Wenn die irdische Realität gerade etwas nervig ist, dann lohnt sich der Blick zum Himmel. Da gibt es immer etwas zu entdecken. Zum Beispiel einen zwinkernden Stern. Ok, der Stern um den es geht zwinkert natürlich nicht. Er blinzelt auch nicht; er schaut nicht mal komisch. Es ist ein Stern und der hat kein Gesicht. Aber das, was ein internationales Team an Astronominnen und Astronomen kürzlich entdeckt hat, ist trotzdem ziemlich cool.

Es geht um veränderliche Sterne. Die sind vorerst noch ziemlich normal. So bezeichnet man Sterne, die ihre Helligkeit verändern und das machen eigentlich alle. Aber manche ausgeprägter als andere. Unsere Sonne zum Beispiel leuchtet eigentlich immer ziemlich gleich hell. Andere Sterne ändern ihre Helligkeit dagegen sehr viel deutlicher und sie tun es aus verschiedensten Gründen. Zum Beispiel weil es sich in Wahrheit um zwei Sterne handelt die einander umkreisen und in regelmäßigen Abständen bedecken – das nennt man dann „Bedeckungsveränderliche Sterne“. Viele Sterne ändern ihre Helligkeit aber auch aufgrund dessen, was in ihrem Inneren vorgeht. Genau so einen Stern haben Gerald Handler vom Nicolaus Copernicus Astronomical Center in Warschau und seine Kollegen untersucht („Tidally Trapped Pulsations in a close binary star system discovered by TESS“). Nur dass der seine Helligkeit auf eine sehr seltsame Art und Weise ändert.


Das Ding heißt HD74423, ist circa 1500 Lichtjahre entfernt, 1,7 mal so massereich wie die Sonne und nur am südlichen Himmel der Erde zu sehen. Es ist ein sogenannter Delta-Scuti-Stern, womit eine ganz besondere Art veränderlicher Sterne bezeichnet wird. Sie ändern ihre Helligkeit im Verlauf weniger Stunden und wie sie das tun habe ich früher schon mal genauer erklärt aber weil es wichtig (und spannend) ist, erkläre ich es nochmal. Wenn Energie aus dem Kern eines Sternes nach außen strahlt, dann kann es das Gas aus dem der Stern besteht nicht ungehindert durchdringen. Wie „durchsichtig“ ein Stern für die Strahlung aus seinem Inneren ist hängt von der „Opazität“ ab. Was genaugenommen ein ziemlich sinnloser Satz ist, weil die „Opazität“ nur ein anderes Wort für „Durchsichtigkeit“ ist. Aber sie hängt unter anderem von der Temperatur ab: Wenn da zum Beispiel irgendwo Helium im Inneren eines Sterns ist, dann können die hohen Temperaturen dafür sorgen, dass es ionisiert wird. Das bedeutet, es verliert seine Elektronen, die nun frei durch das Gas sausen können und dabei der Strahlung den Weg versperren.

Kommt die Strahlung nicht durch, bleibt sie dort und es wird in dieser speziellen Schicht des Sterns heißer. Irgendwann wird es allerdings zu heiß. Die aufgestaute Strahlung drückt so sehr nach außen, dass der Stern beginnt sich auszudehnen. Dadurch sinkt der Druck wieder, es wird kühler und die Atomkerne des Heliums können ihre (jetzt langsamer herumsausenden) Elektronen wieder einfangen. Jetzt ist der aufgestaute Strahlungsdruck abgebaut und der Stern beginnt ein klein wenig unter seinem eigenen Gewicht zusammenzufallen. Dadurch wird es wieder wärmer, das Helium wird erneut ionisiert, die Opazität und mit ihr der Strahlungsdruck steigt. Das ganze Spiel beginnt von neuem: Der Stern pulsiert.

Eine Dampfmaschine – steckt nicht wirklich in Sternen drin, ist aber leichter zu bebildern als der Kappa-Mechanismus (Bild: gemeinfrei)

Diese „Sternendampfmaschine“ funktioniert nicht überall; das Gas im Stern muss auf eine ganz bestimmte Art geschichtet sein. Bei Delta-Scuti-Sternen ist das der Fall und deswegen kann dort dieser sogenannte „Kappa-Mechanismus“ funktionieren (der sehr kreative Name stammt vom griechischen Buchstaben mit dem man in der Astronomie die Opazität bezeichnet).

So weit ist das alles noch nicht neu; Delta-Scuti-Sterne und den Kappa-Mechanismus kennt man schon lange. HD74423 schlägt aber ein wenig aus der Art. Aufgefallen ist er bei der Suche nach extrasolaren Planeten; in Daten des Weltraumteleskops TESS. Das schaut ganz genau auf die Helligkeit der Sterne, denn wenn einer davon von einem Planeten umkreist wird, kann der in regelmäßigen Abständen ein wenig von dessen Licht blockieren was ebenfalls zu periodischen Helligkeitsschwankungen führt. Die so gesammelten Daten sind aber auch für andere Zwecke zu gebrauchen: Die „Asteroseismologie“, also die Wissenschaft die genau die eben beschriebenen Sternschwingungen untersucht, ist ebenfalls sehr an Informationen über Helligkeitsschwankungen von Sternen interessiert. Denn daraus kann man (mit sehr viel netter Mathematik) ableiten, wie genau so ein Stern schwingt und was in seinem Inneren vor sich geht.

In dem Fall waren es Hobby-Astronominnen und -Astronomen die die große Datenbank von TESS‘ Beobachtungen durchforstet haben und denen auffiel, dass HD74423 seine Helligkeit ein wenig seltsam ändert. Sie schwankte periodisch und die maximale Helligkeit war dabei immer gleich. Die minimale Helligkeit änderte sich aber und das war seltsam. Ein Planet der einen Stern umkreist kann so ein Verhalten nicht verursachen. Ein normaler Delta-Scuti-Stern auch nicht. Der genauere Blick der professionellen Teleskope zeigte dann aber, dass HD74423 nicht allein ist sondern einen roten Zwergstern in seiner unmittelbaren Nähe hat. Die seltsamen Helligkeitsschwankungen erklärt das aber noch nicht; die beiden sind keine bedeckungsveränderlichen Sterne. Aber sie sind einander so nahe, dass die zwischen ihnen wirkenden Gravitationskräfte die Form der Sterne von Kugeln zu einer Art „Tropfen“ verzerren.

Künstlerische Darstellung von HD74423 und seinem roten Begleiter (Bild: abriel Pérez Díaz (IAC))

Ist das der Grund? Blöde Frage – wenn es der Grund wäre, würde ich sie ja nicht stellen. Die Änderung der Sternform ist nicht die Ursache; sie allein könnte die beobachtete Helligkeitsänderung nicht erklären. Aber den Astronominnen und Astronomen fiel etwas anderes auf: Wenn die Sterne sich umeinander bewegen, dann ist mal die Seite des großen Sterns zur Erde gerichtet die dem roten Zwerg genau gegenüberliegt und mal die „Rückseite“. Und als man die Daten entsprechend (und mit weiterer netter Mathematik) entsprechend auseinander sortiert hatte zeigte sich, dass HD74423 nur „einseitig“ pulsiert. Die Gravitationskraft des roten Zwergs bringt die Gasschichten von HD74423 durcheinander und damit dessen Pulsationen. Bis jetzt hatte man immer nur Sterne beobachtet bei denen die gesamte Oberfläche pulsiert. Der nahe rote Zwerg zwingt HD74423 nun aber quasi dazu, nur mit einer Hälfte zu schwingen!

Die Existenz solcher halbseitig pulsierenden Sternen wurde schon in den 1940er Jahren vorhergesagt. Und es hat bis jetzt gedauert, bis endlich einer gefunden wurde. Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass HD74423 nicht der einzige seiner Art ist. Es muss noch mehr solcher „Zwinkersterne“ geben und nun ist klar, dass wir die Instrumente und Methoden dazu haben sie auch zu finden. Wie schon gesagt: Es lohnt sich immer, in den Himmel zu schauen!

4 Gedanken zu „Einzigartige halbe Schwingungen: Ein Stern der zwinkert!“
  1. […] “Opazität” nur ein anderes Wort für “Durchsichtigkeit” […]

    Eigentlich das genaue Gegenteil, also Undurchsichtigkeit, oder?

  2. Vermute ich richtig, dass die dem Roten Zwerg abgewandte und daher weniger gestörte Hemisphäre des großen Sterns schwingt?

  3. @H.M.Voynich
    Ich habe da auch immer meine Schwierigkeiten, aber so wie es Florian gesagt hat stimmt das schon. Würden nämlich die Photonen des Sternes nicht durch die freien Elektronen im Stern zurückgehalten werden, würde der Stern ja heller leuchten und wäre somit weniger durchsichtig. Durch den Stern durchschauen wie durch ein Glas wäre dennoch nie möglich, weil das Licht des Hintergrundes ja auch an den freien Elektronen gestreut werden würde. Astronomisch betrachtet wäre wohl der Ereignishorizont eines schwarzen Loches maximal durchsichtig, weil keinerlei Licht von innen nach außen dringt.

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