Astronomie betreibt man schon längst nicht mehr nur mit dem normalen Licht das auch unsere Augen sehen können. Die erste große Erweiterung des astronomischen Sichtfelds entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da lernten die Menschen auch mit Radioaugen zum Himmel zu sehen und stellten fest, dass es dort so viel mehr zu sehen gab als man bisher dachte…

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Transkription

Sternengeschichten Folge 223: Die Geschichte der Radioastronomie

Zum Himmel geschaut haben die Menschen schon immer. In der Nacht ist es zwar dunkel, aber ein wenig Licht der Sterne erreicht uns trotzdem. Den überwiegenden Teil der Menschheitsgeschichte waren unsere Augen die einzigen optischen Instrumente mit denen wir das Sternenlicht wahrnehmen konnten. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden Teleskope entwickelt, die es uns möglich gemacht haben, wesentlich mehr am Himmel zu sehen als zu vor. Aber damals rechnete noch niemand damit, dass es da noch viel, viel mehr zu sehen gibt!

Goldstone Antenne der NASA (Bild: NASA, Public Domain)
Goldstone Antenne der NASA (Bild: NASA, Public Domain)

Nur wenige Jahrzehnte nach der Erfindung des Teleskops entdeckte Isaac Newton, dass Licht eine Mischung aus verschiedenen Farben ist. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckten andere Wissenschaftler dann, dass das Licht nicht nur aus den Farben besteht die unser Auge sehen kann. Es gibt noch viel mehr Farben die nur mit speziellen Instrumenten wahrgenommen werden kann. Infrarot zum Beispiel. Oder Ultraviolett. Die Entdeckungen folgten Schlag auf Schlag: Man entdeckte Radiolicht; man entdeckte Röntgenlicht; Gammalicht – und schließlich fand der große Physiker James Clerk Maxwell, den ich schon in Folge 125 genauer vorgestellt habe, dass all diese Arten des sichtbaren und unsichtbaren Lichts nichts anderes sind als elektromagnetische Wellen.

Die Astronomen wussten da schon, dass Sterne wie unsere Sonne nicht nur sichtbares Licht abgeben, sondern auch Infrarot- oder Ultraviolettstrahlung. Und eigentlich sollten auch Radiowellen abgesandt werden. Ein Stern muss im kompletten elektromagnetischen Spektrum leuchten – aber es war schwierig, das auch genau nachzuweisen. Schon in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts haben verschiedene Wissenschaftler versucht, die Radiostrahlung der Sonne zu registrieren. Das gelang nicht, was vor allem an der noch recht primitiven Technik lag.

Dann aber kam Karl Jansky. Der amerikanische Physiker und Ingenieur arbeitete in den 1930er Jahren für die Bell Telephone Laboratories. Eine seiner Aufgaben war die Identifikation von Störgeräuschen beim transatlantischen Funkverkehr. Er benutzte dazu eine große Antenne mit der alles aufzeichnete, was er konnte. Ein Signal stach dabei besonders hervor: Alle 24 Stunden tauchte es auf und verschwand dann wieder. Jansky vermutete zuerst, dass er hier tatsächlich die Radiowellen der Sonne detektiert hatte. Denn die Erde dreht sich ja in 24 Stunden einmal um ihre Achse und die Sonne taucht dabei auch einmal in 24 Stunden im Sichtfeld seiner Antenne auf. Als er das Signal aber genauer untersuchte stellte er fest, dass es keine 24 Stunden waren sondern 23 Stunden und 56 Minuten. Das verwirrte ihn, aber zum Glück hatte er einen Freund, der Astronom war. Albert Melvin Skellett wies ihn darauf hin, dass diese 23 Stunden und 56 Minuten exakt die Dauer eines Sterntags waren. So nennt man in der Astronom den Zeitraum der vergeht, bevor die Erde wieder exakt in die gleiche Richtung in Bezug auf die fernen Sterne blickt. Ich habe das in Folge 5 der Sternengeschichten schon genauer erklärt: Während die Erde sich um ihre Achse dreht, bewegt sie sich auch gleichzeitig um die Sonne herum. Damit ein Punkt auf der Erdoberfläche in Bezug zur Sonne wieder exakt in der gleichen Position steht, muss sich die Erde also noch ein kleines Stück weiter drehen um die Bewegung entlang ihrer Umlaufbahn um die Sonne auszugleichen. Bezieht man die Rotation auf die fernen Sterne, dann entfällt diese kurze zusätzliche Zeitspanne. So entsteht der Unterschied von vier Minuten zwischen „Sterntag“ und „Sonnentag“.

Nachbau von Janskys erster Radioantenne (Bild: Public Domain)
Nachbau von Janskys erster Radioantenne (Bild: Public Domain)

Janskys Signalquelle tauchte alle 23 Stunden und 56 Minuten im Sichtfeld seiner Antenne auf. Es musste sich also um etwas handeln, das sich außerhalb des Sonnensystems befand. Nach einer genaueren Analyse konnte Jansky die Position der Quelle identifizieren. Sie befand sich irgendwo im Sternbild Schütze; genau in Blickrichtung des Zentrums unsere Milchstraße. Dort stehen die Sterne am dichtesten; dort befindet sich auch jede Menge interstellarer Staub und Jansky ging davon aus, dass dieser Staub für die Störquelle verantwortlich war. Heute wissen wir, dass Jansky die extrem starke Radiostrahlung beobachtet hat, die aus der Umgebung des supermassereichen schwarzen Lochs stammt, das sich im Zentrum unserer Milchstraße befindet. Während die Materie dort in Richtung des schwarzen Lochs fällt wird sie enorm stark beschleunigt. Sie bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit durch das Magnetfeld in der Umgebung des schwarzen Lochs und erzeugt so Radiostrahlung.

Jansky hatte die erste astronomische Radiobeobachtung gemacht. Er wollte sich auch gerne weiter um die Radioastronomie kümmern und mehr herausfinden – aber die Bell Laboratories waren anderer Meinung und wiesen ihm andere Aufgaben zu. Aber immerhin ist heute noch die Einheit für die sogenannte spektrale Flussdichte nach ihm benannt, also die Menge der bei einem Beobachter eintreffenden Energie pro Zeit, pro Fläche und pro Frequenz. An dieser Einheit sieht man auch gut, wie schwach die Radiostrahlung ist, die aus dem Weltall auf die Erde trifft: Ein Jansky entspricht dem hundertquadrillionster Teil eines Watt pro Quadratmeter pro Hertz.

Aber es hat nicht lange gedauert, bis man auch nähere Quellen von Radiostrahlung fand. Der Brite James Stanley Hey war während des zweiten Weltkriegs mit der gerade neue entwickelten Radartechnik beschäftigt. Er sollte Methoden finden, wie man etwas gegen die Störsender tun konnte, die seit einiger Zeit von Deutschland eingesetzt wurden. Er suchte mit einem Radioteleskop nach Störquellen und fand einige. Im Februar 1942 entdeckte er eine, die nichts mit den Deutschen zu tun haben konnte. Denn sie folgte dem Weg der Sonne über den Himmel. Als er seine Aufzeichnungen mit denen der Astronomen vom Royal Observatory in Greenwich verglich stellte er fest, dass gerade zu dieser Zeit ein sehr großer und sehr aktiver Sonnenfleck auf der Sonne zu sehen war. Hey hatte als erste die Radiostrahlung der Sonne beobachtet – bzw. die Radiostrahlung, die aus den Regionen der Sonnenflecken stammt, wo enorm starke Magnetfelder auch vergleichsweise intensive Radiowellen erzeugen. Normalerweise ist die Sonne nämlich eine eher schwache Radioquelle – weswegen frühere Radiobeobachtungen auch immer scheiterten.

Grote Rebers Radioteleskop (Bild: NRAO, Public Domain)
Grote Rebers Radioteleskop (Bild: NRAO, Public Domain)

Hey hatte nur ein Problem: Seine Forschung wurde während des Krieges als geheim eingestuft und er durfte sie nicht veröffentlichen. Deswegen kam ihm ein weiterer Pionier der Radioastronomie zuvor: Der Amerikaner Grote Reber war eigentlich kein Wissenschaftler. Er war ein engagierter Hobby-Astronom und Hobby-Funker. 1937 baute er sich in seinem Hinterhof eine eigene Radioantenne; immerhin mit einem Durchmesser von neun Metern. Es war, nach der Antenne von Karl Jansky, die zweite Antenne die gezielt zur astronomischen Beobachtung eingesetzt wurde. Reber ging systematisch vor und suchte Stück für Stück den ganzen Himmel nach Radioquellen ab. Seine Kataloge wurden zur Grundlage der modernen Radioastronomie und da er nicht an militärische Geheimhaltung gebunden war konnte er noch während des Krieges und vor Hey über die Radiobeobachtung der Sonne publizieren.

Grebers Radioteleskop steht heute in Green Bank und gehört dem National Radio Astronomy Observatory der Vereinigten Staaten. Mit seinen neun Metern Durchmesser sieht es beeindruckend groß aus – aber die modernen Radioteleskope sind noch viel größer. In Deutschland steht nahe von Bad Münstereifel das Effelsberg-Teleskop das einen Durchmesser von 100 Metern hat. In Puerto Rico wird das Arecibo-Teleskop betrieben, das einen Durchmesser von 305 Metern hat. Und in China wurde im Jahr 2016 FAST in Betrieb genommen, das „Five-hundred-meter Aperture Spherical radio Telescope“, das – wie der Name schon – gigantische 500 Meter durchmisst.

Es ist auch kein Wunder, das gerade die Radioteleskope so groß sind. Radiowellen haben eine Wellenlänge die von ein paar Zentimetern bis zu ein paar hundert Metern reichen kann. Für unsere Augen sichtbares Licht dagegen hat Wellenlängen, die Milliarden Mal kürzer sind. Ein normales optisches Teleskop das einen Spiegel von einem Meter Durchmesser hat, ist circa eine Million mal größer als die Wellenlänge des Lichts das es beobachtet. Dementsprechend gut ist die Auflösung – würde ein gleich großes Radioteleskop aber zum Beispiel Radiowellen mit einem halben Meter Wellenlänge beobachten, wäre es praktisch blind. Ein Teleskop muss deutlich größer sein als die Wellenlänge des Lichts mit dem es arbeitet. Trotz der gigantischen Ausmaße der modernen Radioteleskope ist ihre Auflösung im Allgemeinen immer noch schlechter als die von optischen Teleskopen.

Radioteleskop Effelsberg (Bild: ADwarf, Public Domain)
Radioteleskop Effelsberg (Bild: ADwarf, Public Domain)

Aber trotzdem sind sie aus der modernen Astronomie nicht mehr wegzudenken. Es gibt so viel, was wir nur im Radiolicht sehen können, selbst wenn die Auflösung der Bilder nicht so gut ist wie die der optischen Teleskope. Die Strahlung die in der Nähe der sonst unsichtbaren schwarzen Löcher erzeugt beispielsweise. Oder die riesigen Wolken aus Gas und Staub in der dunklen Leere zwischen den Sternen. Jedesmal wenn dort die Moleküle und Atomen miteinander kollidieren werden sie ein wenig angeregt und wenn sie diese Energie wieder abgeben, tun sie das in Form von Radiostrahlung und machen so auf sich aufmerksam. Außerdem haben die Astronomen mittlerweile auch Wege gefunden, Radioteleskope größer zu machen ohne sie auch größer bauen zu müssen. Aber das ist ein Thema für eine andere Geschichte…

6 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 223: Die Geschichte der Radioastronomie“
  1. hmpf…

    Denn die Erde dreht sich ja in 24 Stunden einmal um ihre Achse..

    …dass sie genau das eben nicht tut erklärst du ja direkt anschliessend… 😉

  2. 0. Ich könnte mir denken „Jansky“ wird äh international anders ausgesprochen, aber eine coole Einheit für Energiemenge ist es trotzdem!
    Frage mich auch ob es noch woanders so große Unterscheide gibt! (Hypothese: Stärke von Gravitationswellen in „g“ ausgedrückt?)

    Im Englischen sind noch Größenordnungen zum Vergleich angegeben.

    Der Titel meines Beitrages stimmt, aber zwei kritische Anmerkungen:

    1. Hätte man nicht das englische „Flux“ erwähnen können? Das ist so prima nahe am Fluxgenerator!

    2. Effelsberg ist nicht schlecht, aber
    das Bild s.u. finde ich eindrucksvoller:

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/fast-china-nimmt-weltgroesstes-radioteleskop-in-betrieb-a-1113867.html

  3. Irgendwo hab ich einen Artikel über die Erdfunkstelle Raisting, bei der man auch mal die Antenne auf die Sonne gerichtet hat um die Richtwirkung zu überprüfen.

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