Über die „habitable Zone“ hab ich schon öfter geschrieben. Und dieses Konzept auch immer wieder kritisiert. Mit „Habitabler Zone“ wird normalerweise der Bereich um einen Stern herum bezeichnet, wo auf der Oberfläche eines Planeten die Temperaturen weder zu heiß noch zu kalt sein können, so dass dort Leben existieren könnte. Eigentlich ein vernünftiges Konzept, denn wenn man irgendwo bei einem Stern einen Planeten entdeckt kann man schnell checken, ob es ein potenziell lebensfreundlicher Planet ist oder nicht. Wenn dieses Konzept denn auch funktionieren würde, was es leider nicht immer tut. Zum Glück haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität nun untersucht, wie man eine „Wirklich Habitable Zone“ definieren kann!
Das Problem mit dem „habitabel“ in der habitablen Zone ist ja die Frage nach der Natur des Lebens. Wie können wir definieren, ob und wann ein Ort lebensfreundlich ist, wenn wir nicht wissen, wo und wie Leben überhaupt entstehen kann? Wenn wir nur den Abstand vom Stern als Parameter nehmen – wie das in den üblichen Definition der habitablen Zone der Fall ist – dann ist das sehr oft irreführend. In unserem Sonnensystem etwa wären nach der Definition nicht nur die Erde, sondern auch Venus und Mars „lebensfreundlich“. Was für die Erde zwar zutrifft, für die anderen beiden Planeten aber definitiv nicht. Der Mars ist zu klein und konnte keine Atmosphäre halten weswegen er heute eine lebensfeindliche Eiswüste ist. Die Venus hat dagegen eine zu dicke Atmosphäre und Temperaturen von über 400 Grad Celsius. Ob ein Ort lebensfreundlich ist hängt eben auch von den Eigenschaften des Himmelskörpers selbst ab. Von dessen Masse, seiner Atmosphäre und deren Zusammensetzung. Von der Stärke des planetaren Magnetfeldes, den Himmelskörpern in der Nachbarschaft, der Existenz von Plattentektonik und Vulkanismus, und so weiter. Und selbst der Abstand von der Sonne ist nicht immer relevant. Der Jupitermond Europa etwa liegt weit außerhalb der habitablen Zone der Sonne. Trotzdem gilt er als guter Kandidat für die Suche nach außerirdischem Leben.
Alles nicht so einfach mit der habitablen Zone! Weswegen Marven Pedbost und seine KollegInnen die Frage nach dem, was Leben prinzipiell möglich macht einfach ignoriert haben. Und sich stattdessen darauf konzentriert haben, was das Leben lebenswert macht. Die Antwort: Gin Tonic! Daraus folgt ihre Definition für die „Wirklich Habitable Zone“:
„We therefore define the Really Habitable Zone (RHZ) as the region in which a good gin and tonic is possible.“
Der eine oder die andere wird nun vielleicht denken, dass es sich hier um einen Scherz handelt. Und hätte damit Recht: Der Fachartikel wurde am 1. April veröffentlicht („Defining the Really Habitable Zone“) und reiht sich ein in die lange Tradition an diesem Tag nicht ganz ernst gemeinte wissenschaftliche Arbeiten zu publizieren (habe ich auch schon mal gemacht). Trotz allem aber sind es meist Arbeiten, die durchaus interessante wissenschaftliche Themen auf interessante Art ansprechen – was auch auf die Arbeit von Pedbots et al zutrifft weswegen ich sie hier vorstellen möchte.
Zuerst einmal muss man sich darauf einigen, dass Gin Tonic tatsächlich der Maßstab für ein lebenswertes Leben ist. Dafür bringen Pedbost et al einige astronomische Beispiel und kommen dann zu der Schlussfolgerung:
„It is therefore clear that conditions which support the creation of decent beverages will also support astronomers, which is a working definition of civilization.“
Daran kann ich nichts falsches erkennen und im nächsten Schritt muss man daher definieren was man benötigt um brauchbaren Gin Tonic zu produzieren:
„To proceed, we define the Minimum Acceptable Gin and tonIC, or MAGIC. A MAGIC must contain: gin, tonic, ice and some sort of citrus.“
Die Frage die sich nun stellt lautet also: Wo im Universum findet man diese Zutaten? Und braucht zuvor noch eine weitere Definition, nämlich die von Gin. Im Rahmen der Arbeit wird darunter eine Mischung aus Alkohol und Wacholder verstanden. Wo also findet man „Exowacholder“? Im Prinzip fast überall; Wacholder wächst unter einer großen Bandbreite von Umweltbedingungen. Um Früchte zu tragen braucht er aber jahreszeitliche Veränderungen, also einen Planeten dessen Rotationsachse ausreichend geneigt ist (denn diese Achsenneigung sorgt ja für die Jahreszeiten). Die Zitrusfrüchte sind ein bisschen heikler: Sie brauchen Temperaturen von 21 bis 38 Grad Celsius um zu wachsen und natürlich Wasser. Daraus kann man die Menge an Sternenlicht berechnen, die ein Planet in der „Really Habitable Zone“ abkriegen muss und so ein Diagramm erstellen:
Man sieht hier die habitable Zone in Abhängigkeit des auf einem Planeten eintreffenden Strahlungsflusses und der effektiven Temperatur des Sterns. In rot die „BHZ“, die „boring habitable Zone“, also die lebensfreunliche Zone nach der konventionellen Definition. In türkis die neu definitiere „really habitable Zone“ bzw RHB. Die Punkte zeigen einige bekannte extrasolare Planeten und in gelb die Erde. Die – darauf wird extra hingewiesen – am Rand der RHB liegt. Weswegen – worauf wieder explizit hingewiesen wird – die Autorinnen und Autoren sicherheitshalber die Existenz von Gin Tonic regelmäßig überprüfen.
Soweit die Definition. Was es jetzt noch braucht sind Methoden um das ganze auch per Beobachtung überprüfen zu können. Die Frage nach dem Nachweis von Wacholderbüschen auf extrasolaren Planeten wird durch einen Verweis auf die Literatur gelöst. Ebenso was die Zitrusfrüchte angeht; dort wurde in einem Galaxienkatalog aus dem Jahr 1977 ein Objekt identifiziert das – wie auch im Katalog beschrieben steht – einer Zitrone ähnelt:
Die Existenz von Zitrusfrüchten und deren Beobachtbarkeit ist also auch geklärt; bleibt das Tonic. Das leuchtet ja bekanntermaßen unter UV-Licht was ein Weg zu dessen Beobachtung sein könnte. Sofern man ein passendes Teleskop hat, weswegen die AutorInnen für ein neues, großes UV-Teleskop (wie zum Beispiel LUVOIR) plädieren.
Der Artikel endet mit den Worten:
„We have considered the likely universal abundance of gins and tonic, deriving for the first time the ‚Really Habitable Zone‘ in which life would be worth living. We
suggest that efforts should be directed in the near future towards investigating only those planets whose orbits lie within the RHZ, and made unverified claims about the possibility of detecting relevant features. We’re off for a drink.“
Ich kann allen nur empfehlen, den sehr amüsanten Artikel komplett zu lesen. Am besten mit einem Gin Tonic in der Hand. Prost!
„in which a good gin and tonic is possible“ – isn’t this a contradictio in adiecto? Drinkable – okay. Maybe even palatable. But good? Gin Tonic?
At least not in our solar system.
@schorsch you can always use it as a hand disinfectant these days.
@schorsch: Deshalb sind wir ja auch am _Rand_ der Zone.
Da klingelt doch was im Hinterkopf…
„Etwa 85% aller Welten im Universum haben einen Drink namens Jynnan Tonnyx entwickelt. Oder Dschi-N’N-T’N-ix, oder Jinnunt-O-Nicks, oder irgendeine andere Variation. Diese Drinks sind aber nicht gleich; Das Einzige was sie gemein haben, ist der Name. Die verschiedenen Sorten reichen vom sivolvianischen Chinunto/Mnings, der nur normales Wasser ist, welches etwas wärmer als Zimmertemperatur serviert wird, bis zu dem Tzjin-Anton-X, der „Kühe auf bis zu hundert Schritt Entfernung umhaut“. Die größte Besonderheit ist jedoch, dass die Erfindung des Drinks immer kurz vor der Erkenntnis über die Existenz außerirdischen Lebens steht – so auch auf der Erde, welche wenige Jahrzehnte nach der Erfindung des Gin Tonics von Vogonen kontaktiert wird.“
(Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis)
Gin, etc ebäh.
Die UTZ (Ultimative habitable Zone) zeichnet sich dadurch aus, daß
im Mittelpunkt auf einer Anhöhe eine Institution namens Andechs liegt,
und die Vegetation Gerste und Hopfen ermöglicht.
Gin Tonic. Hmm… ja, finde ich gut. 🙂
Gruß
Aginor
Endlich eine wissenschaftliche Definition, die jeder versteht. Könnte vom genialen Douglas Adams stammen.