Die Zahl Pi ist super! Ich bin ja nicht nur Mitglied im „Verein der Freunde der Zahl Pi“ sondern auch Botschafter der Zahl Pi. Dieser Job gibt mir nicht nur die Möglichkeit, neue Mitglieder in den Verein aufzunehmen (was ich erst kürzlich wieder in Passau getan habe). Ich bin auch immer auf der Suche nach neuen Nachrichten über die beste aller Zahlen. Diesmal bin ich aber einem Ort fündig geworden, an dem ich sonst Material für meine Serie „Schlechte Schlagzeilen“ finde: Der Click-Bait-Schleuder futurezone.de. Dort wurde Ende September ein Text mit der Schlagzeile „Faszination Pi: Neu entdeckter Exoplanet begeistert Mathematiker“ veröffentlicht.
Die Zahl Pi UND extrasolare Planeten: Zwei meiner Lieblingsthemen vereint; besser kann es ja kaum werden! Aber nicht umsonst schreibe ich diesen Artikel hier unter der Überschrift „Schlechte Schlagzeilen“. Denn es handelt sich dabei um eine genau solche. Wobei man hier ausnahmsweise mal nicht nur futurezone.de kritisieren muss sondern auch die Wissenschaft bzw. die PR-Büros der beteiligten Universitäten. Es geht um eine schon im Juni 2020 veröffentliche wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „π Earth: a 3.14-day Earth-sized Planet from K2’s Kitchen Served Warm by the SPECULOOS Team“.
Es geht also um die Entdeckung eines extrasolaren Planeten. Eigentlich keine große Neuigkeit mehr. Was übrigens vor allem Zeit, wie weit wir in den letzten 25 Jahren gekommen sind. Denn morgen vor 25 Jahren (am 6. Oktober 1995) wurde der erste extrasolare Planet überhaupt entdeckt. Das WAR definitiv eine große Neuigkeit und hat eine regelrechte Revolution in der Astronomie angestoßen. Und wie radikal unser Blick auf das Universum sich geändert hat sieht man eben unter anderem daran, dass die Entdeckung eines weiteren Planeten (wir kennen fast schon 4500 von den Dingern) keine große Sache mehr ist.
Das gilt auch für den konkreten Fall der die schlechte Schlagzeile angeregt hat. Der Planet ist nur ein bisschen kleiner als unsere Erde. Er umkreist einen roten Zwergstern, der sich 186 Lichtjahre von der Erde entfernt befindet. Entdeckt hat ihn das Weltraumteleskop Kepler weil der Planet von uns aus gesehen genau vor seinem Stern vorüber zieht und dabei ein wenig von dessen Licht blockiert. Die Masse des Planeten hat man noch nicht bestimmt, man geht aber davon aus, dass sie ebenfalls erdähnlich ist; es sich also um einen Gesteinsplanet mit fester Oberfläche handelt. „Erdähnlich“ im konkreten Sinn ist der Planet aber nicht, dort herrschen Temperaturen von mehr als 175 Grad Celsius. Denn der Planet – der die offizielle Bezeichnung K2-315b trägt – umkreist seinen Stern in sehr engem Abstand. So eng, dass er für eine Runde 3,14 Tage braucht.
Womit wir jetzt bei der Zahl Pi wären. Denn die beginnt ja bekanntlich mit der Ziffernfolge „3,14“ (und geht danach unendlich lange und ohne Muster weiter). Und das ist vermutlich auch genau der Grund, wieso diese spezielle Arbeit so viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Die AutorInnen des Fachartikels erklären zwar auch, dass ein Planet wie K2-315b gut geeignet ist um in Zukunft von Weltraumteleskopen wie dem James-Webb-Space-Telescope studiert zu werden um zum Beispiel herauszufinden, ob er eine Atmosphäre hat und wie diese zusammengesetzt ist. Was durchaus nicht falsch ist, aber auch kein Alleinstellungsmerkmal von K2-315b.
Dass nicht nur die Wissenschaft sondern auch der Spaß an der Freunden die Motiviation für diese Arbeit war, bestätigt der an der Forschung beteiligte Astronom Julien de Wit auch in Pressemitteilung des MIT:
„Everyone needs a bit of fun these days.“
Womit er absolut Recht hat und diesen Spaß hatten die ForscherInnen mit Sicherheit. Das merkt man ja schon am Titel der Arbeit: Darin wird K2-315b nicht nur als „π Earth“ bezeichnet sondern auch das – ziemlich alte – Wortspiel mit „pi/pie“ bemüht und erklärt, dass der Pi-Planet aus der „Küche“ des Kepler-Teleskops „warm serviert wird“ (weil „pie“ eben wie „pi“ klingt und „Kuchen“ bedeutet). Na ja. Über den Humor der Wissenschaft kann man streiten. Es ist halt ein netter Zufall, einen Planeten zu finden, dessen Umlaufzeit genau 3,14 Tage beträgt (genau sind es 3,1443189 plus/minus 0,0000049 Tage). Aber natürlich waren allen Beteiligten absolut klar, dass darin jetzt kein mysteriöses kosmisches Geheimnis versteckt ist. Auch die Pressemitteilung behauptet das nicht, nutzt aber natürlich den Anlass und die Pi-Verbindung um eine ansonsten eher unspektakuläre Forschungsarbeit ein wenig aufzupeppen.
Im Gegensatz dazu kriegt sich der Autor des Artikels bei futurezone.de vor lauter Mystery gar nicht mehr ein. Da wird gleich zu Beginn erklärt: „Der kuriose Trabant wurde von US-Wissenschaftlern entdeckt und wirft tiefgehende Fragen auf.“ Welche das genau sein sollen, wird leider nicht mehr erläuter. In der Unterschrift des Titelbildes kann man lesen „Ein neu entdeckter Exoplanet hat mysteriöse Verbindungen zur Zahl Pi.“ Die ebenfalls nicht näher erklärt werden; bis zum Schluss des Textes wo man lesen kann „Doch die große Frage um das Pi im Pi-Planeten bleibt noch ungeklärt.“ Nun – diese Frage ist weder „groß“ noch ist sie „ungeklärt“. Der Planet braucht deswegen 3,14 Tage für eine Runde um seinen Stern, weil er sich in einem Abstand gebildet hat, wo die Gesetze der Gravitation genau so eine Umlaufzeit fordern. Planeten entstehen überall um Sterne herum. Es gibt Planeten die brauchen 365 Tage (wie unsere Erde); es gibt Planeten die brauchen nur wenige Tage oder sogar Stunden (nicht im Sonnensystem aber anderswo). Es gibt Planeten die brauchen Jahre für eine Runde um den Stern und Planeten, die brauchen Jahrzehnte. Die Umlaufzeit hängt allein vom Abstand zum Stern ab (nichts anderes besagt das Dritte Keplersche Gesetz) und bei all den Planeten da draußen im Universum wäre es seltsam gewesen, wenn da nicht auch einer dabei wäre, der eben 3,14 Tage braucht. Ein kurzer Blick in den Exoplanetenkatalog liefert einen ganzen Schwung Planeten mit einer Umlaufzeit von „3,14irgendwas“.
Der „Pi-Planet“ ist einfach nur ein Planet. Ein interessanter Planet, genau so wie alle entdeckten Planeten interessant sind. Immerhin sind es komplette Welten; mit jeder einzelnen davon könnte man mehr als ein Leben lang voll Forschung verbringen (sofern man irgendwie an ausreichend Daten kommt). Die „Pi-Erde“ soll und wird weiter erforscht werden. Nicht wegen des Zahlenwertes ihrer Umlaufzeit. Sondern weil es ein interessantes Forschungsobjekt ist.
Mehr schlechte Schlagzeilen gibt es hier.
Außerdem… Warum sollte ein Erdentag das kosmische Maß aller Dinge sein?
Der Planet braucht sicher keine 3,14 „Pi“ – Tage für eine Umkreisung… Oder?
Die eigentliche Sensation ist ja, dass die Umlaufzeit sich (näherungsweise) auf die Erd-Tageslänge bezieht, die jetzt gerade besteht. Dieses Tageslänge war vor ein paar Millionen Jahren eine andere (kürzer) und sie wird in ein paar Millionen Jahren auch wieder eine andere sein (länger). Ja und jetzt weiß ich auch nicht. Aber Hauptsache Klicks. #facepalm
@Reinhard Sacher
Stimmt, wenn man die Angabe Erdentage des extrasolare Planet durch sagen wir Merkurtage ersetzt, dann bleibt vom Pi-Verhältins nicht sehr viel übrig. Pipi halt. 😉
Kurz und gut:
Pipifax
@Kerberos
Artikel von FF ist demnach pipifein. 😉
Fehlt nur noch ein Stern mit 23 Planeten, von denen der 23ste Planet einen 23 Stunden und 23 Minuten Tag hat – und die Illuminaten sind wieder in aller Munde. Sie beherrschen nicht nur die Welt, sie haben sogar das Universum designed.
anders herum gibt es da draußen sicher einen Planeten, dessen Tageslänge so lang ist (ca. 116,26 Erdentage), dass die Umrundung unserer Erde um unsere Sonne auf Pi derer Tage kommt … Faszinierend? Nein, Mr. Spock! Nur Zahlenspielerei.
@Marty McFly
Ach, das mit den 116,26 Erdentage biegen wir schon hin. 😉
Venus
Durch den rückläufigen Drehsinn dauert die auf die Sonne bezogene Rotationsperiode – also ein Venustag – jedoch „nur“ 116,75 Erdtage; im rechtläufigen Fall würde das Verhältnis zwischen der Rotations- und der Umlaufgeschwindigkeit fast eine gebundene Rotation bedeuten, wie im vollendeten Beispiel des Erdmondes, der dadurch der Erde ständig dieselbe Seite zuwendet. Der Venus wäre damit gegenüber der Sonne ein ähnliches Schicksal beschieden.
Vielleicht könnte mal jemand erwähnen, dass pi eine dimensionslose Zahl ist. Der Wert von pi ist auf der Erde derselbe wie auf dem Mond.
„Mutiger“ Blick in die Glaskugel: Schlechte Schlagzeilen vom 11. Februar 2042: „Exoplanet XYZ hat 42 Monde – Ist dort die Antwort auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest zu finden?“
OT
Herzlichen Glückwunsch an Andrea Ghez (USA), Reinhard Genzel (D) und Roger Penrose (GB) für den Gewinn des diesjährigen Physik-Nobelpreises.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/nobelpreis-fuer-physik-geht-an-deutschen-astro-physiker-reinhard-genzel-a-ac023d32-3408-40b6-86e8-b5c36649a89b