Asteroiden! Aber keine Sorge, es geht nicht wieder um Weltuntergangsschlagzeilen. Obwohl es um einen Asteroid geht, der Schlagzeilen gemacht hat. 2020 GQ heißt das Ding und am Sonntag (16. August 2020) ist er der Erde auf 2950 Kilometer nahe gekommen. Das ist immer noch eine ordentliche Strecke; das ist mehr als das siebenfache des Abstands den die Raumstation ISS von der Erdoberfläche hat. Es bestand also kein Grund zur Panik; vor allem auch nicht weil der Asteroid nur höchstens sechs Meter groß ist. Selbst wenn das Ding auf Kollisionskurs gewesen wäre, wäre er in der Atmosphäre zerbröselt ohne Schaden anzurichten.
Aber für die Wissenschaft war das durchaus ein sehr interessantes Ereignis. Denn normalerweise fliegen die Asteroiden ja deutlich weiter entfernt an der Erde vorbei. Was sie schwer zu beobachten macht. Oder aber sie kommen uns nahe – dann schlagen sie entweder tatsächlich ein – so wie 2013 in Tscheljabinsk – oder aber man merkt erst wie nah sie uns waren, wenn alles schon vorbei ist. Denn wenn ein Asteroid nah an der Erde vorbei fliegt, ist er schnell unterwegs! 2020 GQ zum Beispiel ist mit 44.000 Kilometern pro Stunde an uns vorüber gesaust! Da muss man schnell schauen, wenn man was sehen will!
In diesem Fall ist es aber gelungen, den Asteroid schon kurz vor der größten Annäherung an die Erde zu entdecken. Und man konnte deswegen auch mitverfolgen, wie der Himmelskörper seine Bahn ändert. Denn das tut er; durch die nahe Begegnung kann die Erde mit ihrer Gravitationskraft ganz besonders gut an ihm rütteln und nach dem Vorbeiflug hat er im Allgemeinen eine andere Bahn als zuvor. Solche extrem nahen Begegnungen lassen sich nur schwer exakt am Computer simulieren und vorhersagen. Echte Beobachtungsdaten können helfen, diese Vorgänge besser zu verstehen!
Der nächste Vorbeiflug wird dann auch schon in wenig mehr als einer Woche stattfinden. Am 1. September 2020 wird der Asteroid 2011 ES4 an der Erde vorbei fliegen. Allerdings in einem respektablen Abstand von 130.000 Kilometern. Das ist mehr als genug Sicherheitsabstand – was ganz praktisch ist, denn 2011 ES4 hat einen Durchmesser von knapp 50 Metern. Was groß genug ist, um den strapaziösen Flug durch die Erdatmosphäre zumindest teilweise zu überstehen und jede Menge Schaden anzurichten. Nur lokalen Schaden, aber den will man ja auch nicht haben, wenn man es sich aussuchen kann. Aber wie gesagt: Keine Sorge! 2011 ES4 wird ausreichend weit von der Erde entfernt vorbeifliegen. Man muss sich auch keine Sorgen machen, wenn die Medien wieder was von „kosmischen Streifschuss“ erzählen oder erklären, dass so eine Distanz von 130.000 Kilometer nach „kosmischen Maßstäben“ enorm gering ist. Was nicht falsch ist. Aber wenn es um die Frage geht, ob wir Menschen Angst vor einem Asteroid haben müssen, dann sollten uns menschliche Maßstäbe interessieren und keine kosmischen. Und nach menschlichen Maßstäben ist alles ok, solange der Abstand zwischen uns und dem Asteroid größer als null Kilometer ist 😉
Ich bin enttäuscht. Beim Merkur ließt sich das noch deutlich reisserischer
https://www.merkur.de/welt/nasa-asteroid-welt-erde-menschheit-rekord-kalifornien-nah-rasen-experten-auto-zr-90027221.html
Warum ist der Vorbeiflug eines Asteroiden an der Erde so schwierig zu simulieren? Wenn er die Atmosphäre nicht streift, spielt doch nur die Gravitation und die Bewegungszustände der beteiligten Masse eine Rolle, also im wesentlichen Erde, Mond, Sonne und der Asteroid selbst. Und bei so einem kleinen Brocken sollten auch keine relevanten Gezeitenkräfte entstehen, die ihn zerreißen könnten.
Weil sich bei gerade bei nahen Vorbeiflügen auch kleine, in der Simulation nicht berücksichtigte Einflüsse auf den Asteroiden (und/oder kleine Ungenauigkeiten in den Eingangsdaten) überproportional stark auf den späteren Bahnverlauf auswirken.
Welche Einflüsse sind das? Ich meine, gerade beim Vorbeiflug wird die Bahn doch fast ausschließlich vom Gravitationsfeld der Erde bestimmt. Welche grundsätzlich neuen Erkenntnisse lassen sich bei der Beobachtung gewinnen, die aus der Simulation nicht hervorgehen? Abgesehen von der fehlerbehafteten Kenntnis der Parameter beim Anflug. Aber die sind bei jedem Asteroiden anders. Das zu Grunde liegende Modell ist die Newtonphysik und zum Teil die ART, daran ändert sich doch vermutlich nichts.
@schlappohr: Das Problem ist, dass in der entsprechenden Formel der Abstand zwischen Erde und Asteroid im Quadrat unter dem Bruchstrich steht. Geht der Abstand also gegen Null, dann geht die Gravitationskraft gegen unendlich. Winzigste Abweichungen führen dann zu enorm großen Unterschieden im Ergebnis. Das lässt sich dann auch numerisch in der Simulation nur bedingt lösen; ganz besonders wenn man mehr als nur eine nahe Begegnung simulieren will. Anders gesagt: Natürlich kann man sowas simulieren. Aber mit jeder nahen Begegnung sinkt die Genauigkeit des Ergebnis massiv.
@schlappohr
Ich hoffe, du erwartest dir jetzt keine Antwort von Florian. 😉
Dann hat man dieses Problem auch bei der Berechnung erdnaher Satelliten? Die IIS z.B. hängt ja noch in den oberen Schichten der Atmosphäre, also _wirklich_ nah.
@schlappohr: die ISS ist viel langsamer und korrigiert auch bei Bedarf ihren Orbit.
Bei aufgegebenen Satelliten und ausgebrannten Raketenstufen weiß man dagegen auch nicht ganz genau wo & wann sie einschlagen werden….
Den Tscheljabinsk-Meteoriten im Hinterkopf behaltend würde ich gerne auf „500 km“ erhöhen. Die Glaser-Innung mag das anders sehen, aber ich für meinen Teil mag nicht ständig Glasscherben aus Füßen oder Pfoten rausfummeln.