Seit vor 25 Jahren der erste Planet eines anderen Sterns entdeckt worden ist, suchen wir immer auch nach einer „zweiten Erde“. Also nicht einfach nur nach einem Planeten, sondern nach einem Planeten auf dem die gleichen lebensfreundlichen Bedingungen wie hier auf der Erde herrschen. Gefunden haben wir bis jetzt noch nichts. Aber immer wieder tauchen gute Kandidaten auf und sehr oft handelt es sich dabei um Planeten, die rote Zwergsterne umkreisen.
Das ist kein Zufall und zwar aus mehreren Gründen. Erstens sind rote Zwerge häufig. Die kleinen Sterne, die eine Masse zwischen 7 und 60 Prozent der Sonnenmasse haben, sind häufig. Etwa drei Viertel aller Sterne im Universum sind rote Zwerge! Der uns nächstgelegene Stern – Proxima Cenaturi – ist ein roter Zwerg und die Dinger sind auch sonst überall. Die kleinen Sterne leuchten auch viel schwächer als andere Sterne was die Suche nach Planeten leichter macht. Damit so ein Planet dann aber auch ausreichend viel Licht und Wärme abbekommt damit theoretisch lebensfreundliche Bedingungen herrschen, muss er dem roten Zwergstern recht nahe sein. Viel näher als etwa die Erde die Sonne umkreist. Das ist der zweite Grund warum wir solche Planeten leichter finden können: Je näher ein Planet seinem Stern ist, desto eher können wir ihn entdecken. Denn desto größer sind die gravitativen Effekte die ein Planet auf seinen Stern ausüben kann bzw. desto öfter kann der Planet den Stern unkreisen und von uns aus gesehen dessen Licht verdunkeln. Und genau diese beiden Effekte sind es, durch die wir die Planeten überhaupt finden können.
Wir finden also viele Planeten, die einen roten Zwerg in engem Abstand umkreisen (darunter auch einer der den sonnennächsten Stern Proxima Centauri umkreist). So weit so gut und wenn der Planet dann auch noch ungefähr so groß wie die Erde ist: Noch besser! Aber selbst wenn so ein „erdähnlicher“ Planet eines roten Zwergs im passenden Abstand für potenziell lebensfreundliche Temperaturen ist muss das noch lange nicht heißen, dass es da auch wirklich lebensfreundlich ist. Denn rote Zwerge sind hinterhältig!
Unsere Sonne gehört zu einer Klasse von Sternen die sich im Allgemeinen ruhig verhält. Das soll heißen, dass sie nicht zu Strahlungsausbrüchen neigt und mit „Strahlung“ ist hier nicht normales Licht gemeint sondern höherenergetische Röntgen- oder UV-Strahlung. So was passiert zwar auch bei der Sonne ab und zu mal, aber eben nur selten und wenn, dann ist die Erde weit genug entfernt so dass es selten gröbere Auswirkungen hat. Bei einem roten Zwerg läuft das anders. Ob es Ausbrüche gibt und wie stark sie sind, hängt davon ab was im Inneren eines Sterns vor sich geht. Vor allem von der sogenannten „konvektiven Zone“: Das ist der Bereich eines Sterns, in dem das Gas aus dem er besteht quasi beständig durchgewälzt wird. Heißes Gas von unten steigt auf, kaltes Gas von oben sinkt ab. Bei der Sonne ist nur die äußere Schicht konvektiv. Ein roter Zwerg aber überall. Das gesamte Material dort ist ständig in Bewegung was zu viel zahlreicheren und stärkeren Strahlungsausbrüchen führt.
Das hat Auswirkungen auf eine etwaige Atmosphäre eines Planeten. Wenn so ein Himmelskörper ständig mit harter Strahlung des Sterns bombardiert wird, führt das zu einem stetigen Verlust von Atmosphäre. Die Gasteilchen der Lufthülle werden – ein wenig so wie mit einem Sandstrahler – weggepustet. Die Frage lautet nun: Wie stark beeinflusst das die potenzielle Lebensfreundlichkeit eines Planeten bei einem roten Zwerg?
Sehr stark, lautet die Antwort die Kevin France von der Universität Colorado und seine KollegInnen kürzlich gegeben haben („The High-Energy Radiation Environment Around a 10 Gyr M Dwarf: Habitable at Last?“). Sie haben sich Barnards Stern näher angesehen. Dieser rote Zwerg ist nur 6 Lichtjahre entfernt und uns nach den drei Sternen des Alpha-Centauri-Systems am nächsten. Abgesehen davon ist Barnards Stern auch alt; mit circa 10 Milliarden Jahren fast doppelt so alt wie unsere Sonne. Das ist wichtig, denn man weiß, dass rote Zwerg vor allem in ihrer Jugend extrem aktiv sind. So aktiv, dass ein Planet vermutlich auf jeden Fall seine Atmosphäre verloren hätte. Aber wenn dann der rote Zwerg später ein wenig ruhiger werden würde, dann könnte sich eine neue Atmosphär bilden.
Nun haben France et al Barnards Stern mit dem Hubble-Weltraumteleskop beobachtet und auch das Chandra-Weltraumteleskop hat hingesehen. Das eine hat UV-Licht beobachtet, das andere Röntgenstrahlung. Beide Beobachtungen fanden 2019 statt; Chandra hat am 17. Juni hingeschaut und Hubble am 4. März. Und während der Beobachtungsdauer von einigen Stunden konnten beide ordentliche Strahlungsausbrüche beobachten. Zwei unabhängige Beobachtungen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten haben in unterschiedlichen Wellenlängen jede Menge Sternaktivität gezeigt. Das sieht nicht gut aus für etwaige Planeten und die ForscherInnen haben daraus hochgerechnet, dass Barnards Stern ein Viertel der Zeit über in einem Zustand ist, der nicht sonderlich lebensfreundlich ist.
Das 90fache der Masse der Erdatmosphäre kann so pro Milliarde Jahre durch den Stern „weggestrahlt“ werden. Selbst wenn es sich um einen so alten roten Zwerg wie Barnards Stern handelt. Natürlich muss das, was bei Barnards Stern passiert nicht bei allen roten Zwergen passieren. Aber Barnards Stern ist auch kein kompletter Exot! Und es wäre überraschend, wenn andere roten Zwerge sich völlig anders verhalten würden. Auf jeden Fall aber ist klar: Wenn wir nach einer „zweiten Erde“ suchen, dann sind rote Zwerge eventuell nicht die erste Wahl. Und wenn dir dort einen Kandidaten finden, müssen wir uns die Eigenschaften des Sterns und seine Aktivität ganz genau anschauen!
In einem so alten Sonnensystem würde ich auch allein deshalb nicht suchen, weil erdgroße Planeten dann abgekühlt und tektonisch tot sind. Dachte ich zumindest immer.
Wie schnell eine Atmosphäre „weggestrahlt“ wird hängt doch sicherlich auch von der Masse des Planeten ab!?!
Was ich sagen will: „Supererden hätten evtl. doch eine Chance:
1. Eine „Supererde“ könnte ihre Atmosphäre deutlich länger halten und würde vermutlich auch mit einer größeren Atmosphäre starten.
2. Eine Supererde würde langsamer auskühlen und länger tektonisch aktiv bleiben.
3. Die dichtere Atmosphäre einer Supererde könnte die Hitze auf dem Planeten besser verteilen und so den Effekt eines „Tidal locking“ besser ausgleichen.
Aber: eine Supererde mit tidal locking würde wahrscheinlich deutlich länger benötigen um eine Sauerstoffatmosphäre zu bilden:
1. Es steht weniger sichtbares Licht zur Verfügung weil der Stern röter ist und somit mehr Strahlung im IR und weniger im sichtbaren Bereich abgibt.
2. Sind die Zonen in denen Cyanobakterien oder Pflanzen photosynthese betreiben können vermutlich kleiner. (wegen des extremeren Klimas in einem „tidal locked“ Planeten)
3. Muss bei einem größeren Planeten mehr Material oxidiert werden bevor sich Sauerstoff in der Atmosphäre anreichern kann.
Es könnte also sein, dass Supererden um rote Zwerge einfach noch ein paar Milliarden Jahre brauchen um die Chance zu haben vielzelliges Leben hervorzubringen.
tidal locking = gebundene Rotation 😉
Es gäbe ja immer noch die Möglichkeit einer 2:3-Rotation. Natürlich wären die Tage lang und die Exzentrizität der Umlaufbahn bedeutete ein stark schwankendes Klima, aber womöglich wären die Bedingungen für Leben so allemal besser.
Ein erdgroßer Mond um einen sonnennahen Gasriesen wäre aber auch hypothetisch bewohnbar.
Wie wird die Atmosphäre genau an der Erde gehalten? Die Atmosphäre schließt direkt an den Weltraum an und da herrscht ein erheblicher Unterdruck.
Physikalisch sollte sie in den Weltraum abgezogen werden wegen des Druckausgleichs?
Dabei ist die Erde winzig. Wir machen uns das nur nicht richtig bewußt. Eine Stadt in 10 km Entfernung liegt schon 7,8 m unter der Horizontlinie, in 100 km 785 m und in 200 km 3,1 km.
Unsere kleine Kugelerde hält also nicht nur die Atmosphäre fest mit ihrer Schwerkraft, sie hält auch uns fest.
Auf einer Supererde könnte die Atmosphäre demnach wegen der Schwerkraftentwicklung flach und gepresst sein und dadurch dicht, daß wir wie in einer Überdruckkammer in einen Tiefenrausch fielen. Ab 2 bar wirkt Sauerstoff sogar toxisch.
Die Menschen wären, wenn, klein und besonders stämmig. Und wir hätten Probleme, weil unser Knochengerüst und unsere Muskulatur zu schwach wären. Das Stehen und das Gehen fiele schwer.
Ein anderer erdeähnlicher Planet müßte schon ziemlich genau so sein wie unsere Erde.
@statist:
Sicherlich wären die Lebensbedingungen auf einer Supererde anders als bei uns. Sollte sich dort aber Leben entwickeln, gäbe es keine „Menschen“. Eine gebundene oder 2:3-Rotation würde aber sicherlich extreme Umweltbedingungen schaffen. So ein Planet, zumal nahe einem Roten Zwerg, käme vielleicht niemals über das Stadium der Mikroorganismen hinaus. Unsere Erde ist aus diesem Stadium ja auch noch nicht so lange heraus – gerade einmal ein paar hundert Millionen Jahre.
Äh was? Flacherd-Argumentation deluxe. Bitte nochmal über den Denkfehler reflektieren.
@Bullet:
Ich denke, dass du dieses Mal schief liegst. Der „Druckausgleich“ bzw. dessen Ausbleiben sollte meiner Meinung nach nur dazu dienen, den Effekt der Gravitation hervor zu heben. Auf einer „Supererde“ mit der mehrfachen Masse wie unser Heimatplanet gäbe es also vielleicht trotz des aggressiven Sonnenwindes eines nahen Roten Zwerges eine Atmosphäre, nur wie sähen mögliche höher entwickelte Lebensformen aus? Oder könnten Menschen dort leben, falls sie es jemals schaffen sollten, dort lebend anzukommen?
Naja, das eine Atmosphäre eine bestimmte Höhe hat und nicht weggeblasen wird liegt an der Gravitation. Vakuum hat keine Eigenkraft. Das sich Gase in den Bereich hinein bewegen der weniger Masse hat liegt an der Eigenbewegung der Moleküle. Würde man Moleküle auf 0 Kelvin abkühlen, würde das Gas als Ball einfach so stehen bleiben und nicht auseinander treiben.
Wärme = Bewegung der Moleküle und Abstossung gegeneinander. Das ist dann die Kraft weswegen ein Gasball auseinander diffundiert.
Um Teilchen aus der Atmosphäre wegzublasen muss das Sonnenwindteilchen dieses auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen. Je schwerer die Teilchen um zu unwahrscheinlicher. Allerdings nimmt die Fluchtgeschwindigkeit mit der Entfernung ab, folglich ist das ganze ein Balanceakt zwischen zugeführter Energie aus Teilchengeschwindigkeit und Masse und Entfernung vom Objekt. Zusätzlich schützt das Magnetfeld vor übermässig viel Kollissionen, weil die meisten Teilchen dadurch abgelenkt werden
Interessant ist zb auch das Experiment, auf der ISS einen Wasserball ins Vakuum zu bringen. Durch den geringen Dampfdruck verdampft das Wasser, entzieht Wärme, es bildet sich eine Eiskugel. Die Adhäsionskraft des Wassers ist dabei stärker als die Abstossungskräfte der Moleküle durch die Wärmebewegung. Verdampfen die Teilchen, sinkt die Adhäsionskraft, der Dampf kann sich also wegbewegen und verteilen. Der Wasserball hingegen bleibt zusammen und bildet eine Kugel. Funktioniert halt nur in der Schwerelosigkeit, sonst würde der Ball der Gravitation folgend am Boden des Gefäss eine Eisschicht bilden. Das Vakuum hingegen zerstäubt das Wasser eben NICHT, Vakuum sorgt nur dafür, das die bewegten Teilchen weniger Widerstand entgegen wirkt. Der Effekt mag der gleiche sein, das Vakuum wird „gefüllt“ und ausgeglichen. Aber zum Berechnen muss man die Bewegungsenergie der Teilchen nehmen und nicht irgendeine Kraft die aus dem Vakuum wirkt/zieht. Ist wie der Unterschied zwischen ziehen und drücken.
Der Effekt wirkt dabei auch bei den Teilchen der Atmosphäre, die ins Vakuum gedrückt werden. Das ist zusätzliche Energie aus der Wärmebewegung. Und wirkt um so stärker, je dünner die Atmosphäre wird.
Die Erde verliert aber auch natürlich ständig etwas Atmosphäre, vor allem leichte und flüchtige Stoffe, insbesondere Wasserstoffmoleküle und Heliumatome.
Die Diskussion hatten wir ja schon mal: Der Eintrag an einschlagenden Meteoroiden ist vermutlich kleiner als der Gasverlust. Verglichen mit der Gesamtmasse der Erde ist das natürlich unerheblich. Allerhöchstens könnte uns irgendwann das Helium ausgehen, von dem es auf der Erde nicht so viel gibt.