Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier.
Das sagt der Autor des Artikels, Till Korten über sich:
Ich bin Biochemiker und forsche über die Biophysik einzelner Moleküle. Ich habe noch keine Erfahrung mit Bloggen o.ä. aber Außerirdisches Leben hat mich schon immer fasziniert deshalb versuche ich mich mal an einem Blogartikel darüber.
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Gibt es Außerirdisches Leben – oder wie entstand eigentlich Leben auf der Erde?
Das Thema außerirdisches Leben hat durch die Entdeckung von Exoplaneten wieder stark an Bedeutung gewonnen. Die Diskussion hierzu wird oft hitzig und mit starken Meinungen geführt. Die Argumente sind dabei leider oft eben so zahlreich wie schlecht belegt. Ich hoffe, Euch in diesem Artikel mit Argumenten zu versorgen, damit Ihr gut gewappnet in die nächste Diskussionsschlammschlacht über außerirdisches Leben einsteigt.
Um es gleich vorneweg zu sagen, die kurze, einfache Antwort auf die Frage nach außerirdischem Leben muss lauten: „Wir wissen nicht, ob es Leben ausserhalb der Erde gibt!“ (abgesehen, vielleicht von Verunreinigungen, die wir selbst ins All geschossen haben). Bis wir tatsächlich Belege für Leben auf anderen Planeten finden, können wir die Frage nach extraterrestrischem Leben offensichtlich nicht mit Sicherheit beantworten. Das bedeutet aber nicht, dass wir keine fundierten Vermutungen anstellen können, indem wir uns anschauen, wie Leben auf der Erde entstanden ist.
Die ältesten Fossilien von Bakterien wurden kürzlich in Grönland gefunden und sind 3.7 Milliarden Jahre alt. Noch ältere Fossilien werden wir wahrscheinlich nicht finden können, da die Ältesten Gesteinsformationen in etwa genauso alt sind. Trotzdem gibt es noch ältere Hinweise auf Leben: Man hat dafür 4.1 Milliarden Jahre alte Kohlenstoffeinschlüsse in Zirkonkristallen untersucht und ein Isotopenverhältnis gefunden, das typisch für lebende Organismen ist. Zirkonkristalle sind die ältesten erhaltenen Mineralstrukturen und wurden auch für die Bestimmung des Alters der Erde auf ca 4.5 Milliarden Jahre herangezogen. Es gibt also Hinweise darauf, dass das Leben auf der Erde fast so alt ist wie die Erde selbst. Das ist sehr erstaunlich, da das bedeutet, dass Leben bereits während des „großen Bombardements“ entstand, einer Zeit als die Erde (und alle anderen Himmelskörper im inneren Sonnensystem) von sehr vielen Meteoriten getroffen wurde. Leben ist also anscheinend relativ schnell (in geologischen Maßstäben) und unter ziemlich extremen Bedingungen entstanden.
Aber wie konnte aus anorganischer Materie spontan Leben entstehen? Zunächst einmal brauchen wir die Grundbausteine des Lebens: Nukleinsäuren (Bausteine von DNA und RNA als Träger der Erbinformation), Aminosäuren (Bausteine von Proteinen) und Lipide (Bausteine der Zellmembran). Diese Bausteine wurden inzwischen vielfältig auf Asteroiden, Kometen und sogar in interstellaren Wolken gefunden, sie regneten also quasi kontinuierlich auf die wachsende Erde. Außerdem konnte gezeigt werden, dass diese Stoffe aus einfachen Molekülen (H2, CO2, N2 SH2) entstehen können. Geeignete Bedingungen herrschten auf der jungen Erde sowohl auf der Erdoberfläche, wo UV Strahlung und Blitze die Energie lieferten, als auch in der Nähe von Vulkanen und heißen Quellen am Grunde des Ozeans (sogenannten schwarzen Rauchern). Folglich können wir davon ausgehen, dass auch die Bausteine des Lebens schon früh in der Erdgeschichte in ausreichender Menge vorhanden waren.
Die Bausteine des Lebens sind aber erst der Anfang, sie können selbst noch keinerlei Funktion erfüllen. Der nächste Schritt auf dem Weg von lebloser Materie zu Lebenden Organismen ist die Bildung größerer Moleküle, sogenannter Enzyme, die in der Lage sind chemische Reaktionen zu Beschleunigen. Heutzutage erfüllen diese Aufgabe meist Proteine (langkettige Polymere aus Aminosäuren), es ist allerdings wahrcheinlich, dass die ersten Enzyme aus RNA bestanden. Solche sogenannten Ribozyme können zwei Aufgaben auf einmal erfüllen: sie können in ihrer Sequenz Informationen speichern und sie können chemische Reaktionen beschleunigen. Wenn nun die chemische Reaktion, die Verlängerung von RNA ist (die Struktur eines solchen RNA-verlängernden Ribozyms seht Ihr im Video unten), dann können sich diese Ribozyme selbst kopieren und somit vermehren. Solche sich selbst vermehrenden Ribozyme sind keine reine Spekulation mehr, sie konnten bereits im Labor hergestellt werden. Es konnte dabei auch gezeigt werden, dass diese Moleküle mit der zeit Mutieren und sich am Ende die Varianten durchsetzen, die sich am schnellsten vermehren. Die meisten Wissenschaftler gehen folglich davon aus, dass zunächst eine „Chemische Evolution“ stattgefunden hat: Einfache Moleküle haben sich zu immer längerkettigen Polymeren verbunden. Einige dieser Polymere waren in der Lage sich so selbst zu vermehren. Diese Moleküle befanden sich in ständigem Wettstreit mit anderen Molekülen um die Grundbausteine aus denen sie aufgebaut waren. Um in diesem Wettstreit bestehen zu können, entwickelten sich immer komplexere Moleküle, die schließlich die Fähigkeit entwickelten, sich von der Umwelt zu isolieren und die Bausteine des Lebens selbst herzustellen. Die ersten primitiven Zellen waren geboren.
(Mit PyMol aus dieser Struktur von Robertson et al. erstellt.)
Aber wo auf der Erde konnten solche „lebenden Moleküle“ entstehen? Im offenen Ozean waren die Bausteine des Lebens viel zu verdünnt um längerkettige Polymere zu bilden. Schon Darwin stellte daher die Hypothese auf, dass das Leben in konzentrierten Gezeitentümpeln entstand. Und in der Tat konnte gezeigt werden, dass in regelmäßig trockenfallenden Tümpeln Bedingungen geherrscht haben könnten, unter denen langkettige RNA Moleküle entstehen. Es ist allerdings fraglich, ob die Bedingungen in solchen Tümpeln lange genug stabil blieben, um Lebensformen hervorzubringen, die auch im offenen Ozean überleben konnten. Daher vermuten immer mehr Wissenschaftler, dass das Leben eventuell an unterseeischen Hydrothermalen Quellen, sogenannten „Schwarzen Rauchern“ (siehe Bild unten) entstanden ist. Diese Quellen wimmeln noch heute vor Leben. Insbesonderes sind sie von sehr ursprünglichen einzellige Lebensformen, den sogenannten Archaea besiedelt, die dort die Basis der Nahrungskette bilden.
An solchen Quellen gibt es einen kontinuierlichen Nachschub von Nährstoffen (H2, N2, CO2) aus dem Erdinneren. Katalysiert durch sogenannte Eisen-Schwefel cluster (Pyrit), können unter diesen Bedingungen die Bausteine des Lebens gebildet werden. Gleichzeitig sorgen starke Temperaturgradienten für eine Anreicherung langkettiger (RNA) Moleküle in porösem Material. Des Weiteren dient ein Säuregradient zwischen saurem Meerwasser und alkalischem Wasser aus hydrothermalen Quellen als zuverlässiger Energielieferant für einen einfachen Stoffwechsel. Solche Säuregradienten werden noch Heute von Bakterien und auch von den Mitochondrien, den Kraftwerken unserer Zellen, zur Energiegewinnung (Herstellung von ATP) genutzt. Der Vorteil dieser Hypothese ist, dass die Bedingungen an Hydrothermalen Quellen über lange Zeit konstant bleiben, da sie in der Tiefsee vor Kosmischer Strahlung und Meteoriteneinschlägen relativ gut geschützt sind. Es gibt dort einen kontinuierlichen Nachschub an Nährstoffen, eine Energiequelle und das poröse Gestein schützt Makromoleküle vor Verdünnung und zerfall. Gestützt wird diese Hypothese auch durch eine Computeranalyse der Gene von Bakterien und Archaea, die kürzlich ergeben hat, dass der Urvorfahr allen heutigen Lebens auf der Erde viele Eigenschaften hatte, die auf hydrothermale Quellen als Lebensraum hinweisen.
Zusammengefasst: Es gibt inzwischen vielfältige Experimente, die belegen dass das Leben prinzipiell sowohl auf der Erdoberfläche als auch in der Tiefsee an hydrothermalen Quellen entstehen konnte. Dies geschah anscheinend innerhalb relativ kurzer Zeit nachdem es flüssiges Wasser auf der Erde gab.
Was bedeutet das nun für unsere Suche nach außerirdischem Leben? So lange wir nach einfachen Einzellern suchen, stehen unsere Chancen gar nicht so schlecht: Die relativ schnelle Entstehung des Lebens deutet darauf hin, dass Leben unter den richtigen Bedingungen vergleichsweise wahrscheinlich entsteht. Insbesondere die Entstehung von Leben an hydrothermalen Quellen erfordert „nur“ Wasser und eine aktive Plattentektonik. Solche Bedingungen herrschen vermutlich auf vielen Gesteinsplaneten, die in etwa so groß sind wie die Erde und nicht zu nah um ihren Stern kreisen. Weit entfernte und damit an der Oberfläche kalte Planeten stellen jedoch kein Problem dar, da die Energie für die Plattentektonik nicht vom Heimatstern sondern vom Zerfall radioaktiver Elemente im Inneren des Planeten und von der Restwärme der Planetenentstehung stammt. Die geothermale Energie kann also Wasser in der Tiefe flüssig halten, auch wenn die Oberfläche kalt und vereist ist. Das bedeutet, dass auch Planeten, die um relativ kühle rote Zwerge kreisen eine gute Chance haben, einzelliges Leben zu beherbergen. Dies betrifft die Mehrzahl aller Sterne und damit auch aller Planeten in unser Galaxie. Unter hunderten Milliarden Planeten sollte es also doch einige (evtl. sogar viele Millionen) Planeten geben, die einzelliges Leben beherbergen.
Sobald wir aber nach vielzelligen Organismen oder gar intelligentem Leben suchen, sieht die Sache ganz anders aus. Aber dazu schreibe ich vielleicht beim nächsten Blogschreibwettbewerb etwas…
Woran erkennt man einen guten Wettbewerbsartikel? Er kommt einem zu kurz vor.
So auch hier. Schön erzählt, und ich hätte mich gern noch tiefer eingelesen ins Thema …
vielleicht gibts ja mal ne Fortsetzung :))
Toller Artikel. Super erklärt, schön bebildert, ausgezeichnete Links, die Länge stimmt und was gelernt habe ich auch. Alles richtig gemacht!
Zusammen mit der ägyptischen Hochtechnologie mein Favorit (wie gut, dass ich nicht entscheiden muss, welcher mir besser gefällt 😉 ).
Noch eine Frage:
Als Meerwasser-Aquarianer weiß ich, dass Seewasser einen pH-Wert von 8,2-8,5 hat. Ist das Wasser der hydrothermalen Quellen noch alkalischer oder geht man davon aus, dass das Meerwasser damals weniger alkalisch war? Die Alkalinität stieg ja mit dem Salzgehalt, und das Salz spülten die Flüsse mit der Zeit ins Meer.
Warum entsteht eigentlich heute kein neues Leben mehr, bzw. ist es damals, als es noch keinen freien Sauerstoff gab, nicht pausenlos neu entstanden?
@zero hour
Wie im Artikel erwähnt bestand von Beginn an zwischen den Ribozymen ein Wettstreit um die Ressourcen. Damals schwammen die Lebensbausteine noch frei herum. Heutzutage gibt es Organismen, die seit Milliarden Jahren an die Verwertung jeglichen Fressbaren optimal angepasst sind, da wird alles gefressen, was verfügbar ist und ein eventuell neu entstandenes Ribozym würde auch sofort von irgendeinem Bakterium geschluckt, ehe es sich an irgendetwas anpassen könnte. Das ist der Grund, warum kein Leben neu entsteht, denke ich.
Geht mir genauso, ich hätte auch gerne noch mehr gelesen.
Spannendes Thema (eins der spannendsten überhaupt, wie ich finde) und vom Autor angenehm professionell geschrieben.
Nun ein Jahr warten müssen auf die Fortsetzung ist natürlich sehr lang… 😉
Dein Artikel hat mir wirklich gut gefallen. Die Mischung machts eben: flüssig lesbar, informativ und unterhaltsam. Beim Bloggen gibt es kein Richtig oder Falsch oder einen einzigen Weg, wie man bloggt. Das hängt vom Blog-Genre ab und vom Schreibstil desjenigen und was man mit dem Text erreichen will. Und wie Florian schon sagt, hier geht es nicht ums elitäre Fachsimpeln oder Fachjournalismus, sondern um Spaß mit Wissenschaft. Und das empfindet auch jeder ganz subjektiv.
Oh, das war schön zu lesen. Rund und noch mit Cliffhanger, so was mag ich. Danke!
Und ich bin jetzt ganz gespannt auf die Fortsetzung.
perfekt! respekt! @Alderamin hat es ja schon schön zusammengefasst: für fachfremde aber interessierte laien konsumentengerecht aufgearbeitet, und viele gute links und viele gute medien eingebunden.
favorit! 😉
Guter Artikel. Aber könnte es sein, daß beim Säüregradienten eher alkalisches Meerwasser und saures Wasser aus hydrothermalen Quellen gemeint ist.
„Vulkanische“ Wässer sind doch allgemein recht sauer, wenn ich recht informiert bin.
@alle vielen Dank für das viele Lob *rotwerd*. Das spornt auf jeden Fall an, die versprochene Fortsetzung auch wirklich zu schreiben 😉
Ihr habt natürlich recht, der pH Gradient war vermutlich umgekehrt: Das Wasser der hydrothermalen Quellen ist meist eher sauer und das Meerwasser ist eher alkalisch. Für die Entstehung des Lebens ist das aber nicht hinderlich, da der Gradient an sich die Energie liefert. In welche Richtung der Gradient geht ist erst einmal nicht so wichtig.
Der Inhalt des Artikels ist mir aus verschiedenen populärwissenschaftlichen Büchern schon bekannt, in dieser knackigen gut aufbereiteten Form macht es aber auf jeden Fall Spaß, das Gedächtnis aufzufrischen. Daher ein „Danke schön“ und „Gut gemacht“. 🙂
Ein sehr schön geschriebener Artikel! 🙂
Ein paar Anmerkungen habe ich aber noch, die bitte nicht als Nörgelei missverstanden werden sollten.
Aminosäuren und kurzkettige Lipide wurden u.a. im Murchison-Meteoriten gefunden (aber auch in anderen Kohligen Chondriten), Nucleinsäuren hingegen nicht. Dafür aber die Basen Adenin und Guanin sowie Uracil, die dann später in den Nucleinsäuren als Bestandteil der Nucleotide zu Makromolekülen verbaut wurden. Cytosin hingegen konnte noch nicht in außerirdischem Material gefunden werden.
Da Nucleotide sich neben einer Base auch aus einem Zuckermolekül (Ribose oder Desoxyribose) sowie einem Phosphatrest zusammensetzen, müssen diese Reaktionen auf der Erde abgelaufen sein, wobei der Syntheseweg von Sutherland u.a. aus dem Jahr 2009 eine plausible Möglichkeit darstellt.
https://www.chtf.stuba.sk/~szolcsanyi/education/files/Organicka%20chemia%20II/Prednaska%2010_Nukleozidy/Doplnkove%20studijne%20materialy/The%20Origins%20of%20Nucleotides.pdf
Ribozyme wird es sicherlich gegeben haben, aber es ist schwer nachvollziehbar, dass RNA allein hier enzymatisch aktiv gewesen ist. Das Dilemma der RNA-Welt besteht darin, dass das Sammelsurium an Begleitchemikalien, die in den frühen Vesikeln mit präsent gewesen ist, aus dem Blickfeld gerät. Realistischer scheinen mir Varianten zu sein, die die spontan mit entstandenen Dipeptide sowie Oligopeptide als Ko-Faktoren mit einbeziehen. Einige Ansätze gibt es dazu bereits:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15547132
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25607813
https://www.mdpi.com/2075-1729/5/4/1629
Problematisch bei einer reinen RNA-Welt ist weiterhin, wie eine Replikatorkatastrophe vermieden wird, also dass eine RNA-Sequenz sich permanent selbst repliziert, indem sie Katalysator ihrer selbst ist. Das Problem einer RNA mit Replikase-Aktivität stellt zudem ein noch ungelöstes Problem dar.
Der dritte Problemkomplex ist das Vermeiden der Fehlerkatastrophe infolge des Anhäufens von Mutationen in den RNA-Sequenzen, wenn ein effizienter Reparaturmechanismus noch fehlt. Erst der Übergang zur Proteinbiosynthese via Translation bietet hier eine hinreichende Fehlertoleranz infolge der Redundanz des noch primitiven genetischen Codes. In diesem Artikel wird dieses Problem als „Darwin-Eigen-Zyklus“ detailliert ausgeführt:
https://biologydirect.biomedcentral.com/articles/10.1186/1745-6150-2-14
Das ist mir wieder ein wenig zu reduktionistisch gedacht. Leben lässt sich nicht auf Moleküle reduzieren, sondern stellt einen Organisationszusammenhang verschiedenster miteinander vernetzter Reaktionen dar, der erst im Zusammenwirken das System ergibt, welches man als Organismus bezeichnet. Das heißt, dass die verschiedenen Makromoleküle nicht um Ressourcen konkurrierten, sondern als Bestandteile eines Stoffwechselsystems durch vernetztes Zusammenwirken dazu beitrugen, das System, aus dem sie hervorgegangen sind, ihrerseits zu rekonstituieren und damit zu reproduzieren.
Infolge der Vernetzung ergab sich daraus eine Reproduktion der Makromoleküle, so dass durch das Zusammenwirken zu einem komplexen Ganzen das präbiotische System in seinem Bestand stabilisiert wurde. Je stabiler die Systeme wurden, um so besser waren sie als Ausgangsplattform für weitere Spezialisierungen geeignet, bis sich schließlich mit dem Entstehen der Translation der Übergang von der chemischen Evolution zur biologischen Evolution ereignete. Von nun an waren Eigensche Hyperzyklen möglich, die ein „Hochwachsen“ zu echten Zellen ermöglichten.
Hier wird das etwas ausführlicher dargestellt:
https://www.mdpi.com/2075-1729/2/1/170
Mein Favorit zur Lebensentstehung sind Flussmündungen in Gezeitenzonen bei vulkanisch aktiven Gebieten. Eine hübsche Spekulation ist hier dargestellt:
https://www.mdpi.com/2075-1729/5/1/872/htm
Damit soll es mit meinen Anmerkungen erst mal genug sein. Vielleicht konnte ich ja einige Anregungen zum Weiterdenken geben, um sich in diesen Komplex besser hineinversetzen zu können. Die Dinge sind etwas verwickelter als man zunächst vielleicht denken mag. Aber das macht diese Sache auch so faszinierend …
Ja, das ist die landläufige Meinung dazu.
Das ist auch der Grund, warum es nur einen genetischen Code gibt, der für alle Lebewesen gleich ist: Sobald die ersten Lebewesen es geschafft hatten, RNA in Proteine zu übersetzen (das ist ja, was der Genetische Code macht), waren sie in der Lage eine viel größere Bandbreite an chemischen Reaktionen viel schneller zu katalysieren. Damit waren sie allen anderen Lebewesen so weit überlegen, dass sie jeden Lebensraum und jede ökologische Nische besetzten und alle Nahrung für sich beanspruchten.
Insofern würde ich auch erwarten, dass wenn wir Leben auf anderen Planeten finden, dieses Leben vermutlich auch auf DNA/RNA und Proteinen aufbaut. Diese Moleküle sind anscheinend am besten geeignet um Leben zu ermöglichen. Ich sehe aber keinen Grund, warum dieses Leben den gleichen genetischen Code benutzen sollte. Insofern wäre ein anderer genetischer Code eine gute Möglichkeit um echtes Extraterrestrisches Leben von „Verunreinigungen“, die evtl. noch auf der Raumsonde vorhanden waren zu unterscheiden.
Ein längerer Kommentar ist noch in der Moderation. Für die Universalität des genetischen Codes gibt es mehrere Hypothesen. Eine bezieht sich darauf, dass in der Frühzeit des Lebens ein massiver Horizontaler Gentransfer stattfand, so dass sich am Ende die Lebensform als dominant durchsetzte, deren Genbestand am effizientesten durchmischt werden konnte, weil die entsprechenden Codes auf optimale Weise kompatibel waren. Diese dominante Form verdrängte dann alle alternativen Code-Varianten.
Ein Paper aus dem Jahr 2006 bietet eine numerische Simulation an:
https://www.pnas.org/content/103/28/10696.full
In München gibt es eine Arbeitsgruppe, die u.A. die Polymerisation und Akkumulation von großen Molekülen in (künstlichen) Gesteinsporen untersucht (oder das zumindest getan hat). Da erschien im Physik Journal mal ein ganz interessanter Artikel:
https://www.biosystems.physik.lmu.de/paperpdfs/Lebendiges_Gleichgewicht.pdf
Was mich daran so faszinierte ist das Ergebnis, dass Moleküle, je größer sie sind sich um so besser in den Poren sammeln (siehe pdf; Absatz zw. S. 32 und 33). Scheinbar war das wohl ein strittiger Punkt, ob sich die großen Moleküle lange genug in den Poren halten konnten.
Zum Blog: Schööööön geschrieben. Daumen hoch; wäre schade, wenn du uns ein Jahr lang warten lassen würdest. Das ist ein interessantes Thema, ich hätte nichts dagegen, wenn du auch ein wenig ins Detail gehst… so lange du es langsam genug machst, dass ich folgen kann. 😉
@Hoffmann
Danke für den Link, ein sehr interessantes Paper!
ergibt es in der RNA-Welt überhaupt Sinn von horizontalem Gentransfer zu sprechen? Nachdem ich das Paper gelesen habe finde ich es durchaus plausibel anzunehmen, dass der genetische Code entstanden ist, bevor Zellen entstanden sind. In diesem Szenario wären quasi mehrere RNA-Spezies eine Symbiose miteinander eingegangen, um frühe Stoffwechselwege zu entwickeln. Der Übergang von dieser „massiv parallelen“ Evolution zu einer mehr linearen, Darwinschen Evolution (in der Conclusion des Papers der Übergang von Stufe ii zu Stufe iii) wäre dann die Entwicklung der Zellmembran gewesen.
Du meinst sicher die Gruppe von Prof. Dieter Braun. Eine seiner Arbeiten habe ich ja auch verlinkt. Vielen Dank für den Link zu dem Artikel im Physikjournal. Der passt hier auch perfekt zum Thema.
Toller Artikel.Vielen Dank !
Erst nachdem die Translation entstanden war, konnte sich auch ein genetischer Code etablieren. Was bis dahin geschehen ist, entzieht sich der Rekonstruktion. Eine reine RNA-Welt, die ausschließlich mit Ribozymen funktioniert hat, ist ohnehin keine realistische Annahme, da neben RNA auch andere Molekülkomponenten ihr Beiwerk als Kofaktoren leisteten. In meinem Kommentar, der noch in der Moderation hängt, habe ich darauf Bezug genommen.
Ein interessantes Paper dazu ist dieses:
https://www.pnas.org/content/99/13/8742.full
Woese geht von einem RNA-Welt ähnlichen Kontext aus, lässt aber den Beginn der Evolution der Zellen mit der Entstehung der Translation im Rahmen von Supramolekularen Aggregaten (SMAs) einsetzen.
Sehr interessantes Thema. Eine Fortsetzung vor dem nächsten Schreibwettbewerb wäre schön.
Im Gegenteil, Dein Kommentar ist eine willkommene Ergänzung zu dem Artikel. Einige der Punkte die Du netterweise nachgeliefert hast hatte ich bewusst weggelassen, da sie mir den Fluss des Artikels zu sehr gestört bzw. das Limit gesprengt hätten. Andere Punkte waren mit so nicht klar und liefern eine neue Sichtweise auf die chemische Evolution. Vielen Dank!
@Hoffmann eine kleine Anmerkung: die PNAS Artikel von Woese, die du verlinkt hast sind alle „contributed“ d.h. die wurden nicht peer reviewed. Ich stecke nicht tief genug in dem Feld um beurteilen zu können in wiefern das ein Problem ist aber ich bin bei PNAS contributed Artikeln immer etwas vorsichtig. Es könnte sein, dass der Autor sein Recht bei PNAS zu contributen nutzt um eine Privattheorie zu veröffentlichen.
@ Till
Schon möglich. Aber in diesem Forschungsfeld wimmelt es zum einen vor Privattheorien und zum anderen stellt Woese hier ein Konzept vor, wie man sich die Entstehung der ersten Zellen vorstellen kann, so dass am Ende die drei heute noch vorhandenen Domänen herauskommen. Die drei Domänen stellen übrigens auch eine „Privattheorie“ von Woese aus dem Jahr 1977 dar, ebenso wie die RNA-Welt-Hypothese, die er 10 Jahre zuvor zeitgleich mit Francis Crick entworfen hatte …
@Hoffmann
Es war nicht meine Absicht, Woese seine Seriosität abzusprechen. Allerding wurden woeses Paper zu den drei Domänen als auch zur RNA-Welt Hypothese alle peer reviewed. Peer review bedeutet ja nichts anderes, als das schon einmal ein paar (meistens zwei) Experten sich das Paper gründlich angeschaut und für gut befunden haben. Martin Bäker hat das in seinem Blog mal schön erklärt.
Vielleicht sollte ich kurz erklären, was ich mit „Privattheorie“ meine: Für mich ist eine Privattheorie eine Theorie, die eine Person hauptsächlich im Alleingang aufgestellt hat, ohne sie kritisch mit anderen Experten im Feld zu diskutieren und auf Fehler abzuklopfen. Das bedeutet nicht, dass eine Privattheorie automatisch falsch ist. Häufig haben Privattheorien aber zumindest Lücken, da sie eben noch nicht von allen Seiten beleuchtet wurden.
Was mir beim Lesen von Woeses „horizontal gene transfer“ contributed Papern aufgefallen ist, ist dass sie recht spärlich mit Referenzen versehen sind. Z.B. das von dir verlinkte paper ist ja eher ein Review und hat nur kanpp 40 Referenzen (viele Reviews haben eher ~100 Referenzen), von denen ein Grossteil Referenzen auf Woeses eigene Arbeit sind. Das ist es, was meine „Privattheorie“ Warnung ausgelöst hat. Wie gesagt, ich kann nicht im Detail beurteilen, ob die Artikel Fehler beinhalten, aber in diesem Fall kann ich mich eben auch nicht darauf verlassen, dass beim Peer Review wirkliche Experten den Artikel für gut befunden haben.
Nichtsdestotrotz finde ich die Ideen von Woese sehr interessant und er bringt auch gute Argumente, warum in der „RNA-Welt“ die Mechanismen der Evolution noch grundlegend anders funktioniert haben als später.
Super Artikel,
wirklich gut geschrieben, finde ich. Informativ, viele aktuellen Aspekte und weiterführende Links, top! Als interessierter Laie sehr dankbar sein. 🙂
Auch @Hoffmann: Danke für die Ergänzungen und Links. Schön so vieles auf einer Seite beisammen zu finden. Ist sehr spannend! 😉
Gruß,
Dgoe
@ Till:
Vielleicht ist eine Laudatio anlässlich seines Ablebens im Jahr 2014 eine kleine Hilfestellung, wie seine drei „Zellenpaper“ in der Forschergemeinschaft angekommen sind:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4008548/
😉
Kein komentar
@Hoffmann die Laudatio ist wirklich sehr interessant zu lesen. Der Autor hat meine Schwierigkeiten mit den Artikeln gut auf den Punkt gebracht:
Damit erfüllen die Artikel genau meine Kriterien einer Privattheorie. Sie erfüllen nicht die formalen Kriterien an eine falsifizierbare Hypothese, sie sind eher eine Ideensammlung. Solche Artikel hätten es vermutlich nicht durch den normalen Peer Review Prozess geschafft.
Das ändert aber nichts daran, dass viele der Ideen bahnbrechend waren und inzwischen dabei sind, die Evolutionstheorie fundamental zu erweitern.
Schöner Artikel, Danke 🙂
@Till:
Danke, schöner Artikel!
Eine klitzekleine Ergänzung am Ende zur Situation auf Monden massereicher Planeten wäre empfehlenswert, da diese über Gezeitenkräfte mit Wärme versorgt werden.
Und in unserem Sonnensystem haben wir ja mehrere Kandidaten für flüssige Ozeane.
@Krypto Mit den Monden wie z.B. Titan hast Du natürlich recht, die könnten in ihrer Tiefe prinzipiell auch Leben beherbergen. Ich hatte die Monde ursprünglich sogar im Text stehen. Habe sie dann aber aus folgendem Grund wieder herausgenommen: Für Thermalquellen braucht es nicht nur eine Wärmequelle, es braucht auch Plattentektonik. Ansonsten gibt es keinen Vulkanismus (bzw. „nur Cryovulkanismus mit Waser Statt Lava“. Ob es aber auf den Monden in unserem Sonnensystem Plattentektonik gibt ist zumindest meines Wissens fraglich. Deshalb habe ich mich entschieden dieses Fass im Text nicht aufzumachen.
Schöner Artikel!
Aber was ich mich immer frage: Schränken wir uns bei der Suche nach außerirdischem Leben nicht möglicherweise ein, wenn wir meinen, „außerirdisches Leben“ müsse genauso sein wie „irdisches Leben“? Und wenn wir deshalb nach Planeten suchen, auf denen möglichst alles identisch zur Erde ist? So als ob man meint, Sprache bzw. Schrift basiere auf Latein. Und deshalb suchen Sprachwissenschaftler überall auf der Erde nach Anzeichen lateinischer Buchstaben und übersehen dabei Griechisch, Kyrillisch, Altägyptisch etc.
Also anders, könnte „Leben“ nicht theoretisch auch anders entstehen? In Eisen-Seen mit „Silizium-Ribosomen“ bei 300° C?… Doofes Beispiel, aber ich denke, es ist dennoch klar, was ich meine, oder? 😉
@ElFisico: Zu dieser Frage habe ich extra einen Artikel geschrieben: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/09/08/warum-suchen-wissenschaftler-immer-nur-nach-ausserirdischem-leben-das-dem-auf-der-erde-aehnlich-ist/?all=1
@ElFisico
Natürlich schränken wir uns da ein. Diese Einschränkung ist aber absolut sinnvoll, denn wir kennen nunmal nur das Leben auf der Erde. Das hat für die Suche nach ausserirdischem Leben folgende konsequenzen:
1) Selbst wenn wir völlig andersartiges Leben direkt vor uns hätten würden wir es wahrscheinlich gar nicht erkennen (es gibt da eine tolle Star Trek TNG folge zu). Ganz zu schweigen davon wenn der Planet Lichtjahre entfernt ist. Oder anders ausgedrückt: Bei Leben wie wir es kennen wissen wir, wonach wir suchen müssen, bei völlig andersartigem Leben nicht.
2) Es gibt wahrscheinlich gute (wissenschaftliche) Gründe, warum bei uns auf der Erde Leben so entstanden ist wie wir es kennen und nicht völlig anders. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir andersartiges Leben ausschliessen können aber die Suche nach prinzipiell ähnlichem Leben ist eben deutlich vielversprechender.
3) Wir kennen inzwischen tausende von Exoplaneten und die Suche nach extraterrestrischem Leben ist extrem aufwendig. Da ist es schon gut, bei den vielversprechendsten Kandidaten anzufangen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns bei der Suche nach ausserirdischem Leben auf Menschenähnliche Spezies beschränken. Wir suchen eben erst einmal nach Leben dessen Stoffwechsel prinzipiell unserem ähnlich ist, d.h. es basiert auf Kohlenstoff, es betreibt Photosynthese etc.
@ Krypto:
Eismonde haben den Nachteil, dass sie schlicht zu viel Wasser haben, um z.B. aus Aminosäuren Peptide hervorgehen zu lassen.
Was mich am Black-Smoker-Szenario nach wie vor nicht überzeugt, ist, wie in einer wässrigen Lösung die Aminosäuren über Polykondensation zu Peptiden reagieren sollen, wenn das überschüssige anfallende Reaktionswasser nicht abgeführt werden kann.
Deshalb favorisiere ich Flussmündungen in Gezeitenzonen, weil es hier sowohl wechselnde Salzgehalte wie auch periodisches Trockenfallen der Ufersedimente gibt, die eine Polykondensation ermöglichen.
Die gleichzeitige Nähe von vulkanischen Aktivitätszonen würde die Sedimente mit Mineralien sowie mit feinporigem Gesteinsmaterial versorgen, so dass sowohl katalytisch aktive Materialien vorhanden wären wie auch Reaktionsräume in Gestalt von Gasblasen im Vulkangestein.
Falls es im Black-Smoker-Szenario wider Erwarten dennoch zu einer erfolgreich verlaufenden Abiogenese kommen kann, dann wäre allenfalls Jupitermond Europa ein aussichtsreicher Kandidat. Eventuell noch Saturnmond Enceladus, aber nicht mehr Titan oder Ganymed, weil diese Monde einen so dicken Eispanzer haben, dass kein Kontakt mehr zum Silikatkern besteht – und damit keine verfügbare Quelle für diverse Mineralien, so dass dort eine Abiogenese in den ersten Zügen steckenbleibt.
@ ElFisico:
Aus chemischen Gründen ist das Entstehen von Makromolekülen und die Organisation derselben zu Stoffwechselsystemen auf Kohlenstoffchemie in Wasser beschränkt. Andere chemische Elemente bieten keine gangbare Alternative zu Kohlenstoff, und andere Flüssigkeiten keine zu Wasser als Biosolvens.
Genaueres kannst Du hier nachlesen:
https://ursprunginsleben.wordpress.com/2015/05/10/auserirdisches-leben-was-ist-zu-erwarten/
Sehr guter Artikel, aufschlußreich und auch für den Laien verständlich – gut recherchiert.
@ElFisico
Das liegt an der Besonderheit des Kohlenstoffs. Kein anderes Element, und schon gar nicht Silizium, bildet so viele Verbindungen in so vielen Varianten. Von Kohlenstoff sind wohl mehr als 40 Mio. Verbindungen bekannt.
@Hoffmann
Ich war der Auffassung, dass der schwierigste Schritt die Erzeugung von langkettigen RNA Molekülen ist. Diesen Schritt erklärt für mich das Paper von der Braun Gruppe recht schlüssig mit Thermophorese in Spalten an hydrothermalen Quellen. Sobald es genügend Langkettige, RNA Moleküle gibt, kann sich dann in der Spalte ein simpler Stoffwechsel aus Ribozymen ausbilden. Nach meinem Verständnis kam die Entwicklung der Proteine erst nach den Ribozymen. Diese Ribozyme haben ja schon katalytische Aktivität und können somit die Kondensation von Aminosäuren zu Peptidketten katalysieren. Ich habe (glaube ich sogar in einem der Woese Paper) gelesen, dass tRNA-ähnliche RNA dazu in der Lage ist, einzelne Animosäuren in der richtigen Reihenfolge aufzureihen und so nahe beieinander aufzukonzentrieren.
Aber wie erklärst Du Dir, dass an diesen Flussmündungen die langkettigen Moleküle nicht alle paar Monate durch Überflutungen so stark verdünnt wurden, dass sie dann im offenen Wasser wieder zerfielen?
@ Till:
Je länger ein Makromolekül ist, um so zerbrechlicher ist es aufgrund der thermischen Bewegungsenergie der Teilchen, so dass längere Moleküle in der Regel eine kürzere Halbwertszeit haben als kürzere.
Die Bedingungen in einem Vent bzw. in einem Sediment tragen also zur Stabilisierung bei, wenn sich die Makromoleküle dort an den Oberflächen „verhaken“. Insofern ist die Überlegung, dass das Kettenwachstum bei größeren Molekülen bevorzugt in solchen Umgebungen stattfindet, durchaus plausibel.
Damit solche längeren Moleküle entstehen können, müssen sich die jeweiligen Monomere, also bei RNA die einzelnen Nucleotide bzw. bei Peptiden die einzelnen Aminosäuren, zunächst erst einmal über Polykondensationsreaktionen verketten.
Da diese Reaktion unter Wasserabspaltung verläuft, ist der Zustand einer wässrigen Lösung, irgendwo im mM-Bereich alles andere als günstig, weil dann das Reaktionsgleichgewicht in Richtung der Ausgangsstoffe verschoben ist.
Um es in Richtung der Reaktionsprodukte zu verschieben, muss man die Konzentration des Wassers verringern, damit das entstehende Reaktionswasser freigesetzt werden kann. Diese Bedingungen sehe ich in den hydrothermalen Schloten am Meeresgrund – also den Vents – nicht gegeben.
Aber mit welchen Substraten? Wenn Aminosäuren involviert sind, ist nicht einzusehen, dass es neben langkettigen RNA-Molekülen, die als Ribozyme wirken, zugleich auch Polypeptide gibt, die ihrerseits eine enzymatische Aktivität entfalten, auch wenn die Peptide noch nicht über codierte Proteinsynthese hervorgegangen sind.
Und dann haben wir nicht mehr eine RNA-Welt gemäß Hypothese, sondern eine RNA-Peptid-Welt mit gewissermaßen wild durcheinanderwuchernden Stoffwechselaktivitäten, die je nach Polymerzusammensetzung in der Summe entweder systemstabilisierend oder eben -destabilisierend wirken, weil der Peptidanteil noch nicht über RNA-Sequenzen via genetischem Code repräsentiert wird, da es sich um Zufallspeptide handelt.
Die Dinge sind also wiederum etwas verwickelter als es manchmal kommuniziert wird. Hinzu kommt, dass im Vent wegen der Dauerpräsenz von Wasser zugleich ein permanenter Hydrolysedruck vorliegt, der die Polymere an beliebigen Stellen immer wieder zerbrechen lässt, so dass die sich daraufhin einstellenden Neukombinationen via enzymatischer Ligation der Bruchstücke zugleich veränderte Enzymeigenschaften nach sich ziehen, die sich wiederum auf die Stabilität des Gesamtsystems wahlweise destruktiv oder konservativ auswirken, wobei „konstruktiv“ auch „reformierend“ bzw. „evolutiv transformierend“ bedeuten kann.
Die Hypothese der RNA-Welt ist zwar nicht verkehrt (zumindest gibt es starke Indizien dafür, dass Ribozyme eine zentrale Rolle in der frühen Evolution gespielt haben!), aber m.E. zu eng gefasst, da katalytisch wirksame Ko-Faktoren wenig oder nicht berücksichtigt werden. Na gut, darüber könnten wir noch lange debattieren … 😉
Wenn sie hinreichend groß sind und ein Akzeptor für das Reaktionswasser verfügbar ist, ja. Vorher allerdings noch nicht. Und das ist für mich der Knackpunkt des Vent-Szenarios. Außerdem – wie ich eben ausgeführt hatte – ist nicht verständlich, wieso einerseits Ribozyme per Polykondensation heranwachsen können und Peptide nicht.
Das ist gar nicht so schwer zu erklären. Über Gezeiten und Regenwasser sowie diverse vulkanische Aktivitäten gelangen Monomere – also z.B. Aminosäuren – in die Sedimente der Flussmündung und haften dort an den Mineralkörnern fest, sammeln sich in Poren, in Gesteinsritzen von Sedimentgesteinen usw. wo sie sich anreichern.
Während einer Ebbeperiode trocknen diese Sedimente kurzzeitig aus und ermöglichen so die Polykondensationsreaktionen. Nach erfolgter Überflutung werden die Sedimente entlang der Küste verfrachtet, gelangen in andere mineralische Kontexte, wo wiederum modifizierte Reaktionen ablaufen können.
Auf der Gegenseite erfolgt über die Gezeiten ein ständiger Austausch von Sedimenten bzw. darin befindlichen Monomeren sowie bereits gebildeter Oligomere. Die Küstenlinie entlang der Flussmündung wird also zunehmend von Sedimenten gesäumt, die mit Monomeren, Oligomeren und sukzessive auch immer längerkettigen Polymeren angereichert sind.
Da neben Aminosäuren sowie diversen RNA-Basen auch Lipide präsent sind, entstehen auch Lipidfilme im Sediment, die z.T. spontan Vesikel und/oder Micellen bilden, in denen sich ebenfalls diverse Monomere befinden. Solche Vesikel bilden ihrerseits geschützte Räume, in denen Polymere bei Ebbe hochwachsen können.
Da das alles in den Ufersedimenten abläuft (abgesehen von Sturmfluten bleiben diese Sedimentschichten weitgehend stabil in ihrer Schichtung), haben wir stets eine mineralische Unterlage, die die katalytische Aktivität ermöglicht, eine ständige Energiequelle über Sonneneinstrahlung (Wärme) bei gleichzeitiger Abdeckung vor schädlicher UV-Strahlung, sowie einen Ionengradienten wegen wechselnder Salinität im Zuge des Gezeitenwechsels.
Über die periodische Austrocknung und damit Verschiebung des chemischen Gleichgewichts in Richtung Polykondensation und Polymerwachstum hatte ich bereits geschrieben.
So weit erst mal ein grober Überblick. In #12 hatte ich einige Paper verlinkt, die einige Details noch genauer abhandeln.
@ Till:
Ein längerer Kommentar hängt noch in der Moderation. Vielleicht schaust Du später noch einmal rein …
Ich denke wir sollten sehr, sehr vorsichtig damit sein einfach vorrauszusetzen das der Vorgang sich rein lokal abgespielt hat. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Außerdem denke ich das wir gut damit beraten sind das Problem technisch anzugehen.
Als unsere Vorfahren vor gerade mal 360 millionen Jahren das Land betraten trugen sie das Wasser in ihren Körpern mit sich. Ein erwachsener Mensch besteht zu ca. 70% aus Wasser. Ein Kind zu ca 75, ein 4 monate alter Fötus zu ca 90% und ein Greis zu ca. 60%.
Ich schätze mit Zellen verhält es sich ganz genau so. Vermutlich dürfte die protozelluläre Entwicklung in einer Umgebung die Zytosol nicht ganz unähnlich ist abgelaufen sein, ebenfalls 70% Wassser und 30 Proteine.
Ionenkonzentration scheint auch eine große Rolle zu spielen, alle Zellen verfügen über Transmembran-Transportproteine (Ionenpumpen) für den Betrieb all der molekularen Spielzeuge mit denen diese ausgestattet sind, einschließlich Signalübertragung zu deren Koordination.
„Protein“ ist natürlich ein furchtbar ungenauer Sammelbegriff. Es ist all die molekulare Maschinerie die das Leben ausmacht. Und die hat es in sich:
Z.B. Flagellen, die aufgrund ihrer Größe keinesfalls mit Muskeln angetrieben werden, sondern durch einen molekularen Motorkomplex welcher einen Konzentrationsunterschied an Protonen zwischen den beiden Seiten der inneren Zellmembran in eine Drehbewegung des auf einem gekrümmten „Haken“ sitzenden gewendelten Filaments um. Die Drehfrequenz liegt um 40–50 Hz.
Einige experimentelle Beobachtungen fürten zum Vorschlag das die Quantentunnel-Modelle für chemische Reaktionen unzureichend sind wenn Enzyme beteiligt sind. Diese Ideen schlagen vor, dass Enzyme den Vorgang irgendwie in besonderer Weise erzwingen und dass wir deshalb neue Modelle benötigen. Natürliche Ezymkalayse is viel effizienter als alles was wir jemals synthetisch erzeugt haben.
Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wir sprechen hier von direkter Anwendung von Quantenmechanik in einem Maße das unseren bisherigen Möglichkeiten weit überlegen ist und für die wir bestenfalls rudimentäre Theorien entwickelt haben.
Und da diese Katalysefunktionen für eine funktionierende Zelle eine Notwendigkeit darstellen, muß sich Laben bereits vor der Entstehung von Einzellern auf diesem Entwicklungsstand befunden haben. Wir sprechen noch nicht mal von einem Transkriptionsvorgang.
Es fällt mir einerseits unglaublich schwer diese Entwicklung in einen Zeitraum von ca. 400 millionen Jahren zu quetschen. Es andererseits sehr schwer diese Entwicklung erdgeschichtlich derart früh anzusetzen. Man sollte erwarten das es stabile Umweltbedinungen und einen relativ langen Zeitraum erfordert. Aber im Gegenteil. Das ist sehr, sehr verdächtig.
Es macht ehrlich gesagt keinen sehr zufälligen Eindruck, sondern erweckt eher den Verdacht auf das wirken eines sehr rafinierten Systems. Ich habe den Verdacht das wir es weniger mit einem jungen, denn einem recht alten System zu tun haben, das darauf vorbereitet ist mit allen möglichen Störeinflüssen zurechtzukommen. „Einfache“, chemische Reaktionen als Ausganssituation erscheinen mir als Erkärung völlig unzureichend. Religiöse Ansätze noch mehr als das.
Ich würde sagen die Entwicklung an deren, nicht mal Ende, so etwas wie ein Blauwal steht ist durchaus im Vergleich zu unserer Technik in Relation zum Bau einer Dysonsphäre zu setzen (für einen Einzeller).
Der Entwicklungsstand ist derart hoch das wir noch nicht mal in der Lage sind abzuschätzen wie hoch dieser tatsächlich ist und das obwohl wir als Spezies damit aufgewachsen sind und dies für uns wahrlich kein Neuland ist. Und das möglicherweise ebenso unvorstellbar lange.
Sicherlich wird man doch bei 13,7 milliarden Jahren eine Grenze ziehen können? Nunja, ich möchte es mal so ausdrücken: wenn einmal ein Universum entstanden ist, so ist dies möglicherweise kein Einzelfall. In einem unendliche Zeitrahmen? Innerhalb eines unendlichen Raums? Eher nicht.
Es war schon immer das Problem der Menscheit Wände um ihr Weltbild zu ziehen, obwohl es sich immer wieder als falsch erwiesen hat. Wände existieren einfach nicht. Wir machen trotzdem immer wieder den selben Fehler.
@Hoffmann
Der Effekt der Poren in Hydrothermalen Quellen ist viel eleganter als das. Stelle Dir eine vertikale Pore vor, in der ein Temperaturgradient von links (warm) nach rechts (kalt) herrscht (der Gradient ist also quer zur Ausdehnung der Pore, das ganze funktioniert aber prinzipiell für sehr unterschiedliche Geometrien, siehe auch hier fig.1). Dieser Gradient hat zwei Effekte: Zum einen diffundieren Moleküle durch Thermophorese von der warmen zur kalten Seite, zum Anderen gibt es eine konvektive Strömung entlang der kalten Seite nach Unten und entlang der warmen Seite nach oben. In Kombination führt dies dazu, dass Moleküle jeglicher Art in der kalten unteren Ecke der Pore exponentiell angereichert werden. Das ganze führt dazu, dass ab einer bestimmten Länge der Pore (im cm Bereich) die Konzentration um viele Grössenordnungen erhöht ist. Das Paper spricht selbst für Monomere von einem Faktor 10^10. Für längere Moleküle funktioniert das ganze noch besser und der Konzentrationsfaktor steigt mit der Länge der Polymere noch einmal exponentiell an. Selbst für Dissoziationskonstanten der Polymere im mM Bereich, ergeben sich so kombinierte Konzentrationsfaktoren im Bereich von 10^600. Da braucht es keine Austrocknung mehr für die Polykondensation.
Genau so sehe ich das auch. Das waren die perfekten Bedingungen für eine extrem schnelle molekulare Evolution, in der sich die Poren durchsetzten, in denen die Systemstabilisierenden Moleküle vorherrschten. Es gibt auch indizien, dass sich der siRNA Mechanismus schon zu dieser Zeit als Abwehrmechanismus gegen destabilisierende Faktoren entwickelt hat.
Von mir aus brauchen wir da nicht lange zu debattieren, da stimme ich Dir voll zu. Ich denke nur, dass RNA in dieser Zeit der treibende Faktor der Evolution war und somit würde ich RNA-Welt als Oberbegriff durchaus durchgehen lassen.
Vielen Dank für Deine ausführliche Erklärung! Insbesondere das Anhaften an die Sedimentkörner hatte ich so nicht auf dem Schirm. Das ist auch ein durchaus plausibles Szenario. Ich wäre nur mit den Membranvesikeln vorsichtig, da die nur in Kombination mit sehr komplexen Transportproteinen funktionieren weil sie sonst keinen Nährstofftransport zulassen.
Für mich sind beide Szenarien möglich. Mein Favorit bleiben aber die Vents und zwar aus folgenden Gründen:
1) Energie: Der Temperaturgradient liefert eine stabile Energiequelle zur Aufrechterhaltung des chemischen Fliessgleichgewichtes.
2) Schutz: Die Poren reichern nicht nur die Materialien an, sie schützen auch vor Umwelteinflüssen und Verdünnung ohne eine Lipidmembran von Anfang an zu benötigen. In den Poren können so verschiedene „Molekulare Spezies“ zusammenfinden und rudimentäre Stoffwechselwege aufbauen.
3) Langzeitstabilität: Die Bedingungen an den mittelozeanischen Rücken haben sich in der Erdgeschichte wahrscheinlich kaum bis gar nicht grundlegend verändert. Selbst einzelne Vents wandern im Jahr nur Zentimeterweise mit dem Ozeanboden und verändern so ihre Bedingungen im Laufe von Jahrtausenden nur sehr graduell. Es bleibt also immer genug Zeit für die ersten Organismen, sich an die Bedingungen anzupassen.
4) Evolution der kleinen Schritte: Da keine Membran und kein Energiestoffwechsel von Anfang an benötigt werden, können sich die dafür benötigten Enzyme in kleinen Schritten im Laufe der Evolution entwickeln. Es muss also nicht zufällig alles gleichzeitig entstehen.
@Hoffmann Meine Antwort steckt jetzt auch in der Moderation… Ich fürchte unsere Posts sind dem System zu lang. Das Thema ist aber auch einfach ziemlich komplex.
@Hoffmann:
Kann das Reaktionswasser nicht an Gasblasen, die bei den Vents aus dem Boden blubbern und sich am schroffen Fels verfangen, abgegeben werden?
@Dgoe
Das alleine würde vermutlich nicht ausreichen um das Gleichgewicht ausreichend in Richtung der Polymere zu verschieben. Auch in den Gesteinsporen wären die Gasblasen vermutlich eher hinderlich, da sie die Konvektion stören würden, die für den Aufkonzentrierungseffekt nötig ist.
So wie ich das verstanden habe, geht man davon aus, dass Pyrit (eine Eisen-Schwefel Verbindung) in den Gesteinsporen als Katalysator fungiert hat. Gestützt wird diese Hypothese dadurch, dass insbesondere im Energiestoffwechsel noch viele Enzyme Eisen-Schwefel Cluster in ihren reaktiven Zentren verwenden.
@Wage:
Du versuchst es immer wieder, wa? Ganz im Gegentum ist es äußerst vorsichtig, lokal zu denken, wenn man nicht belegen kann, daß ein Vorgang eben nichtlokal abläuft.
@Florian
Danke für den Link, den Artikel hatte ich übersehen!
Leuchtet auch ein für weitentfernte Planeten, dass man nach „Markern“ sucht, die man von der Erde kennt und interpretieren kann. Beim Mars oder bei Monden von größeren Planeten in unserem Sonnensystem muss man sich aber doch nicht zwangsläufig „nur“ auf Spurensuche nach Wasser (weil essentiell für „irdisches“ Leben) machen, oder? Vielleicht macht man das ja auch gar nicht und der Eindruck entsteht eher durch die „unwissenschaftlichen“ Medien?
@Wage
Ich werde aus deinen Erklärungsversuchen nicht ganz schlau. Das klingt mir doch sehr nach einer schlechten Kombination aus Intelligent Design, Erich von Däniken und Sci-Fi.
@Elfisico
Es gibt durchaus seriöse Forschung, die sich mit potentiellem Leben auf Titan beschäftigt, das auf Methan statt Wasser beruht. Die Suche nach Wasser hat aber noch andere Gründe: aus Wasser ließe sich durch Elektrolyse Sauerstoff herstellen, der außer für bekannte Missionen zum Atmen auch wunderbar als Raketentreibstoff eignet.
@ Till:
Zum Thema Vents würde ich mich am Sonntag Abend noch einmal etwas ausführlicher zu Wort melden. Was das Thema – Leben auf Titan – betrifft, gibt es zwar seriöse Forschung, aber noch nicht wirklich greifbare Resultate. Neben der niedrigen Temperatur ist es insbesondere die unpolare Natur der potentiellen Solventien Methan und Ethan, die es unwahrscheinlich machen, dass dort eine hinreichend komplexe Biochemie entstehen und bestehen könnte. Auch dazu gern am Sonntag Abend mehr. Momentan bin ich familiär ein wenig beansprucht … 😉
@Hoffmann
Ich freue mich drauf. Viel Spaß mit der Familie 😉
@RPGNo1
Es ist kein ID. Ist es nicht.
Erstens bin ich Agnostiker und zweitens… die Welt is merkwürdig. Sei es Quantenmechanik, Relativität, Dunkle Materie, Dunkle Energie oder eben…
Hätte ich dir im 18ten Jahrhundert von 15 tonnen schwere Eidechsen erzählt wäre die Reaktion ganeauso ausgefallen.
Die Welt ist wie sie ist und eben alles andere als erforscht. Paradigmen stehen und fallen und ich hänge eben einer eher unkonventionellen Sichtweise an. Kann ich mich irren? Sicher. Aber das ist meiner Meinung nach die plausibelste Erklärung.
Ich gebe dir mal ein paar Namen.
James A. Shapiro
James Lovelock
Frank Drake
Gilber Levin
David S. McKay
Fred Hoyle
Chandra Wickramasinghe
Richard B. Hoover
Craig Ventner
Science Fiction oder doch Science Fact?
@wage was soll uns die Liste von Namen jetzt bitte sagen? Wenn Du diese Menschen zitieren und damit Deine Aussagen belegen möchtest, dann mach das doch bitte richtig. D.h. mach deine Aussage und dann füge einen Link zu der Quelle bei. Alternativ kannst Du auch wörtlich zitieren und dann die Quelle (Autor, Titel Seitenzahl) angeben. Beim Zusammensuchen der Quellen lernt man nämlich enorm viel. Das wird Dir auch helfen, Deine recht unstrukturierten Andeutungen klarer zu formulieren.
Ein Beispiel:
Sofern die Quelle seriös ist, bin ich mir sicher, der Autor, der den Vorschlag gemacht hat, hat damit einfach nur gemeint, dass wir Enzymkatalyse noch nicht bis ins letzte Detail verstanden haben. Genau das würde bei einem korrekten Zitat klar.
Es ist wahr, dass wir Enzymkatalyse noch nicht quantenmechanisch beschreiben können, weil einfach zu viele Atome daran beteiligt sind. daher sind die quantenmechanischen ab-initio Rechnungen dafür nicht analytisch lösbar und auch numerisch ist der Rechenaufwand einfach zu hoch.
Das hat aber absolut gar nichts damit zu tun, dass die Natur da irgendeine Quantenmechanik anwendet die fortschrittlicher wäre als unsere. Die Natur macht einfach ihr Ding. Quantenmechanik ist nur unser Versuch den natürlichen Vorgang mathematisch zu beschreiben.
Der Artikel gefaellt mir sehr gut. Kurz und knackig wird der aktuelle Kenntnisstand ruebergebracht. Irgendwie bleibt mir trotzdem ein flaues Gefuehl. Ist, was wir Leben nennen, tatsaechlich nur ein Konglomerrat aus Nukleinsaeuren, Lipiden, Aminosaeuren oder Proteinen?
Angenommen wir koennten eine solche Urzelle im Labor nachbauen; Lebt diese dann, oder haben wir einfach nur eine tote Zelle vor uns? Ab wann lebt sie? wie kam der Tod auf die Erde
@step
Für mich besteht die Faszination des Lebens gerade darin, dass etwas so komplexes, wunderbares und schönes sich von selbst aus so einfachen Bausteinen bilden konnte.
Etwas in der Art macht die Forschungsgruppe von Craig Venter (derjenige, der zuerst das menschliche Genom sequenziert hat). Sie versuchen das minimale Set an Genen zu finden, das notwendig ist um Leben aufrecht zu erhalten. Dazu haben sie ausgehend von Mycoplasmen (Einzeller mit sehr kleinen Genomen) immer mehr Gene entfernt, bis 382 Gene übrig waren und so eine künstlich im Labor hergestellte Art entstand, das Mycoplasma laboratorium (lest wenn möglich den Englischen Text, der Deutsche ist unvollständig und veraltet).
@ Till:
Nur kurz zwischendurch, da ich gerade etwas Zeit habe. Zum Thema „Leben auf Titan“ hatte ich vor über einem Jahr schon einmal als spontane Reaktion auf einen Fachartikel einen Blogbeitrag verfasst, der dann doch in der Entwurfphase steckengeblieben ist:
https://ursprunginsleben.wordpress.com/2015/07/20/spekulationen-ueber-leben-auf-titan/
Das alles erscheint mir doch sehr unwahrscheinlich – bis hin zu so gut wie ausgeschlossen.
Zum Thema Vents vielleicht heute Abend noch etwas mehr. Nur so viel: Vents sind Durchlaufreaktoren, die eine Menge interessanter Moleküle produzieren und anreichern, aber dennoch insgesamt zu „eintönig“ sind, um selektive Drücke zu entwickeln.
Auch die Freisetzung von hypothetischen Protozellen aus der mineralischen Matrix (Bubbles) in die kalte Umgebung des Ozeanwassers ist eine diffizile Angelegenheit, da die Bubbles zuvor mit Lipidfilmen ausgekleidet sein müssen, was dann wieder den Kontakt zu den katalytischen Mineraloberflächen unterbindet.
Das Problem der Transportproteine hattest Du schon benannt. Welchen Zweck könnten sie innerhalb der Matrix erfüllen, wenn die Außenseite der Lipidmembran auf dem Mineral aufliegt?
Mir schwebt daher eine Kombination beider Ansätze vor: Einerseits stellen Vents chemische Reaktoren dar, die nach Zerfall und Verwitterung ufernahe Bereiche des Ozeans mit biochemisch potenten Chemikalien anreichern (dazu müssten sich die Vents in Ufernähe befinden, was im Kontext zu Vulkaninseln aber kein Unding wäre).
Andererseits bewirken geothermale Felder auf solchen Vulkaninseln im Zusammenwirken mit Gezeiten und Flussmündungen ein abwechslungsreiches geochemisches Umfeld, in dem über verschiedenste chemische, klimatische und hydrologische Rahmenbedingungen diverse selektive Drücke aufbauen, mit Hilfe derer so etwas entstehen kann, wie es Richard Egel als „syncytisch-coenocytische Matrix“ beschrieben hatte, aus der dann später über „escape events“ Bacteria und Archaea entwichen, bevor sich diese – ich nenne sie mal „metazelluläre Matrix“ – in die Vorläufer der heutigen Eucarya differenzierte.
Der Essay von Richard Egel ist hier nachzulesen:
https://www.mdpi.com/2075-1729/2/1/170
So, muss jetzt wieder weg …
@Till:
Da mein Kommentar zu Vents und Titan noch in der Moderation hängt, noch eine Bemerkung hierzu:
Diese Versuche sind dahingehend sehr aufschlussreich, weil man dabei herausgefunden hat, dass manche Gene einerseits essentiell zu sein scheinen, weil bei ihrem Fehlen die Zelle stirbt, andererseits aber die Funktion unbekannt ist.
Das subtraktivische Verfahren liefert zwar ein Resultat, womit man arbeiten kann, aber es liefert nicht das wirkliche Minimal-Genom, weil der Kontext zu anderen Genen zerrissen wird.
Um das zu finden, müsste man sämtliche Kombinationen auf Gangbarkeit hin testen. Bei rund 500 Genen ist das eine sehr zeitaufwändige Angelegenheit, weil die Zahl der möglichen Gen-Permutationen mit z.B. 200 Genen schier zu groß wird, um praktikabel testbar zu bleiben.
Darüber hinaus bestehen die Gene ja nicht isoliert, sondern sind auf den biochemischen Kontext der Gesamtzelle bezogen. Und hier ergeben sich dann weitere Kombinationsmöglichkeiten, die sich wegen der Vielzahl der Stoffwechselwege praktisch nicht durchtesten lassen.
Man hat zwar einerseits eine neue Art kreiert, indem man die DNA-Sequenzen verändert hat, aber deshalb noch nicht eine Zelle nachgebaut, weil der Kontext des Genoms – also das Zytoplasma der Empfängerzelle – aus dem evolutionär tradierten biologischen Fundus entnommen wurde.
Ein echter Zellenneubau wäre der Aufbau eines Replikations- und Translations-Systems auf der Grundlage von in vitro-Stoffwechselkreisläufen, die den Kontext, innerhalb dessen sich ein Genom als „sinnvoll“ erweist, autonom hochwachsen lassen, ohne auf biogenes Material zurückgreifen zu müssen.
Spätestens bei der spontanen Entstehung von Ribosomen-Analoga wäre es echt spannend, wie die Resultate dann beschaffen sind …
@Hoffmann
Ich antworte jetzt mal auf verschiedene Punkte in separaten Kommentaren, damit spare ich hoffentlich Florian die Arbeit unsere Kommentare aus der Moderation herauszusammeln.
Ich stimme Dir 100% ig zu. Ich war nur zu Faul das im Detail zu schreiben deswegen habe ich „Etwas in der Art“ geschrieben…
Das wäre natürlich der absolute Durchbruch insbesondere falls man es schaffen sollte, dass sich so ein Replikationssystem unter Zugabe der einzelnen Bausteine unter geeigneten Bedingungen von selbst bildet. Aber ich fürchte, davon sind wir noch sehr weit entfernt, zumal das ganze damals ja vermutlich millionen von Jahren gedauert hat.
Genau das gleiche ist bei der Identifikation der Gene des letzten gemeinsamen Urvorfahr (LUCA) passiert. Auch da kennen wir die Funktion eines bedeutenden Teils der Gene noch nicht. Es wäre sicherlich interessant, die Gene aus Venters Versuchen mit den Genen von LUCA zu vergleichen und nach Gemeinsamkeiten zu suchen.
@ step:
Nein. Leben ist organisierte Chemie, die organisierte Strukturen hervorbringt, die ihrerseits wieder organisierte Chemie ermöglichen.
Das entscheidende Kennzeichen des Lebens ist, dass der Grad an Ordnung, der ein lebendes System ermöglicht, im Verlauf des Prozesses der organisiert ablaufenden Chemie aufrecht erhalten bleibt – sowohl auf individueller Ebene in Gestalt des Organismus‘, wie auch auf überindividueller Ebene in Gestalt von Fortpflanzung und (wegen unausbleiblicher Mutationen) nachfolgender Evolution durch Selektion aus Variation.
Leben ist also eine dynamische Angelegenheit, die u.a. durch das Vorhandensein von Proteinen, Nucleinsäuren, Lipiden und Sacchariden ermöglicht wird, wenn sie in einem System im Rahmen eines organisiert ablaufenden Prozessgeschehens miteinander wechselwirken.
@ Till:
Ich fürchte, die Rahmenbedingungen für ein autonomes Hochwachsen im Labor sind so komplex, dass man sie niemals hinreichend nachstellen kann.
Nicht umsonst ist Leben ein planetares Phänomen. Es ist zwar so, dass Leben irgendwo zunächst lokal entsteht, aber damit das geschehen kann, ist der geochemische Kontext des gesamten Planeten erforderlich, um die notwendige Rahmenkomplexität zu liefern, die dann an einem Punkt zusammenkommen kann.
Dazu noch ein interessanter Artikel:
https://www.mdpi.com/2075-1729/3/2/331/htm
Ohne jetzt verglichen zu haben, sage ich mal voraus, dass alle Gene, die mit der Proteinbiosynthese assoziiert sind, ubiquitär sind. Der genetische Kern von LUCA wurde schon einmal auf andere Weise „extrahiert“:
https://ursprunginsleben.wordpress.com/2015/06/16/der-genetische-kern-von-luca/
@Hoffmann
Vielen Dank für den Link zu Deinem Blog, sehr interessante Artikel dort. Werde ich bei Gelegenheit mal schmökern ;-).
Der Unterschied bei der neuen Arbeit zu LUCA ist, dass eben nicht nur der Kern identifiziert wurde, sondern insgesamt 355 Gene (bzw. Gen-Stammbäume). Da sind viele Stoffwechselwege dabei wie z.B. Kohlenstofffixierung, Stickstofffixierung, Nucleotidstoffwechsel, Aminosäurestoffwechsel, Lipidstoffwechsel und Transport (siehe Fig.2 in der Originalarbeit). Insgesamt deuten die Autoren die Gene so, dass sie auf ein Leben an hydrothermalquellen hindeuten:
Falls der Link zur Originalarbeit nicht funktioniert, über den NY Times Artikel zu LUCA findest Du einen speziellen Link zum Originalartikel, für den Du keine Subscription bei Nature micobiology brauchst.
@Hoffmann
Denkst Du es wäre möglich, dass die „Bubbles“ nur nach aussen hin teilweise mit Lipidmembranen verschlossen waren? Ich bin mir nicht sicher, ob da die Verankerung von Lipid im Gestein klappt.
Das würde erklären, wie die Membran zunächst evtl. als Schutzfunktion entstand um große Poren im Gestein zu verschliessen (kleine blieben offen und erfüllten die Funktion der Transporter) und sich nach und nach die Transportproteine entwickeln konnten.
@Hoffmann
Das einzige, wass ich mir vorstellen könnte, ist dass wir irgendwann die essenziellen Komponenten des Prozesses identifizieren und dann im Labor soweit optimiert nachstellen können so dass wir zumindest die autobiogene Entstehung selbstreplizierender RNA innerhalb vertretbarer Zeiträume nachstellen könnten.
@Hoffmann
Evtl. entstand Leben aber auch einfach so früh, in der Erdgeschichte, dass es noch gar keine Ozeane gab. Es muss ja mal eine Phase gegeben haben, als das Wasser anfing zu kondensieren. In dieser Phase war einerseits die Verdünnung nicht so hoch, andererseits waren die entstehenden Ozeane ja quasi riesige Flussmündungen. Das würde unsere Szenarien perfekt vereinen und müsste ziemlich optimale Bedingungen für die Entstehung des Lebens bereitgestellt haben.
@Hoffmann es sind noch einige Kommentare von mir in der Moderation (bei mir #66 und #67).
@ Till:
Selbstreplizierende RNA ohne Helfermoleküle, die nicht selbstreplizierend sind, dürfte nicht zu machen sein. Ohne Stoffwechselkontext kann Selbstreplikation nicht funktionieren. Ich habe dazu in einem aktuellen Buch (Der Quantenbeat des Lebens von Al-Khalili und McFadden) ein passendes Zitat gefunden:
Nicht zu vergessen die drohende Fehlerkatastrophe, wenn pro Replikationszyklus die Anzahl der Fehler das Reziproke der Polymerlänge nennenswert überschreitet (Eigensches Fehlerlimit). Dann „lebt“ so ein Ribozym nur kurz, falls es jemals in Erscheinung getreten sein sollte, was mir angesichts der zu lösenden Aufgaben unwahrscheinlich vorkommt …
@Till:
Das hat aber absolut gar nichts damit zu tun, dass die Natur da irgendeine Quantenmechanik anwendet die fortschrittlicher wäre als unsere.
Visualizing coherent intermolecular dipole–dipole coupling in real space, Yang Zhang Et al., Nature, Published online 30 March 2016
Doch, genau das bedeutet es.
@ Till:
Gut, dann warte ich mal, bis die Kommentare freigeschaltet sind und melde mich morgen wieder.
@ Wage:
Das müsstest Du a) begründen und b) den Bezug zur Entstehung des Lebens herstellen.
@Hoffmann
Selbstreplizierende RNA wurde im Labor schon hergestellt (habe ich im Artikel verlinkt) oder übersehe ich da etwas?
Ich wünschte ich könnte, aber irgendwie bleiben alle längeren Ausführungen in der Moderation hängen.
Die Kurzversion:
Biologie, Biotechnologie, Technologie – ein und das selbe. Wir versuchen das irgendwie aufgrund unserer Voreingenommenheit, sei es theologisch oder aufgrund von Tabus zu kategorisieren. Es ist zwecklos.
Thermophile Lebewesen verfügen über Schutzmechanismen der eine thermophile Lebensweise überhaupt erst ermöglicht. Das deutet bereits auf eine historie der Anpassung hin. Was wir suchen ist eine Umgebung in der Anpassungen nicht nötig sind.
@ Wage:
Noch kürzer:
Biologie, Biotechnologie und Technologie sind nicht ein und dasselbe. Es ist nicht zwecklos, sondern aus inhaltlichen Erfordernissen notwendig, hier begriffliche Abgrenzungen vorzunehmen. Umgebungen ohne Anpassungsdruck gibt es für Lebewesen nicht. Auch der Entstehungsprozess der Lebewesen ist durch Anpassungsdrücke gekennzeichnet. Folglich waren auch die ersten Lebewesen an ihre Umgebung angepasst, da sie anderenfalls nicht hätten bestehen können.
@ Till:
Aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, erscheint mein Beitrag nicht. Stattdessen die Meldung, es sei ein Doppelpost entdeckt worden. Falls der Beitrag irgendwo versandet ist, schreibe ich ihn hier noch einmal. Falls er doch noch erscheinen sollte, müsste dieser Kommentar hier entfernt werden.
Den verlinkten Artikel hatte ich beim Lesen Deines Artikels glatt „überlesen“, also nicht geöffnet, um darin zu lesen (Asche auf mein Haupt!). Ich habe das aber nachgeholt, und bin zum einen darauf gestoßen, dass es sich hier um eine dimere Struktur handelt, die sich wechselseitig als Substrat zur Replikation einspannt (siehe Abb. 3 im Paper) – also gewissermaßen ein Umweg, um „sich selbst nicht abhanden zu kommen“ – und zum anderen darauf:
sowie darauf:
Und das unterstreicht meinen Einwand, dass Selbstreplikation ohne Kontext-gebenden Stoffwechsel nicht zu haben ist. Die Umgehung der Fehlerkatastrophe mal vorausgesetzt, ergibt sich entweder ein Replikator, der isoliert für sich selbst die Ressourcen für die eigene Replikation verbraucht (egoistischer Replikator), ohne sich mit der Umgebung zu vernetzen, weil die Komplexität des Replikators nicht hinreichend ist, um weitere Funktionen zu ermöglichen.
Dann läuft er sich entweder tot, weil die Ressourcen ausgehen, oder er durchläuft eine Spiegelmann-Evolution, bei der sich am Ende die fitteste Variante durchsetzt, die dann in einer Gleichgewichts-Sackgasse landet, wo sich Synthese und Zerfall die Waage halten.
Beide Szenarien haben mit der Entstehung von Leben nichts zu tun, sondern demonstrieren lediglich, auf welche Weise ein System auf molekularer Ebene „durchdrehen“ kann, so dass es sich am Ende selbst zerstört. Also so etwas wie Krebs auf allein makromolekularer Ebene, weil der Kontext des Stoffwechsels, der regulierend wirken könnte, nicht einbezogen wird.
Die Einbeziehung des kontextuellen Stoffwechsels gelingt erst, wenn eine Kopplung zwischen RNA-Chemie und Peptid-Chemie stattfindet, die dann in die Entstehung der Translation mündet.
Die zitierte Erfordernis von genetischen Codes deutet darauf hin:
Über Peptidsequenzen ergeben sich dann Zugänge zu differenzierteren Stoffwechselreaktionen, die dann u.a. auf die RNA-Chemie rückkoppeln können, so dass sich hier der Hyperzyklus schließt, der dann zu Zellen hochwachsen kann.
@ Till:
Ich weiß nicht, wo es gerade klemmt, aber mein Beitrag an Dich erscheint nicht – egal was ich mache. Auch der Hinweis auf Moderation erscheint nicht. Deshalb noch einmal folgender Versuch:
Selbstreplizierende RNA wurde im Labor schon hergestellt (habe ich im Artikel verlinkt) …
Den verlinkten Artikel hatte ich beim Lesen Deines Artikels glatt „überlesen“, also nicht geöffnet, um darin zu lesen (Asche auf mein Haupt!). Ich habe das aber nachgeholt, und bin zum einen darauf gestoßen, dass es sich hier um eine dimere Struktur handelt, die sich wechselseitig als Substrat zur Replikation einspannt (siehe Abb. 3 im Paper) – also gewissermaßen ein Umweg, um „sich selbst nicht abhanden zu kommen“ – und zum anderen darauf:
The replicating RNA enzyme is the only known molecule that can undergo self-sustained Darwinian evolution, but it has limited genetic complexity, and therefore limited capacity for the invention of novel function.
sowie darauf:
Two innovations were needed to increase the complexity of the system of self-evolving RNA enzymes. The first was to devise a means for implementing genetic codes that allow greater information content and are less susceptible to the formation of mismatched complexes.
Und das unterstreicht meinen Einwand, dass Selbstreplikation ohne Kontext-gebenden Stoffwechsel nicht zu haben ist. Die Umgehung der Fehlerkatastrophe mal vorausgesetzt, ergibt sich entweder ein Replikator, der isoliert für sich selbst die Ressourcen für die eigene Replikation verbraucht (egoistischer Replikator), ohne sich mit der Umgebung zu vernetzen, weil die Komplexität des Replikators nicht hinreichend ist, um weitere Funktionen zu ermöglichen.
Dann läuft er sich entweder tot, weil die Ressourcen ausgehen, oder er durchläuft eine Spiegelmann-Evolution, bei der sich am Ende die fitteste Variante durchsetzt, die dann in einer Gleichgewichts-Sackgasse landet, wo sich Synthese und Zerfall die Waage halten.
Beide Szenarien haben mit der Entstehung von Leben nichts zu tun, sondern demonstrieren lediglich, auf welche Weise ein System auf molekularer Ebene „durchdrehen“ kann, so dass es sich am Ende selbst zerstört. Also so etwas wie Krebs auf allein makromolekularer Ebene, weil der Kontext des Stoffwechsels, der regulierend wirken könnte, nicht einbezogen wird.
Die Einbeziehung des kontextuellen Stoffwechsels gelingt erst, wenn eine Kopplung zwischen RNA-Chemie und Peptid-Chemie stattfindet, die dann in die Entstehung der Translation mündet.
Die zitierte Erfordernis von genetischen Codes deutet darauf hin:
Über Peptidsequenzen ergeben sich dann Zugänge zu differenzierteren Stoffwechselreaktionen, die dann u.a. auf die RNA-Chemie rückkoppeln können, so dass sich hier der Hyperzyklus schließt, der dann zu Zellen hochwachsen kann.
@ Till:
Was hältst Du davon, die Diskussion an anderer Stelle fortzusetzen? Hier funktioniert gerade mal gar nichts mehr, wenn ich meinen Beitrag an Dich loswerden möchte (schon 4 erfolglose Versuche gestartet, aber der Beitrag erscheint nicht einmal!).
Ich schlage vor, entweder auf meinem Blog oder im astronews.com-Forum, wo ich schon seit zehn Jahren registriert bin. Meinen Beitrag an Dich habe ich gespeichert und könnte ihn dort erneut posten.
@ Till:
Hier habe ich einen Blogartikel verfasst, in dem kommentiert werden kann:
https://ursprunginsleben.wordpress.com/2016/09/26/diskussion-zur-entstehung-des-lebens/
Wie ich sehe, geht es jetzt wieder. Dann könnte #78 wieder entfernt werden, da Doppelpost.
Das Bild vom Krebs auf molekularer Ebene finde ich gut. Ich denke auch, man könnte das gut mit Viren vergleichen, die ja auch quasi egoistische Erbinformation sind. Aber genau da sehe ich dann auch den Ausweg aus dieser Situation: Auch Viren passen sich irgendwann so an ihren Wirt an, dass sie ihn nicht mehr schädigen (Es gibt Viren mit denen 98% der Bevölkerung infiziert sind, die aber keinerlei Symptome hervorrufen).
So ähnlich stelle ich mir die Evolution der ersten Stoffwechselwege vor: Die ursprünglich egoistischen selbstreplizierenden RNA Moleküle fangen an, auch andere Molekuule zu replizieren, die z.B. die Synthese von Nucleotiden ermöglichen und so die betreffende Gesteinspore weniger Abhängig von Umweltbedingungen bzw. abiogener Synthese machen. Diese Poren waren eolutionär fitter und haben sich durchgesetzt.
Was mich an diesem Ansatz stört, ist dass er quasi verlangt, dass die komplette Translation und (RNA) transkription gleichzeitig durch Zufall entstanden ist. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ich denke schon, dass es davor eine Art von Evolution gab, die noch deutlich chaotischer und weniger zielgerichtet war, aber dennoch in kleinen Schritten Fortschritte erlaubte. Woese hat das in dem einen von Dir verlinkten paper recht schön beschrieben. Er beschreibt das als eine sehr chaotische Evolution aus der sich nach und nach stabile Stoffwechselwege „herauskristallisierten“ und stabilisierten, weil sie einen signifikanten Vorteil bildeten.
@ Till:
So ist das nicht gemeint. Auf einen Ruck geht das natürlich nicht, aber letztlich wäre die RNA-Welt in ihren egoistischen Replikatoren steckengeblieben, wenn die Proteinsynthese nicht als Ressource für mehr Komplexität erschlossen worden wäre.
Das Paper von Wolf und Koonin beschreibt ein solches schrittweises Szenario, das u.a. durch Bernhardt und Tate ergänzt worden ist:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17540026
https://biologydirect.biomedcentral.com/articles/10.1186/1745-6150-5-16
Woese beschreibt das Szenario mehr qualitativ über „Kristallisation“, geht aber dabei nicht auf das Zustandekommen der Translation ein:
https://www.pnas.org/content/95/12/6854.full
@Hoffmann
O.k. jetzt habe ich verstanden was Du meinst. Genau so sehe ich das auch. Ich denke man kann die Wichtigkeit der Translation in der chemischen Evolution nicht überschätzen. Das ist mindestens vergleichbar mit der grossen Sauerstoffkatastrophe.
Vielen Dank auch für die Links, die werde ich mir bei Gelegenheit mal zu Gemüte führen.
@Hoffmann
Biologie, Biotechnologie und Technologie sind nicht ein und dasselbe. Es ist nicht zwecklos, sondern aus inhaltlichen Erfordernissen notwendig, hier begriffliche Abgrenzungen vorzunehmen.
Nur wenn sich die inhaltlichen Erfordernisse unterscheiden. Dem ist aber nicht so.
Folglich waren auch die ersten Lebewesen an ihre Umgebung angepasst, da sie anderenfalls nicht hätten bestehen können.
Hmm… gerade was thermophile Organismen angeht stellt Wärme einfach höhere, strukturelle Anforderungen. Die Proteine sind z.B. viel dicker weil sie mehr mechanische Belastung verkraften müssen.
Außerdem, zwischen all den Ionen- und Protonenpumpen spielen elektrische Ladungen eine sehr große Rolle um die Maschinen am laufen zu halten.
Ihr konzentriert euch fast ausschließlich auf die Informationsverabeitung, was an sich kein schlechter Ansatz ist, aber eben nur ein Aspekt.
@Wage ich frage mich, wo Du Deine wirren Hypothesen ausgräbst. Gib doch mal bitte eine Referenz für diese Aussage an:
Würde mich wirklich interessieren.
@ Till:
Nein, im Gegenteil: Das Zustandekommen der Translation war DER Durchbruch hin zu evolutionsfähigen Organismen, weil durch die wechselseitige Repräsentanz von Sequenzen einerseits dieselben konservierend tradiert werden konnten und andererseits wegen der Redundanz des genetischen Codes die Gefahr einer Fehlerkatastrophe auf ein Maß heruntergefahren wurde, dass Robustheit mit Variationsbreite vereinbar wurde, die den relativ engen Rahmen der Eigenschen Quasispezies gewissermaßen sprengte und so den Weg frei machte zu einer organismischen Evolution. Allein mit RNA wäre das nicht möglich gewesen.
@ Wage:
Das glaube ich Dir nicht. Und mit „isso, weil isso“ kommst Du hier nicht weit(er). Auf Deine anderen Stilblüten ist Till ja schon eingegangen.
Das haben Protonen und Ionen so an sich, dass da elektrische Ladungen eine Rolle spielen … Es wäre hilfreich, wenn Du vor dem Posten überlegst, ob das, was Du posten willst, überhaupt sinnvoll ist. Besser wäre natürlich, vor dem Tippen überlegen, ob es sinnvoll ist. Das spart den Schritt des Überlegens vor dem Posten. Nur so am Rande …
Und auch das ist Deinem Phantasiedenken entsprossen, denn der Fokus lag auf biochemische Prozesse und nicht auf informationsverarbeitende, auch wenn die natürlich in Bezug auf Replikation eine Rolle spielen.
Na gut, lassen wir das …
@ Till:
Gestern Abend habe ich dazu ein passendes Paper gefunden:
https://www.researchgate.net/publication/301304795_A_symbiotic_view_of_the_origin_of_life_at_a_hydrothermal_impact_crater_lake
Chatterjee meint, dass auch in größeren Einschlagskratern Vents hätten entstehen können. In den Kraterseen wären dann zunehmend konzentriertere Lösungen von diversen Monomeren entstanden, die sich später zu interagierenden RNA-Protein-Komplexen sowie noch später zu RNA-Protein-Lipid-Protozellen organisiert hätten, in denen dann Ribosomen, Translation usw. usf. ihre organisierende Kraft entfaltet hätten.
Der Text ist hübsch geschrieben, liest sich vergleichsweise einfach und gibt zudem einen guten Überblick über aktuelle Hypothesen zum Thema „Entstehung des Lebens“. Der entscheidende Punkt im Szenario – die Entstehung der Translation – kommt freilich arg knapp weg, aber das bin ich mittlerweile bei den meisten Szenarios gewohnt … 😉
Passend zum Thema habe ich heute dieses Buch erstanden:
https://www.amazon.de/Funke-Lebens-Energie-Evolution/dp/3806234841
Nick Lane steckt mitten drin in der Forschung zur Entstehung des Lebens. Ein erstes Überfliegen des Textes zeigt, dass er hier eine solide Arbeit geleistet hat, um den Lesern den aktuellen Forschungsstand nahezubringen. Streckenweise ist es zwar etwas anspruchsvoll für Leute, die sich in die Thematik erst einlesen wollen, aber niemals so, dass man nicht mehr mitkommen könnte.
Für mich eine gelungene Darstellung der Problematik aus der Sicht der energetischen Prozesse, die im Kontext mit der Entstehung und Entwicklung der Membranen zu sehen sind. Die Problematik der organisatorischen Kopplung zwischen „RNA-Welt“ und „Protein-Welt“ über die Translation und damit den genetischen Code kommt hierbei zwar sehr knapp weg, aber dafür ist die Schilderung des „Membranen-Komplexes“ ein lesenswertes Highlight für sich, das auf dem deutsschsprachigen Büchermarkt ein Novum darstellt.
Ich kann dieses Buch wärmstens zur Lektüre empfehlen!
@Hoffmann
Danke für den Buchtipp, wird gleich morgen bestellt. Deinen anderen – den Plaxco/Groß – fand ich ja schon sehr informativ (und lese ihn gerade zum wiederholten Mal).
@Hoffmann: danke für den Tipp!