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Sternengeschichten Folge 265: Antarktische Astronomie

Die Antarktis ist voller Eis, Schnee und Pinguine. Aber auch voll mit Astronomie! Auf den ersten Blick mag der eiskalte Südpol nicht so aussehen als wäre er ein guter Platz um von dort aus das Universum zu erforschen. Aber dieser erste Blick täuscht: Für viele Arten der Forschung gibt es kaum einen besseren Ort!

Das erste Mal haben Menschen in der Antarktis vermutlich im 18. Jahrhundert zum Himmel geschaut. Beziehungsweise in der Nähe der Antarktis: Zwischen 1772 und 1775 segelte der britische Forscher James Cook um den südlichen Kontinent und mit an Bord seiner Schiffe war auch der englische Astronom William Bayly. Die Erforschung des Universums hat ihn damals aber eher wenig interessiert; es ging viel mehr um die genaue Positionsbestimmung und die Kartografierung der neu entdeckten Küsten, für die auch astronomische Beobachtungen notwendig waren.

Alles voll Astronomie! (Bild: gemeinfrei)
Alles voll Astronomie! (Bild: gemeinfrei)

Definitiv astronomisch wurde es aber dann zwischen 1911 und 1914. Da organisierte Douglas Mawson die erste australische Antarktisexpedition. Sein Plan mit einem Flugzeug dorthin zu fliegen, scheiterte allerdings, da es bereits im australischen Adelaide abstürzte. Aber es gab ja noch Schiffe und Hundeschlitten. Mawson und seine Kollegen erlebten das, was man damals so in der Antarktis erlebte. Sie marschierten wochenlang über das Eis; stürzten in Gletscherspalten, verloren ihre Vorräte und mussten ihre Hunde essen. Daneben entdeckten sie ein paar neue Gletscher, kartografierten ein paar neue Gegenden und machten am 5. Dezember 1912 eine Entdeckung, die zeigen sollte wie wertvoll die Antarktis für die Astronomie ist.

Leslie Whetter und Alfred Hodgeman fanden auf einem Ausflug im ostantarktischen Adélieland einen etwa ein Kilogramm schweren Stein, den sie sofort als Meteorit erkannten. Das klingt auf den ersten Blick nicht nach einer sonderlich spektakulären Entdeckung. Meteoriten fallen überall auf der Erde zu Boden. Man kann sie überall finden; warum nicht also auch in der Antarktis? Dort aber fanden die Wissenschaftler in den kommenden Jahrzehnten immer mehr Steine aus dem All. Deutlich mehr als anderswo und das liegt an den speziellen Bedingungen des südlichsten Kontinents. Natürlich landen in der Antarktis nicht mehr Meteoriten als anderswo. Aber dort gibt es etwas, was anderswo kaum zu finden ist: Meteoritenfallen.

Diese ganz speziellen Regionen findet man in den antarktischen Blaueisfeldern. Die heißen so, weil dort das Eis der Gletscher offen an der Oberfläche liegt und nicht mit Schnee bedeckt ist. Starke Winde blasen ihn beständig fort. Das allein reicht aber noch nicht. Unter der dicken Eisschicht muss die antarktische Landmasse so beschaffen sein, dass der fließende Gletscher nach oben gedrückt wird, zum Beispiel durch einen unter dem Eis liegenden Berg. Wenn der Gletscher sich jetzt vorwärts bewegt, werden gleichzeitig tiefliegende Eisschichten nach oben gedrückt.

Und damit auch alles was sich in diesen Eisschichten befindet. Meteoriten fallen, so wie überall sonst auch, auf das Eis der antarktischen Gletscher. Sie sinken nach unten; werden von neuem Eis bedeckt und bleiben dort. Landen sie allerdings in einer Eisschicht die bei einem Blaueisfeld nach oben gedrückt wird, gelangen sie wieder an die Oberfläche. Dort sammeln sie sich an und das freut die Astronomen. Die Antarktis nimmt ihnen die mühsame Suche nach Meteoriten ab und ist so nett sie im Laufe der Zeit alle per Gletscherfluss in die Meteoritenfallen zu schieben. Die Kälte sorgt außerdem noch dafür dass die Meteoriten langsamer verwittern und sie werden auch nicht durch irgendwelche organischen Stoffe verunreinigt. In den Blaueisfeldern der Antarktis kann man einfacher Meteoriten sammeln als anderswo; und die die man findet sind perfekt konserviert. Im Laufe der Zeit haben Wissenschaftler zehntausende Meteoriten aus der Antarktis in ihre Labors gebracht – unter anderem auch den berühmten Marsmeteoriten ALH 84001 über den ich in Folge 116 der Sternengeschichten mehr erzählt habe.

In der Antarktis kann man aber auch noch auf andere Art wunderbar Astronomie betreiben. Zum Beispiel mit der Beobachtung von Neutrinos. Diese seltsamen Elementarteilchen werden von den Sternen in gigantischen Mengen erzeugt. Wir bekommen aber kaum etwas davon mit, da diese Teilchen so gut wie nie mit dem Rest der Materie in Wechselwirkung treten. Sie sausen einfach durch die Erde hindurch und hinterlassen keine Spur. Oder fast keine Spur: Denn ab und zu kommt es doch mal zu einer Wechselwirkung. Dabei erzeugen sie andere Teilchen und einen ganz charakteristischen Lichtblitz. Neutrinodetektoren nutzen das aus in dem sie probieren solche Wechselwirkungen zu beobachten. Dabei nimmt man normalerweise jede Menge Wasser, packt es in einen dunklen, unterirdischen Tank und stattet den mit sehr vielen sehr empfindlichen Lichtmessgeräten aus um die Blitze registrieren zu können, die entstehen wenn die Neutrinos auf die Moleküle des Wassers treffen.

Wenn nun die Antarktis aber etwas in großen Mengen hat, dann ist das Wasser! Nicht flüssig, sondern als Eis – aber das macht keinen Unterschied. In jahrelanger Arbeit hat man deswegen dort den IceCube gebaut. Man hat 86 knapp 2,5 Kilometer tiefe Löcher ins Eis der Antarktis gebohrt (oder besser gesagt: geschmolzen) und dort lange Kabel mit Sensoren hinabgelassen. Dann wurde ließ man alles wieder zufrieren und hat nun seit 2010 einen etwa einen Kubikkilometer großen Eiswürfel der mit Messgeräten durchsetzt ist um Neutrinos zu messen und zu analysieren. Was man mit dieser „Neutrinoastronomie“ für wunderbare Sachen machen kann, habe ich in Folge 103 der Sternengeschichten erklärt und ich bin sicher dass die Antarktis uns in den kommenden Jahren jede Menge spannende Forschungsergebnisse liefern wird.

Wir bauen einen Astronomie-Eiswürfel! Bohrarbeiten zu IceCube in der Antarktis (Bild: Amble, CC-BY-SA 3.0)
Wir bauen einen Astronomie-Eiswürfel! Bohrarbeiten zu IceCube in der Antarktis (Bild: Amble, CC-BY-SA 3.0)

Man kann in der Antarktis aber auch ganz normale Astronomie betreiben, mit klassischen Teleskopen. Die großen Observatorien der modernen Astronomie findet man ja heute immer trockenen, hochgelegenen Wüstengebieten. Im südafrikanischen Hochland oder der chilenischen Atacama-Wüste zum Beispiel. Aber man vergisst oft dass auch die Antarktis eine Wüste ist. Eine Eiswüste zwar, aber deswegen nicht weniger gut für die astronomische Arbeit geeignet. Es gibt dort wenig Niederschlag, die Luft ist trocken und die dicke Eisschicht führt dazu das es dort hochgelegene Gebiete gibt wie zum Beispiel Dome Charlie; 3200 Meter hoch im ostantarktischen Wilkesland gelegen. Oder Dome Argus, eine 4100 Meter hochgelegene Ebene. Sie gilt als eine der kältesten Regionen der Erde; dort hat man auch mit -93,2 Grad die tiefste je auf der Erde gemessene Temperatur registriert.

Und genau dort befindet sich das Plateau-Observatorium, eine vollautomatische Sternwarte mit sieben Teleskopen, die von Australien und China gemeinsam aufgebaut wurde. In der Antarktis stehen aber noch jede Menge andere Teleskope und das ist kein Wunder. Die Luft ist dort sehr trocken und das erhöht die Qualität der Beobachtungen. Es macht es außerdem leichter Infrarotstrahlung und Radiowellen aus dem All zu beobachten, die anderswo zu einem Teil von den Wassermolekülen in der Luft blockiert werden. Und dann hat die Antarktis noch einen weiteren großen Vorteil: Wenn es dort dunkel wird, bleibt es auch dunkel! Die Polarnacht dauert nicht nur ein paar Stunden sondern ein halbes Jahr lang. So kann man wirklich lange und unterbrechungsfreie Beobachtungsreihe durchführen.

Die trockene Atmosphäre und die Durchlässigkeit der antarktischen Luft für Radiowellen haben den Kontinent auch zu einem wichtigen Standort für die Radioastronomie gemacht. Direkt am Südpol selbst – beziehungsweise direkt bei der Amundsen-Scott-Südpolstation – befindet sich das South Pole Telescope, ein 10 Meter durchmessendes Radioteleskop, das unter anderem dazu eingesetzt wird, nach Galaxien und Galaxienhaufen zu suchen und die dunkle Energie zu erforschen. Die Südpolstation beherbergt auch das „Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization“-Experiment; kurz „BICEP“. Damit beobachten Astronomen die kosmische Hintergrundstrahlung, also das allererste Licht das vor 13,8 Milliarden Jahren, nur wenige hunderttausende Jahre nach dem Urknall selbst, entstand und sich seit damals durchs ganze Universum ausbreitet. BICEP gelangte 2014 weltweit in die Schlagzeilen, als man verkündete, dass man Gravitationswellen gemessen hatte, die von der inflationären Phase des jungen Universums stammten. Ich habe in den Folgen 70 und 71 der Sternengeschichten mehr darüber erzählt und es wäre eine wirklich revolutionäre Entdeckung gewesen. Wenn sie denn auch korrekt gewesen wäre – und das war leider nicht der Fall. Bei der Interpretation der Ergebnisse haben die Wissenschaftler ein paar Dinge übersehen und mussten ihre Entdeckung später wiederrufen.

Aber die Teleskope der Antarktis stehen weiterhin bereit! Im ewigen Eis, in ewiger Kälte und der langen dunklen Polarnacht blicken sie zum Himmel und es würde mich kein bisschen wundern, wenn die nächste große astronomische Entdeckung von den antarktischen Astronomen gemacht wird!

7 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 265: Antarktische Astronomie“
  1. Ich wundere mich immer, wie sich starke Winde mit Teleskopen vertragen… bei mir aufm Feld ist schon eine kleine Bö ein Ärgernis. Aber gut, ich habe vielleicht keine große Kuppel, unter der das Gerät Schutz findet.

  2. Was mich bei IceCube wundert – dass das Eis anscheinend klar genug ist, dass man darin die schwachen Tscherenkow-Lichtblitze der Beta-Zerfälle beobachten kann. Eis enthält schließlich Luftblasen und ist normalerweise nicht besonders durchsichtig. Gerade blaues Licht kommt im Eis nicht weit und wird stark gestreut – und Tscherenkow-Strahlung ist blau. Die Sensoren (warum werden die nicht vom Eis zerdrückt?) stehen wohl hinreichend dicht.

  3. @pane

    Ich dachte, die seien überall – man kann beispielsweise die Atmosphäre früherer Zeit aus Eisbohrkernen untersuchen. Die Luft kann doch nirgends hin, wenn sie tief im Eis steckt. In Wasser lösen geht bei Eis ja dann auch nicht mehr – oder doch?

  4. @Alderamin

    „Die Kabelstränge und Detektoren werden in mit heißem Wasser gebohrten Löchern versenkt, die anschließend wieder zufrieren; die Sensoren werden in Tiefen zwischen 1450 und 2450 Metern platziert, wo durch den enormen Druck alle störenden Luftbläschen soweit komprimiert sind, dass sie für die Ausbreitung des Lichts keine Rolle mehr spielen.“
    Aus der Wikipedia.

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