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Sternengeschichten Folge 403: Nikolaus Kopernikus

Nikolaus Kopernikus. Es gibt nur wenige Namen aus der Wissenschaft die so gut wie alle Menschen kennen. Albert Einstein, Charles Darwin, Stephen Hawking, Isaac Newton. Und Nikolaus Kopernikus gehört da auch dazu. Immerhin haben wir ein ganzes Weltbild nach ihm benannt, das „kopernikanische Weltbild“ und als wir diese Sicht auf die Welt akzeptiert haben war das die „kopernikanische Revolution“. Kopernikus war also definitiv kein unwichtiger Mensch. Und es lohnt sich, ein wenig genauer auf sein Leben und seine Arbeit zu schauen, auch wenn die meisten wissen, wofür er berühmt ist: Kopernikus hat gezeigt, dass nicht die Sonne sich um die Erde dreht sondern die Erde um die Sonne. Das wir nicht im Zentrum des Universums stehen. Und das ist richtig. Aber die ganze Geschichte ist ein wenig komplizierter und länger…

Geboren wurde Nikolaus Kopernikus am 19. Februar 1473 in Thorn. Das heißt heute Toruń und liegt in Polen. Damals war es aber Teil von Königlich Preußen, nicht zu verwechseln mit dem Königreich Preußen; aber die Geografie dieser Ecke von Europa zur damaligen Zeit aufzudröseln ist eine sehr komplizierte Angelegenheit und nicht das Thema dieser Folge. Kopernikus hieß damals auch nicht „Kopernikus“ sondern Niklas Koppernigk. Erst später hat er – wie es damals unter den gebildeten Menschen üblich war – eine lateinische Version seines deutschen Namens angenommen, eben „Nikolaus Kopernikus“. Sein Vater war ein reicher Kupferhändler, starb aber schon als Nikolaus erst zehn Jahre alt war. Zum Glück gab es noch Verwandte, zum Beispiel Lucas Watzenrode, Fürstbischof von Ermland und Onkel von Kopernikus. Der kümmerte sich um die Kinder seiner Schwester und ermöglichte Nikolaus eine gute Ausbildung. 1491 ist er 18 Jahre alt und beginnt ein Studium an der Universität Krakau. 1492 entdeckt Columbus Amerika und das zeigt gut, in welch aufregenden Zeiten Kopernikus gelebt hat. Überall waren Entdecker unterwegs; erreichen Gegenden der Erde wo zuvor noch niemand war (zumindest niemand aus Europa). Kopernikus bleibt bis 1494 an der Universität und verlässt sie dann, ohne einen Abschluss gemacht zu haben. Sein Onkel verschafft ihm einen Job in der Kirchenverwaltung in Frauenburg; da ist nicht viel zu tun weswegen er genug Zeit hat um 1496 nach Italien an die Universität Bologna zu gehen um dort weiter zu studieren.

Kopernikus! An irgendwen erinnert mich der Typ! (Bild: gemeinfrei)

Kopernikus reist durch Gegend. Bologna, Rom, Padua. Überall lernt und studiert er; Theologie, Medizin, Jura, Griechisch und kommt auch mit Astronomie in Kontakt. Vor allem an der Universität Bologna gab es damals ein paar fortschrittliche Denker bei denen er vermutlich das erste Mal davon hörte, dass es auch Alternativen zur anerkannten Sicht des Universums gibt. Denn Kopernikus war nicht der erste, der die Idee mit dem kopernikanischen Weltbild hatte. Das, von dem man damals überzeugt war, war das „geozentrische“ oder „ptolemäische Weltbild“ und es entsprach dem, was alle auch mit eigenen Augen Tag für Tag sehen konnten. Die Erde bewegt sich nicht. Sonne und Mond ziehen über den Himmel, die Sterne drehen sich des Nachts um die Erde. Die Erde selbst aber macht gar nichts und ruht unbewegt im Zentrum von Allem. Was auch den Philosophen im antiken Griechenland nicht nur offensichtlich sondern auch höchst logisch erschienen ist. Vor allem Aristoteles war dieser Meinung. Dass die Erde das Zentrum des Universums sein muss, würde man ja schon daran sehen können, dass Dinge immer nach unten fallen. Denn jedes Ding will seinen „natürlichen Ort“ erreichen und der ist eben das Zentrum von allem. Und wenn alles von oben nach unten auf die Erde fällt, dann muss die Erde eben genau in diesem Zentrum sein. Dass die Sonne und die Sterne nicht runterfallen liegt daran, dass für sie andere Gesetze gelten; sie sind Teil einer ganz anderen Welt, einer göttlichen Welt, die ewig und unveränderlich ist. Die Himmelskörper sind an kristallenen Sphären montiert, die sich um die Erde drehen und alles wird von einer ganz besonderen Kugelschale eingehüllt an der die Lichter der Sterne befestigt sind.

Das Universum der damaligen Zeit war klein und heimelig; in der Mitte die Erde, außen herum der göttliche Himmel. Im ersten Jahrhundert fasste der griechische Philosoph Claudius Ptolemäus das gesammelte Wissen über die Struktur und Bewegung der Himmelskörper zusammen und dieses monumentale Werk war auch noch zu Kopernikus Zeit unbestritten. Aber es gab immer schon eine Minderheit an Philosophen die das ganze anders sahen. Aristarch von Samos zum Beispiel, der im 3. Jahrhundert vor Christus schon korrekt erkannte, dass die Sonne sehr viel größer als die Erde sein muss, war der Meinung, dass es deswegen viel sinnvoller sein würde, wenn sich die kleine Erde um die große Sonne bewegt und nicht umgekehrt.

Und auch im europäischen Mittelalter gab es immer wieder Forscher, die Zweifel am ptolemäischen Weltbild hatten. Denn wenn man damit probiert die Position der Himmelskörper zu berechnen und vorherzusagen klappt das nie so genau wie man es gerne hätte. Wenn sich alles auf Kreisen um die Erde herum bewegt, dann müssten die Planeten das ja zum Beispiel auch immer mit der gleichen Geschwindigkeit tun. Tatsächlich sind die Planeten aber unterschiedlich schnell; mehr noch, manchmal bleiben sie sogar ganz stehen und bewegen sich dann eine Zeit lang rückwärts bevor sie den Weg wieder in die ursprüngliche Richtung fortsetzen. Um all diese Phänomene mit einer unbewegten Erde im Zentrum der Dinge in Einklang zu bringen, war man gezwungen sehr komplizierte Veränderungen zu erfinden. Die Planeten durften sich nicht auf Kreisen bewegen, sondern auf Kreisen, die entlang von anderen Kreisen um die Erde rollen, und so weiter. Ich habe das alles in Folge 115 schon erklärt, als ich über die „Epizykeltheorie“ gesprochen habe.

Als Kopernikus in Italien studierte gab es durchaus also schon einige, die das alte Weltbild in Frage stellten bzw. lernte er dort auf jeden Fall von den Philosophen der Vergangenheit die genau das getan haben. 1503 schloß Kopernikus seine Studien ab, mit einem Doktor für Kirchenrecht (in den anderen Fächer hat er keinen offiziellen Abschluss gemacht). Danach ist er zurück in seine Heimat gegangen und hat bei seinem Onkel, dem Bischof, als Arzt und Sekretär gearbeitet. Später „Domherr“ in Frauenburg, also eine Art hoher Kirchen- bzw. Staatsbeamter. Dementsprechend war auch seine Arbeit. Er musste sich mit der Verteilung verlassener Bauernhöfe beschäftigen, mit der Reformation der Brotpreise oder einer Überarbeitung des Geldsystems und des Münzwesen. Diese Arbeit machte er durchaus gut; er gilt heute als einer der wichtigsten Ökonomen des 16. Jahrhunderts, seine theoretischen Arbeiten über die Wirtschaft waren wegweisend. Aber natürlich ist er viel mehr für seine astronomische Arbeit bekannt.

Seite aus „De revolutionibus orbium coelestium“ (Bild: gemeinfrei)

Für Astronomie hat er sich immer schon interessiert; er hat auch eigene astronomische Beobachtungen angestellt – wenn auch keine sehr guten. Aber er hat sich Gedanken gemacht. Das erste Mal aufgeschrieben hat er sie schon nachdem er aus Italien zurück gekommen ist. 10 Seiten nur waren es damals, mit dem Titel „Hypothesen über die Bewegung des Himmels“. Aber schon da stand der Satz „Der Erdmittelpunkt ist nicht der Mittelpunkt der Welt“. Seine kurze Abhandlung hat er nicht offiziell veröffentlicht, aber sie wurde unter Bekannten und Gelehrten herumgereicht. Sogar der damalige Papst hört davon – und ist nicht sonderlich davon gestört, dass da jemand die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums verdrängt. Von einem anderen Kardinal wird Kopernikus sogar noch ermuntert, seine Erkenntnisse endlich offiziell zu veröffentlichen.

Macht Kopernikus aber nicht. Nicht unbedingt aus Angst vor der Kirche, wie man heute oft hört. Das war vielleicht auch ein Grund, aber sicher nicht der einzige. Viel mehr dürfte er sich gesorgt haben, unter den Gelehrten als großer Spinner dazustehen, wenn er plötzlich ein komplett neues Weltbild vorschlägt das so offensichtlich dem widerspricht, was man ja mit eigenen Augen sehen kann. Schließlich lässt er sich aber doch überreden, seine ganzen Ideen ausführlich aufzuschreiben. Sein Buch heißt „De revolutionibus orbium coelstium“, auf deutsch „Über die Umschwünge der himmlischen Kreise“.

Vor allem um die ganze Angelegenheit mit der Bewegung der Himmelskörper ordentlicher zu machen, hat Kopernikus sein Werk geschrieben. Denn wenn die Erde nicht unbewegt im Mittelpunkt steht sondern sich selbst auch um die Sonne bewegt, ist es auf einmal ganz logisch, dass wir die anderen Planeten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten beobachten. Je nachdem wie wir selbst uns gerade bewegen sehen wir sie mal schneller und mal langsamer und ab und zu kann es auch passieren, dass wir einen anderen Planeten scheinbar rückwärts laufen sehen. Wir befinden uns eben selbst auf einem sich bewegenden Beobachtungspunkt. Man darf Kopernikus‘ Werk aber nicht mit moderner Naturwissenschaft verwechseln. Die wurde erst lange nach ihm entwickelt. In seinem Buch findet man zum Beispiel Aussagen wie diese hier: „In der Mitte aber von allen steht die Sonne. Denn wer wollte diese Leuchte in diesem wunderschönen Tempel an einen anderen oder besseren Ort setzen als dorthin, von wo sie das Ganze zugleich beleuchten kann? … So lenkt in der Tat die Sonne, auf dem königlichen Thron sitzend, die sie umkreisende Familie der Gestirne.“ Das sind eher philosophische Argumente und keine physikalischen und tatsächlich konnte Kopernikus auch keinen physikalischen Grund angeben warum denn die Erde um die Sonne laufen sollte und nicht umgekehrt.

Aber im Rahmen dessen, was zu seiner Zeit möglich war, war seine Arbeit durchaus bemerkenswert. Aristoteles zum Beispiel war noch der Meinung, die Himmelskörper müssten sich deswegen auf Kreisen bewegen, weil das eben so die Art von göttlichen Dingen ist. Kopernikus war auch fest davon überzeugt, dass alle Planeten auf Kreisbahnen laufen; kam aber ohne Gott als Grund aus. Er dachte, dass das so ein müsse, weil die Planeten eben selbst auch kreisrund sind. Und da wo Aristoteles dachte, alles fällt nach unten, weil es ins Zentrum des Universums will, behauptete Kopernikus, dass die Dinge deswegen auf die Erde fallen, weil Materie eben gerne bei anderer Materie ist und sich dorthin bewegen will. Was in der Form ein wenig seltsam klingt, aber 200 Jahre später von Isaac Newton auf die solide mathematische Basis des Gravitationsgesetzes gestellt wurde. Ein weiteres klassisches Argument gegen die Drehung der Erde war die Behauptung, dass dann ja ein Stein den man gerade nach oben wirft irgendwo anders runter kommen muss, weil sich die Erde ein Stück gedreht hat, während er in der Luft war. Und das passiert ja offensichtlich nicht. Kopernikus dagegen hat erklärt: Ja, das passiert deswegen nicht, weil sich die Lufthülle um die Erde und alles darin mit ihr mitdreht. Womit er recht hatte.

Sehr coole Briefmarke, Mongolei! (Bild gemeinfrei)

„Die Erde bewegt sich um ihre Achse und täuscht somit den Himmelsumschwung nur vor.“ hat Kopernikus geschrieben. Seine geschriebenen Worte konnte er sogar noch lesen, aber nur kurz. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Buches im Jahr 1543 starb Nikolaus Kopernikus. Die nach ihm benannte Revolution hat er dadurch natürlich auch verpasst. Die hat aber auch ein wenig gedauert. Zuerst einmal ist nicht viel passiert. Man hat sein Modell als spannende Alternative zur Berechnung der Planetenbewegung betrachtet. Aber nicht unbedingt als reale Beschreibung des Universums. Vor allem, weil Kopernikus‘ Modell auch nicht viel genauer war als das alte von Ptolemäus. Auch Kopernikus kam nicht mit reinen Kreisbahnen aus und musste Kreise auf Kreisen laufen lassen damit alles halbwegs passt. Die kopernikanische Revolution haben andere vollendet. Galileo Galilei der im 17. Jahrhundert als erstes durch ein Teleskop zum Himmel schaute und gesehen hat, dass auch der Jupiter von Monden umkreist wird, also sich definitiv nicht alles nur um die Erde dreht. Und vor allem Johannes Kepler, der endlich den Mut hatte, von den Kreisbahnen abzuweichen und mit seinen Keplerschen Gesetzen erklärte, wie sich die Himmelskörper wirklich bewegen: Nämlich auf elliptischen Bahnen. Damit waren dann auch die Vorhersagen auf einmal genau. Und als letztes kam noch der große Isaac Newton der gezeigt hat, dass es keine Trennung zwischen Himmel und Erde gibt; das alles nach den gleichen Naturgesetzen funktioniert und die Kraft die für die Bewegung der Himmelskörper verantwortlich mathematisch berechnet werden kann.

Nikolaus Kopernikus stand weder am Anfang der kopernikanischen Revolution noch an ihrem Ende. Er war genau in der Mitte. Was irgendwie ganz passend ist. Oder unpassend, je nachdem wie man es sehen will…

2 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 403: Nikolaus Kopernikus“
  1. Weil die Lufthülle alles mitnimmt fällt der Stein auf die gleichen Stelle auf die Erde??????
    Das ist mir neu, wenngleich man es zu Zeiten des Kopernikus so gesehen haben mag.

  2. Ihr Einfallsreichtum, uns das Universum in vielen kleinen Geschichten näherzubringen, scheint unerschöpflich.
    Und alle sind in ihrer Betrachtungsweise neu, und nicht bloß für Astronomie-Interessierte spanend, sondern auch zB. für meine bessere Hälfte (die Beste von Allen), die (wie sag ichs…???) naturwissenschaftlich eher weniger interessiert ist.

    Ich hab alle gehört.
    Viele mehrfach.
    Und ich mag sie alle.

    Ich harre noch auf (wenigstens) zweihundert weitere Sterne, um die Geschichte des Universums zu beschreiben.
    😉

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