Heute vor 30 Jahren, am 24. April 1990 ist das Hubble-Weltraumteleskop ins All geflogen. Es hat die Astronomie wie kein anderes wissenschaftliches Instrument revolutioniert und uns einen völlig neuen Blick auf den Himmel geschickt. Die fantastischen Bilder des Kosmos die Hubble gemacht hat sind Teil des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit geworden. Deswegen veröffentliche ich – quasi als Geburtstagsgeschenk – das Kapitel über Hubble aus meinem Buch „Die Geschichte des Universums in 100 Sternen“. Ein bisschen mehr kann man auch in dem Artikel lesen, den ich vor 5 Jahren zum 25. Geburtstag des Teleskop in der Wochenzeitschrift „Profil“ veröffentlicht habe. Und wer ein bisschen wartet, kann in zwei Wochen in Folge 389 des Sternengeschichten-Podcast in aller Ausführlichkeit der Geschicte von Hubble zuhören!

Kapitel 38: Iota Carinae – Das kosmische Auge braucht eine Brille

Vier helle Punkte auf einem grauen und etwas krisseligen Hintergrund: Mit diesem unspektakulären Bild, das am 20. Mai 1990 einer eher unbeeindruckten Öffentlichkeit vorgestellt wurde, begann eine neue Ära in der Astronomie. Es war das »First Light«, das allererste Bild des Hubble-Weltraumteleskops, das zu diesem Zeitpunkt schon eine lange Geschichte
hatte.

Die erste Idee für ein großes Teleskop im Weltall hatte der amerikanische Astronom Lyman Spitzer schon im Jahr 1946 gehabt. Es war eine naheliegende Idee, denn die Turbulenzen in der Erdatmosphäre stören die astronomischen Beobachtungen zwangsläufig. Ein Teleskop, das sich außerhalb der Lufthülle mit freiem Blick auf die Sterne im Weltall befindet, kann
uns Dinge zeigen, die ansonsten nicht zu sehen sind.
In den 1940er-Jahren hatte allerdings noch nicht einmal die Raumfahrt so richtig begonnen; ein ganzes Teleskop ins All zu befördern war komplett illusorisch. Realisiert wurde das Projekt demnach erst in den 1980er-Jahren, und am 25. April 1990 flog das nach dem berühmten Astronomen Edwin Hubble benannte Teleskop endlich ins All.

Für den ersten Test aller Systeme hatte man sich eineRegion im Sternbild Carina ausgesucht. Bei der NASA gab es anfangs Diskussionen, ob man die Presse bei dieser Premiere überhaupt dabeihaben wollte. Astronomische Bilder, vor allem die, die zu Testzwecken aufgenommen werden, sind auf den ersten Blick recht unspektakulär. Bildfehler müssen entfernt und verschiedene Aufnahmen kombiniert werden, um farbige Darstellungen zu erreichen. Es ist viel Arbeit nötig, um ein »präsentables« Bild zu erhalten, und die erste Aufnahme von Hubble war für die Wissenschaft zwar äußerst interessant, hätte jedoch in den Augen der Öffentlichkeit kaum langweiliger sein können.
Dann wurde es aber sehr schnell sehr spannend. Im Vergleich zu den Bildern, die von der Erde aus aufgenommen wurden, war das, was Hubble zeigte, auf jeden Fall besser und schärfer. Der hellste Stern, der darauf zu sehen war, war Iota Carinae. Dieser Stern ist auch mit bloßem Auge deutlich zu erkennen und konnte dank seiner Helligkeit auch auf Hubbles Aufnahme gut untersucht werden. Und die Analyse zeigte, dass der Stern bei Weitem nicht so scharf abgebildet wurde, wie man es sich erhofft hatte. In einer idealen Optik sollte ein Stern ja einfach nur als Lichtpunkt zu sehen sein. In der Realität ist ein Stern immer ein kleines Scheibchen, aber man hatte erwartet, dass Hubble in der Lage wäre, mindestens 70 Prozent des Lichts von Iota Carinae in einem sehr kleinen Bereich zu konzentrieren. Tatsächlich war das Licht jedoch über eine etwa zehnmal größere Region am Himmel verschmiert. Das teure und lange geplante Weltraumteleskop sah unscharf!

Der Grund dafür ist fast schon komisch, wenn es nicht gleichzeitig auch so tragisch wäre: Gerade das Messinstrument, das dafür zuständig war, Fehler im Spiegel des Teleskops zu entdecken, war selbst fehlerhaft. Erst drei Jahre später war man in der Lage, Hubble zu reparieren. Erneut flog ein Space Shuttle ins All, und Astronauten bauten ein Korrektursystem ein. Hubble bekam quasi eine Brille, sah von da an scharf – und wurde nun endlich zu genau dem revolutionären Instrument, das man sich erhofft hatte.

Ein Hubble-Klassiker: Die „Säulen der Schöpfung“ (Bild: NASA, ESA, and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Der Start des Hubble-Weltraumteleskops war also ein wenig holprig. In den folgenden Jahrzehnten rechtfertigten seine Beobachtungen aber alle Mühen. Die Bilder von Hubble haben unsere Vorstellung vom Universum revolutioniert. Mehr als 10 000 wissenschaftliche Fachartikel wurden im Laufe der Jahrzehnte mit den Daten verfasst, die es uns gebracht hat. Darüber hinaus hat Hubble auch den Blick der Menschheit auf den Kosmos verändert, und seine fantastischen Aufnahmen von Sternen, Galaxien und kosmischen Nebeln sind Teil unserer kollektiven Vorstellung vom Universum geworden. Die unscheinbare graue Aufnahme mit dem unscharfen Stern Iota Carinae war der Anfang der erfolgreichsten Karriere, die ein Teleskop bis jetzt hatte. Hubble wurde weit über seine geplante Lebensdauer von 15 Jahren hinaus betrieben.
2015 feierte das Teleskop seinen 25. Geburtstag. Das Ende ist aber absehbar. Die NASA hat ihr Space-Shuttle-Programm eingestellt, sodass das Teleskop nicht mehr gewartet und seine Umlaufbahn nicht mehr korrigiert werden kann. Spätestens 2024 wird es sich der Erde so sehr angenähert haben, dass es durch die Reibung mit ihrer Atmosphäre abstürzen und zerstört werden wird. Und dann wird es kurzfristig vielleicht so hell leuchten wie Iota Carinae, der Stern, mit dem alles angefangen hat.

Hörbuch

Da mein Buch ja auch als Hörbuch (von mir gelesen) erhältlich ist, habe ich auch das entsprechende Kapitel daraus veröffentlicht. Einerseits als Sonderfolge meines Sternengeschichten-Podcasts, andererseits auch auf YouTube:

13 Gedanken zu „Iota Carinae – Das kosmische Auge braucht eine Brille (Hubble Birthday!)“
  1. > Gerade das Messinstrument, das dafür zuständig war, Fehler im Spiegel des Teleskops zu entdecken, war selbst fehlerhaft.

    Der Spiegel des Teleskops wurde mit zwei voneinander unabhängigen Nullkorrektoren überprüft:

    1. Einem herkömmlichen Instrument, das schon lange im Einsatz war

    2. Einer HIgh Tech Version, die noch unerprobt war,

    Die Nachprüfung mit 1. ergab, dass der Spiegel von Hubble fehlerhaft war, die mit 2. dass er perfekt geschliffen war.

    Das unter vermeintlichen Zeitdruck stehende Management entschloss sich, anzunehmen, dass der Spiegel in Ordnung war.

    Leute mit gesundem Menschenverstand hätten sich gesagt: Da ist was oberfaul. Solche Leute sind aber im Management nur selten vertreten und wenn doch werden sie niedergestimmt.

    Der Fehler beim Zusammenbau des modernen Nullkorrektors war banal: Die Abstandsmessung erfolgte mit einem Laser. Dieser traf aber zufälligerweise einen Schraubenkopf statt der Linsenoberfläche. Die Höhe eines Schraubenkopfes ist ein Haufen Holz verglichen mit mit der Wellenlänge des Lichts.

  2. @Karl Mistelberger:
    Bitte um Angabe einer Quelle für die Geschichte mit dem Schraubenkopf.
    In der Wiki steht nämlich eine andere Ursache: Der Abstand der Linsen im Nullkorrektor war falsch (nämlich um 1,3mm).
    Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der Umstand, daß ein Laser auf einen Schraubenkopf statt auf eine Linse trifft, nicht entdeckt worden wäre. Durch die Linse geht der Laser nämlich durch, durch einen Schraubenkopf aber nicht.

  3. Ein ganz normaler Täter schafft, was andere sich nicht vorstellen können, ohne sich besonders anzustrengen. Tatsächlich handelte es sich um eine Kappe, die auf den Messstab gesteckt wurde. Sie war mit einer nicht reflektierenden Schicht bedeckt. Diese war allerdings beschädigt. Die Reflexion kam nicht vom Messstab sondern von der schadhaften Stelle. Die zu justierende Linse lag deswegen 1,3 mm neben ihrer Sollposition.

    How Hubble Space Telescope failed ­­

    Synopsis of Hubble Space Telescope Optical Systems Failure Report

    Conclusion

    … Errors were shown during the fabrication and testing procedure, but were ridicously ignored. …

    https://wp.optics.arizona.edu/optomech/wp-content/uploads/sites/53/2016/10/521-synopsis-Tianquan-Su.pdf

  4. > #6 Robert aus Wien, 27. April 2020
    > Danke für den Link, der auch zeigt, daß Ihre Erklärung wohl nicht so ganz richtig war.

    Nach mehr als 2 Jahrzehnten habe ich, ohne irgendwo nachzuschlagen, geschrieben was mir erinnerlich war.

    Ihre Anmerkung kommt mir ziemlich bekannt vor. Ich kenne sie aus meinem Berufsleben als Ingenieur. Sie kam wie ein Pawlov Reflex von denen, die ich vergeblich gewarnt hatte.

    Dass das Problem keines gewesen wäre, hätten sie meinen Rat ernst genommen, wurde als persönlicher Angriff umgedeutet.

  5. @Karl Mistelberger:
    Sie irren. Meine Anmerkung habe ich deswegen geschrieben, weil das, was Sie im Posting behauptet haben, nicht zusammenpaßt. (Und das sollte einem Ingeneur eigentlich auffallen.) Wenn ein Laser statt auf eine Linse auf einen Schraubenkopf (o.ä.) trifft, dann wird er, statt daß er durch die Linse geht (und gebrochen wird), reflektiert. (Es wird damit also aus einem Refraktor ein Reflektor gemacht.) Und das kann m.E. unmöglich nicht auffallen. Wenn er dagegen nicht von einem dafür vorgesehenen Spiegel sondern von einer (ebenfalls reflektierenden) Schutzkappe reflektiert wird, und dadurch eine Abweichung ensteht, dann ist das plausibel.

    Im Übrigen ist es auch Sache desjenigen, einen Beleg zu erbringen, der eine Behauptung äußert, und nicht desjenigen, der Sie anzweifelt. (Und gesucht hab ich sehr wohl, aber nichts weiter erhellendes gefunden, die Zeit war mir auch zu schade.)

  6. Robert:
    Karl irrt sich aber nicht. Nie. Und sein Insiderwissen geht über alles hinaus, was man sich vorstellen kann. Wußtest du das etwa nicht?
    Man muß nur seine Kommentare lesen. Hundert Stück reichen, dann weißt du, was er von seinen Kommentaren hält. Nämlich das obenstehende.

  7. > #8 Robert aus Wien, 27. April 2020
    > Sie irren. Meine Anmerkung habe ich deswegen geschrieben, weil das, was Sie im Posting behauptet haben, nicht zusammenpasst. (Und das sollte einem Ingenieur eigentlich auffallen.)

    Eine kecke Behauptung, deren eingehende Analyse viel Schmunzeln hervorrufen würde.

    Dilettanten machen immer die selben Fehler. Ingenieure lernen aus den Fehlern der anderen:

    „Remember that we are here to learn. We are not here to castigate or find blame. We are also here to find out what NTSB investigators will be looking for in their post accident investigation.“

    https://www.youtube.com/watch?v=ja7gRL15CKg&t=80s

    Es gibt 2 Arten von Diskussionen:

    1. Zweckvolle, z.B. This „Failed to start Setup Virtual Console“ is like Groundhog Day. https://bugzilla.suse.com/show_bug.cgi?id=1166423#c21

    2. Zwecklose: Da gehört der ganze Alltag dazu.

    Wo ich unsere einordne habe ich noch nicht entschieden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  8. Die Reparaturen waren natürlich dermaßen kostspielig, dass man dafür mindestens ein neues Teleskop hätte starten können.

    Allerdings dauert es zuweilen ziemlich lange, ein Teleskop zu bauen (siehe JWST) und im allerschlimmsten Fall wären die Gelder für den Bau nicht bewilligt worden.

    So konnte man ein paar Wartungsmissionen starten, und man viele gute Jahre gewonnen. Die NASA hat auch mit Sicherheit Erfahrung gesammelt mit Reparaturmissionen im Orbit, ebenso mit konstruktiven Änderungen, die für ein Nachfolgemodell sinnvoll sein dürften.

    Ist eigentlich ein neues Teleskop im Frequenzbereich von Hubble und seiner Missionsdauer in Planung? Das James Webb Space Telescope wird im Infraroten beobachten und nur wenige Jahre unterwegs sein. Eine neuerliche Wartungsmission wird es vermutlich eher nicht geben, auch wenn die „Gap“ der Einstellung der bemannten US-Raumfahrt so allmählich zu Ende geht. Mit einem der in Entwicklung befindlichen Systeme müssten derartige Missionen aber auch in Zukunft prinzipiell wieder möglich sein.

    1. @Captain: Optische Teleskope schickt man nicht mehr ins All. Mittlerweile kriegt man hier mit Aktiver und Adaptiver Optik quasi die gleiche Qualität hin wie im Weltraum. Nur ohne den Stress und die Probleme, die man mit Weltraumteleskopen hat. Drum schickt man da vorrangig Teleskope hin die in Bereichen beobachten die man durch die Atmosphäre prinzipiell nicht sehen kann.

  9. @Florian Freistetter:

    Leider hat das niemand nachhaltig dem Elon Musk verklickern können. Der hat ja ernsthaft daran geglaubt und tut es womöglich immer noch, dass erdgebundene Teleskope gar nicht mehr betrieben würden. Durch seine hellen Satellitenscharen sorgt er aber geradezu dafür, dass demnächst seine persönliche Auffassung Realität werden könnte.

    Die Astronomen auf der ganzen Welt sollten ihn und seine Firma von Pontius zu Pilatus auf Schadenersatz verklagen. Wer nicht hören will,…

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