Ich sitze in einem Hotel in Jena. Genau so wie vor 15 Jahren, als ich das erste Mal nach Jena gekommen bin. Damals hab ich nicht damit gerechnet, dass meine Zeit in Thüringen so lange dauern wird. Ich hab mit 2 Jahren gerechnet – geworden sind es 15. Meine Wohnung habe ich heute leergeräumt und zurückgegeben. Und morgen bin auch ich dann wieder zurück; in Österreich.

Tschüß Turm!

Dass ich Jena sehr toll finde und in dieser Stadt extrem gerne gelebt habe, habe ich ja schon vor 5 Jahren sehr ausführlich erklärt. Dem, was ich damals über die Vorzüge von Jena geschrieben habe, habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich kann Jena immer noch sehr empfehlen. Es ist eine junge, lebendige, offene, internationale und lebenswerte Stadt. Die Uni und die Fachhochschule prägen Jena; genau so wie die optische Astronomie und die lange wissenschaftliche Tradition. Die Natur in und um Jena herum ist immer noch enorm schön; nicht umsonst heißt der große Park mitten in der Stadt „Paradies“.

Tschüß Sternwarte (obwohl ich zu dir eh schon 2007 Tschüß gesagt habe)

Aber so gern ich hier auch gelebt habe: Jetzt ist es Zeit, die Stadt zu verlassen. Gekommen bin ich damals im Jahr 2005 um als Astronom an der Universitätssternwarte zu arbeiten. Was ich dann auch 3 Jahre gemacht habe. Danach bin ich geblieben; jetzt als freier Wissenschaftsautor. Dieser Job hat wesentlich mehr Reisen nötig gemacht als davor – was aber kein Problem war. Meine Lesungen und Vorträge habe ich hauptsächlich in Deutschland gemacht und da kann man kaum zentraler wohnen als in Thüringen. Seit 5 Jahren aber bin ich auch mit den Science Busters unterwegs. Das hat nicht nur sehr viel mehr Reisen nötig gemacht sondern auch sehr viel mehr Reisen außerhalb von Deutschland. Ich war in den letzten Jahren beruflich viel öfter in Österreich unterwegs als in Deutschland. Und habe vermutlich mehr Zeit außerhalb von Jena verbracht als zuhause. In den letzten beiden Jahren war ich nie länger als ein bis zwei Wochen am Stück zuhause und die ganze Reiserei wurde nicht einfacher, da Jena seit ein paar Jahren vom Fernverkehr der Deutschen Bahn abgekoppelt worden ist.

Tschüß Planetarium!

Ich habe also schon länger überlegt, Jena zu verlassen und nach Österreich zu ziehen. Aber einerseits habe ich Jena wirklich gern und wollte nicht weg, auch wenn ich nur so wenig Zeit in der Stadt verbracht habe. Andererseits ist so ein internationaler Umzug als Freiberufler ja auch ein enormer vor allem bürokratischer Aufwand. Und ich hab auch nicht wirklich gewusst, wohin ich übersiedeln soll. Wien wäre die logische Wahl gewesen; da habe ich vor meiner Zeit in Jena ja schon sehr gerne gewohnt und da ist auch der Schwerpunkt meiner Science-Busters-Arbeit.

Tschüß Hanfried!

Aber genau so wie es mit damals bei meinem Umzug von Wien nach Jena schwer gefallen ist, mich nach der Großstadt mit den fast 2 Millionen Einwohnern auf das kleine Jena mit seinen 100.000 Menschen zu gewöhnen, war es jetzt wieder; nur umgekehrt. Nach 15 Jahren in Jena wo die Natur überall gleich in der Nähe ist, hatte ich keine Lust mehr auf große Metropole. Andere Städte in Österreich (Linz, Graz, Innsbruck, Bregenz) wären in der Hinsicht viel netter gewesen; aber damit hätte ich mein Reiseproblem kaum verbessert.

Tschüß Frommanscher Garten!

Im Sommer des letzten Jahres habe ich dann aber die Kleinstadt Baden kennengelernt. Im Süden von Wien gelegen, inmitten schöner Weinberge und Hügel mit 25.000 Einwohnern: Da war jede Menge Natur; eine schöne Stadt; jede Menge Kultur und Infrastruktur – und mit der Bahn bin ich in 20 Minuten mitten in Wien. Baden hat sich als idealer Ort für meine Rückkehr nach Österreich erwiesen. Was den Umzug nicht weniger stressig gemacht hat, aber immerhin ist er jetzt zum größten Teil durch. Die Wohnung in Baden ist zwar eher noch mit IKEA-Kartons anstatt mit Möbeln eingerichtet und es wird noch ein wenig dauern bis mich die deutsche Bürokratie endgültig entlassen und die österreichische endgültig akzeptiert hat. Aber zumindest der Teil in Jena ist mit diesem Tag beendet.

Tschüß Bratwurst!

Es wird noch ein wenig dauern bis ich in Baden heimisch werde. Die Stadt hat jede Menge Geschichte; auch wenn sie nicht so astronomielastig wie die Geschichte Jenas. Ich werde mit Sicherheit immer wieder mal traurig darüber sein, dass ich nicht mehr in Jena wohne. Aber es ist auch schön, eine ganz neue Stadt kennenzulernen. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt. Jenenser konnte ich nie werden, aber ich bin sehr froh darüber, dass ich 15 Jahre lang Jenaer war!

P.S. Der Artikel ist auch die Begründung, warum es in den letzten Monaten hier im Blog wirklich deutlich ruhiger war als sonst. Und auch in den nächsten Wochen noch ruhiger bleiben wird. Aber wenn alles mal wieder läuft, dann sollte auch mehr Zeit für schöne Astronomie-Artikel sein..

39 Gedanken zu „Tschüß Jena! 15 Jahre Thüringen sind zu Ende“
  1. Hab gleich nachgeschaut obs da auch finster genug ist zum Sterneschauen. Eher nicht so…. aber Du bist ja auch kein Finsterling, glaub ich. Natur ist nicht sehr weit weg und Österreich ist für mich sowieso praktisch ein Planet.
    Also viel Spaß in der neuen Heimat.
    felix

  2. Man sieht, dass Du mit den Jahren älter geworden bist. Aber immerhin hast Du noch keine grauen Haare und wenn sich die Platte obenrum schnell genug ausbreitet, dann wirst Du auch nie welche kriegen 😛

    … ein büschn Spass muss sein 😉 Alles Gute für Dich in Deiner neuen Heimat!

  3. immer wieder mal traurig

    Ach das ist doch völlig normal für jeden letztlich selbst entschiedenen Wechsel. Doch mit ein klein bißchen Glück wird das im Laufe der Zeit ziemlich glattgebügelt…

    Möge der Umzug möglichst stress- und verlust-frei sein!

    1. @Uli: Na komplett von der Bahn abgekoppelt ist Jena nicht. Aber früher ging die Strecke Hamburg-Berlin-München über Jena. Seit der Eröffnung der Mitte-Deutschland-Strecke geht alles nur noch über Erfurt. Was die Verbindung für alle AN der Strecke sehr viel schneller macht. Aber Jena liegt halt nun nicht mehr an der Strecke und wenn man irgendwo hin will, muss man immer erstmal mit der Regionalbahn nach Erfurt zuckeln…

  4. Am 90.Geburtstag von „Buzz“ Aldrin verlässt du Jena. Das ist irgendwie auch sehr astronomisch.
    Vielleicht verschlägts dich oder euch Busters mal zu einer Lesung nach Freiburg.

  5. Ohh wie traurig. Hat sich irgendwie immer gut angefühlt, deine Texte zu lesen und zu wissen, dass du hier her kommst. Und noch besser, wenn man dich mal in der Straße gesehen hat.
    Sag bescheid, wenn du hier mal ein Dach überm Kopf brauchst!Viel Spaß beim kennen lernen der neuen Stadt!

  6. Dann nutze ich mal die Gelegenheit, erstens viel Erfolg für den neuen Lebensabschnitt zu wünschen und zweitens nach etlichen Jahren des Schweigens danke zu sagen für ein bisschen Wissenschaftsnachilfe. Bin zwar kein regelmäßiger Stammleser, schaue und höre aber seit deinem Auftritt bei Tim Pritlove immer mal wieder rein und mag vor allem die Sternengeschichten sehr gerne.

    Respekt auch vor der sportlichen Entwicklung und alles Gute in Österreich!

  7. Das ist ja jetzt quasi ums Eck (8km) von mir! Für dich als Biertrinker evtl. interessant ist dass es in Traiskirchen das 2514-Bier als kleine Brauerei gibt, und in Pottenstein (~20 Minuten mit dem Zug) das Poidl Bräu, die immer wieder Bierheuriger veranstalten.

  8. Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute für den Umzug und die Zeit danach! Hoffentlich sind die Vorteile für den Umzug weit mehr familiärer als beruflicher Natur als es der Artikel vermuten lässt! 🙂

  9. @Florian: Potzblitz! Fürwahr. Sieht so aus, als käme man da als Normalo auch rein. Wisst ihr schon an welchem Tag ihr auftretet? Dann besorg ich mir ne Tageskarte. Und freut euch! Nächsten Montag soll es bei Sonnenschein bereits 13°C tagsüber haben und über dem Breisgau lacht die Sonne durch die Burgundische Pforte.
    Bier gibt’s hier auch genug, aber meine Empfehlung meidet Ganter. Waldhaus hat eine ganze Palette von Biersorten: u.a. ein Diplom-Pils (also sehr akademisch!) und ein süffiges „Ohne Filter“.

    1. @Jürgen: Wir sind gleich am ersten Tag dran; als erstes Event. Müsste im Programm auf der HP stehen. Was wir da aufführen ist allerdings keine „echte“ Show. Auf der Messe haben wir nen 20min Slot um uns vorzustellen; mehr nicht. Da wirds nur ein sehr kurzes Programm geben; ne normale Show von uns dauert ca 2 Stunden…

  10. Ich wünsche dir viel Glück, Erfolg und Freude in der neuen Stadt!
    Mit viel Natur drumherum und einem kurzen Weg in die Metropole sind die Voraussetzungen dafür ja schon mal gut und:
    „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“

  11. Wobei man in Wien in 20 Minuten auch im Nationalpark Lobau ist oder in den Weiten des Wiener Waldes. Aber ja, Baden ist quasi die Alternative, wenn man am Landleben will und doch irgendwie in der Stadt. 😉

  12. Na denn, einen möglichst nervenschonenden Umzug und gutes Einleben in Baden. Ich hab da im Rahmen einer Hochzeit mal eine Nacht in einem Hotel verbracht, schönes kleines Städtchen.

  13. Hallo Florian,

    Dir ist aber schon klar, dass zumindest laut Google Maps, Baden direkt neben „Einöde“ liegt. 😉
    Alles Gute und vergiss Deine Freunde von den Formeltieren nicht. Warte voller Sehnsucht auf eine neue Folge.

    LG
    Christian

  14. > #7 Florian Freistetter, 20. Januar 2020
    > Aber früher ging die Strecke Hamburg-Berlin-München über Jena. Seit der Eröffnung der Mitte-Deutschland-Strecke geht alles nur noch über Erfurt. Was die Verbindung für alle AN der Strecke sehr viel schneller macht.

    Egal ob einer an der Strecke wohnt oder nicht, die Zeitersparnis ist für die meisten Leute gleich. Jena ist zwar ein exotisches Reiseziel, doch die alten Verkehrswege bestehen weiter und werden auch bedient:

    https://www.bahn.de/regional/view/regionen/bayern/teilnetz/franken-thueringen-express.shtml

    > Aber Jena liegt halt nun nicht mehr an der Strecke und wenn man irgendwo hin will, muss man immer erst mal mit der Regionalbahn nach Erfurt zuckeln.

    Vergangenen Samstag hatte ich das Vergnügen, von Halle nach Erlangen zu fahren. Die direkte Verbindung ist 300 km lang und die Fahrt dauert keine 2 Stunden. Da die ICEs abwechselnd entweder in Erlangen oder in Bamberg halten musste ich dort in den Regionalexpress umsteigen. Die Fahrt von Bamberg nach Erlangen dauert in beiden Zügen gleich lang. Hinzu kam lediglich die Wartezeit in Bamberg.

  15. In Baden wirds wohl nicht so viel Astronomen geben.

    Und was Natur angeht: gibt es schon, aber Berge und Seen, wie etwa im Salzkammergut, das gibts nicht.

    Alles Gute!

    1. @Heinz: Manchmal frag ich mich schon was Menschen so zu Kommentaren motiviert. Ich erzähle hier, dass ich umziehe und dann fühlst du dich dringend bemüßigt mir zu erzählen, dass mein neuer Wohnort jetzt nicht so schön ist wie das Salzkammergut? Wieso? (Und ob da Astronomen wohnen oder nicht ist mir ziemlich egal… )

  16. @ Florian Freistetter
    Ich komme aus dem (echten) Salzkammergut. Und die erste Frage, die mir gestellt wird, wenn ich das als in Wien Lebender jemanden erzähle, ist meist die: „Was, um Gottes Willen, tust du dann in Wien? Dort (im Salzkammergut) ist es doch soooo schön!“ Ja, stimmt! Aber schön sein ist nicht zwingend der ausschlaggebende Punkt für die Wahl der Lebensmittelpunkts.
    Urlaub mache ich aber trotzdem sehr gerne dort, nächste Woche wieder.

  17. Hallo Florian,
    gutes Einleben an Deinem neuen Wohnort! Ich schätze Deine „Sterngeschichten“-Podcasts sehr und empfehle sie auch ab und zu weiter! Sie verkürzen nicht nur meine diversen Fahrten zu bayerischen Schulen, sondern machen die Fahrten auch schön und interessant und lassen mich immer neue „Aha-Erlebnisse“ haben! Damit tust Du der Welt etwas Gutes! Vielen Dank dafür! Andreas W.

  18. Aus meinem tiefsten wienerischen Herzen, das sich gerade von Wien verabschieden muss und sich mit der Kleinheit Jenas quält, danke ich für diesen Beitrag. Er stimmt mich hoffnungsvoll, dass ich als junge Wissenschaftlerin in Jena gut aufgehoben sein werde, trotz fehlender Großstadtluft. Und ja, die Thüringer Bratwürste sollen ja angeblich besser sein als Käsekrainer….
    Wie geht es dir nun, nach Jena?

    1. @Catharina: Keine Sorge, Jena wird dir gefallen! Es ist wirklich eine schöne, lebendige, lebenswerte Stadt! Grüß mir die Uni und die Saale! Ich hatte ja gehofft, ich könnte bald mal wieder zu Besuch kommen. Aber seit meinem Wegzug Anfang 2020 bin ich – pandemiebedingt – nicht mehr nach Thüringen gekommen. Fehlt mir schon ein bisschen, die Stadt. Aber irgendwann komm ich wieder!

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