen; ist nun kaum noch größer als die Erde. Der tote Stern glüht nur noch heiß vor sich – er ist zu einem weißen Zwerg geworden. Vor seinem Tod hat er sich noch einmal zu enormer Größe aufgebläht und dabei auch das ihn umgebende Planetensystem durcheinander gebracht. Der große, saturnähnliche Gasplanet mit seinen Ringen und Monden hat den Prozess nicht überlebt. Er ist auf den weißen Zwerg gestürzt und dabei zerstört worden.
Es ist ein faszinierendes Bild, das Alexandra Doyle von der Universität Kalifornien in Los Angeles und ihre Kollegen da präsentieren („Icy Exomoons Evidenced by Spallogenic Nuclides in Polluted White Dwarfs“). Noch faszinierender ist aber der Weg, auf dem sie zu dieser Erkenntnis gelangt sind. Denn man fragt sich ja schon: Woher will man wissen, welche Planeten (und noch dazu welche Monde) einen Stern umkreist haben, den es schon längst nicht mehr gibt? Hier trifft man wieder auf die große Stärke der Astronomie: Wenn es um detektivischen Spürsinn und die Kombination von Indizien geht, dann kann sich selbst ein Sherlock Holmes angesichts der astronomischen Fähigkeiten nur verschämt in eine Ecke verziehen.
Alles fängt – wie immer in der Astronomie – mit dem Licht an. Denn das Licht sagt uns, wie die Quelle beschaffen ist, das es aussendet. Je nachdem welche chemischen Elemente dort vorhanden sind, fehlen bestimmente Anteile davon (weil die entsprechende Atome genau diese Anteile des Lichts blockieren). Aus der Untersuchung des Lichts des weißen Zwergs wissen wir also, welche Elemente sich in seiner äußeren Schicht befinden. Da sollte sich normalerweise nicht viel mehr befinden als Wasserstoff und Helium. Aufgrund der hohen Dichte des weißen Zwergs (so viel Material wie in unserer Sonne ist dort auf das Volumen der Erde zusammengepresst) ist auch die Anziehungskraft dort und alle schwereren chemischen Elemente sinken schnell in das Innere des Sterns. Aber zwischen einem Viertel und der Hälfte der weißen Zwerge sind „verschmutzt“, d.h. dass man dort sehr wohl andere Elemente finden kann. Sie müssen nach der Entstehung des Zwergs von außen gekommen sein. Zum Beispiel von Kometen, Asteroiden oder Planeten die den Stern früher umkreist haben und nach seinem Tod auf ihn gestürzt sind. Es dauert bis das neue Material in das Innere des Sterns gesunken ist und in der Zeit können wir die Spuren des planetaren Todes im Teleskop beobachten.
Der Fall von GALEX J2339-0424, wie der weiße Zwerg um den es geht mit vollem Namen heißt, ist aber besonders. Dort hat man einen Überschuss des chemischen Elements Beryllium gefunden. Es ist ein sehr seltenes Element, denn es wird nicht nur nicht durch Kernfusion im Inneren von Sternen erzeugt, sondern dort sogar zerstört. Es kann aber durch sogenannte „Spallation“ entstehen: Also durch nukleare Prozesse die stattfinden, wenn kosmische Strahlung auf passende Atome trifft. Die kosmische Strahlung besteht hauptsächlich aus Teilchen, die Sterne mit hoher Geschwindigkeit ins All hinaus schleudern. Sie tun im wesentlichen nichts anders als wir es hier auf der Erde in unseren Teilchenbeschleunigern machen. Auch da beschleunigen wir zum Beispiel Protonen, die Bausteine des Atomkerns, und lassen sie auf andere Atomkerne prallen. Je nach dem wie das abläuft, kann der Kern dadurch gespalten werden oder sich auf andere Art umwandeln. Das Resultat ist die Transformation des Kerns in eine neues chemisches Element. Beryllium kann so entstehen, wenn ausreichend viel kosmischen Strahlung auf Gestein oder anderes Material im All trifft; zum Beispiel auf Asteroiden oder auf die Oberfläche von Himmelskörpern die nicht durch eine Atmosphäre geschützt werden.
Alexandra Doyle und ihre Kollegen haben sich zuerst einmal angesehen, ob das Beryllium nicht vielleicht doch irgendwie durch Konvektionsströme oder ähnliche Vorgänge aus dem Inneren des weißen Zwergs in seine äußere Schichten gelangt sein könnte. Nicht in ausreichender Menge um die Beobachtungen zu erklären, lautet das Resultat. Gleiches gilt für normale Asteroiden oder Planeten, die auf den weißen Zwerg gestürzt sind. Es braucht die richtigen Bedingungen, damit das beobachtende Beryllium entstehen kann. Und die findet man in der Umgebung großer Gasplaneten die ein ausreichend starkes Magnetfeld haben. Dieses Magnetfeld kann die Teilchen aus der Strahlung eines Sterns einfangen und quasi fokussieren. Jetzt braucht es dort nur noch Material, auf die sie treffen können – und das findet man bei solchen Planeten in Form der Ringe. Saturns Ringe bestehen aus Eis- und Staubteilchen und es gibt keinen Grund, warum andere Planeten nicht ebenfalls solche Ringe haben. Die werden nun also von Teilchen aus dem „Strahlungsgürtel“ des Planeten bombardiert, dabei entsteht Beryllium und aus den Ringteilchen können sich „Eismonde“ bilden; felsige Himmelskörper mit einer dicken Schicht aus Eis rundherum. Und mit jeder Menge Beryllium.
All das können wir auch bei uns beobachten. Saturn hat Ringe, Saturn hat Eismonde; ebenso wie Jupiter und die anderen großen Planeten im äußeren Sonnensystem. Wir wissen auch dass es dort starke Magnetfelder gibt und jede Menge komplexe Wechselwirkungen mit den Monden. Es spricht also nichts dagegen (und sehr viel dafür), dass das Beryllium das den weißen Zwerg verunreinigt hat, tatsächlich von den Monden eines extrasolaren Ringplaneten stammt.
Mit Sicherheit kann man so etwas natürlich nie wissen. Wir können ja nicht in die Vergangenheit reisen. Aber vielleicht mal auf den Saturnmonden landen und dort konkret nachmessen, wie viel Beryllium sie enthalten. Das könnte die Geschichte GALEX J2339-0424 bestätigen oder widerlegen. Bis dahin bleiben wir aber auf jeden Fall weiter fasziniert von dem, was die Astronomie alles sehen kann.
„Dieses Magnetfeld kann die Teilchen aus der Strahlung eines einfangen und quasi fokussieren.“
Da fehlt doch was – aber was?
Sascha, da fehlt ein Wort!
Wie kann man sich diesen Prozess des Stürzens eines Gasriesen auf ein Objekt in Erdgrösse, aber mit viel größerer Dichte vorstellen? Ein ähnlicher Spiralkurs mit Verformung wie beim Sturz in ein schwarzes Loch?
Neben dem spektakulären, filmausschließlichen, jedoch sehr unwahrscheinlichen Frontalzusammenstoß gibt es für zwei sich nähernde Massen (egal welcher Größe) nur die beiden Varianten ‚vorbei‘ und aufeinander-zu-spiralen. Mehr oder weniger dramatische Verformungen gibt es immer dann, wenn der Abstand größerer Massenansammlungen die Roche-Grenze unterschreitet.
@rolak
Danke.