Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier.
Das sagt der Autor des Artikels, Lars Jaeger über sich:
Ich lebe in Zug (Schweiz) und führe meinen eigenen Blog unter https://larsjaeger.ch/?cat=19&lang=de. Ich habe am Max-Planck-Institut für Physik Komplexer Systeme in Dresden promoviert und dann einige Zeit in der Forschung, später dann in der Modellierung globaler Kapitalmärkten gearbeitet. Letztes Jahr habe ich mein erstes Sachbuch zur Geschichte der Wissenschaft geschrieben (Springer Spektrum Verlag), s. https://www.springer.com/de/book/9783662433997 bzw. https://larsjaeger.ch/?page_id=357&lang=de. Im September wird mein zweites Buch erscheinen zum Thema „Wissenschaft und Spiritualität (s. https://www.springer.com/de/book/9783662502839 ).
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Genetik zwischen Allmacht und Albtraum – CRISPR und die Zukunft des menschlichen Genoms
„Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort. Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?“, lässt Goethe seinen Protagonisten Faust im Angesicht der ersten Worte des Johannes-Evangeliums aussprechen. Gemeint ist natürlich das ewige Wort Gottes bei der Erschaffung der Welt und allen Lebens. Was Goethe noch Probleme bereitete, hat die moderne Naturwissenschaft längst hinter sich gelassen; Von Gott ist bei ihr kaum mehr die Rede. Die Physiker verstehen unterdessen die grundlegende Sprache der Materie weitestgehend (und gossen ihre Einsichten in eine bizarre Theorie namens ‚Quantenphysik‘), und den Biologen gelang es vor ca. 50 Jahren, die Sprache des Lebens zu dechiffrieren (und sie lesen deren Worte im Codex der DNA).
Nichtsdestotrotz galt lange, dass diese „Worte in der DNA“ fest vorgeschrieben waren, ganz wie diejenige Gottes in der Bibel. Sie wurden in einem viele Millionen Jahre dauernden Prozesses der Evolution unumstösslich in unser Genom eingraviert. Doch spätestens seit es ihnen im Jahr 2003 gelang, das komplette menschliche Erbgut zu entschlüsseln, begannen die Biologen die Türe zu einer neuen technologischen Dimension aufzustoßen, in der sich die Genetik des Menschen vom Objekt der wissenschaftlichen Forschung zum Gegenstand technologischer Manipulation verwandelt (dieser Prozess begann eigentlich schon einige Jahre früher, nämlich in den 70er Jahren, als zum erstem Mal Möglichkeiten genetischer Veränderungen auf den Radarschirmen der Biologen auftauchten). Zur Vereinnahmung der Natur durch den Menschen, welche bis anhin unsere Kulturgeschichte ausgezeichnet hat, gesellt sich heute ein zweites Projekt: die genetische Umgestaltung des Menschen und seiner körperlichen und geistigen Anlagen und Fähigkeiten. Und nun zeichnet sich ab, dass sich dieser Prozess massiv beschleunigen könnte. Konkret bahnt sich eine Entwicklung an, die nicht nur für prinzipielle Gegner der Gentechnologie eine Horrorvision darstellt, eine Vision, die bisher nur in Science-Fiction Filmen Realität geworden ist.
Es kommt nicht oft vor, dass namhafte Wissenschaftler in renommierten Wissenschaftsmagazinen Manifeste publizieren. Doch im letzten Jahr veröffentlichte eine Gruppe führender Biologen einen solchen an die Öffentlichkeit gerichteten Aufruf. Der Auslöser war ein erst kürzlich entdecktes, revolutionär neues technologisches Verfahren in der Gentechnologie, welches eine zuvor unvorstellbar schnelle und effiziente Manipulation der DNA ermöglicht. Konkret geht es um das Editieren von Genen mittels einer Technik, die den nur schwer zu vermittelnden Namen ‚CRISPR/Cas9‘ trägt und seit ca. 2013 eine sehr viel präziseren Eingriff in das Erbgut von Lebewesen erlaubt als dies vorher möglich gewesen war. CRISPR steht dabei für „Clustered Regulatory Interspaced Short Palindromic Repeats“ und beschriebt eine bestimmte Gensequenz, während Cas9 ein davon codiertes Protein/Enzym ist. Fügt man diesen Komplex der Zelle zu, so findet es eine gewünschte Zielsequenz in der DNA, schneidet diese genau dort auf und manipuliert die Gensequenz nach Belieben der Gentechnologin, indem neue DNA ergänzt oder bestehende DNA entfernt wird. Auf diese Art und Weise können Lebewesen um genetische Eigenschaften „ergänzt“ werden, die sie natürlicherweise nicht besitzen. Was früher Wochen, Monate oder Jahre gedauert hat und zudem sehr fehlerhaft war, lässt sich mit CISPR/Cas9 mit sehr hoher Genauigkeit in Tagen und Stunden erreichen. Dabei die neue Technologie ist so einfach handzuhaben, dass sie jedem Genlabor, ja bald gar gymnasialen Schulklassen, zur Verfügung stehen könnte. Jedem mit molekularbiologischen Grundkenntnissen wird es möglich sein, Genome zu manipulieren.
Können wir mit CRISPR vielleicht schon bald bisher unheilbare Erbkrankheiten behandeln? Tatsächlich verspricht die neue Methode wahrhaft Wundersames: von Heilung vor Aids, gentherapeutischer Behandlung von unheilbaren Krankheiten bis hin zu Schutz vor Krebs, Diabetes und anderen altersbedingten Krankheiten. Doch es geht weiter: Lassen sich mittels CRISPR vielleicht gar menschliche Eigenschaften wie Aussehen und Körpergrösse genetisch beeinflussen? Könnten sich gesamte Ökosysteme schlagartig verändern lassen, indem ganze Spezies in einigen ihrer grundsätzlichen Eigenschaften verändert oder gar komplett ausrottet werden (wie beispielweise Malaria übertragende Mücken)? Oder könnten wir gar komplette Genome und damit vielleicht auch Lebenswesen – und zuletzt auch Menschen – mit ganz neuen Eigenschaften synthetisch herstellen? Tatsächlich erscheinen solche Szenarien mit CRISP/Cas9 sehr viel schneller realistisch zu werden als dies noch vor wenigen Jahren selbst die größten Optimisten unter den Gentechnologen für möglich hielten
Und es war nur eine Frage der Zeit, bis Biologen die neue Methode auch an menschlichen Embryonalzellen anwendeten. Das Besondere ist hier: Es wird nicht nur in die Gegenwart eingegriffen, sondern auch in die Zukunft. Denn während das durch einen „normalen“ Eingriff veränderte Genom mit dem Menschen stirbt, entstehen bei einem Eingriff in die Embryonalzellen eines Lebewesens aus den manipulierten Zellen später auch dessen Ei- und Samenzellen. Damit sind auch die Eigenschaften aller Nachkommen ein für alle Mal verändert. Wenn Krankheiten ausgemerzt werden sollen, ist das sicher eine großartige Sache. Aber was ist, wenn auch ganz andere Eigenschaften des Menschen manipuliert werden? Wir wären dann bei der genetischen Menschenzucht.
Selten zuvor ist ein gentechnologisches Verfahren derart schnell im öffentlichen Diskurs angekommen. Schon jetzt erachtet die Forscherwelt CISPR als den wichtigsten medizinischen Durchbruch dieses Jahrhunderts. Neben vormals unvorstellbar mächtigen Anwendungen in der Pflanzen- und Tierzucht rückt mit CRISPR eine Um- oder gar Neukonstruktion unserer eigenen molekulargenetischen Grundlage in den Bereich des Möglichen, ein genetisches Re-Design des Menschen, in welchem unsere körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten weitgehend optimiert und Menschen zu neuen, bisher unerreichten mentalen, intellektuellen oder physischen Hochleistungen befähigt werden. Schon lassen sich Mäuse mit gentechnischen Methoden bedeutend intelligenter machen. Wie lange wird es dauern, bis dies auch beim Menschen möglich ist? Wird der Mensch bereits in naher Zukunft seine biologischen Eigenschaften verändern und so nichts weniger als die weitere Evolution seiner eigenen Art bestimmen?
Doch können wir wirklich wollen, dass Eltern über detaillierte Eigenschaften ihres Nachwuchses entscheiden können? Und was würde es bedeuten, wenn gentechnisch optimierte Menschen denjenigen, die ihren Gen-Mix nach dem Millionen Jahre alten ‚Zufallsverfahren‘ erhalten haben, hinsichtlich kognitiver oder körperlicher Fähigkeiten deutlich überlegen sein werden? Sind wir bereit, die ethischen Konflikte auszutragen, die darin bestehen könnten, dass manche von uns den Weg einer genetischen oder neurobiologischen Neukonstruktion beschreiten und andere nicht? Und ab wann würde die Manipulation von Menschen und ihrer Erbfaktoren gegen die Menschenwürde verstoßen? Wo müssen wir ein Stoppschild ‚Bis hierher und nicht weiter‘ aufstellen‘? Was wäre ein möglicher ‚ethischer Damm‘ gegen diese Entwicklung, und wäre ein solcher Schutzwall überhaupt von dauerhaftem Bestand?
Auch wenn die wenigsten von uns in der Lage sind, die Komplexitäten der heutigen wissenschaftlichen Fachdisziplinen zu durchdringen, so müssen wir sicherstellen, dass sich die Problemstellungen der Wissenschaften und ihr technologisches Potential auch einer breiten öffentlichen Diskussion erschliessen. Denn die wissenschaftlichen Grundlagen zukünftiger ‚Wunder‘-Technologien wie CRISPR, aber auch andere, werden bereits heute in den Forschungslaboren weltweit entwickelt. Schon 1961 formulierte der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt in seinem bekannten Theaterstück Die Physiker: „Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkungen alle Menschen.“ Und hier herrscht mächtiger Nachholbedarf: Nur allzu oft unterlaufen wissenschaftliche Entdeckungen den Radarschirm der öffentlichen Aufmerksamkeit. Unterdessen besitzt der wissenschaftlich-technologische Fortschritt eine derart rasante und komplexe Dynamik, dass er sich nicht nur dem geistigen, sondern zunehmend auch dem ethischen Auflösungsvermögen der meisten Menschen zu entziehen droht. Da sind Geheimtreffen unter führenden Genetikern (sowie Anwälten und Unternehmers) zu einem derart kritischen Thema wie den zukünftigen Möglichkeiten des Synthetisierens des menschlichen Genoms, wie kürzlich (im Mai 2016) an der Harvard Universität geschehen, alles andere als hilfreich. Es ist schon erstaunlich, wie wenig von Physik, Chemie oder Biologie die Rede ist, wenn uns Journalisten und andere Meinungsmacher Weltzusammenhänge und wichtige gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen wollen. Dabei sind zwischen unserer zukünftigen Lebenspraxis und dem naturwissenschaftlich-technologischen Fortschritt, der sich von unseren Augen abspielt, weit bedeutendere und aufregendere Verbindungen herzustellen als beispielsweise beim in allen Einzelheiten ausgebreiteten alljährlichen Stelldichein einer selbsterklärten Weltelite in Davos.
Im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlich-technologischem Entwicklungsmoment und globaler Problemdynamik wird es in den nächsten Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Moment geben, in dem sich die Spielregeln des menschlichen Lebens auf diesem Planeten grundsätzlich verändern werden. Die zukünftigen technologischen Fortschritte könnten den Menschen und die menschliche Zivilisation zugleich in heute noch unvorstellbarer Weise transformieren. Die Art und Weise, wie wir den Möglichkeiten und Problemen der wissenschaftlich-technologischen Veränderungen der nächsten 50 bis 100 Jahre begegnen, könnte letztendlich über das weitere Schicksal der Menschheit entscheiden. Sind wir und die heranwachsende Generationen auf diese Herausforderungen vorbereitet?
Insgesamt ganz guter Beitrag, ich hätte allerdings beim Titel nicht unbedingt gleich zwei negativ konnotierte Begriffe verwendet. Oder ist das deine fest stehende Meinung, dass es außer Allmacht und Albtraum keine weiteren Möglichkeiten für solche neuen Techniken gibt?
Das ist ein heißes Thema, so wie viele Eltern ihre Kinder behandeln könnte man auch fragen, ob solche Leute überhaupt Kinder (so ganz ohne Optimierung) haben sollten.
Persönlich bin ich der Meinung Eltern sollten sich aussuchen dürfen, ob ihr Kind an einer Erbkrankheit leiden soll oder nicht (wird durch PID ja auch schon gemacht heutzutage), neu diskutieren müsste man, ob darüber hinaus Veränderungen hin zu gewünschten Eigenschaften erlaubt werden sollten oder nicht. Langfristig wird das keiner aufhalten, in der jetztigen Zeit ist es aber erstmal öffentlich zu diskutieren. Wobei global gesehen das Problem auftreten könnte welches Land sich wie entscheidet.
@Adent
Gewünschte Eigenschaften ist halt so eine Sache. Da gibts ja so einige Extreme in der Schönheitschirurgie zu bewundern.
Man bräuchte eine Zeitmaschine um die vielen Fragen des Artikels zu beantworten. Das wäre vielleicht sehr nützlich für die heutigen Diskussionen um Gentechnik und ihre Anwendungsbereiche. Man würde dann vielleicht mit Schrecken erkennen müssen, dass die Welt nicht an CRISPR/Cas, Glyphosat oder Genreis zugrunde gegangen ist.
Das erste diesbezügliche Memorandum stammt von Marshall W. Nirenberg aus dem Jahr 1967:
https://history.nih.gov/exhibits/nirenberg/popup_htm/09_science_lg.htm
Es ist nach wie vor aktuell …
@Michel #3 Gute Idee, das „befürchte“ ich auch.
@Michel #3 und @Wizzy #4
Auf der anderen Seite stehen die Leute, die sagen von der Gentechnik sei nichts anderes zu befürchten als von der „klassische Zucht“.
Dazu möchte ich gerne noch etwas klarstellen: Eigenschaften des gesamten Körpers wie Körpergröße, Intelligenz, Muskelaufbau etc. Lassen sich bei erwachsenen Menschen ziemlich sicher nicht mehr durch Gentechnik (egal welcher Art) beeinflussen.
Diese Eigenschaften werden durch die Gene (und auch durch Epigenetik, aber das steht auf einem anderen Blatt) während der Embryonalentwicklung festgelegt. Bei einem Ausgewachsenen Menschen hätte eine Veränderung der Gene kaum bis gar keine Auswirkungen mehr. Besonders deutlich ist dies beim Gehirn: Neuronen teilen sich nach der Geburt nur noch sehr langsam bis gar nicht mehr. Deshalb können veränderte Gene bei Erwachsenen auch nicht dazu führen, dass ihr Gehirn wächst und mehr Neuronen enthält.
Bei genetisch veranlagten Stoffwechselkrankheiten sieht das schon anders aus: Diese Erbkrankheiten werden oft von einzelnen defekten Proteinen ausgelöst. Proteine (auch die in Neuronen) werden aber im Laufe der Zeit (Minuten bis Wochen) ausgetauscht. D.h. in diesem Fall wirkt eine Gentherapie auch bei Erwachsenen.
Für mich ist Genmanipulation jeglicher Art beim Menschen sehr problematisch. Mein Hauptargument ist dabei nicht einmal ethischer sondern wissenschaftlicher Natur:
Wenn wir bestimmte (z.B. krankmachende) genetische Merkmale aus dem Erbgut aller Menschen entfernen, verringern wir die genetische Vielfalt der Menschheit unwiederbringlich. Dies ist hochriskant, da unsere Spezies dadurch (ähnlich wie überzüchtete Hunderassen) weniger Robust gegen Veränderungen der Umwelt (z.B. gegen Krankheitserreger) wird.
Dies betrifft nicht nur die Manipulation wünschenswerter Merkmale (Intelligenz, Schnelligkeit etc.; von Modeerscheinungen wie Schönheitsmerkmalen mal ganz abgesehen) sondern auch die „Behandlung“ erblicher Krankheiten. Der Grund ist, dass eine Erbkrankheit prinzipiell unter bestimmten Bedingungen (die wir noch gar nicht absehen können) auch Vorteile haben kann. Sie könnte zum Beispiel Resistenz gegenüber einer neuen Krankheit vermitteln oderein evolutionäres Übergansstadium zu einer Vorteilhaften Eigenschaft sein.
Ein Beispiel ist die Sichelzellenanämie: Sichelzellenanämie hat sehr unangenehme Auswirkungen wie z.B. lebensbedrohlicher Verlust von roten Blutkörperchen bei starker Anstrengung. Gleichzeitig macht Sichelzellenanämie aber auch resistent gegen Malaria, da die roten Blutkörperchen bei einem Befall mit dem Malariaerreger zerstört werden. Wie gesagt, es ist prinzipiell nicht möglich, vorherzusagen, welche genetischen Merkmale, die uns heute unvorteilhaft vorkommen in der Zukunft vielleicht einen Vorteil bieten, der entscheidend für das Überleben der Menschheit ist.
@Till
Das ist ein valides Argument, sollte dann aber jeweils eine Einzelfallentscheidung bei einer bestimmten Genmanipulation sein und nicht grundsätzlich eine solche Manipulation ausschließen.
Natürlich ist es eine ethische Frage, ob Eltern darüber bestimmen dürfen, welche Gene ihr Kind hat oder welche nicht, weil das Kind nachher mit der Entscheidung leben muss. Im Allgemeinen werden die Eltern ein Interesse an einem gesunden Kind haben, d.h. das Kind sollte profitieren. Es ist ja schon bei der Gesundheitsfürsorge für das Kind so, dass die Eltern die Verantwortung tragen, das Kind z.B. impfen zu lassen. Im Grunde genommen wäre eine Genmanipulation aus gesundheitlichen Gründen die konsequente Fortsetzung dieser Verantwortung auf die Zeit bis kurz nach der Zeugung.
Ethisch vertretbar finde ich grundsätzlich alles, was der betreffenden Person mit großer Wahrscheinlichkeit nutzt und nur mit geringer Wahrscheinlichkeit schadet (ohne anderen zu schaden).
@Till:
Das wäre nicht das Problem, denn man könnte dann einen maßgeschneiderten Vorteil in das Genom der nächsten Generation einbringen. Newar?
@ Bullet:
Dazu müsste man vorab wissen, dass der „maßgeschneiderte Vorteil“ sich in der Zukunft dann auch tatsächlich vorteilhaft auswirken wird …
Apropos. Juli/August dieses Jahres ging mal die Nachricht durch Medien, in China würden gerade Experimente an Menschen zur Krebs-Heilung mittels CRISPR CAS9 Therapie durchgeführt werden (z.B. hier https://www.nature.com/news/chinese-scientists-to-pioneer-first-human-crispr-trial-1.20302).
Leider hat man dann nichts mehr davon gehört. Weiß jemand was draus geworden ist?
@Alderamin
Ich finde eine Genmanipulation ist ein deutlich tiefgreifenderer Eingriff als z.B. eine Impfung. Ich würde das nicht vorschnell über einen Kamm scheren.
Wie gesagt, aus rein wissenschaftlicher Sicht denke ich, dass jede Genmanipulation ein riskanter Eingriff in die genetische Vielfalt ist. Ironischerweise ist es dann (meiner Meinung nach) aus ethischer Sicht nötig, im Einzelfall zu prüfen, ob die Interessen des betroffenen Menschen (genetische Krankheit wird geheilt) über die Interessen der Allgemeinheit (genetische Vielfalt bleibt erhalten) zu stellen ist. Insofern gebe ich Dir recht, es sollte immer eine Einzelfallentscheidung sein.
Eine Standard-Genmanipulation breitflächig wie eine Impfung einzusetzen würde doch auch „Impf“schäden nach sich ziehen. Analog dem Sichelzellenanämiebeispiel: vielen hilfts, einigen schadets. Also müssten alle Impfkandidaten vorher sequenziert werden. Das dürfte zu teuer und zu kompliziert sein.
„Also müssten alle Impfkandidaten vorher sequenziert werden. Das dürfte zu teuer und zu kompliziert sein.“
@ Omnivor
Ich denke es gibt gerade in der Gesundheitsvorsorge viele Institutionen die gerne bereit sind lieber einmalig eine gen. Analyse zu finanzieren als ein Leben lang für einen Patienten Pflege und Medikamente (im schlimmsten Fall) zu zahlen. Außerdem ist es mittlerweile weder teuer (in Bezug auf die Vergangenheit und die Preise fallen weiter) noch kompliziert.
Ich habe selbst im Labor schon Erfahrungen mit CRISPR machen können und muss sagen, dass ich es als ein unheimlich spannendes Thema ansehe. Aber wie immer gibt es bei jeder guten Entdeckung auch eine zweite Seite, von der ich mir erhoffe das die Menschheit nicht versucht hier Grenzen zu verschieben.
Die Technik ist da. Und sie wird genutzt werden. Ich hoffe überwiegend positiv. Ich kann sogar sagen ich „glaube“ es.
Aber mehr kann ich nicht sagen.
@Wusaweki
#12 Nee, nicht in China, in den USA und die Studien beginnen erst Ende des Jahres. Das ok für die Studien kam im Juli, insofern ist es noch zu früh.
@Till
War jetzt nur mal als ein Beispiel genannt. Ein anderes könnte eine Operation am Herzen sein, die ggf. erforderlich ist oder ähnliches.
Das sollte aber nicht der Fall sein, wenn es auf Einzelfälle beschränkt bleibt. Eine Manipulation ist ja auch nur bei künstlicher Befruchtung möglich, insofern wird das die Ausnahme bleiben. Anders als bei Impfungen und eher wie bei Herzoperationen.
Mit Hilfe eines Viralen Vektors wäre es auch möglich Genmanipulationen an den Eltern vorzunehmen. Wenn die Viren dabei auch die Keimbahn (Eizellen bzw Spermatogonien) manipulieren, geben die Eltern dann das manipulierte Gen auch an ihre Kinder weiter.
Virale Vektoren werden bereits in Medikamenten (z.B. Impfstoffen/ Gentherapie/ Phagentherapie) eingesetzt, die Technik ist also einsatzbereit.
Sollten solche Medikamente z.B. zur Gentherapie von Mukoviszidose o.ä. verfügbar werden, gehe ich davon aus, dass es nicht bei Einzelfällen bleiben wird. Mit welchem Argument will man denn einigen Menschen ein solches Medikament vorenthalten.
Daher ist es wichtig die ethische und wissenschaftliche Grundsatzdebatte jetzt zu führen und klare internationale Regeln aufzustellen.
Ich sehe aber auch ganz klar, dass wir – sobald die technischen Möglichkeiten da sind – niemandem die Behandlung schwerer genetischer Krankheiten verwehren dürfen. Mukoviszidose ist hier ein gutes Beispiel. Wie müssen uns nur der Konsequenzen bewusst sein. Evtl. könnte man z.B. vorschreiben, dass das betreffende Gen eines jeden Patienten bevor es entfernt wird sequenziert und in einer Datenbank gespeichert werden muss. So geht zumindest die Information nicht verloren. So eine Sequenzierung ist technisch heutzutage überhaupt kein Problem mehr und gleichzeitig würden wir so sehr wertvolle Informationen über die Funktionsweise der entsprechenden Proteine bekommen.