Die abgesagte „Global Warming Party“-Tour der Science Busters geht weiter. Bzw. nicht. Nachdem ich schon davon erzählt habe wie wir nicht in Wildon und nicht in Wien waren geht es nun um den Auftritt der heute nicht in Passau stattfinden wird. Es ist ja wirklich schade, das alle Vorstellungen und öffentlichen Auftritte abgesagt werden mussten – unsere neue Show macht wirklich Spaß (und das sage ich in dem Wissen, dass ich in dieser Show regelmäßig angezündet werde!) Aber es hilft ja nichts, auch wenn ich mich schon sehr auf die Reise nach Passau gefreut habe. Die „Drei-Flüsse-Stadt“ an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland ist immer wieder schön. Aber auch wenn wir dort heute nicht sein können kann ich doch zumindest ein wenig über die Wissenschaft reden, die man dort erleben kann auch wenn wir nicht vor Ort sind.

Ich war ein wenig überrascht dass man keine wirklich namhaften Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler finden kann die aus Passau kommen. Oder große Entdeckungen die dort gemacht wurden. Es gibt die – lesenswerte – Science-Fiction-Geschichte mit dem schönen Titel „Der Untergang der Stadt Passau“, aber das ist einerseits ein wenig düster in der aktuellen Situation und andererseits kann man sehr viel interessante Wissenschaft da finden, wo Passau wirklich mehr zu bieten hat als andere Städte: In den Flüssen!

Wer nach Passau reist muss auf jeden Fall ans Ende der Halbinsel spazieren auf der sich ein Großteil der alten Stadt befindet. Dort kann man dann zusehen wie der Inn, die Ilz und die Donau zusammenfließen. Und man kann wirklich sehen wie die drei Flüsse zusammenkommen. Die recht kleine Ilz fließt aus mooriger Gegend nach Passau und ihr Wasser ist dunkel und schwarz. Der Inn kommt aus den Schweizer Alpen und führt grünes Wasser und die Donau ist, wie schon Johann Strauss wusste, schön blau. Es braucht ein wenig Zeit bis sich die einzelnen Wasserläufe vermischen was bedeutet, dass die Donau ihren Weg ein Stückchen mehrfarbig zurück legt.

Zusammenfluss von Donau. Inn und Ilz in Passau (Bild: Hgmichna, gemeinfrei)

Und es ist übrigens tatsächlich die Donau, die von Passau aus ihren Weg zum schwarzen Meer fortsetzt. Man kann ja oft lesen dass in Passau eigentlich der Inn der größere/längere/wasserreichere Fluss wäre und deswegen nicht der Inn in die Donau sondern die Donau in den Inn fließen würde. Und man das resultierende Gewässer auch Inn nennen sollte. Aber als jemand der ein Stück flußabwärts in „Krems an der Donau“ geboren worden ist kann ich das definitiv nicht akzeptieren; „Krems am Inn“ wäre absurd; ebenso wie „Wien am Inn“. Und zum Glück stützt hier auch die geografische Realität meine irrationalen Donau-Patriotismus. In Passau ist die Donau schon seit fast 650 Kilometern unterwegs; der Inn hat gerade erst wenig mehr als 500 Kilometer von seiner Quelle zurück gelegt. Wenn man dem Zusammenfluss der drei Gewässer in Passau betrachtet sieht es zwar tatsächlich so aus, als sei der Inn der mächtigere Strom. Aber der Anblick täuscht: Die Donau ist dort sehr tief (fast 7 Meter), während es der Inn nur auf knapp 2 Meter Tiefe bringt. Der Inn fließt also quasi über die Donau drüber, was der Donau untendrunter aber völlig egal ist. Und es kann auch tatsächlich vorkommen, dass der Inn mehr Wasser zum Zusammenfluss beiträgt als die Donau. Was aber an den Gletschern liegt aus denen der Alpenfluss sich speist. Wenn der Schnee schmilzt kann der Inn kurzfristig sehr viel Wasser führen und auch mehr als Donau. Die meiste Zeit über aber hat der Inn weniger Wasser als die Donau. Von Passau aus fließt also auf jeden Fall die Donau weiter Richtung Osten.

Bei meinen Recherchen über die Passauer Flüße bin ich dann auch auf das schöne Konzept von Gewässerkennzahlen und Flussordnungszahlen gestoßen. Letztere, auch „FLOZ“ genannt gibt in der Gewässerkunde den Grad der Verzweigung in einem Gewässernetz an. Es gibt mehrere Systeme; das klassische aber geht so: Ein Fluss der – wie die Donau – ins Meer mündet bekommt die Ordnungszahl eins. Ein Fluss der in die Donau mündet kriegt die Ordnungszahl zwei. Ein Fluss der in einen Fluss mündet der in die Donau mündet kriegt die Zahl 3. Und so weiter – ist ein bisschen so wie bei den Erdős-Zahlen in der Mathematik. Man kann das System auch umdrehen („Flussordnungszahl nach Strahler“), dann kriegen die äußersten Zuflüsse die Zahl eins. Fließen zwei Flüsse zusammen, dann kriegt der Zusammenfluss eine um eins größere Zahl wenn bei zuvor die gleiche Ordnungszahl gehabt haben bzw. die größere der beiden Zahlen, wenn sie unterschiedlich waren. Oder man ordnet Flüsse nach dem System von Shreve, wo man bei den äußersten Zuflüssen mit eins anfängt und beim Zusammenfluss zweier Flüsse einfach ihre jeweiligen Ordnungszahlen addiert um die neue Ordnungszahl zu erhalten. Was besonders praktisch ist, wenn man die Anzahl der Quellen in einem bestimmten Einzugsgebiet kennen will.

Die „Gewässerkennzahl“ ist wieder etwas anderes. Die ist eigentlich nur eine Identifikationsnummer mit der man Flüsse eindeutig bezeichnen kann und an der man ein paar grundlegende Eigenschaften ablesen kann. Das ganze System ist je nach Land ein wenig unterschiedlich aber sowohl in Österreich als auch in Deutschland durchaus komplex. Aber, und das ist das schöne an solchen Systemen, sie funktionieren und am Ende kriegt jedes noch so kleine Gewässer eine eindeutige Nummer. Ich habe zum Beispiel aus den hier verfügbaren Daten relativ wahllos den „Bach von Sattlehen“ rausgesucht. Sattlehen ist ein kleines Nest in Niederösterreich in der Nähe von Kirnberg an der Mank und offensichtlich gibt es dort einen Bach der nichtmal einen vernünftigen Namen bekommen hat. Aber die Kennzahl „2-224-2-44-18-6-0-0“. Daraus kann man ablesen, dass das Wasser des Baches irgendwann mal in der Donau landet (deswegen die „2“ ganz zu Beginn; der Rhein hat die „1“ und die Elbe die „3“). Die anderen Zahlen bezeichnen andere Gewässer und wer sich auskennt kann mit der Kennzahl herausfinden dass der Bach von Sattlehen zuerst in den Schweinsbach fließt, der dann in den Sulzbach, dann landet alles im Mank, der fließt in die Melk und die schließlich in die Donau.

Alles schön sortiert! (Bild: BMLRT)

Für den einen oder die andere mag das langweilig klingen. Ich finde es schön. Es ist irgendwie beruhigend zu wissen, dass die Wissenschaft nichts auslässt. Egal wie unwichtig etwas erscheint; am Ende gibt es ein System in dem sich alles ordnen lässt. Egal ob es sich um irgendeine Mikrobe, ein unscheinbares Unkraut oder eben den „Bach von Sattlehen“ handelt: Niemand wird von der Naturwissenschaft vergessen und wer möchte kann ganz genau nachschauen und -forschen wo das Kleine in das große Ganze passt!

Das „große Ganze“ das uns noch lange begleiten wird und das auch das gewesen wäre worüber wir heute in unserer Show in Passau gesprochen hätte, ist natürlich die Klimakrise. Und die wirkt sich selbstverständlich auch auf die Gewässer der Erde aus. Auf den Bach von Sattlehen ebenso wie auf Donau, Inn und Ilz. Gerade der Inn wird Probleme bekommen. Wenn die Sommer heiß und trocken sind und sonst nicht viel Wasser da ist, dann macht der Anteil an Gletscherwasser im Inn bis zu 30 Prozent aus. Und wenn die Gletscher irgendwann verschwunden sind, dann fehlt Flüssen wie dem Inn das Wasser. Und manche trocknen vielleicht ganz aus. Und dann würde Passau zur „Zwei-Flüsse-Stadt“ was schade wäre…

Von Passau aus wären wir direkt nach München weiter gefahren um dort gleich zwei Shows aufzuführen die beide auch schon ausverkauft waren. Aber die sind natürlich auch abgesagt, weswegen ihr morgen hier lesen könnt, was passiert wenn die Science Busters nicht nach München kommen.

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Die abgesagteste Tour des Wissenschaftskabaretts

6 Gedanken zu „Donau, Inn und die beruhigende Gewissheit der Flussordnungszahlen: Die Science Busters kommen nicht nach… Passau!“
  1. > Die meiste Zeit über aber hat der Inn weniger Wasser als die Donau.

    Mittlerer Abfluss (MQ):
    Inn (Ingling/Passau), MQ 1921/2006: 740 m³/s
    Donau (Hofkirchen), MQ 1901/2006: 640 m³/s

  2. Iller, Lech, Isar, Inn
    fließen in die Donau rin.

    (Aus Sicht von Oberbayern)

    Schon dieses unentbehrlichen Reimes wegen
    bleibts dabei: die Donau fließt ins schwarze Meer.
    Ich meine mal gelesen zu haben, daß für diese
    Frage die Länge entscheidend ist.
    Wobei die Donau mit der Versickerung die Sache erschwert. :=(

  3. Die Benamung hat aber oft auch historische Gründe. So ist der Missouri beim Zusammenfluss mit dem Mississippi länger unterwegs gewesen, die Moldau wasserreicher als die Elbe sowie die Neger als die Ruhr (womit die Menschen in Duisburg oder Essen im „Negergebiet“ leben müssten). Oder warum hat die Weser keine Quelle, sondern entsteht aus dem Zusammenfluss von Werra und Fulda?

    Ganz kompliziert wird es in Asien. Der Syrdarja und der Amudarja münden (mehr oder weniger) in die Reste des Aralsees. Der Syrdarja entsteht durch den Zusammenfluss von Naryn und Karadarja, der Naryn wiederum durch den Zusammenfluss von Großem und Kleinen Naryn sowie der Karadarja durch den Zusammenfluss von Karakuldscha und Tar. Der Tar hat dabei selber noch einmal zwei Quellflüsse, Oy-Tal und Kara-Bel.

    Die Quellflüsse des Amudarja heißen Pandsch und Wachsch, die des Pandsch heißen Pamir und Wachandarja, und der Wachandarja hat selber noch einmal zwei (namenlose?) Quellflüsse. Fehlt noch der Wachsch mit seinen Quellflüssen Surchob und Obichingou, wobei der Surchob aus Kysylsuu und Muksu und der Muksu wiederum aus Seldara und Sauksai entsteht. Der Obichingou entsteht aus Gharmo und Kirgisob. Viel komplizierter geht es kaum, oder?

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