Die Vorrunde der Fußball-Europameisterschaft neigt sich dem Ende zu. In meiner Serie über interessante Wissenschaft aus den Teilnehmerländern habe ich schon Irland, Ungarn, Russland und Italien ausführlich behandelt. Aber es gibt ja noch viel mehr Länder bei der EM. Sogar Ländern, die abseits des Fußballplatzes gar keine richtigen Länder sind. Wales zum Beispiel! Dort wohnen und wohnten jede Menge interessante Menschen die interessante Dinge herausge- und erfunden haben. Wie etwas das Gleichheitszeichen.
Heute ist das simple „=“ ein Standardsymbol der Mathematik, das man schon als kleines Kind in der Schule lernt. Aber auch wenn die Menschen schon immer gerechnet haben, hat es doch ein wenig gedauert, bis sich die für uns heute übliche und vertraute Symbolik entwickelt haben. Es erscheint irgendwo komisch, dass es das Gleichheitszeichen nicht schon von Anfang an gegeben hat. Aber genau so war es. Früher hat man Mathematik beschrieben; also nicht mit abstrakten Symbolen sondern den ganz normalen Wörtern.
Das ist natürlich aus heutiger Sicht ein wenig umständlich, aber früher kam man damit klar. In mittelalterlichen mathematischen Texten hat man statt eines Zeichens die komplette Phrase (zum Beispiel „est egale“) benutzt und voll ausgeschrieben. Später hat man Variationen des Zeichens æ (für „aequalis“) verwendet – aber das erste echte Gleichheitszeichen findet sich in einem Buch aus dem Jahr 1557. Geschrieben hat es der im Jahr 1510 geborene Waliser Robert Recorde. Er war Arzt und Mathematiker und eines seiner mathematischen Bücher trägt den schönen Titel „The Whetstone of Witte“ („Der Wetzstein des Wissens“). Genauer gesagt lautet der vollständige Titel: „The Whetstone of Witte, whiche is the seconde parte of Arithmeteke: containing the extraction of rootes; the cossike practise, with the rule of equation; and the workes of Surde Nombers“ (irgendwie finde ich diese alten Buchtitel ja super – ich finde, diesen Trend sollte man wiederbeleben).
In diesem Buch schreibt Recorde, dass es ihm auf die Nerven geht, immer „ist gleich mit“ zu schreiben wenn irgendwelche Zahlen gleich groß sind und stattdessen ein Symbol verwendet, das zwei parallele Linien zeigt, da nichts gleicher als zwei solcher Linien sein kann. Oder, in seinen eigenen Worten:
„to auoide the tediouſe repetition of theſe woordes : is equalle to : I will ſette as I doe often in woorke vſe, a paire of paralleles, or Gemowe lines of one lengthe, thus: =, bicauſe noe .2. thynges, can be moare equalle“ (to avoid the tedious repetition of these words: „is equal to“, I will set (as I do often in work use) a pair of parallels, or Gemowe lines, of one length (thus =), because no two things can be more equal.
Diese eigentlich gute Idee hat sich aber nicht so rasend schnell durchgesetzt. Die Leute haben weiter das æ oder andere Wörter bzw. Abkürzungen benutzt. Von Wales bzw. den britischen Inseln bis nach Europa hat es das Gleichheitszeichen erst im 17. Jahrhundert geschafft; vermutlich durch Gottfried Wilhelm Leibnitz, der in engem Kontakt mit englischen Wissenschaftlern stand.
Die Geschichte der Entwicklung der modernen mathematischen Symbole ist erstaunlich komplex und man könnte ganze Bücher darüber schreiben (was natürlich auch geschehen ist. Das Gleichheitszeichen hat von Wales aus heute jedenfalls die ganze Welt erreicht.
Eine andere Schöpfung von Robert Recorde war nicht ganz so erfolgreich – obwohl es meiner Meinung nach eine große Schande ist, dass das Wort Zenzizenzizenzic nicht mehr verwendet wird! Mit diesem Begriff hat Recorde das Quadrat eines Quadrates einer Quadratzahl bezeichnet. „Zenzic“ leitet sich vom italienischen „censo“ ab, was so viel wie „quadriert“ bedeutet. Und dreimal zenzic sind dann eben drei Quadrierungen. Ok, das moderne Äquivalent – „hoch 8“ – ist ein wenig leichter auszusprechen. Aber es klingt lange nicht so schön!
Wie es beim Fußball aussieht und ob die von Wales geschossenen Tore gleich groß, größer oder kleiner als die Zahl der von Russland geschossenen Tore sind, wird sich zeigen. Sollte das Match aber 256 zu 2 für Wales ausgehen, dann wissen die Sportjournalisten hoffentlich, welches Wort sie in den Schlagzeilen zu verwenden haben!
„est egale“ ist aber kein Latein. Es könnte französisch sein, wobei „egale“ die feminine Form von „egal“ ist, in modernem Französisch mit Akzent geschrieben, also „égal(e)“. Latein wäre „æqualis est“ oder im Neutrum „æquale est“. Umgekehrt geht auch: „est æqualis“. Im Lateinischen ist die Wortstellung ziemlich frei.
Danke. Da hab ich was verwechselt. Das Latein kam erst beim „ae“…
Kann das nicht mittelalterliches „Küchenlatein“ sein? Das Latein hat sich ja weiterentwickelt, in Richtung der modernen romanischen Sprachen.
@Robert Recorde
Oh, yes, Sir: „:“
Erinnert mich an einen alten Witz: Was ist der Unterschied zwischen einer Krähe? Es gibt keinen. Beide Beine sind gleich lang (besonders das rechte).