Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 372: Falling Evaporating Bodies
Die Dinge am Himmel und draußen im Universum erscheinen uns ewig und unvergänglich. Seit es Menschen gibt, scheint tagsüber die Sonne und nachts zieht der Mond seine Runden über unsere Köpfe. Seit Jahrtausenden beobachten wir die gleichen Sterne und über die Planeten die wir heute nachts über den Himmel wandern sehen können, haben die Menschen sich schon immer Geschichten erzählt. Aber in Wahrheit ist nichts ewig, auch nicht draußen im All. Die Dinge laufen dort nur auf Zeitskalen ab, die weit über unser menschlichen Maßstäbe hinaus gehen. Meistens jedenfalls. Manchmal können wir auch Veränderungen beobachten und die sind dann ganz besonders interessant. So haben wir zum beispiel Kometen entdeckt, die andere Sterne umkreisen.
Genau um die soll es heute gehen und es hat einen Grund, warum der Titel der Folge nicht „Extrasolare Kometen“ oder ähnlich lautet sondern „Falling Evaporating Bodies“. Auf deutsch übersetzt bedeutet das so viel wie „Fallende, verdampfende Objekte“ und genau hat so man die Spur der Kometen anderer Sterne überhaupt erst entdeckt.
Denn Kometen sind ja eigentlich so gut wie gar nicht zu sehen. Wie ich in anderen Folgen der Sternengeschichten schon oft erzählt habe, handelt es sich um Brocken aus Eis und Gestein, die typischerweise nur ein paar Kilometer groß sind. Ohne technische Hilfsmittel könnte man die Dinger von der Erde aus nicht sehen; sie sind viel zu winzig um ausreichend Sonnenlicht reflektiern zu können so dass sie mit bloßem Auge am Nachthimmel sichtbar wären. Aber eben weil Kometen aus sehr viel Eis bestehen, können sie unter Umständen größer erscheinen als sie tatsächlich sind. Kommt so ein Komet nämlich in die Nähe der Sonne, dann verdampft dieses Eis (bzw. wenn man ganz exakt sein will, dann verdampft es nicht, sondern es sublimiert; es geht also direkt vom festen in einen gasförmigen Zustand über ohne dazwischen flüssig zu sein, was ja im luftleeren Raum des Weltalls gar nicht möglich ist). Wenn das Eis also zu Gas wird und dabei sein Volumen enorm vergrößert, reißt es auch jede Menge Staub von der Oberfläche des Kometen mit sich ins All. So entsteht um den kleinen Kometenkern herum eine sehr, sehr viel größere Hülle aus Staub. Die kann teilweise WIRKLICH sehr viel größer sein und einige tausend oder gar hunderttausend Kilometer ausmachen. Der ganze Staub ist jetzt natürlich sehr gut darin Sonnenlicht zu reflektieren weswegen wir die Kometen dann durchaus auch mit freiem Auge sehen können.
Bei den Kometen anderer Sterne ist das aber etwas kniffliger. Andere Sterne sind sehr weit weg. So weit weg, dass wir schon sehr große Probleme haben, die Planeten zu beobachten die sie umkreisen. Die können wir so gut wie immer nur indirekt entdecken aber selbst mit großen Teleskopen nicht direkt beobachten. Bei den kleineren Kometen ist das natürlich auch nicht möglich. Auch sie wurden nur indirekt entdeckt. Wir können das Licht beobachten, das ein Stern hinaus ins All schickt. Und damit dann das tun, was die Astronomie „Spektroskopie“ nennt. Auch das habe ich schon oft in den Sternengeschichten erzählt, aber ich fasse es vielleicht trotzdem noch mal kurz zusammen. Wenn Licht durch etwas hindurch strahlt, zum Beispiel eine Gaswolke, dann wird es dabei beeinflusst. Die Atome des Gases blockieren, vereinfacht gesagt, einen ganz bestimmten Teil des Lichts. Welcher Teil das ist, hängt von der Art der Atome ab. Helium blockiert einen anderen Teil also etwa Sauerstoff oder Kohlenstoff. Das Licht eines Sterns duchdringt die Gasschichten aus denen er besteht und deswegen fehlen danach die entsprechenden Anteile. Die können wir identifizieren, wenn wir das Sternenlicht in seine Bestandteile aufspalten, es also durch entsprechende optische Geräte schicken so dass aus der weißen Lichtmischung ein Regenbogen der einzelnen Farben wird aus denen das Licht besteht. Nur dass eben ganz bestimmte „Farben“ fehlen: Im Regenbogen – oder dem „Spektrum“ wie es offiziell heißt, sehen wir dann dunkle Linien – sogenannte „Spektrallinien“ und ihre Anordnung verrät uns, aus welchen Atomen der Stern besteht.
Das ändert sich normalerweise nicht. Obwohl ein Stern seine chemische Zusammensetzung selbstverständlich im Laufe seines Lebens ändert – aber er tut das auf so langen Zeitskalen dass man diesen Prozess nicht so einfach beobachten kann. Es kann nun aber natürlich auch passieren, dass das Sternenlicht verändert wird, nachdem es den Stern verlassen hat. Zum Beispiel dann, wenn es auf Gaswolken trifft, die sich irgendwo zwischen dem Stern und uns befinden (ich habe über solche Vorgänge in Folge 172 der Sternengeschichten erzählt). Und damit sind wir wieder bei den Kometen!
Denn das, was die Kometen bei uns im Sonnensystem tun, machen sie bei anderen Sternen natürlich auch. Wenn sie sich auf ihrer Umlaufbahn dem Stern nähern, erwärmen sie sich und das Eis verdampt. Es bildet sich eine Wolke und wenn die sich zufällig genau in der Sichtlinie zwischen uns und dem Stern befindet, dann muss das Sternenlicht da durch. Wir beobachten dann zusätzliche dunkle Linien im Spektrum des Sterns die auf die Anwesenheit des Kometen zurück zu führen sind. Jetzt bewegt sich der Komet aber weiter und mit ihm die Wolke. Das heißt die Linien, die plötzlich aufgetaucht sind, verschwinden auch wieder. Wir beobachten also eine deutliche Veränderung im Licht der Sterne und der Grund dafür sind die Kometen, die sie umkreisen.
Diese Methode funktioniert nicht bei allen Sternen. Wir brauchen dafür junge Sterne und zwar heiße, junge Sterne. Denn einerseits hat ein Stern in der Frühphase seines Lebens noch sehr viele Kometen. Sie verschwinden im Laufe der Zeit; zum Beispiel wenn sie mit Planeten kollidieren aber natürlich auch in dem sie irgendwann komplett verdampfen. Je öfter sie in der Nähe eines Sterns vorbei fliegen und aufgeheizt werden, desto mehr Eis verlieren sie bis sie schließlich vollständig zerbröseln und verschwinden. Andererseits sind junge und heiße Sterne auch leuchtkräftig genug um die kleinen Kometen auch noch in größerer Entfernung aufzuheizen UND sie sind heiß genug um das ganze Gas das aus der Zeit der Sternentstehung noch im System verblieben ist, aus dem System hinaus zu pusten. Bei solchen jungen und heißen Sternen haben wir also die besten Chancen, extrasolare Kometen zu entdecken und das ist auch der Grund dafür, dass wir sie bis jetzt nur bei genau solchen Sternen gefunden haben.
Einer dieser Sterne ist Beta Pictoris. Er befindet sich 63 Lichtjahre entfernt im Sternbild Maler. Mit einem Alter von nur 20 Millionen Jahre ist er noch sehr jung, in der Astronomie hat er aber schon eine große Karriere hinter sich. Dort hat man Anfang der 1980er Jahre das erste Mal die Scheibe aus Staub und Gesteinstrümmern beobachtet in und aus der Planeten entstehen. Dort hat man 2008 dann auch tatsächlich einen Planeten gefunden und es war einer der seltenen Fälle, wo man den Planeten direkt beobachten konnte anstatt nur indirekt seine Existenz zu bestätigen. Und dort hat man 1987 auch schon Hinweise auf Falling Evaporating Bodies entdeckt. Im Laufe der Jahre entdeckte man immer mehr davon; bis 2011 fand man schon fast 500 extrasolare Kometen. Eine genauere Analyse zeigte interessante Details: Man konnte die Kometen anhand ihrer Bewegung und Aktivität in zwei Gruppen einteilen. Das heißt, es gab zwei Gruppen von Kometen deren Mitglieder sich jeweils auf mehr oder weniger die gleiche Art um Beta Pictoris bewegte. Die eine Gruppe war aber wesentlich aktiver als die andere; die Objekte dort stießen also wesentlich mehr Gas aus. Man vermutet, dass diese aktive Gruppe aus noch sehr jungen Kometen besteht die entstanden, als ein größerer Himmelskörper auseinander gebrochen ist, vielleicht bei einer Kollision. Die Kometen der anderen Gruppe sind weniger aktiv und damit älter. Sie ziehen schon länger ihre Runden um den Stern und haben schon viel von ihrem Gas verloren. Trotzdem zeigen auch sie Ähnlichkeiten was die Umlaufbahnen angehte weswegen man annimmt, dass sie von der Gravitationskraft eines größeren Planeten beeinflusst werden, der Beta Pictoris umkreist. Schon lange bevor man 2008 den ersten Planeten von Beta Pictoris entdecken konnte wusste man also dank der Kometen dass sich dort solche Planeten finden lassen müssen. Mittlerweile hat man auch einen weiteren Planeten dort gefunden; um diesen jungen Stern herum ist also jede Menge los!
Falling Evaporating Bodies haben wir auch schon bei einem guten Dutzend anderer Sterne gefunden und das ist gut. Denn auch wenn Planeten auf den ersten Blick viel spektakulärer wirken als „Kleinzeug“ wie Kometen und Asteroiden: Ohne sie kriegen wir kein vollständiges Bild! Die Kometen gehören zum ursprünglichen Material; sie sind das, aus dem die Planeten ja erst entstanden sind; sie sind die Überbleibsel des Materials aus dem sich der Stern gebildet hat. Ihre Bewegung verrät uns etwas über all die anderen Objekte die sich noch um einen Stern herumbewegen und wir können andere Sternsysteme nur dann grundlegend verstehen, wenn wir auch über die Kometen Bescheid wissen.
Auch wenn es eigentlich nur ein bisschen Staub ist, der uns kurzfristig den Blick auf einen anderen Stern verstellt: Wir können enorm viel davon lernen.